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Stand: 28. Februar 2014

Ein Weg zum Marathon

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Sechster Teil:  Den Marathon laufen

Den Marathon laufen

1. Die letzten Wochen vor dem Marathon: Wettkampfvorbereitung

2. Die letzten Tage vor dem Marathon

3. Die letzten Stunden vor dem Marathon

4. Unterwegs auf der Marathonstrecke

5. Nach dem Marathon

Den Marathon laufen

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1. Die letzten Wochen vor dem Marathon: Wettkampfvorbereitung

1.1 Zielzeit und Lauftaktik festlegen

Hinweis: Wo nicht anders angegeben, basieren die Überlegungen zur Lauftaktik am Beispiel eines Läufers/einer Läuferin, der/die für eine Zielzeit 3:59 h trainiert hat.

1.1.1 Zielzeit festlegen

Sicher kreisen deine Gedanken beim Lauftraining wiederholt um die erreichbare Marathon-Laufzeit. Zweifel beherrschen dich, obwohl im Grunde seit Auswahl des Trainingsplans feststeht: Du trainierst für eine Zielzeit von 3:59 h und darfst diesen Wert daher zuversichtlich deiner Lauftaktik zu Grunde legen.

Um die für einen Marathon unerlässliche Langzeitausdauer zu erwerben, ist Lauftraining für ein Vierteljahr die alles beherrschende Freizeitaktivität. Dein Leben „dazwischen“ und „darum herum“ fordert aber seinen Tribut. Neben Krankheit oder Verletzung erzwingen vor allem soziale und berufliche Verpflichtungen Trainingsausfälle. Auch massive Trainingsunlust sei als Hinderungsgrund akzeptiert, wenn sie körperlicher Überlastung entspringt. Alles in allem sind gewisse Trainingseinbußen wahrscheinlich, wenn nicht gar unvermeidlich. Du fragst dich sicher, welche Konsequenzen das für den Marathonlauf hat.

Angesichts einiger weniger verkorkster oder ausgefallener Trainingseinheiten ist die angepeilte Laufzeit nicht in Gefahr. Nicht mal ein fehlender langer Lauf oder zwei verpasste Einheiten in Folge können die Zielzeit gefährden, wenn du im Übrigen gut mit dem Trainingsplan zu Rande kommst und ihn diszipliniert umsetzt. Zum einen sind unsere (und sicher auch andere) Trainingspläne nicht auf Kante genäht. Sie verfügen über einen gewissen Puffer, um kleinere Verwerfungen im Trainingsgeschehen zu kompensieren. Auch dein auf Ausdauer getrimmter Organismus vermag gewisse Trainingseinbußen auszugleichen.

Ein durch Trainingsausfall erzwungener Ruhetag wird mit einem gewissen Automatismus dazu führen, dass du in der Folge sehr engagiert und entschlossen zu Werke gehst. Besser ausgeruht wirst du unbewusst auch mit etwas mehr Intensität als gewöhnlich trainieren. Du solltest jedoch auf keinen Fall versuchen Trainingsausfälle nachzuholen. Verlängerte oder zusätzliche Einheiten verhindern ausreichende Regeneration. Die Folgen wären mindestens fehlende Trainingswirksamkeit und ein erhöhtes Verletzungsrisiko (siehe Teil 5: „Regeneration im Marathontraining“).

Welche Trainingsausfälle bringen denn nun die mögliche Laufzeit in Gefahr? Exakt kann dir das weder der Urheber deines Trainingsplans noch irgendein gewiefter Trainer vorrechnen. Die folgende Auflistung skizziert einige Geschehen exemplarisch, die sich aller Voraussicht nach verlängernd auf die Marathon-Laufzeit auswirken:

Genug der unguten Beispiele. Sie verdeutlichen, unter welchen Umständen du deine Zielzeiterwartung merklich korrigieren solltest. Unter „merklich korrigieren“ ist ein Zeitaufschlag von einer Viertelstunde zu verstehen. Statt der erträumten 3:59 h bilden dann realistische 4:15 h die Planungsgrundlage.

1.1.2 Lauftaktik (Renneinteilung)

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Fast alle Freizeitläufer gehen den Marathon zu schnell an. Vom Lampenfieber ausgeschüttetes Adrenalin und der zu 100% ausgeruhte Körper fälschen die gewohnte Wahrnehmung der Belastung. Eigenheiten der Startphase verschärfen die Situation: Im Feld entstehen immer wieder Stockungen oder langsamere Kontrahenten versperren den Laufweg. Die Versuchung wird übermächtig, irgendwie außen vorbei zu ziehen (Woher ich das wohl weiß?). Die kurzen Zwischenspurts treiben den KH-Verbrauch gewaltig in die Höhe. Und von Mal zu Mal steigt das Lauftempo, weil du nicht mehr in beherrschten Trab zurückfällst. Auch das allgegenwärtige, ungewohnte Getrappel ringsum lässt einen das eigene Tempo unterschätzen. Außerdem kenne ich wenig, was einen Läufer mehr mitreißt als ein gut inszenierter Marathon-Massenstart. Mit dem Startschuss brechen sich Zweifel und Nervosität der letzten Wochen Bahn. Für Minuten bist du hormonell „zugedröhnt“. Dein Adrenalinspiegel versetzt dich in eine Art läuferischer Unzurechnungsfähigkeit … Insgesamt addieren sich diese Einflüsse zu einem vermehrten KH-Verbrauch in der Anfangsphase. Untersuchungen haben gezeigt, dass Marathonläufer bis zu 20% Prozent der Kohlenhydratvorräte innerhalb der ersten fünf (!!) Minuten verschleudern. Selbstverständlich sollst du den Auftakt genießen. Wir laufen, um Spaß zu haben. Dennoch darf dir die Kontrolle über deine Beine im Marathonrausch nicht entgleiten.

Unsere Empfehlung für eine gleichermaßen sinnvolle wie praktikable Lauftaktik lautet: Auf den ersten Kilometern langsam beginnen, danach ein möglichst gleichmäßiges Lauftempo bis ins Ziel halten. Diese Vorgabe berücksichtigt sportwissenschaftliche Erkenntnisse und eingeschränkte Möglichkeiten von Freizeitläufern:

Die Einlaufphase zur Aktivierung des Fettstoffwechsels zieht sich über etwa vier Marathonkilometer. Auf diesem Streckenabschnitt bleibst du 10 bis 20 Sekunden (je nach Zielzeit) über der für den Rest des Marathons vorgesehenen Pace. Am Beispiel der Zielzeit 3:59 h soll die Kalkulation des Renntempos dargestellt werden:

Konstantes Lauftempo stärkt auch deine Motivation: Etwa ab der Halbmarathon-Distanz büßen immer mehr Läufer für die überzogene Anfangsgeschwindigkeit. Du wirst einen nach dem anderen einsammeln, hinter Kilometer 30 scharenweise. Diese augenfällige Demonstration ungebrochener Ausdauer wird dich in einer Weise beflügeln, wie du es kaum für möglich hältst.

Möglicherweise rät man dir aus scheinbar berufenem Munde zu einer anderen Lauftaktik. Begegne solchen Ratschlägen mit Skepsis. Weder Spruchweisheiten noch raffiniert ausgetüftelte Vorgaben der Weltelite taugen zur sinnvollen Tempogestaltung eines Freizeitmarathonis. Zwei Beispiele:

„Lauf schnell los, langsamer wirst du von selbst!“ Dieser Slogan ist ebenso unsinnig wie verbreitet. Das mag bei einem 5.000 m-Lauf noch relativ erträglich mit schweren Beinen auf dem letzten Kilometer enden. Ein Marathoni, der dieser „Weisheit“ nacheifert, schmort dagegen auf den letzten 10 Kilometern in der Hölle. Und dort schürt nicht nur der Hammermann.

Weltklasseläufer teilen sich den Wettkampf nach der 51/49-Regel ein: Die erste Hälfte in 51, den zweiten Halbmarathon in 49% der Zielzeit absolvieren. Hochausdauertrainierte Spitzenläufer erreichen damit die besten Ergebnisse. Für Freizeitläufer ist sie kaum praktikabel.

1.1.3 Hinweise zur Umsetzung der Lauftaktik

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Die Vorgabe lautet: Auf den ersten Kilometern langsamer und danach ein regelmäßiger Schnitt. Das klingt einfacher als es tatsächlich ist. Kaum ein Freizeitläufer – gleich, ob Debütant oder „Wiederholungstäter“ – vermag ein vorgegebenes Tempo genau zu treffen und über 40 km gleichmäßig zu halten. Anfangs strotzt du vor Kraft, wie seit Wochen nicht mehr, rennst zwangsläufig zu schnell. Doch spätestens auf dem letzten Streckendrittel verlangsamt einsetzende Ermüdung die Schritte. Außerdem unterliegen viele Läufer Tempowechseln, die sie gar nicht wahrnehmen. Nötig ist also die fortlaufende Überwachung und Korrektur des Lauftempos. Als Referenz dient hierbei eine Tabelle der Zwischenzeiten nach jedem Kilometer. Die Tabelle erstellst du selbst (siehe nächster Abschnitt), die Kilometereinteilung findest du an der Strecke vor.

Hierzu stellen praktisch alle Veranstalter von Marathonläufen Kilometertafeln auf. Leider gibt es große Unterschiede, was die Auffälligkeit dieser Streckenmarkierungen angeht. Von zentimetergroßen Täfelchen oder Ziffern auf Asphalt bis hin zu mannshohen Schildern haben wir alles vorgefunden. Erkundige dich vor dem Lauf, auf welche Weise die Strecke markiert ist. Wenn möglich: Gehe den Anfang der Strecke ab und suche die erste Tafel, die im Aufgalopp hunderter Mitläufer leicht übersehen wird. Der Markierung von Kilometer eins kommt besondere Bedeutung zu, weil du aller Wahrscheinlichkeit nach zu schnell unterwegs sein wirst!

Beispiele für Kilometertafeln
   

Zu schnell auf dem ersten Kilometer? Noch ist nichts verloren. Mäßige deine Schrittfrequenz und warte auf die nächste Tafel. Dort nimmst du die zweite Zwischenzeit und passt neuerlich dein Lauftempo an. Dieser Vorgang wiederholt sich nun auf Basis der Zwischenzeitentabelle (nächster Abschnitt) alle tausend Meter.

42,195 Kilometer sind ein weiter Weg und drei bis fünf Stunden eine lange Zeit. Sicher wirst du mentalen Attacken ausgesetzt sein, die es zu parieren gilt. Nach 15 bis 20 Kilometern fühlst du bereits einen gewissen Grad der Ermüdung. Trainingsläufe in diesem Tempo endeten alle früher. Plötzlich ist er wieder da, der Zweifel es zu schaffen. Möglich ist aber auch das gegenteilige Empfinden: Mit nicht erwarteter Leichtfüßigkeit steuerst du auf die Halbmarathonmarke zu. Mehrfach flüstert der Verführer in dein Ohr: „Du bist supergut drauf heute! Lauf doch einfach etwas schneller! Das geht schon!“ So oder so: Lass dich nicht beirren und halte an deiner Taktik fest.

Wer schon einige Marathons hinter sich hat kennt alle Verlaufsformen: Qualvoller Schluss nach gutem Beginn ebenso, wie müden Auftakt gefolgt von glanzvollem Finish. Manchmal rannte ich mit Begeisterung los, hielt mich wacker im Mittelteil und hatte auf den letzten Kilometern noch immer Spaß. Auch Hängen und Würgen kenne ich, Murks ohne Lichtblick, von 0 bis 42,195. Nix is fix! Es gibt keine körperlichen Indikatoren, die bereits auf der ersten Streckenhälfte verlässliche Prognosen auf das Finish zulassen. Daher:

1Das gilt natürlich nicht, wenn ein Läufer bereits angeschlagen in den Wettkampf geht – zum Beispiel durch die Nachwehen einer Erkältung. Du kennst deinen Körper aus dem Trainingsgeschehen gut genug, um beurteilen zu können, wann Erschöpfung und müde Beine ein erträgliches oder übliches Maß überschreiten.

1.1.4 Tabelle der Zwischenzeiten

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Anfertigen einer Zwischenzeitentabelle: Als Grundlage für die Tempokontrolle dient eine Tabelle der für jeden Kilometer berechneten Zwischenzeiten. Mit Klick auf das Excel-Symbol kannst du eine Routine zur Zwischenzeitkalkulation downloaden. Nach Eintrag der Zielzeit auf dem ersten Tabellenblatt berechnet das Excel-Format alle Zwischenzeiten. Dabei ist ein Zeitzuschlag von jeweils 15 Sekunden auf den Kilometern 1 bis 4 vorgesehen (Begründung siehe Abschnitt 1.1.2). Den Rest der Strecke teilt die Tabelle in konstante Zeitintervalle auf. Du kannst den Zeitzuschlag zum Einlaufen auf dem ersten Tabellenblatt ändern. Dies wird jedoch nur bei Zielzeiten über 4:29 h (Zuschlag 20 bis 25 Sekunden) und unter 3:14 h (Zuschlag nur 8 bis 12 Sekunden) empfohlen. Die Einträge von Zielzeit und Zuschlag werden vom ersten Tabellenblatt auf die folgenden übernommen. Sie enthalten die gleiche Tabelle in anderen Schrift- und Spaltenformatierungen.

