logo

Stand: 28. Februar 2014

Ein Weg zum Marathon

Zurück zur Auswahl

Dritter Teil:   Trainingsformen für den Marathon

Teil drei „Gebrauchsanleitung“

Ziele Teil drei

1. Bereitstellung von Ausdauerenergie in der Muskulatur

2. Wirkungen des Ausdauertrainings

3. Trainingsformen verstehen und anwenden

Teil drei „Gebrauchsanleitung“

zum Seitenanfang

Vorab eine Empfehlung zur Nutzung von Teil drei des Weges zum Marathon: Du solltest den Text einmal vollständig lesen, um grundsätzliches Verständnis für die verschiedenen Trainingsformen (Dauerlauf, Fahrtspiel, Intervalle, usw.) im Zusammenhang zu erwerben. Viele Einzelheiten wirst du wieder vergessen. Deshalb ist die Auffrischung der jeweiligen Merkmale, Wirkungen und Trainingstipps unmittelbar vor einer Trainingseinheit sinnvoll. Auf diese Weise wächst die Einsicht in notwendige Vorgaben oder Beschränkungen. Außerdem sinkt das Risiko sich durch Trainingsfehler zu überlasten.

Ziele Teil drei

zum Seitenanfang

Auf jede Laufdisziplin bereiten sich Sportler mit einer Mischung recht unterschiedlicher Lauftrainingsformen vor. In diesem Zusammenhang kursieren Begriffe wie Fahrtspiel, Intervalltraining, Dauer-, Schwellen-, Tempo-, Steigerungslauf und andere mehr. Ziel dieses Abschnittes ist die Abgrenzung und Beschreibung dieser Methoden, damit du sie im Trainingsalltag richtig anwenden kannst.

Dazu gehören auch Hinweise, welche Veränderungen an Körper und Geist du von einer Trainingsmethode erwarten darfst. Mit diesem Wissen wird die Bedeutung einer Trainingseinheit im Hinblick auf das Ziel Marathon transparent. Und dieses Verständnis wird dir die Kraft verleihen eine Übung wie vorgeschlagen umzusetzen: Also nicht langsamer, kürzer, bequemer, aber auch nicht schneller oder härter als gefordert. Zum Beispiel soll dir klar werden, dass die Anweisung des Trainingsplanes den langen Lauf wirklich sehr langsam zu laufen nicht nur die Vermeidung von Überlastungen im Sinn hat. Dahinter steckt mehr …

Dummerweise nützt es nichts, Veränderungen an Körperprozessen oder Organsystemen ins Feld zu führen, wenn du nicht weißt, wie das alles grundsätzlich zusammen hängt. Deshalb geht der Vorstellung der Trainingsformen ein Exkurs voraus, der zunächst die Bereitstellung von Ausdauerenergie in der Muskulatur erklärt. Ein weiterer Abschnitt nutzt dieses Wissen, um Wirkungen von Lauftraining auf den Organismus darzustellen: Wieso können wir durch Training länger und dabei sogar schneller laufen?

Hinweis: Der „Ausflug“ in den menschlichen Körper muss kurz gehalten werden, was nur über Vereinfachungen und unvollständige Darstellungen erreichbar ist. Weitergehendes Interesse decken Veröffentlichungen im Netz oder Bücher ab.

Buchempfehlung: Peter Markworth, „Sportmedizin“, rororo-Verlag, ISBN 3-499-170493; Preis: Etwas über 10 Euro; das Werk ist detailliert verfasst, liest sich aber auch für Nichtmediziner flüssig, schlüssig und stellenweise sogar spannend. Unglaublich, was im menschlichen Körper so alles vor sich geht ...