Beachte vor dem Ausdruck folgende mögliche Schwierigkeiten bei der späteren Handhabung der Tabelle:

  1. Weitsichtige, die ohne Brille laufen, sollten die für sie noch eindeutig erkennbare Schriftgröße anlässlich eines langen Laufes ermitteln.
  2. Niederschlag, Schweiß und verschüttetes Getränk verwandeln eine ungeschützte Tempotabelle rasch in einen unbrauchbaren Fetzen Papier.
  3. Die Tabelle sollte so mitgeführt/aufbewahrt werden, dass sie nicht nervt, aber jederzeit ungehindert abgelesen werden kann.

Lösungsansatz für b und c: Die ausgedruckte Tabelle ausschneiden, in Klarsichtfolie versiegeln, zu einem Ring verkleben und über das Armband der Laufuhr streifen (siehe im Bild rechts). Die Versiegelung des Papierstreifens ist mit einem Folienschweißgerät oder Klebeband (Tesafilm) möglich. Den Tesafilm klebst du überlappend von vorne und hinten auf den Papierstreifen. Nach festem Andrücken, zum Beispiel mit einem Lineal, übersteht die Tabelle leserlich jeden noch so feucht-klebrigen Marathonlauf. Alternativ kann die wasserdicht versiegelte Tabelle auch an Kleidung oder der Startnummer befestigt werden.

Mit Klick auf nebenstehendes Excel-Symbol kannst du eine Routine herunter laden, die keinen Zeitzuschlag bei den ersten vier Kilometern vornimmt. Das Format soll Läufer unterstützen, die mit gleichmäßiger Pace über die gesamte Distanz laufen wollen.

Abgespeckte Zwischenzeitentabelle: Bei allen Tempi die auf 10, 15 oder 20 Sekunden enden, also 4:10, 5:15, 5:20, 6:10 min/km und andere, genügt eine reduzierte Zwischenzeitentabelle.

Ein im Kopf kalkulierbares Beispiel soll die Anwendung der Methode verdeutlichen:

Renntempo 4:15 min/km, also Tabelle in 4 km-Schritten; gesucht: Zwischenzeit für Kilometer 26
Aus Tabelle ablesen: Zwischenzeit 24 km: 1:42h
Zwischenzeit 26 km im Kopf berechnen: 1:42h + (2 x 4:15 min) = 1:42h + 8:30 min = 1:50:30h

Bei 4:30, 5:30 oder 6:30 min/km, also MRT, die auf halbe Minuten enden, kommst du eventuell sogar ohne Tabelle aus. Für je 10 Kilometer vergehen 45, 55 bzw. 65 Minuten. Zwischenwerte können wieder im Kopf überschlagen werden.

Renntempo 5:30 min/km, Zwischenzeit für Kilometer 28
Zunächst: Zwischenzeit 30 km: 3 x 55 min = 2:45h
Dann: Zwischenzeit 28 km: 2:45h – 2 x 5:30 min = 2:45h – 11 min = 2:34h

Noch leichter fällt die Kalkulation bei ganzzahligen Marathonrenntempi, also 4, 5 ,6 und 7 min/km.

Zur Zwischenzeitkontrolle bei ganzzahligen MRT gibt es ein weiteres, einfaches Verfahren bei dem nur die Sekundenanzeige abgelesen wird. Zum Beispiel sollten bei einer Pace von 5 min/km die Kilometertafeln jeweils bei einer Sekundenanzeige von x:00 passiert werden. Abweichungen mit Plus- oder Minussekunden fallen sofort auf. Größere Abweichungen sind nur bei unvorhergesehenen Pausen zu erwarten. Verschiebt sich die Anzeige tatsächlich, dann merkst du dir den Sekundenwert der aktuellen Zwischenzeit, der dann einen Kilometer weiter die neue Sekundendurchgangszeit vorgibt.

Zwischenzeitentabelle auf dem Unterarm: Manche Läufer schreiben sich die wichtigsten Zwischenzeiten mit wasserfestem Stift auf die Innenseite ihres Unterarms. Diese Methode bietet sich besonders bei den auf x:10, x:15 oder x:20 min endenden Lauftempi an.

1.1.5 Lauftaktik an Strecke und Unwägbarkeiten anpassen

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Markante Steigungen, ungünstige Witterung oder Zwangspausen vereiteln gleichmäßiges Laufen. Debütanten oder Läufer mit Bestzeitambition wählen daher einen Marathon auf schnellem, flachem Kurs. Miserables Wetter oder Zwischenfälle lassen sich nicht voraussehen. Dennoch solltest du kurzfristig und jederzeit dein Lauftempo der jeweiligen Situation anpassen können.

Stark profilierte Marathonstrecken: Normalerweise geben Veranstalter die zu überwindenden Höhenmeter im Auf- und Abstieg an. Befinden sich Start und Ziel am selben Ort genügt natürlich ein Wert. Bei einer Reihe von Marathonstrecken – nicht nur in den Bergen – besteht jedoch zwischen Start und Finish neben der horizontalen auch eine vertikale Differenz. Streckenprofile mit relevanten Höhenunterschieden verlängern die Zielzeit. Was als relevanter Höhenunterschied gilt, hängt von deiner Erfahrung und deinem Training ab. Debütanten auf der Marathonstrecke sollten sich einen Marathon aussuchen, bei dem die Höhendifferenz insgesamt 100 Meter nicht übersteigt. Schon diese vergleichsweise harmlose Bodenerhebung rechtfertigt einen Zielzeitzuschlag von ein paar Minuten.

Beispiel für ein ausgesprochen flaches, schnelles Profil (Regensburg Marathon)

Genaue Vorhersagen, um welchen Betrag sich die Laufzeit durch das Profil einer Marathonstrecke verlängert, sind nicht möglich. Zu viele Faktoren spielen dabei eine Rolle. Die Faustformel „pro 200 Höhenmeter im Auf- und Abstieg einen Zeitaufschlag von einem Kilometer“ kann unerfahrenen Läufern als Anhalt dienen. Beispiel:

Realistische Zielzeit auf flachem Kurs: 3:59:00 h
Zeitbedarf für einen Kilometer flach: 5:40 min
Profil des XYZ-Marathon: 400 Höhenmeter = 2 x 200 Hm
Berechnung Zeitaufschlag: 2 x Zeitbedarf 1 km flach = 2 x 5:40 min = 11:20 min
Realistische Zielzeit für XYZ-Marathon: 3:59:00 h + 11:20 min = 4:10:20 h

Diese Kalkulation dient lediglich der Orientierung. Keinesfalls liefert sie minutengenaue Zwischenzeiten!

In Anstiegen nimmst du das Lauftempo unter die durchschnittliche Pace zurück und legst im Gefälle einen Zahn zu. Aufwärts langsamer zu laufen ist zwingend notwendig, um die Kohlenhydratvorräte nicht vorfristig aufzubrauchen. Lass dich von vorbei preschenden Läufern nicht beirren: Entweder handelt es sich um Staffelläufer, die nur ein paar Kilometer vor sich haben; oder du siehst die Rückseite von leichtfertigen Menschen, die nach Kamikaze-Manier dem Hammermann in die Arme rennen. Jenseits der 30 km-Marke wirst du sie wieder einholen …

Vielfach kann man auf der Internetseite des Veranstalters ein Höhenprofil als Grafik abrufen. Die Darstellung lässt erkennen in welchen Laufphasen die wesentlichen Anstiege zu überwinden sind. Du kannst deine Lauftaktik grob daran ausrichten und dich moralisch auf die Anstiege vorbereiten. Beispiel: Ist ein markanter Anstieg in der Schlussphase zu überwinden, solltest du bis dahin Kräfte sparen. Dass es bis Kilometer 30 gut läuft, nützt dir nichts mehr, wenn just im Anstieg die Beine melden: „Flasche leer!“.

Die Grafik des Höhenprofils ist zu ungenau, um sie in die Tabelle der Zwischenzeiten einzuarbeiten (siehe Bild unten, Beispiel der früheren Strecke des München Marathons). Wann eine Steigung beginnt und endet kann nicht exakt lokalisiert werden. Und 100 Meter Versatz entsprechen schon ungefähr 30 gelaufenen Sekunden. Zudem verlaufen Steigungen in der Skizze oft stetig, während sich real der Neigungswinkel ändert. Es kann sogar ein Gefälleabschnitt eingelagert sein, den die Darstellung unterschlägt. Im Übrigen stündest du vor dem Problem den steigungsabhängigen Zeitzuschlag richtig zu kalkulieren.

Eine Zwischenzeitentabelle kann dir dennoch bei der Orientierung helfen, wenn du sie mit korrigierter Zielzeit erstellst. Die tatsächliche Anwendung der Tabelle richtet sich dann nach der Verteilung der Höhenmeter. Bei gleichmäßiger Verteilung wirst du fortwährend Zeit einbüßen und einen Teil davon im Gefälle aufholen. Zwischendrin, vielleicht nach 5, 10, 15, 20, 25 usw. Kilometern, solltest du jeweils ungefähr im Zeitsoll liegen. Konzentrieren sich die Höhenmeter jedoch auf einen bestimmten Teil der Strecke, dann wirst vor dem ersten Anstieg dem Plan vorauseilen und erst nach dem letzten Gefälle wieder mit den Zwischenzeiten übereinstimmen.

Bitte berücksichtigen: : Diese Vorgehensweise birgt deutlich mehr Unsicherheit und Ungenauigkeit, als die Kalkulation einer Zwischenzeitentabelle für flache Strecken. Wie viele Minuten deiner Zielzeit tatsächlich aufzuschlagen sind, hängt von zu vielen Faktoren ab. Zum Beispiel kannst du im Aufstieg verlorene Zeit nur dann zu einem hohen Prozentsatz wieder aufholen, wenn das anschließende Gefälle nicht zu steil ist. Oder auch das: Falls du Teile deines Trainings in profiliertem Gelände absolviert hast, wirst du das Auf und Ab deutlich besser verkraften, als reine Flachlandläufer. Die oben angegebene Faustformel gibt nur einen sehr groben Anhalt!

Marathon auf Feld- und Waldwegen: Auch bei Strecken, die nicht komplett asphaltiert oder betoniert sind, verlängert sich die Laufzeit. Der Aufschlag hängt von der Wegbeschaffenheit ab und welcher Anteil des Marathons doch noch auf Asphalt abgewickelt wird. Zwei, drei Kilometer auf tiefem Boden (durch Regen aufgeweicht oder sandig) können dich beispielsweise ziemlich viel Kraft kosten. Und leider steht erst hinterher fest, wie fordernd der Untergrund tatsächlich war. Kalkulationshilfen gibt es für solche Strecken nicht. Unerfahrene Marathonläufer sollten entweder auf solche Veranstaltungen verzichten oder ihr Tempo zur Sicherheit großzügig reduzieren.

Außergewöhnliche Witterung: Das Thermometer zeigt 15°C, eine dichte Wolkendecke verhindert direkte Sonneneinstrahlung, es bleibt trocken, die Luftfeuchtigkeit bewegt sich in normalem Rahmen und nicht mal das leiseste Lüftchen regt sich; zusammengefasst also ideale Bedingungen für dein Marathondebüt oder die Realisierung einer neuen persönlichen Bestzeit. Die Wahrscheinlichkeit solche Verhältnisse am Marathonsonntag tatsächlich anzutreffen tendiert gegen null. Nieselregen, Sonnenschein an kühlen Tagen oder dann und wann eine unangenehme Windböe gefährden nun nicht gleich deine Marschroute für den Lauf. Aber ich trabte auch schon 42,195 Kilometer in strömendem Regen, kämpfte auf Wendestrecken 20 km gegen steife Winde – einmal gar in Orkanstärke – fror in unablässigen Graupelschauern oder vergoss Sturzbäche von Schweiß bei Temperaturen weit über 20°C. Im April und in der Zeit von Mitte September bis Ende Oktober ist die Wahrscheinlichkeit für gutes Marathonwetter am größten. Wenn die Elemente am Marathontag dennoch verrückt spielen, kann deren Einfluss über die Wahl der richtigen Bekleidung minimiert werden. Dazu steht mehr in Abschnitt 1.3.1 (Die Qual der Bekleidungswahl). Folgende Bedingungen erzwingen jedoch immer eine Tempomäßigung:

Auch witterungsbedingte Behinderungen sind nicht in Zahlen zu fassen. „Weicheier“ kommen schlechter über die Runden als Naturburschen und auch das Erbgut spielt eine Rolle: Manche Menschen vertragen Hitze einfach besser als andere, die dafür mit Eiseskälte besser klar kommen.

Hinweis: Der gravierendste Einfluss geht von Sonnenschein und Temperaturen deutlich über 20°C aus. „Hitzeläufe“ erfordern einen Zeitzuschlag von 15 bis 30 Minuten oder mehr. Wenn sich das Quecksilber der 30°C-Marke nähert, steigt zudem das Risiko lebensbedrohlicher Zustände (Kreislaufkollaps, Hitzschlag oder andere) exponentiell an!

Zwangspausen: Einige, zumeist selbst erlebte Katastrophen sollen exemplarisch verdeutlichen, welche Umstände deinen Zielzeitträumen den Garaus bereiten können:

  1. Körperliche Unpässlichkeiten
  2. Ausufernde Trink- und Esspausen
  3. Sturz mit Verletzung
  4. Zu spät am Start
  5. Hilfeleistung für verletzte Mitläufer

Zu a: Natürlich trachtete ich stets danach ohne Pinkelpausen auszukommen. Mit der richtigen Trinkstrategie vor und während des Laufes gelang das oft. Doch auch im Falle des Falles: Überschüssige Flüssigkeit kannst du binnen 20 bis 30 Sekunden am Streckenrand loswerden; sogar Frauen finden dann und wann direkt neben der Strecke ausreichend Sichtschutz. Von dieser kurzen Unterbrechung geht die Welt … pardon … die Zielzeit nicht unter. Erst längere Toilettenbesuche (zwei, drei Minuten) oder eine Häufung kürzerer Pausen machen sich bemerkbar.

Gravierender sind meist Probleme im Magen-Darm-Trakt, die vergleichsweise häufig auftreten. Sie werden von der in dieser Menge und Hast ungewohnten Flüssigkeitszufuhr und stundenlanger, rhythmischer Erschütterung im Bauchraum ausgelöst. Auch ein nach falsch durchgeführtem Carboloading mit Kohlenhydraten verstopfter Darm kann dich martern. Die Folgen sind Schmerzen im Unterleib, Durchfall oder auch Übelkeit und Erbrechen, begleitet von merklichem Zeitverlust.

Zu b: Marathonläufer finden in der Regel alle fünf Kilometer Verpflegungspunkte vor. Dort zu trinken ist Pflicht und eine gewisse Zeiteinbuße ist dadurch einzukalkulieren. Bei Leistungssportlern beschränkt sich der Zeitverlust auf Sekunden, da sie gelernt haben in vollem Lauf ihre Flasche zu übernehmen und zu trinken. Hobbyläufer greifen zum (meist in Bechern gereichten) Angebot des Veranstalters. Stehen bleiben, Becher nehmen, austrinken, wieder anlaufen, Laufrhythmus aufnehmen. Wer das flott praktiziert, verliert auch hierbei nur ein paar Sekunden. Insgesamt, bei acht Trinkpäuschen, etwa eine Minute. Immer wieder sind jedoch auch Läufer zu beobachten, die sich ausgiebig laben, und noch etliche Meter nach der Verpflegungsstation gemütlich einher schlendern. Wenn du darauf Wert legst, verlängere deine Zielzeit vorsorglich um fünf Minuten.

Zu c: Ein wenige Zentimeter im Laufweg aufragender Stein und Unachtsamkeit fällen mich auf einem 50 km-Berglauf in Tirol wie die Axt den Baum. Die Folge: Blutende Knie und Ellenbogen (siehe Bild oben) sowie eine angebrochene oder geprellte Rippe. Etwa fünf Minuten vergehen, um am nahe gelegenen Seeufer Blut und Dreck abzuwaschen, bevor ich meinen Weg fortsetze. Die Rippe schmerzt erst auf den letzten 10 Kilometern. Wie viel Zeit der Unfall insgesamt kostete, lässt sich nur mutmaßen. Stürze können glimpflicher ablaufen, aber auch üblere Folgen haben. Wenn du wieder auf zwei Beinen stehst, gilt es kritisch abzuwägen: Zielzeit aufgeben? Oder sogar den Lauf abbrechen? Übrigens ist die Wahrscheinlichkeit zu stolpern bei großen Marathon-Straßenläufen mindestens genauso hoch, wie im Gelände. Sehr oft, besonders in der Anfangsphase, kommt es zu Stockungen und Rangeleien zwischen dicht gedrängt trabenden Läufern.

Zu d: Unmöglich! Man kann doch zum Marathonstart nicht zu spät kommen? Ich kenne Läufer, denen genau das widerfuhr. Und mir selbst wäre es infolge Totalsperrung der Autobahn nach Unfall beinahe auch passiert. Und wer kurz vor dem Start noch vor den Toiletten Schlange steht, kann kaum pünktlich loslaufen. Bei Nettozeitmessung spielen ein paar Minuten Verspätung keine Rolle, so lange die Startzeitnahme noch nicht abgebaut wurde. Ansonsten wird deine Laufzeit mit dem Manko der Verspätung behaftet sein.

Zu e: Ein Mitläufer, der ohne Betreuung am Wegrand sitzt oder liegt, braucht Hilfe. Zumindest gebietet die Menschlichkeit zu fragen, wie es ihm geht und ihm nötigenfalls beizuspringen. In diesem Moment werden dein Marathon und noch mehr die Zielzeit völlig unwichtig.

1.1.6 Pacemaker statt Zwischenzeitkontrolle

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Bei größeren Laufveranstaltungen werden Pacemaker aufgeboten; meist für Zielzeiten im Viertelstundenabstand, von 3 h bis 4:30 h. Hierfür engagiert der Organisator erfahrene, sehr gut ausdauertrainierte Läufer mit der Fähigkeit eine konstante Pace zu halten. Zugläufer tragen auffällige Trikots. Zusätzlich sind sie mit einem Luftballon gekennzeichnet und damit weithin sichtbar. Die Zielzeit steht auf Shirt oder Ballon. Manchmal gibt auch die Ballonfarbe Auskunft über die vorgesehene Endzeit.

Unerfahrene Läufer betrachten Schrittmacher als ideale Möglichkeit sich jeglicher Zwischenzeitsorgen zu entledigen. Dass dich bei der Nutzung von Schrittmacherdiensten durchaus unangenehme Überraschungen erwarten können, soll eine Auflistung der Vor- und Nachteile zeigen:

Vorteile

Nachteile

Wegen der geschilderten Nachteile empfehle ich dir auf Schrittmacherdienste zu verzichten. Mach dein eigenes Ding! Falls du dich dennoch an einen „Hasen“ hängen möchtest, solltest du folgende Vorkehrungen treffen:

1.2 Wie, wo, was rund um den Marathon

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Marathondebütanten verbinden mit der Teilnahme am Marathon eine Vielzahl administrativer Fragen. Wie melde ich mich an? Wie komme ich hin? Wo hole ich die Startnummer ab? Was muss ich vor, beim und nach dem Lauf beachten? Und vieles mehr. Obschon jede Veranstaltung ihre Eigenarten aufweist, gibt es viele Gemeinsamkeiten.

Als wichtigste Quelle empfehle ich die Internetseite des Veranstalters sehr sorgfältig zu lesen. Mit diesen Informationen entwickelst du eine Vorstellung von den Abläufen vor Ort. Je mehr du schon vor der Anreise weißt und planen kannst, umso geringer sind Unsicherheit oder gar Stress vor Ort.

Manchmal wirst du ein wenig nach Daten suchen müssen, die auf irgendeiner Seite der Homepage versteckt sind. Nicht selten sind die Angaben auch unvollständig. Dann hilft eine E-Mail-Anfrage beim Veranstalter. Das praktizierte ich zum Beispiel 2008 erfolgreich vor dem Cuxhaven Marathon, weil der Ort zur Abholung der Startnummer nicht veröffentlicht war.

1.2.1 Die Anmeldung

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Dem schon einige Monate alten Entschluss einen Marathon zu laufen hast du wahrscheinlich frühzeitig die Anmeldung folgen lassen. Falls nicht, wird es nun „höchste Eisenbahn“, weil Fristen einzuhalten sind. Alles hierzu Wissenswerte steht bereits in Teil 2, Abschnitt 4, „Den Marathon auswählen und anmelden“.

1.2.2 Abholung/Ausgabe des Startpakets

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Als Startpaket oder Startunterlagen wird bezeichnet, was der Veranstalter beim Abholen der Startnummer an Gegenständen – meist in einer Plastiktüte gesammelt – übergibt. Das Startpaket kann je nach Organisation des Marathons und Finanzkraft beteiligter Sponsoren mehr oder weniger umfangreich ausfallen. Bei kleineren Veranstaltungen erfolgt die Ausgabe am Lauftag bis kurz vor dem Start. Bei Groß- oder Megaereignissen wird die Abholung an Vortagen angeboten oder gar zur Pflicht erhoben. Man Stelle sich das Tohuwabohu vor, wenn 40.000 Läufer in Berlin zwei Stunden vor dem Start versuchten ihr Startpaket abzuholen … Öffnungszeiten und –tage, sowie den Ort der Ausgabe erfährst du auf der Internetseite des Veranstalters. Das Startpaket kann enthalten:

Die Startnummer: Im Minimalfall besteht das Startpaket aus deiner Startnummer. Das Reglement verlangt die Startnummer unverändert auf der Brust zu tragen. Also nicht auf dem Rücken anbringen und die Werbebanner der Sponsoren weder verdecken, noch umklappen. Vielen Menschen widerstrebt es, für Sportartikelhersteller und andere Unternehmen als joggender Werbeträger unterwegs zu sein. Ohne Sponsoren fiele die ohnehin oft deftige Startgebühr allerdings noch höher aus …

Transponder/Chip: Häufig basiert die elektronische Zeitmessung auf Transpondern bzw. Chips, die entweder der Startnummer anhaften, mit Klettband am Knöchel befestigt oder in die Schuhverschnürung eingebunden werden. Der verkapselte Transponder enthält eine elektronische Schaltung. Im Ziel sendet die Elektronik einen unverwechselbaren Code an den Empfänger, der deine Einlaufzeit vermerkt. Viele Systeme ermöglichen eine Nettozeitmessung, weil die individuelle Startzeit auf dieselbe Weise beim Überlaufen der Startlinie erfasst wird. Auch die nachträgliche Bereitstellung von Zwischenzeiten ist möglich. Bei der Ausgabe des Chips bzw. Transponders ist in vielen Fällen Pfand zu hinterlegen (Größenordnung 5 bis 30 Euro), das bei der Rückgabe erstattet wird.

Hinweis: Die größte Verbreitung national und weltweit hat das System „Champion Chip®“. Der Chip hat die Größe eines Zwei-Euro-Stücks und wird entweder in die Schuhverschnürung geflochten oder mittels Klettband über dem Fußknöchel getragen. Für den Champion Chip ist ein unverhältnismäßig hoher Pfandbetrag zu hinterlegen. Nicht zurück gegebene Chips gelten als gekauft. Die Firma personalisiert diesen Chip und schickt dir nach einigen Wochen entsprechende Unterlagen zu. Danach kannst du mit deinem Chip bei allen Veranstaltungen weltweit starten, die dieses System nutzen. Der Vorteil für den Läufer besteht darin, dass keine Wartezeiten bei Chipabholung sowie -abgabe entstehen und auch keine Leihgebühr anfällt. Die beträgt ungefähr 5 Euro pro Lauf, wodurch sich der Chipkauf nach wenigen Läufen rechnet. Natürlich liegen die Hauptvorteile auf Seiten des Chipanbieters, der auf diese Weise sein Produkt bekannt macht und international bei vielen Läufen platziert. Noch ein Hinweis: Im Ausland ist manchmal nicht auf den ersten Blick ersichtlich, dass der Champion Chip genutzt wird, weil der nationale Vertrieb mit anders lautendem Firmennamen erfolgt. In Österreich ist das zum Beispiel die Firma Pentek®.

Die vorstehende Information mit Nennung von Produkt- bzw. Firmennamen verstehst du bitte nur als Aufklärung und nicht als Kaufempfehlung. Der Chip-Markt ist inzwischen stark umkämpft. Weitere Firmen drängen mit ihren Produkten ins Geschäft und versuchen die Läufer gleichfalls zum Erwerb des Transponders zu bewegen.

Schriftliche Unterlagen: Je nach Größe und Start-/Zielsituation einer Marathonveranstaltung ergeben sich für den Läufer und seine Begleitung eine Reihe von Fragen:

Ganz wesentlich sind deshalb lückenlose Infoblätter mit Strecken- und Start-/Zielskizzen, die gleichfalls beim Startpaket zu finden sind. Viele Fragen lassen sich schon vorab auf der Homepage des Veranstalters klären, jedoch beileibe nicht alle. Lies die Infoblätter noch am Ort der Ausgabe, um offen bleibende Fragen an das OrgTeam richten zu können. Nimm ein Wörterbuch mit, wenn du im Ausland läufst und die Landessprache nicht beherrschst.