1. Bereitstellung von Ausdauerenergie in der Muskulatur

zum Seitenanfang

Laufen, wie jede Form der Bewegung, beruht auf exakt koordinierten Muskelkontraktionen. Damit ein Muskel sich zusammenzieht, muss in den Muskelzellen Kraft freigesetzt werden. Im Ausdauerbereich erfolgt die muskuläre Energiebereitstellung über vier in den Zellen gleichzeitig ablaufende biochemische Stoffwechselreaktionen. Drei dieser Prozesse sind aerob. Aerob bezeichnet Reaktionen, die unter Beteiligung von Sauerstoff (O2) auf der Basis von Kohlenhydraten, Fettsäuren und Eiweißen ablaufen. Die dabei entstehenden Endprodukte Wasser (H2O) und Kohlendioxid (CO2) können vom Körper schnell und vollständig verwertet oder entsorgt werden. CO2 atmet der Mensch über die Lunge ab. Die aerobe Energieversorgung scheint, wegen der immensen Fettvorräte des Organismus (auch bei sehr schlanken Menschen), schier unerschöpflich. Wirkten keine anderen Einflüsse auf den Grad muskulärer Ermüdung, könnten Läufer tatsächlich ein Zigfaches der Marathondistanz ohne Pause absolvieren.

Die im Bild schematisch dargestellten Körperprozesse zur Energiefreisetzung laufen in winzigen „Kraftwerken“ ab, mit denen die Muskulatur in großer Zahl ausgestattet ist. Man bezeichnet diese Bestandteile der Muskelzellen als Mitochondrien. Brennstoff, im Wesentlichen Fettsäuren und Kohlenhydrate1, erhalten die Mitochondrien aus entsprechenden Depots in den Muskelzellen. Sind die Vorräte verbraucht, schafft der Blutkreislauf Nachschub herbei: Begrenzt Kohlenhydrate und nahezu unbegrenzt Fettsäuren. Das Transportmedium Blut versorgt die Muskelzellen – genauer: die Mitochondrien – auch fortlaufend mit Sauerstoff und Wasser.

1Energiegewinnung aus Eiweißen spielt erst beim Ultralauf eine Rolle, weswegen hierauf nicht weiter eingegangen wird.

Die beiden aeroben Stoffwechselprozesse Kohlenhydrat-Verwertung und Fettsäure-Verbrennung unterscheiden sich hinsichtlich des Energieflusses und der Begrenztheit ihrer Vorräte. Kraft aus Kohlenhydraten fließt wesentlich schneller pro Zeiteinheit, als Energie aus der Verstoffwechselung von Fettsäuren. Die gelaufene Intensität (= Tempo) bestimmt, ob sich die Muskulatur mehr aus dem einen oder dem anderen Depot bedient. Entwickelt ein Läufer nur etwa 60 bis 70% seiner maximalen Schnelligkeit, so deckt sein Körper fast den gesamten Energiebedarf aus Fettsäuren. Je schneller er rennt, umso stärker steigt der Anteil an verbrauchten Kohlenhydraten, weil deren Verstoffwechselung mit höherer Energieflussrate einhergeht. Zum Nachteil aller Marathonläufer und Ultras erschöpfen sich die Kohlenhydrat-Depots des Körpers frühzeitig. Auf der Halbmarathonstrecke verfügt der Körper noch über ausreichend Glykogen (Speicherform der Kohlenhydrate) für das Wettkampftempo. Nach etwa 30 Kilometer Laufdistanz gehen die Kohlenhydrate allerdings zur Neige, was Marathonläufer durch einen exzellent trainierten Fettsäure-Stoffwechsel kompensieren müssen.

Die vierte Form der Energiebereitstellung entwickelte die Evolution für Situationen, in denen der Mensch für etwa 10 Sekunden bis mehrere Minuten einen extrem erhöhten Energiebedarf hat, also mehr Kraft entwickeln muss. Beim Steinzeitmenschen waren das beispielsweise Kampfsituationen, Verfolgung der Beute oder Fluchtreaktionen. Im Laufsport entsprechen dem die Mittelstrecken (400-, 800-, 3000-Meter). Dieser anaerobe Stoffwechsel läuft ohne Beteiligung von Sauerstoff ab, weswegen in den Muskelzellen das energiereiche Zwischenprodukt Milchsäure (Laktat) entsteht. Laktat ist kein Abfall sondern ein wertvolles Substrat, das der Körper recycelt. Das geschieht vorzugsweise in der Muskelzelle selbst. Zu einem Großteil tritt Milchsäure jedoch auch ins Blut über und wird von der Leber und anderen Organen verwertet (siehe Bild).