Kleiderbeutel: Marathon-Großveranstaltungen erfordern eine ausgeklügelte Organisation. Dazu gehören Aufbewahrung und gegebenenfalls Transport deiner Bekleidung und Habseligkeiten. Der Transport wird nötig, wenn Start und Ziel mehr als ein paar hundert Meter auseinander liegen. Für die Abgabe der Bekleidung stellen Organisatoren in vielen Fällen Kleiderbeutel zur Verfügung, die mit der Startnummer zu kennzeichnen sind. Meist werden nur die offiziellen Kleiderbeutel an den Abgabestellen (Zelte oder bei Transport Lkw) akzeptiert. Das ergibt durchaus Sinn, weil tausende der unterschiedlichsten Beutel, Taschen und Rucksäcke nicht handhabbar wären. Letztlich liegt es in deinem Interesse, wenn du den Beutel im Ziel ohne Verzögerung ausgehändigt bekommst. Bei kleineren Veranstaltungen werden auch individuelle Kleidersäcke angenommen. Kennzeichne das Behältnis schon vorab mit deiner Startnummer, weil das die Wartezeit bei der Abgabe verkürzt.

Hinweis: Begleitpersonen oder dein unweit geparktes Auto stellen nicht immer eine sinnvolle Lösung für die Gepäckaufbewahrung dar. Bei großen Marathonveranstaltungen ist die Zielankunft straff organisiert und der Zielbereich hermetisch abgeriegelt. Erst nach Verlassen des Zielbereiches hast du Zugriff auf deine Bekleidung und anschließend meist keine Rückkehrmöglichkeit, um dich in Ruhe zu laben. Um Schwächenanfälle und Erkrankungen zu vermeiden ist jedoch ratsam nach dem Zieleinlauf schnellstmöglich das Auskühlen zu verhindern und gleichzeitig mit dem Wiederauffüllen der Energiespeicher zu beginnen.

Finisher Shirt: Eigentlich erfüllt das Finisher Shirt die Funktion des Lorbeerkranzes, der später stolz beim Training in heimischen Gefilden getragen wird. Theoretisch sollte das Finisher Shirt also, wie die Medaille, nach dem Zieleinlauf überreicht werden. Praktisch kann ich mich nur an zwei Läufe erinnern, wo das tatsächlich so gehandhabt wurde. Üblicherweise steckt das Finisher Shirt bereits im Startpaket; häufig schon deshalb, weil du es vorab zusätzlich erwerben musstest. Und wie könnte man dir verweigern, was du bereits bezahlt hast?

Gutscheine: Häufiger Bestandteil des Startpakets sind Gutscheine. Zum Beispiel Essenbons für die Pastaparty, die manchmal auch nach dem Zieleinlauf eingelöst werden können. Je nach Organisation der Veranstaltung findest du auch Gutscheine für den Besuch eines nahe gelegenen Schwimmbades, wenn andere Duschmöglichkeiten fehlen.

Geschenke und Proben: Das Startpaket enthält manchmal auch Getränke, Probepackungen diverser Sponsoren und reichlich Werbung. Der Umfang dieser „Zutaten“ hängt sehr von der Bedeutung der Veranstaltung ab. Manches ist nützlich, einiges noch interessant, vieles aber einfach nur „für die Tonne“. Make your own decision!

1.2.3 Anreise und Unterbringung

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Wann immer Zeiten zu kalkulieren sind, solltest du großzügige Puffer vorsehen. Es kann viel passieren auf deinem Weg zum Marathon. Ein Autobahnstau könnte dich aufhalten oder du steigst in eine falsche U-Bahnlinie. Endlich vor Ort versauerst du womöglich in einer Warteschlange (Startnummernausgabe, Toilette). Je überlegter du Anreise und Unterbringung planst, umso entspannter lässt sich das Erlebnis „Marathon“ genießen. Fünf Örtlichkeiten der Marathonveranstaltung gehören in den Fokus deiner Überlegungen:

Nicht immer erfolgt die Ausgabe des Startpakets in Startnähe. Bei größeren Marathonveranstaltungen – so zum Beispiel in Berlin, Wien, Prag, Rom, Venedig, Madrid und anderen – musst du dich darauf einstellen, die Unterlagen spätestens am Vortag und einige Kilometer entfernt von Start und Ziel abzuholen. In jedem Fall solltest du bereits zu Hause den Ort der Ausgabe ermitteln, was in Deutschland im Einzelfall und im Ausland wegen der Sprachbarriere generell Probleme aufwerfen kann. Auch wenn die Möglichkeit besteht, empfiehlt es sich mit der Abholung des Startpakets nicht bis zum Lauftag zu warten. Kurz vor dem Start sind Gedränge und Wartezeiten groß.

Start und Ziel liegen nicht selten weit auseinander; auch bei Stadt-Marathons. Dann organisiert der Veranstalter den Teilnehmertransport mit Sonder-Bussen (z.B. in Florenz, Venedig, Linz und beim Brombachsee Marathon), öffentlichen Verkehrsmitteln (z.B. in Wien und Ulm), Sonderzügen (Treviso) oder sogar per Schiff (Dreiländer Marathon Lindau/Bregenz).

Falls eine Übernachtung einzuplanen ist, will der Ort der Unterbringung gut überlegt sein. Ein Hotel- oder Pensionszimmer für Marathonläufer sollte folgenden Anforderungen Rechnung tragen:

Noch zwei wichtige Hinweise zur Unterbringung: Je näher der Marathontag rückt, umso schwieriger wird es, ein günstiges, veranstaltungsnah gelegenes Zimmer zu finden. Deshalb sollte die Quartierbuchung Hand in Hand mit der Laufanmeldung vorgenommen werden. Manchmal bieten Marathonveranstalter auf ihrer Seite ermäßigte Zimmer an, oder setzen zumindest Links auf Buchungsmöglichkeiten.

Bei der Anreise mit dem Auto – insbesondere am Lauftag – solltest du bereits vorab die Parkmöglichkeiten sorgsam ausloten. Auch wenn der Veranstalter Parkplätze ausweist, empfiehlt es sich frühzeitig einzutreffen. Zum einen liegen Parkflächen manchmal dezentral, zum anderen reichen sie oft nicht aus. Verzweifelt umher irrende Autofahrer und letztlich alles chaotisch zuparkende Marathonis gehören zum „Flair“ diverser Veranstaltungen.

Zur Illustration mein Beispiel beim Rennsteiglauf 2008 im Örtchen Schmiedefeld: In Panik, weil die Sonderbusse zum 70 km weit entfernten Start in Eisenach gleich abfahren, zirkele ich meinen fahrbaren Untersatz auf winzigem Parkplatz in eine noch winzigere, schier unmögliche Ecke. Und das im Dunkel der Nacht, kurz vor halb vier Uhr morgens. Bis heute begreife ich nicht, wie mir das ohne Blechschaden gelang … Stress, den ich mir mit mehr Vorausschau hätte ersparen können.

Einen Parkplatz per Stadtplan oder Navi vorab zu planen kann in die Hose gehen: Meist weißt du nicht, welche Zufahrten in Sachen Marathons gesperrt sind. Es soll auch schon Läufer gegeben haben, die zwar noch „rein“ gekommen sind, danach aber nicht mehr „raus“, weil die Straßen bis zum Zielschluss (mindestens 5 Stunden nach dem Start) gesperrt blieben.

Ein Tipp für die Anreise per Flugzeug: Unentbehrliche Laufausrüstung – also mindestens Laufschuhe, Bekleidung, Uhr und persönlicher Chip – gehört zur Sicherheit ins Handgepäck. Du wärst nicht der erste Marathoni, dem das Gepäckband die Herausgabe seines Koffers verweigert …

1.3 Ausrüstung für den Marathon

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Dieser Abschnitt soll die Zusammenstellung einer zweckmäßigen und vollständigen Ausrüstung für den Marathon erleichtern. Wesentlich sind Überlegungen zur Auswahl angemessener Bekleidung und sonstiger Utensilien. Eine Checkliste zum Download dient als „Versicherung gegen das Vergessen“.

1.3.1 Die Qual der Bekleidungswahl

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Hinweis: Grundlegende Fragen zu Laufbekleidung beantwortet dir der Abschnitt „Ausrüstungstipps“ unserer Laufseite.

Oft fällt erst am Lauftag selbst die Entscheidung, welches Outfit dich optimal beim Vorhaben Marathon unterstützt. Jetzt ist es zu spät sich darüber zu ärgern, das bestmögliche Shirt leider nicht dabei oder gar nicht erst gekauft zu haben. Die Bekleidungsfrage mit allen Alternativen sollte so rechtzeitig beantwortet werden, dass ein Nachkauf noch möglich ist.

Hinweis: Vielleicht bist du gezwungen wegen knapper "Kriegskasse" Abstriche zu machen und eben nicht optimal "equipt" in den Lauf zu gehen. Dann ist das eben hinzunehmen und wird überdies deinen Erfolg kaum torpedieren. Unser "guter Rat" beschreibt natürlich die bestmögliche Ausstattung, auch wenn er wegen etwaiger Anschaffungen "teuer" werden kann.

Deine Überlegungen zum Wettkampf-Outfit sollten auf folgenden Gegebenheiten basieren:

Die mutmaßlich besten Chancen für gute Witterungsbedingungen bestehen im Frühjahr oder im Herbst (Vergleiche hierzu die Erläuterungen in Teil 2, „Marathon planen“, 1.1 Witterung). Allerdings lehrt Erfahrung, dass dich bereits im April sengende Sonne und erhebliche Wärmegrade behindern können. Und häufig vermasseln noch Ende Mai oder Anfang Juni kalte, regnerische Tage das Lauferlebnis, wenn du dich „underdressed“ auf die Strecke wagst. Mit anderen Worten: Ins Laufgepäck gehören Bekleidungsalternativen für jede mögliche Witterung.

Welches Bekleidungskonzept du wählst, hängt vor allem von deinem persönlichen Temperaturempfinden ab. Der eine friert kurzärmlig schon unter 15°C, ein zweiter mag zwar Beinfreiheit, will oben herum aber kein Erkältungsrisiko eingehen. Selbstredend stehen an der Startlinie auch immer ein paar eisenharte Typen, die selbst bei Frost im kurzen Dress unterwegs sind. Du allein kannst beurteilen, welche Laufkleidung für dich die richtige ist! Untenstehende Hinweise sollen lediglich Hilfestellung bei der Auswahl geben.

Zunächst eine Darstellung sportmedizinischer Zusammenhänge zur Erläuterung der Bekleidungsvorschläge, die du auch überspringen kannst:

Grundsätzlich besteht das Risiko zweier Extreme: Frieren, mit der Folge übermäßiger Auskühlung oder starke Schweißsekretion, wodurch sich die Austrocknung (Dehydrierung) erhöht. Beide Körperzustände wirken leistungsmindernd und bergen Gesundheitsrisiken. Größer ist die Wahrscheinlichkeit mit zu viel Textil auf der Haut zu schwitzen. Die übermäßige Entwässerung des Körpers verschlechtert die Stoffwechselsituation und macht dich langsamer. Bei heißer Witterung kann sie auch zu lebensbedrohlichen Zuständen führen. Wenn du erst einmal warmgelaufen bist, heizen dich die winzigen Brennöfen in der Arbeitsmuskulatur verlässlich von innen auf. Und das nicht nur da, wo die Hitze entsteht – hauptsächlich in den Beinen – sondern über den Blutkreislauf überall. Je stärker ein Körperbereich obenflächennah durchblutet ist, umso wichtiger ist er für die Kühlung. Große Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang dem Kopf zu, dessen Hautpartien bevorzugt durchblutet werden. Dieser Umstand wird in den Bekleidungshinweisen eine Rolle spielen. Ebenso der Sachverhalt, dass das Nervensystem bei Ausdauerleistungen eine Blutumverteilung vornimmt. 90% des Blutvolumens versorgt die arbeitende Muskulatur mit Sauerstoff. Die Blutumverteilung geschieht durch Freischalten brachliegender und Weitstellen bereits durchströmter Kapillargefäße im beanspruchten Muskel. Da das Blut wie alle Flüssigkeiten den Weg des geringsten Widerstandes nimmt, sinkt der Blutdurchsatz aktuell nicht benötigter Körperpartien auf das für den erhaltenden Zellstoffwechsel nötige Minimum. Unter anderem aus diesem Grund frieren manche Läufer bei kaltem Wetter rasch an den Händen und Armen.

Bedenke bei der Wahl deiner Marathonbekleidung folgende Umstände:

1.3.2 Sonstige Ausrüstung

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Unentbehrliches: Unverzichtbar wie das richtige Wettkampf-Outfit ist auch die Laufuhr zur Zwischenzeitnahme. Grundsätzlich genügt eine einfache Stoppuhr, die du beim Überschreiten der Startlinie (nicht mit dem Startschuss!) abdrückst. Weitsichtige Läufer sollten sich ein Modell mit großer Ziffernanzeige zulegen, die auch bei Regenwetter und fortgeschrittener Erschöpfung einwandfrei abzulesen ist.

Marathonläufer benötigen darüber hinaus Pflaster zum Abkleben der Brustspitzen. Schon auf langen Läufen hast du die richtige „Klebestrategie“ ermittelt, damit am Tag X in dieser Hinsicht nichts schief geht.

Möglicherweise Nützliches: Falls du Kohlenhydrate in Form von Gels oder Riegeln mitführen willst, müssen sie leicht zugänglich untergebracht werden. Gängige Lösungen sind:

Gleich welche Lösung du bevorzugst, sie sollte sich anlässlich eines langen (Test-) Laufs als praktikabel erwiesen haben!

Im einfachsten Fall heftest du die Startnummer mit vier Sicherheitsnadeln ans Lauf-Shirt. Falls du dich unterwegs nach der Zwiebelmethode "häuten" möchtest, benötigst du allerdings ein Startnummernband. Es handelt sich um ein flexibles, wie ein Gürtel um die Hüfte getragenes Band an dem die Startnummer festgeclippt wird.

Hinweis: Wenn du eine Laufjacke mit wasserdichter Membran (z.B. Goretex) trägst, solltest du keine Sicherheitsnadeln verwenden, weil sie die Membran verletzen.

Viele Veranstalter bieten einen Erfrischungs-Service mit Schwämmen an. Manchmal werden nasse Schwämme unterwegs gereicht. Nicht selten gehört der Schwamm zum Startpaket und muss mitgeführt werden, wenn du ihn an bereit stehenden Wannen tränken willst.

Ballast und Indiskutables: Jeder darf mitschleppen, was er will. Sogar einen Mühlstein. Der ist insofern nützlich, als du ihn bei cirka Kilometer 30 wegwerfen kannst. Dann läuft es sich plötzlich wieder viel leichter… Spaß beiseite. Niemandem soll das Mitführen von Trinkflaschen ausgeredet werden, obschon sie für die adäquate Versorgung gewiss nicht erforderlich sind. Ballast in jeglicher Form kostet zwar Zeit und Nerven, stellt den Erfolg aber nicht in Frage. Ein absolutes No-Go ist dagegen Musik in den Ohren! Zur Vermeidung von Kollisionen und Stürzen musst du jederzeit über dein volles Hörvermögen verfügen. Verstöße gegen dieses häufig im Reglement fixierte Verbot werden kaum zur Disqualifikation führen. Sie sind jedoch als unsportliches Verhalten und fahrlässiger Umgang mit der Unversehrtheit anderer abzulehnen.

1.3.3 Checkliste

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Nebenstehende Checkliste auf Excel-Basis soll dir beim Packen helfen. Sie ist nicht meiner, erst Recht nicht deiner Weisheit letzter Schluss. Also ergänze, streiche oder stelle um. Kurz: Passe sie deinen Bedürfnissen an.

1.4 Ernährung vorm und beim Marathonlauf

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Hinweis: Umfangreiches Basiswissen zum Trinkverhalten in Training und Wettkampf, wie auch zur bestmöglichen Zusammensetzung von Sportgetränken, findest du unter dem Titel „Was und Wie trinken?“ auf unserer Seite.

In den letzten Tagen vor dem Marathonlauf praktizieren manche Läufer Carboloading. Diese Ernährungsstrategie soll die Kohlenhydrat-Depots in der Muskulatur noch ein wenig vergrößern. Alle Informationen zum Carboloading stehen in Teil fünf des Weges zum Marathon, „Regeneration im Marathontraining“. Zur Erinnerung: Selbst in seiner einfachsten Form kann Carboloading die Verdauung in Unordnung bringen. Ein „Boxenstopp“ oder bohrende Unterleibsschmerzen, die sachtes Traben erzwingen, können deinen Zielzeittraum wie eine Seifenblase platzen lassen. Also wenn schon Carboloading, dann richtig! Innerhalb der letzten drei Tage vor dem Marathon etwas mehr Kohlenhydrate, dafür die Menge an Eiweißen und Fetten reduzieren. Nicht mehr essen, sondern anders zusammengesetzt und die Trinkmenge deutlich erhöhen. Um ein Gramm Kohlenhydrate zusätzlich einzulagern, benötigt der Organismus mehrere Gramm Wasser. Außerdem beugt ausreichend Flüssigkeit Verstopfungen vor.

Am Tag vor dem Marathon solltest du nach Möglichkeit ständig kleinere Mengen trinken. Das Überangebot an Flüssigkeit veranlasst den Körper die Wasservorräte maximal aufzufüllen. Doch auch dabei nicht über das Ziel hinaus schießen: Frühzeitig genug aufhören, damit die Blase dich durchschlafen lässt.

Am Marathonvorabend glauben unerfahrene Läufer sich mit einer Riesenportion Kohlenhydrate den Bauch voll schlagen zu müssen. Unter Umständen ein fataler Fehler! Das Abendessen sollte sättigen und darf kohlenhydrat-lastig sein. Pasta, noch besser Kartoffeln, mit wenig Soße und etwas Fleisch sind eine gute Wahl. Schwere oder unbekannte Gerichte solltest du dagegen meiden wie der Teufel das Weihwasser.

Die Ernährung am Marathontag beginnt schon vor dem Frühstück. Sofort nach dem Aufstehen greifst du zur Flasche und setzt das am Vorabend unterbrochene „Auftanken“ fort. Die verbleibende Zeitspanne zum Trinken ist kurz und sollte spätestens zwei Stunden vor dem Start enden. Nur so besteht Aussicht, dass sich die beim letzten Austreten geleerte Blase nicht wieder füllt und einen Pinkelstopp erzwingt!

Mindestens zwei, besser drei Stunden vor dem Lauf ist die letzte Mahlzeit beendet. Wer um neun Uhr startet, hat demzufolge um sechs, spätestens jedoch um sieben Uhr gefrühstückt. Lass dich bei der Zusammensetzung des Marathonfrühstücks grundsätzlich von deinen Gewohnheiten leiten. Verzichte jedoch auf Müsli und Vollkorngebäck, weil der Körper dergleichen nur in langwierigem Prozess verdaut. Als Frühstücksgrundlage sind die sonst eher geschmähten Weißbroterzeugnisse (Toast, Brötchen, Baguette, usw.) sinnvoll. Wurst und Käse? Ja, warum nicht, wenn du das gewohnt bist; allerdings in geringen Mengen. Ideale Kohlenhydrat-Träger beim Frühstück sind Marmelade und Honig. Zu einem guten Marathonfrühstück gehört auch ausreichend Flüssigkeit. Kaffee ist entgegen überkommener Legenden durchaus positiv zu bewerten, wenn er dein übliches Frühstücksgetränk darstellt. Die dem Kaffee angedichtete entwässernde Wirkung wurde schon vorzeiten als Ammenmärchen entlarvt. Ein im Kaffee enthaltener Wirkstoff führt lediglich zu frühzeitiger, jedoch nicht vermehrter Wasserausscheidung.

Mit der Verpflegung beim Wettkampf verfolgst du ein vorrangiges und ein untergeordnetes Ziel. Priorität hat der Ersatz des hauptsächlich durch Schwitzen verlorenen Körperwassers. Mit Lauftempo und Temperatur steigt auch der Flüssigkeitsverlust des Körpers. Trinken im Wettkampf kann das wachsende Defizit nur verzögern, nicht ausgleichen2. Die richtige Trinktaktik verhindert übermäßige Dehydrierung, die sich auf dem letzten Streckenviertel als Leistungsbremse auswirkt. Das nachrangige Versorgungsziel bildet die Zuführung von Kohlenhydraten, zur Schonung der Körper-Energievorräte. Von den Schwierigkeiten, aber auch der Notwendigkeit beide Ziele miteinander zu verknüpfen berichtet der Abschnitt „Trinktaktik in Training und Wettkampf“ (Teil der Erörterung „Was und wie trinken?“). Die dortige Darstellung liegt den folgenden, ergänzenden Betrachtungen zu Grunde.

Die Zusammensetzung der Wettkampfverpflegung orientiert sich an Notwendigkeiten und am individuell Bestverträglichen. Hieraus ergibt sich die für dich sinnvolle Wettkampfverpflegung. Verschiedene Menschen vertragen keine isotonischen Getränke. Anderen verursachen Energiegels Würgreiz oder sie bekommen Riegel nicht herunter. Viele begrüßen die altbewährten Bananenstücke als guten Kompromiss, obzwar sie die Rehydrierung nicht optimal unterstützen, dafür aber das Hungergefühl vertreiben. Den persönlich sinnvollen Verpflegungsmix findest du mit der Methode Versuch und Irrtum, während eines oder mehrerer langer Läufe. Keine Verpflegungsexperimente während des Marathons! Unter harten Wettkampfbedingungen reagiert der Magen-Darmtrakt vermehrt mit tückischen Unterleibsbeschwerden.

Die zeitliche Planung der Verpflegung hängt wesentlich von den Verpflegungsstellen (Österreich: Labestellen) ab. Mit umgeschnalltem Trinkgurt machst du dich unabhängig. Wirklich erforderlich ist der Ballast jedoch nur bei sehr empfindlichem Magen-Darmtrakt, der keine andere als die eigene Mixtur verträgt. Alternativ zum Trinkgurt wird oft ein Selbstverpflegungsservice angeboten: Deine Flaschen werden vor dem Start für die einzelnen Stationen entgegen genommen und rechtzeitig dort bereitgestellt. Allerdings hat die Sache einen Haken. An jeder Verpflegungsstation stehen hunderte von persönlichen Trinkbehältern. Den eigenen auf Anhieb zu lokalisieren setzt eine sehr auffällige Kennzeichnung voraus. Willst du dich vom offiziellen Angebot bedienen, solltest du folgende Erfahrungen berücksichtigen:

Mit der Wettkampfverpflegung beginnst du etwa eine Viertelstunde vor dem Start. Das ist der richtige Zeitpunkt erstmalig zu trinken und Kohlenhydrate zuzuführen. 0,1 bis 0,25 Liter Flüssigkeit plus ein Beutel Energiegel decken den Bedarf (alternativ zum Gel ein Bananenstück oder eine kleine Menge Trockenfrüchte).

2Diese Regel gilt nicht, wenn ein Läufer deutlich unter seiner Leistungsgrenze bleibt und den Lauf bei niedrigen Temperaturen absolviert.

2. Die letzten Tage vor dem Marathon

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Die Marathonvorwoche steht im Zeichen wachsender Skepsis bei drastisch reduziertem Trainingsumfang. Die zentrale Frage „Wie soll ich das nur schaffen?“ wird in vielerlei Abwandlungen in deinen Gedanken wiederkehren. Zweifel werden bei jedem Zwicken der Muskulatur und jedem Anflug von Müdigkeit aufflammen. Sogar ein Gefühl wie Prüfungsangst kennt der Marathoni. Je nach Natur des Betroffenen sind solche Empfindungen in jedweder Stärke vollkommen normal. Die gute Nachricht lautet: Mit dem ersten Laufschritt wirst du die Unsicherheit hinter dir lassen.

Regeneration vervollständigen: Achte darauf, dich in den letzten Nächten vor dem Marathon auszuschlafen. Ausreichender Nachtschlaf lädt die Akkus maximal auf und setzt am Tag X 100% Leistung frei. Halte strikt die Tapering-Ruhe ein; kein Kilometer mehr als vom Trainingsplan vorgegeben und schon gar kein Extralauf. Das harte Training hinterließ mikrofeine Verletzungen im Bewegungsapparat, die jetzt ausheilen müssen. Daneben sollen die Energievorräte deines Körpers – sie blieben in den Trainingswochen stets unter Maximum – auf den Punkt und bis zum „Bersten“ gefüllt werden. Vermeide in der Schlusswoche langes Stehen und jede Form ungewohnter Anstrengungen. Ein netter Muskelkater vom Möbel-Schleppen oder einem ausgedehnten Squash-Match mit dem lange nicht gesehenen Freund – das fehlte jetzt noch. Auch begleitendes Krafttraining sollte in der Marathonvorwoche reduziert und 48 Stunden vor dem Lauf gar nicht mehr durchgeführt werden. Das gilt auch für Saunabesuche.

Fußpflege: Der Prinz erkannte Schneewittchen am fehlenden Blut im Schuh. Daran erkennt man auch den gewieften Marathoni. Rechtzeitiges Schneiden der Fußnägel gehört zur vollständigen Marathonvorbereitung. So vermeidest du heftige Schmerzen beim Lauf und hoffentlich auch blaue Zehennägel. Erledige das bereits einige Tage vorher, weil frisch geschnittene Nägel scharfkantig sind und durch ungeschicktes Hantieren immer mal wieder Nagelbettentzündungen vorkommen. Bei kleinen Verletzungen oder gar Beschwerden sofort mit einer Wundsalbe gegensteuern.

Stress und Hektik vermeiden: Einerseits halte ich viel davon die letzten Tage vor dem Marathon mit gewohnten Tätigkeiten zu verbringen. Normalität dämpft die aufkommende Nervosität. Zum anderen solltest du rechtzeitig die Vorbereitungen für Anreise und Lauf abschließen: Absprachen treffen, Mitfahrgelegenheit regeln, notwendige Laufbekleidung waschen, anhand der Checkliste alle Utensilien bereit legen, die Sporttasche packen und anderes mehr.

Bringe dich nie in Zeitnot, gehe alles mit Ruhe und Überlegung an. Das gilt insbesondere für die Anreise und das Abholen der Startunterlagen. Falls beides am Marathontag selbst geplant ist, dann gönne dir die Sicherheit, die von großzügigen zeitlichen Puffern ausgeht. Auch wenn das bedeutet, bereits um vier Uhr morgens aufstehen zu müssen, weil einige Stunden Fahrt vor dir liegen. Lieber eine Stunde weniger Schlaf und dafür ohne Hektik alle Schritte bis in den Startblock erledigen. Kurz vor dem Start herrscht überall Gedränge: Die Parkplätze werden knapp und vor Ausgabeschaltern oder Toiletten bilden sich lange Schlangen.

Anreise und Abholung des Startpakets am Vortag stellt eindeutig die bessere Alternative dar. Dabei bleibt genug Zeit Kopf und Körper voll auf die bevorstehende Belohnung einzustellen. Genau so solltest du den Marathon auffassen: Als Belohnung für etliche Wochen voller Entbehrungen und harter Laufarbeit, die nicht immer Freude pur und selten leicht war. Du hast dir Ausdauer angeeignet, die dich über 42.195 Meter tragen wird. Was für eine Leistung!

Gefahren in fremder Umgebung: Vermeide am Vortag des Marathons anstrengende Besichtigungstouren in einer anregenden, vielleicht unbekannten Umgebung. In Städten wie Rom oder Wien, konnte ich dieser Versuchung kaum widerstehen. Ausgedehnte Schnäppchenjagden auf großen Marathon-Messen (Berlin, Köln, Frankfurt) bergen dieselbe Gefahr. Verbringe den Tag vor dem Marathon überwiegend im Sitzen. Auch Leichtsinn bei der Ernährung kann schaden: Nicht zu viel essen und nur Speisen, deren Zusammensetzung und Wirkung dir bekannt sind.

Abschlusstraining: Unsere Trainingspläne sehen am Vortag des Marathons einen kurzen, langsamen Dauerlauf mit ein paar Steigerungen vor. Nicht immer ist es möglich oder sinnvoll, diesen letzten Lauf zu absolvieren. Du kannst diese Trainingseinheit auch einen Tag vorziehen oder ganz ausfallen lassen. Die paar Laufminuten werden das Ergebnis so oder so kaum beeinflussen. Andererseits beruhigen sie nervöse Gemüter, die wenige Stunden vor dem großen Finale noch einmal ihre Laufmuskulatur spüren wollen. Auch sich nach langer Autofahrt die Beine zu vertreten, kann einen wohltuenden Effekt haben. Es bringt jedoch nichts, diese Übung in einen Ablauf zu quetschen, in dem sie eigentlich keinen Platz hat. Dann kann der Schuss auch nach hinten losgehen.

Ich habe beides erlebt: Zum Florenz Marathon reiste ich am Vortag mit dem Flugzeug an. Um diese letzte Einheit noch „abzuhaken“, zwang ich mich frühmorgens in die Laufschuhe. Und das, obwohl jeder meiner bisherigen Versuche morgens zu laufen misslang. So auch diesmal und deshalb saß ich dann ein wenig belämmert und voller Zweifel in meinem Flieger.

Geradezu euphorische Erinnerungen verbinde ich dagegen mit der finalen Trainingseinheit vor dem Monaco Marathon: Nach langer Anreise mit dem Auto ist es bereits dunkel, als ich zu meinem kurzen Läufchen aufbreche. Unser Hotel liegt im benachbarten Frankreich, nahe der Côte d’Azur. Die laue Luft eines warmen Novemberabends macht bereits die ersten Schritte durch Wohnstraßen zum puren Laufvergnügen. Ich kann das Meer nicht sehen aber riechen. Auch der Duft der vielen Gärten zieht durch meine Nase. In stetem Auf und Ab vergehen die Minuten wie im Flug. Mit jedem Meter wachsen Vorfreude und Zuversicht …

Absprachen mit Begleitern: Falls du dich entlang der Strecke „coachen“ lassen möchtest, sollten die Absprachen mit deinen Begleitern am Vortag und am Veranstaltungsort erfolgen. Wer steht wo und wann und versorgt dich womit? Denkbar sind spezielle Getränke und Läufernahrung. Aber auch das Übergeben von Kleidung kann hilfreich sein: Etwa eine Laufjacke von dir an den Betreuer nach abgeschlossenem Einlaufen. Vielleicht auch Wärmendes vom Betreuer an dich, wenn Niederschläge einsetzen. Solche Manöver setzen natürlich die Verwendung eines Startnummernbandes voraus. Wenn du Anfeuerung als moralische Stütze gegen Ende des Laufes brauchst, dann bestelle deine Fans zu diesem Streckenteil. Wenn dir persönliche Beifallsstürme oder flapsiges Anfeuern („Quäl dich du Sau!“) bei fortgeschrittener körperlicher Auszehrung auf die Nerven gehen, dann spreche das offen an und bitte deine Begleitung, dem Schlussteil des Laufes fern zu bleiben.

Weg zum Startbereich klären: Unmittelbar neben dem Start-Ziel-Bereich zu parken wird dir selten gelingen. Kläre bereits am Vortag, wie du das Startareal vom Hotel oder vom Parkplatz aus erreichst und wie groß der Zeitbedarf ist. Plane einen großzügigen zeitlichen Puffer ein. Wenn die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel vorgesehen ist, sollten Fahrausweise bereits vorab beschafft werden.

Abendliche Vorbereitungen: Es empfiehlt sich eine Reihe von Vorbereitungen am Vorabend abzuschließen. Dazu gehören:

In der Nacht vor dem Marathon schlafen viele schlecht. Insbesondere als Debütant weißt du so gar nicht, was da auf dich zukommt. Deshalb:

Wenn das alles nicht hilft, so lass dir über eine unruhige Nacht keine grauen Haare wachsen. Du wirst trotzdem fit bis in die Haarspitzen den Startschuss erwarten. Wie oft erwachte am ich Marathonmorgen mit merkwürdigen Gefühlen, scheinbar verkatert oder auch mal mit Kopfschmerzen. Jedes Mal fürchtete ich ein körperliches Desaster. Doch spätestens auf den ersten Kilometern belehrte mich mein Körper eines Besseren und schenkte mir den ersehnten schönen und erfolgreichen Lauf.

3. Die letzten Stunden vor dem Marathon

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In ein paar Stunden ist es soweit. Die wichtigsten Erledigungen und Handgriffe vor dem lange herbei gesehnten Ereignis sollen hier aufgelistet und erläutert werden – sofern nicht anderweitig bereits geschehen:

4. Unterwegs auf der Marathonstrecke

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Teils chronologisch, teils themenorientiert soll im Folgenden eine Vorstellung vom Geschehen während des Marathonlaufes skizziert werden. Unbedarften Zuschauern vermitteln Läufer den Eindruck drei, vier oder fünf Stunden ausschließlich vor sich hin zu traben. Tatsächlich gibt es bis zum Finish viel zu erledigen und einiges zu beachten. Für Standardsituationen erörtern die folgenden Abschnitte jeweils sinnvolles Verhalten.

4.1 Jetzt geht’s los – die Startphase

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Aufpassen auf den ersten Kilometern! In dichter Staffelung laufend genügt eine kleine Unachtsamkeit, um zu straucheln oder gar zu stürzen. Anfängliche Enge liegt in der Natur des Wettkampfgeschehens, ist also im Grundsatz unvermeidlich. Allerdings sorgen unfaire Kontrahenten immer wieder für punktuelle Zuspitzungen. Solche, die sich nicht ihrem Starttempo gemäß weit genug hinten einreihen; und jene, die halsbrecherische oder rücksichtslose Überholmanöver nicht unterlassen. Behalte deine unmittelbare Umgebung im Auge und rechne mit Zwischenfällen. Wenn beispielsweise fünf Meter vor dir nach Kollision und in Sekundenfrist eine Stockung entsteht, solltest du kontrolliert ausweichen können.

Im dichten Feld zu laufen ist noch aus einem anderen Grund schwierig: Du kannst deine Laufgeschwindigkeit nicht frei bestimmen, bist jedoch ausgeruht. Beide Umstände fälschen die Tempowahrnehmung, lassen dich glauben zu langsam unterwegs zu sein. Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist jedoch das Gegenteil der Fall. Versuche also nicht zu überholen. Fasse dich in Geduld, bis sich das Feld auseinander zieht.

Nur wenige vermögen – zumal beim ersten Marathon – ihre Anfangs-Pace richtig einzuschätzen. Deshalb kommt der ersten Zwischenzeit große Bedeutung zu. Leider wird die Markierung von Kilometer eins leicht übersehen – je nach Größe des Schildes, Art der Aufstellung und Läuferdichte. Behalte die Stoppuhr im Auge! Wenn du dich deiner ersten Soll-Zwischenzeit näherst, solltest du intensiv nach der Kilometertafel Ausschau halten.

Die erste Zwischenzeit ist genommen: Korrekturen am Lauftempo sind mit Bedacht vorzunehmen. Fünf Sekunden mehr oder weniger pro Kilometer sind in ausgeruhtem Zustand kaum spürbar. Erst größere Abweichungen tarierst du mit sachter Rücknahme oder Steigerung der Laufgeschwindigkeit aus. Bitte nicht in Panik verfallen, falls du wegen eines ungewöhnlich dicht gestaffelten Feldes 20, 30 Sekunden Verspätung hast. Nichts wäre fataler, als diese Zeitspanne bis zur nächsten Kilometertafel wieder wettmachen zu wollen! Was sind schon 30 Sekunden? Umgerechnet nicht mal eine Sekunde pro verbleibenden Kilometer! Also hebe deine Schrittfrequenz nur moderat an und lass dir Zeit …

Nach etwa vier Kilometern bist du eingelaufen. Dein Fettsäurestoffwechsel arbeitet nun auf vollen Touren und du kannst dein Lauftempo (gemäß Zwischenzeitentabelle) etwas anheben.

4.2 Nachtanken – die Verpflegungsstände

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Schon ein paar Minuten nach der Einlaufphase erreichst du die erste Verpflegungsstation. 200 bis 100 Meter davor wird sie dir durch ein Hinweisschild angekündigt. Nur keine Panik, falls du zum Beispiel noch ein Energie-Gel vorher schlucken willst. Für 200 Meter brauchst du ungefähr eine Minute … Bereite dich auf jeden Verpflegungspunkt gedanklich vor. Gab es eine Skizze in den Unterlagen zur Anordnung der Verpflegung? Überlege dir wo du das Gewünschte finden wirst. Der erste Tisch ist meist kunterbunt mit Flaschen aller Form, Größe und Markierung zugepflastert. In gebührendem Abstand zu diesem Eigenverpflegungsservice folgen die Tische mit Wasser, Iso und fester Verpflegung. Manchmal reichen helfende Hände die gefüllten Becher, oft lauthals „Iso, Iso!“ oder „Wasser, Wasser!“ rufend. Besonders bei dieser Form der Becherübernahme ist volle Konzentration gefordert, sonst landet der Becher auf dem Boden und sein Inhalt ergießt sich über deine Montur. Sicherer ist der Zugriff auf stehende Becher, was aber schwierig werden kann, weil du den Helfer umkurven musst. Außerdem – und diese Anmerkung scheint mir wichtig – geht es bei einem Marathonlauf nicht nur um den Spaß des Läufers! Die vielen freiwilligen, ohne Lohn in Wind und Wetter ausharrenden Helfer haben auch ein Recht auf einen mit Freude verbrachten Sonntag. Also lass dir helfen!

An Verpflegungsstellen kommt es immer wieder zu unbeabsichtigten Rempeleien oder Kollisionen. Wenn ein Marathoni nach einem Becher greift, musst du in der nächsten Sekunde damit rechnen, dass er sich mit seiner „Beute“ zur Straßenmitte wendet. Mache also einen Bogen um Läufer, die sich gerade verpflegen. Falls du dich nicht verpflegen möchtest, passiere die Station mit großzügigem Abstand. Obschon sich Laufen zur Massenbewegung entwickelt hat, benehmen sich viele Läufer als wären sie allein auf der Strecke. Selten zeigt sich hier pure Rücksichtslosigkeit. Viele sind in ungewohnter Rolle voll mit sich selbst beschäftigt. Je länger du unterwegs bist, umso mehr LäuferInnen mit „Tunnelblick“ werden dir begegnen. Aber auch deine Wahrnehmung und dein Reaktionsvermögen schrumpfen mit jedem absolvierten Kilometer. Also sei allgemein, vor allem jedoch im Bereich von Verpflegungsstellen auf der Hut.

Sicher hast du für deinen Lauf eine Verpflegungstaktik im Sinn. Grundsätzlich solltest du kontinuierlich Flüssigkeit und auch Kohlenhydrate zu dir nehmen. Je früher, desto besser. Viele Veranstalter stellen jedoch bei Kilometer 5 und 10 nur Wasser pur bereit. Kohlenhydrathaltige Getränke (Iso oder Cola) sind teuer. Nur bei entsprechend hohen Startgebühren oder dem Engagement potenter Sponsoren kann ein Veranstalter alle Tische „reichlich decken“. Auch bei späteren Verpflegungsstellen kann sich das Kohlenhydratangebot zum Beispiel auf Bananenstücke beschränken. Es empfiehlt sich also die eine oder andere „Notration“ an Kohlenhydraten dabei zu haben. Am einfachsten transportierbar sind kleine Gel-Rationen.

Kurz inne halten, um zu trinken, kostet kaum mehr als fünf, höchstens zehn Sekunden. Die Einbuße ist zu verschmerzen. Auf den Kilometer umgelegt brauchst du nicht mehr als eine bis zwei Sekunden aufholen. Es gibt also weder einen zwingenden Grund in der Bewegung zu trinken, noch die Notwendigkeit „verlorene“ Zeit durch überzogenes Tempo aufzuholen. Allerdings bricht Stehenbleiben den Laufrhythmus, wodurch erneutes Justieren des Lauftempos nötig wird. Im (verlangsamten) Lauf zu trinken kann also von Vorteil sein, erfordert jedoch ein Mindestmaß an Geschicklichkeit. Meist stehen Getränke in Kunststoff- oder Pappbechern bereit. Die beste Methode nahezu 100% des Inhalts in den Magen zu befördern und nicht aufs Lauf-Shirt sieht so aus: Mit dem zwischen Daumen und Zeigefinger aufgespannten „V“ einen Trinkschnabel formen und dann in großen Schlucken beherzt trinken. Ich habe das etliche Male mit wechselndem Erfolg praktiziert. Ein klein wenig Flüssigkeit, abhängig vom Grad der Erschöpfung, der Füllhöhe des Bechers und spontanem Missgeschick, ging freilich oft daneben. Manchmal sauste auch die ganze nasse Herrlichkeit zu Boden, ergoss sich über meine Klamotten oder sickerte durch die Laufschuhe. Shit happens!

Übrigens solltest du bei Totalverlust deines Getränks 10 Sekunden Zeitverlust, wegen Umkehr und neuerlichem Zugriff, nicht scheuen. Ein übermäßig dehydrierter Körper kann dich auf den letzten 10 Kilometern deutlich mehr als diese läppischen 10 Sekunden kosten …

4.3 Kühlen spart Schweiß

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Gegen übermäßige Dehydrierung hilft trinken. Was du allerdings erst gar nicht ausschwitzt, brauchst du nicht nachzutanken. Bestmögliche Kühlung garantiert vor allem die richtige Laufbekleidung. Die hierzu nötigen Überlegungen stehen in Abschnitt 1.3.1 („Die Qual der Bekleidungswahl“). Weitere Möglichkeiten die Kühlung zu verbessern sind:

4.4 In Not bei der Notdurft?

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Wenn deiner Vorstart-Trinkstrategie Erfolg beschieden war und auch sonst alles passt, wirst du die folgende „Hilfestellung“ nicht benötigen. Doch leider funktioniert der menschliche Organismus nicht immer nach Plan. Und während einer körperlichen Ausnahmesituation namens Marathon steigt die Wahrscheinlichkeit außerplanmäßig die Strecke verlassen zu müssen. Mir scheint wichtig dies zu thematisieren, um dir im Falle eines Falles aufkeimende Panik zu ersparen.

Ein Beispiel: Im März 2004 laufe ich durch die Straßen von Rom. Mein dritter Marathon. Mit 3:15h habe ich ein anspruchsvolles Zeitziel, aber wenig Erfahrung. Meine Blase meldet sich schon kurz nach dem Start. Der Druck verstärkt sich Kilometer um Kilometer. Eben passierten wir den Petersplatz, verlassen jetzt den Vatikanstaat. Mit wachsender Verzweiflung halte ich Ausschau nach grüner Deckung oder einem Mobilklo. Nichts! Straßenschlucht um Straßenschlucht. Immer noch nichts! Aus mehrstöckigen Gebäuden winken Zuschauer, applaudieren, feuern die Läufer an. „Wo soll ich in dieser Betonwüste und unter Dauerbeobachtung pinkeln?“ Aber Gott läuft auch Marathon und lässt mir unweit Sankt Petri die große Gnade der Aufklärung zuteil werden: Ein Mitläufer schert aus, stellt sich dicht an einen der mannshohen Müllcontainer und … Ah, sì, sì! Capito! In der Not genügt minimaler Sichtschutz und einen Grund zur Scham gibt es sowieso nicht. Wer muss, der muss! Basta! Und wer es sieht, schaut weg. Das ist Christenpflicht. Nicht nur vor den Toren des Vatikans.

Vielleicht glaubst du, dass ich es mir damit etwas zu einfach mache. Möglicherweise meinst du, dass es doch nicht angehen kann, vor dem Start und unterwegs in gepflegte Anlagen oder an private Hecken, Mülltonnen oder einfach ohne Deckung mit dem Wind zu pinkeln. Wir sind doch zivilisierte, wohlerzogene Europäer. Ja, das sind wir oder sollten es doch wenigstens sein. Da gebe ich dir Recht. Dennoch wirst du die Erfahrung machen, dass es unausweichlich und deshalb legitim sein kann die gute Kinderstube für ein paar Sekunden hintanzustellen. Das gilt ausdrücklich auch für Läuferinnen, die deutlich mehr Blöße zeigen müssen, um das kleine Geschäft abzuwickeln. Immer wieder einmal streiften meine Augen unabsichtlich eine Amazone in hockender Pose, wenn sie kaum Deckung fand. Dann wendete ich den Blick ab. Sofort. Jeder tut das.

Große Veranstalter platzieren auch unterwegs Mobiltoiletten. Leider nur an wenigen Punkten. Schon aus Gründen der Rücksichtnahme sollten Männer sie zum Pinkeln nicht nutzen. Überlasst die Örtchen den Damen im Feld und Läufern, die unerwartet größere Arbeit verrichten müssen.

Die steten, rhythmischen Erschütterungen der Laufschritte stimulieren die Darmfunktion. Du kennst deinen Körper und weißt, ob du auf deinen Magen-Darmtrakt aufpassen musst. Immerhin verfügst du über die Erfahrungen mehrerer langer Läufe. Aber ein Marathon ist anders: Schneller und weiter. Möglicherweise trinkst du mehr oder in anderer Zusammensetzung als gewohnt. Bereite dich gedanklich auch auf solche Crash-Situationen vor, dann können sie dich lediglich überraschen aber nicht in Panik versetzen. Falls du einen eher empfindlichen Unterbauch über die Strecke trägst, solltest du durch Mitnahme wasserdicht verpackter Papiertaschentücher vorsorgen.

4.5 Was tun bei Übelkeit?

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Übelkeit auf der Marathonstrecke hat drei mögliche Ursachen: Du trinkst und isst während sportlicher Anstrengung. Du trinkst und isst in anderer Menge und Zusammensetzung als gewohnt. Du forderst deinem Körper über mehrere Stunden ein Höchstmaß an Bewegungsenergie ab.

Zum Trainingsinhalt mindestens eines langen Laufes gehört, in möglichst derselben Menge und Zusammensetzung wie beim Marathonlauf zu trinken. Bei diesem Testlauf solltest du eben nicht auf jedem Kilometer einen Schluck aus der Flasche am Trinkgürtel nehmen, sondern in denselben Intervallen und Mengen, wie beim Marathon; also alle fünf Kilometer, etwa 0,1 bis 0,2 Liter. Und auch die beim Marathon beabsichtigte Aufnahme von Bananenstücken, Trockenfrüchten, Energiegels oder anderen Kalorien solltest du wenigstens einmal während eines Long Joggs auf Verträglichkeit getestet haben. Was du im langen Lauf verträgst, verursacht dir wahrscheinlich auch beim Marathon kein Unbehagen.

Bei Übelkeit infolge Anstrengung, insbesondere in der Schlussphase eines Wettkampfes, gibt es nur zwei Alternativen: Tempo raus nehmen oder übergeben. Übergeben ist manchmal nicht zu vermeiden, wenn es mit Tempo raus nicht klappt oder wenn dich die Übelkeit auf einem langen Anstieg überfällt.

4.6 Planmäßige und zufällige Schrittmacher

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Taktisch geschicktes Verhalten bei der Nutzung offizieller Zugläufer wurde bereits im Abschnitt 1.1.6 (Pacemaker statt Zwischenzeitkontrolle) beschrieben.

Immer wieder ergeben sich im Wettkampfverlauf zufällige Laufgemeinschaften aus zwei oder mehr Läufern. Das hilft zumindest mental, durch ein ausgetauschtes Lächeln oder hin und wieder eine witzige Bemerkung. Auf 42,195 km wurden auch schon ganze Lebensläufe ausgetauscht. Bei Gegenwind erfüllt die Gruppe sogar eine temporelevante Mission: Man kann sich bei der Führungsarbeit abwechseln und im Windschatten Energie sparen. Dabei liegt die Betonung auf abwechseln. Der/die andere kämpft gleichermaßen hart wie du selbst und verdient nicht ausgenutzt zu werden.

Allerdings sollte dir bewusst sein, dass nur wenige Läufer eine wirklich gleichmäßige Pace über mehrere Kilometer zustande bringen. So kann es passieren, dass der Schrittmacher deines Vertrauens unmerklich langsamer oder schneller wird. Auch unstete Läufer, die ihr Tempo ständig wechseln, sind keine Seltenheit. Ein phasenweise eingegangenes Zweckbündnis enthebt dich also nicht der Notwendigkeit fortlaufender Zwischenzeitkontrollen. Und so schwer es dir im Einzelfall auch fallen mag: Lass ihn ziehen, wenn er zu schnell wird. Oder lauf deiner Wege, wenn der Begleiter schwächelt.

Ein Hinweis: Beim Marathonlauf „menschelt“ es, wie überall im Leben. Manche Marathonis können beständige Schritte im Nacken nicht ertragen. Du merkst das schnell, wenn eine anvisierte „Lokomotive“ beschleunigt. Lass sie also abdampfen und dränge dich nicht auf. Bei umgekehrter Rollenverteilung solltest du das Empfinden von „Verfolgung“ unterdrücken und keine Kraft durch unnötige Zwischenspurts vergeuden. Auch wenn jeder die Strecke selbst bewältigen muss: Marathonlauf ist nicht ausschließlich Individualsport. Marathonläufer bilden keine Mannschaft aber eine Gemeinschaft.

4.7 Marathon ist Kopfsache

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Marathon läufst du auch mit dem Kopf. Positives Denken und das Vermeiden demotivierender Formeln ist wichtig. „Erst 10 Kilometer. Und schon so schwere Beine. Das schaffe ich doch nie!“ Wer so denkt, begibt sich auf eine wenigstens psychisch qualvolle Reise. Natürlich wird es schwer werden und selbstverständlich gibt es keine Garantie anzukommen. Aber du hast ausreichend trainiert und allen Grund zu Optimismus: „Super! Schon 10 Kilometer gepackt und ich bin noch gut drauf! Na gut, ich spüre schon die Anstrengung, aber ich schaffe das!“ Körper und Geist beeinflussen sich gegenseitig. Verfolge jeden guten, freudvollen Gedanken. Lenke dich ab, wenn sich der innere Zweifler meldet. Betrachte ausschließlich, was du bereits absolviert hast und nicht, was noch vor dir liegt. Eine für den Kopf kritische Stelle bildet der meist gekennzeichnete Halbmarathon. 21,0975 Kilometer verkraftet dein Bewegungsapparat gewiss nicht ohne Anzeichen von Müdigkeit. Also versuche, nicht daran zu denken, dass dieselbe Distanz noch einmal vor dir liegt. Beschäftige deinen Kopf stattdessen mit Nützlichem. Lass ihn zum Beispiel die mutmaßliche Ankunftszeit berechnen, falls es gelingt die zweite Hälfte in derselben Zeit abzuschließen. Oder gib dich äußeren Eindrücken hin, die mit Sicherheit haufenweise auf dich einströmen.

Es geht also darum, die herrschende Gefühlslage im positiven Bereich zu halten. Das fällt umso leichter, je härter die Vorbereitung war. Unangenehme Wahrnehmungen wie einsetzende Müdigkeit oder den wachsenden, von der Anstrengung ausgelösten „Gesamtschmerz“ kennst du von langen, harten Trainingsläufen. Mache dir immer wieder bewusst, dass du trotz dieser Empfindungen noch etliche Kilometer wirst laufen können. Der Motivation besonders zuträglich ist gleichmäßiges Lauftempo bis ins Ziel. Wenn dir das gelingt, wirst du auf dem zweiten Halbmarathon viele Läufer „schlucken“. Zunächst vereinzelt, vermehrt kurz vor Kilometer 30 und scharenweise auf dem finalen Streckenabschnitt. Jeder überholte Läufer wird ein Quäntchen Energie in dir freisetzen. Es ist, als spränge ein Funken von dem bedauernswerten Kontrahenten zu dir über. Nimm das ruhig wörtlich. Ich kenne die Situation aus beiden Perspektiven: Überholt zu werden raubt, selbst zu überholen schürt Zuversicht.

Die körperlich schwierigste Phase beginnt jenseits von Kilometer 30. Mental waren für mich jedoch meist die Kilometer 20 bis 30 härter. Dort spürst du schon deutliche Anzeichen von Müdigkeit, siehst aber noch kein Licht am Ende des Tunnels … Vermeide auf diesem Streckenabschnitt Gedanken der Art: „Jetzt sind es noch xx Kilometer!“ Das Wissen, noch 18, 17, 16, 15 usw. Kilometer vor sich zu haben, kann dich hübsch runter ziehen. Erst in der Endphase, wenn dich tatsächlich nur noch 6, 5, 4, 3 Kilometer vom ersehnten Finish trennen, mobilisiert so ein Gedanke Kräfte: „Nur noch fünf Kilometer! Was sind schon fünf Kilometer? Dafür ziehe ich daheim nicht mal meine Laufschuhe an!“ Klar sind diese Sprüche banal. Aber fünf Kilometer vor dem Marathonziel steht dir auch nur noch ein sehr limitierter Teil deiner Intelligenz zur Verfügung …

Eventuell hilft dir ein „Mantra“ auf dem zweiten Halbmarathon. Darunter wird eine unablässig wiederholte Wortformel verstanden, die mentale und spirituelle Energien freisetzen kann. Das berühmte „Om mani padme hum“ des tibetischen Buddhismus hilft dir auf den finalen Kilometern kaum. Überlasse es einfach deinem Geist eine solche Wortfolge zu finden. Mit den Stunden wächst der Willensaufwand, um die Beine zum gleichbleibend schnellen Laufen zu zwingen. Das übrige Denken schrumpft und beschränkt sich auf einfache Sätze. Wenn sich nun eine Formel immer wieder aufdrängt, eine, von der ein positiver Impuls ausgeht, dann hast du dein Mantra gefunden. Läufer-Mantras können sehr unterschiedlich lauten. „Halt' durch! Bald geschafft!“ wäre eine verständliche, streng zielgerichtete Version. Das gemurmelte oder gedachte Mantra muss aber nicht unbedingt Sinn ergeben und kann auch im nächsten Marathon in ganz anderer Form wiederkehren.

Ich lief oft mit Mantra, wenngleich sich keine einheitlich von Marathon zu Marathon wiederkehrende Formel einstellte. Jedes Mal war es ein anderer Satz. Beim Rennsteig-Supermarathon (über 72 km) fing ich irgendwann an den nächsten vollendeten 5-Kilometer-Abschnitt vom All-Verantwortlichen einzufordern. „60 km! Gib mir die 60!“ Und schon kurz nachdem die betreffende Tafel hinter mir lag ging es weiter mit „65 km! Gib mir die 65!“

4.8 Bald geschafft – die Schlussphase

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Natürlich kannst du dir die Endphase erleichtern und vom Start weg langsamer laufen, als es deinem Training entspräche. Solche Marathonläufe habe ich als Vorbereitung vor Ultradistanzen mehrmals absolviert. Diese Strategie soll hier nicht mit einem Fragezeichen versehen werden. Im Gegenteil. Wichtig ist deine Freude am erfolgreich beendeten Lauf und nicht der Rang im Gesamtklassement. Allerdings werden die meisten LäuferInnen versuchen die mit dem Training anvisierte Zielzeit auch zu realisieren. So oder so sind die letzten Kilometer verdammt hart. Jede andere Aussage wäre eine unzulässige Verharmlosung. Dennoch solltest du weder Angst vor der Anstrengung, noch vor dem Hammermann haben. Du hast im Training lange Läufe geschrubbt, dich mit Intervallen gequält und literweise Schweiß vergossen. Das hast du dir nicht zugemutet, um 20 oder 30 Kilometer weit zu laufen. Dein Ziel ist der Klassiker; 42,195 Kilometer sollen es werden! Und unter normalen Umständen wird deine Kraft auch für diese Distanz reichen. Versuche dich auf deine Schritte zu konzentrieren. Deine Beine sind müde und wollen in schonendes Schlappen oder Schlurfen fallen. Gestatte es ihnen nicht!

Die letzte Verpflegungsstelle findest du bei Kilometer 40. Dort solltest du nicht mehr trinken! Eine Viertelstunde oder weniger trennt dich noch vom Ziel und kein Wassermolekül hat in dieser kurzen Zeitspanne eine Chance es weiter als bis in deinen Magen zu schaffen! Lieber nicht noch einmal den Laufrhythmus brechen und ihn dann mühsam wieder aufnehmen müssen. Einfach weiter laufen!

Hinweis: Diese Empfehlung gilt ausdrücklich nicht bei Hitzeläufen, da unter solchen Bedingungen auch nach dem Zieleinlauf noch die Gefahr besteht wegen Dehydrierung zu kollabieren.

Der letzte Kilometer: Es gibt nur eine Empfehlung, die ich dafür loswerden will. Genieße die letzten Minuten, wenn das noch irgendwie geht. Gleich hast du es geschafft und nichts kann dir diesen Erfolg mehr nehmen. Die Zuschauer stehen dichter und sie feuern dich an. Oft ließ ich mich zu einem Endspurt hinreißen, manchmal nahm ich mir einfach die Zeit alles intensiv auf mich einströmen zu lassen. Ich kenne kein Erlebnis, das sich mit einem glücklichen Marathonfinish vergleichen lässt …

4.9 Im Ziel

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Glückselige Erschöpfung. Traumerfüllung. Eins sein mit dem quirligen bunten Drumherum. So oder so ähnlich wirst du es hoffentlich empfinden. Auf jeden Fall das: In Ermüdung schlingernde Gedanken, Gefühle die einen für Minuten beherrschen. Du hast die Arme hoch gerissen, man hat dir eine Medaille um den Hals gelegt und hoffentlich eine Folie gegen Auskühlung gereicht. Du genießt. Eine deiner körperlichen Sternstunden. Nicht wenigen stehen jetzt Tränen in den Augen.

Und dennoch solltest du schnellstmöglich trinken, Kalorien zu dir nehmen und in den Besitz wärmender Bekleidung kommen. Der Übergang von wettkampfbedingter Überhitzung zum elenden Frieren vollzieht sich in Minutenfrist. Je nach Außentemperatur, Windverhältnissen und dem Grad deiner Erschöpfung. Ich saß schon zitternd wie Espenlaub in Duschkabinen nahezu unfähig mich auszuziehen. Dann beendete erst die heiße Dusche das Schlottern der Glieder. Die nächsten Stunden entscheiden, ob du dir eine Erkältung einfängst. Dein Immunsystem ist durch die tiefgreifende Erschöpfung nachhaltig gedämpft. Auch an den nächsten beiden Tagen. Darum: Sofort nach dem Zieleinlauf trinken, Kalorien einwerfen und vor Auskühlung schützen!

Manche empfehlen nach dem Zieleinlauf unbedingt noch 10 Minuten langsam auszulaufen. Dergleichen Ratschläge entbehren leider völlig der Realität des Hobbyläufers. Er hat weder die Kraft, noch ansatzweise Lust, um diesem Vorschlag nachzukommen. Außerdem ist Abwärmen wegen der einem Gefängnishof nicht unähnlichen Gestaltung des Zielbereichs oft nicht möglich.

Häufig bieten Veranstalter einen Massage-Service an. Das hört sich viel versprechender und nützlicher an, als es sich in der Nach-Marathon-Wirklichkeit präsentiert. Vor wenigen Liegen mit emsig knetenden Händen stehen oft hunderte nach und nach eintreffende Läufer Schlange. Meist im Freien, in zugigen Zelten oder kühlen Hallen. Die Wahrscheinlichkeit, in schweißfeuchter Montur zu frieren, beträgt nahezu hundert Prozent. Falls du den Service tatsächlich in Anspruch nehmen möchtest, solltest du dich erst umziehen und dann mit Getränk und Kalorien ausgestattet in der Warteschlange einreihen. Den Masseuren ist ohnehin lieber, die Entspannungsmassage an geduschten Beinen vorzunehmen (manchmal wird vorheriges Duschen auch gefordert).

5. Nach dem Marathon

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Immunsystem: Nach der knallharten Belastung eines Marathonlaufs ist die Infektabwehr des Körpers geschwächt. Je nach Erschöpfungsgrad und genereller Anfälligkeit wird die Bresche im Immunsystem in den Folgetagen nur langsam wieder geschlossen. In dieser Zeit sind ausgewogene, ausreichende Ernährung, vermehrtes Trinken, vor allem jedoch die richtige Wahl der Bekleidung, um nicht auszukühlen, Marathon-Finishers erste Pflicht!

Essen: Nach dem Marathon, spätestens am folgenden Tag, wirst du einen gewaltigen Appetit entwickeln. Immerhin hast du binnen drei bis fünf Stunden Wettkampf etwa 3.500 kcal verbraucht. Das entspricht knapp einem halben Kilo Körpergewicht. Alle Kohlenhydratdepots sind leer wie Getreidesilos nach jahrelangen Missernten. Es ist richtig den Kalorienmehrbedarf zu decken. Die Portionen dürfen etwas größer sein. Läufern, die noch an ihrer Figur „arbeiten“, empfehle ich eher zusätzlich Obst zwischen den Hauptmahlzeiten zu essen. Nach einem Marathonlauf ist ausgewogene Ernährung noch wichtiger als sonst, denn es besteht jetzt auch ein erhöhter Bedarf an Eiweißen, Mineralien und Spurenelementen. Erst in einigen Tagen wird der Körper die Verluste ausgeglichen haben.

Trinken: Schneller lagert der Körper verlorene Flüssigkeit wieder ein. Aber nach sehr starker Dehydrierung hielt sich auch am Tag nach dem Marathon der Durst hartnäckig. Zum Verlauf der anstehenden Regeneration empfehle ich dir noch einmal die Abschnitte eins bis vier von Teil fünf, „Regeneration im Marathontraining“, zu lesen. Die dort erläuterten Vorschläge fürs Training gelten natürlich erst recht nach dem Marathon.

Schlafen: In den nächsten Nächten solltest du dich nach Möglichkeit ausschlafen, wofür der Körper verlängerte Schlafperioden verlangt. Sei jedoch nicht überrascht, wenn du in der Nacht nach dem Marathon eher unruhig und auch nicht allzu lange schläfst. Nach diesem Erlebnis bist du aufgewühlt, der Hormonhaushalt ist ziemlich durcheinander und das vegetative Nervensystem wird Mühe haben, von Leistung auf Erholung umzuschalten. Der vermehrte Nachtschlaf ist notwendig, um die über 42,195 km zwangsläufig entstandenen Muskeldefekte zu reparieren (Wachstumshormone produziert der Körper im Schlaf!).

Trainieren: Zur schnellstmöglichen Regeneration trägt auch das richtige Trainingsverhalten nach dem Marathon bei. In dieser Hinsicht gehen die Auffassungen weit auseinander. Je nach Autor liest du von der Notwendigkeit schon am Tag nach dem Marathon wieder langsam zu laufen oder von zwei Wochen Laufpause. Meine Erfahrung lehrte mich, dass sowohl eine mehrtägige Pause, als auch ein Lauf am Folgetag die richtige Methode sein kann.

Läufer, die zum ersten Mal einen Marathon finishen oder nur selten über diese Distanz gehen, sollten mindestens eine komplette Woche frei von Läufen und alternativen Ausdauerbelastungen halten. Der Regenerationsprozess sollte auch nicht durch Krafttraining oder Dehnübungen gestört werden. Nach dem Marathon besteht die Gefahr den von Mikrotraumen (Kleinstverletzungen) gestressten Bewegungsapparat durch zu starke Muskelanspannung oder Überdehnung weiter zu schädigen. Dennoch darfst du dich bewegen: Gelegentlich zügig spazieren gehen, einige Minuten locker schwimmen, Radfahren ohne Krafteinsatz; also ausschließlich regenerativ wirksame Bewegungsformen, die den Erholungsprozess unterstützen.

Je erfahrener und trainierter du bist, umso früher darfst du wieder in die Laufschuhe schlüpfen. Am Tag nach dem Marathon kommt jedoch nur regeneratives Laufen (<70% Hfmax) über höchstens 30 Minuten in Frage. Flankierende Maßnahmen, wie sie in Teil fünf, Abschnitt 2, „Unterstützung der Regeneration“, beschrieben stehen, verkürzen die Erholzeit. Allerdings empfehle ich auf Saunabäder an den ersten beiden Tagen nach dem Marathon zu verzichten, weil sie die von der Wettkampfbelastung geschlagene Bresche im Immunsystem vergrößern.

Weitere Wettkämpfe: Bei vorhandener mehrfacher und mehrjähriger Marathonerfahrung kann im Abstand von etwa vier Wochen ein Halbmarathon oder ein zweiter Marathonlauf erfolgen. Zu dieser Zeit hat der Körper den ersten Lauf verkraftet und infolge der Superkompensation ist eine weitere Bestzeit möglich. Im Abstand von zwei Wochen nach dem Marathon, kann dessen Trainingseffekt auch in eine neue Bestzeit auf der 10 km-Strecke umgemünzt werden.