Aerobe und anaerobe Stoffwechselvorgänge laufen dauerhaft gleichzeitig. Im Grunde ist die anaerobe Energiegewinnung ein Teilprozess der aeroben. Von der über das Nervensystem in den Muskelzellen angeforderten Energiemenge - ergo vom gelaufenen Tempo - hängt ab, welche der vier Stoffwechselreaktionen zu welchem Prozentsatz an der Kraftbereitstellung teil hat. In Ruhe und bei sehr langsamem Trab kommt die Laktatproduktion fast zum Erliegen, da aerob ausreichend Kraft bereitgestellt wird.

Nur Kurz- und Mittelstreckler laufen Wettkampfgeschwindigkeiten mit hoher Milchsäureentwicklung. Dieser Bestandteil des Energiestoffwechsels wird hier erwähnt, weil auch einige Trainingsformen des Marathontrainings phasenweise anaerobe Intensität erreichen oder knapp darunter bleiben.

2. Wirkungen des Ausdauertrainings

zum Seitenanfang

2.1 Ausdauertraining formt Körper und Geist

Als Ausdauer wird die Fähigkeit bezeichnet, psychisch und physisch wachsender Ermüdung zu widerstehen. Wir erleben Ausdauer als Fähigkeit längere Zeit laufen zu können. Dass hierbei viele Vorgänge und Organe unseres Körpers perfekt zusammenarbeiten, scheint klar, bleibt aber verborgen. Deshalb haben viele Läufer nur diffuse Vorstellungen davon, wie Training für bessere Ausdauer – also länger und / oder schneller – aussehen sollte. Grobschlächtige Vereinfachungen wie „viel hilft viel!“ oder „von nix kommt nix!“ oder „wer schneller laufen will, muss schneller trainieren!“ helfen nur begrenzt weiter. Entwickelte man aus derlei Binsenwahrheiten einen Trainingsplan, wäre der Erfolg gering. Wirkungsvolles Ausdauertraining bringt eine Vielzahl körperlicher und mentaler Anpassungen zur Verbesserung der Ermüdungswiderstandsfähigkeit. Es setzt an verschiedenen Organen und Teilprozessen im Körper an. Der Wirkmechanismus ist dabei immer derselbe: Durch Belastung, beziehungsweise Anstrengung, schwächst du dich absichtlich, setzt einen Trainingsreiz. Je nach Beschaffenheit der Anstrengung (wie lange, wie intensiv?), spricht das Training mehr diese oder jene Ausdauerkomponente an und erschöpft sie. In der folgenden Ruhephase restauriert der Körper die verausgabten Ressourcen nicht nur. Bei richtiger Reizsetzung erreicht er sogar ein höheres Leistungsvermögen (siehe Bild). Belastung und anschließende Erholung bilden eine Einheit!

Ausdauertraining führt zur Verbesserung der Arbeitsweise folgender Organe oder Prozesse (nur die markantesten Veränderungen sind aufgeführt):

Herz: Bei hohen Intensitäten (= schnelles Tempo oder gegen Widerstände laufen) kommt es zu einer starken mechanischen Spannungszunahme in den Herzmuskelzellen, weil sich der Blutdruck nahezu verdoppelt (von 120 auf 240 mm Hg). Auf diesen extremen Reiz reagiert der Herzmuskel mit zwei Anpassungsreaktionen: Volumenvergrößerung (mehr „Hubraum“) und Erhöhung seiner Maximalkraft. Beides führt zu einer Verbesserung des Schlagvolumens: Pro Herzschlag presst das trainierte Herz erheblich mehr Blut in das Gefäßsystem und stellt so der Arbeitsmuskulatur mehr Sauerstoff zur Verfügung. Nach einigen Wochen eines entsprechenden Ausdauertrainings wirst du die verbesserte Leistungsfähigkeit deines Herzens mit dem Pulsmesser feststellen. Auf identischer Strecke bei unverändertem Tempo schlägt das Herz langsamer als zuvor. Der Herzmuskel braucht weniger Schläge pro Minute, um eine gleich gute Versorgung der Laufmuskulatur sicherzustellen.

Bezüglich der Sauerstoffbereitstellung bildet die Herzleistung den wichtigsten leistungsbegrenzenden Faktor. Trainingspläne sollten sich diesen Sachverhalt zu Nutze machen. Zwar wirken nahezu alle Laufgeschwindigkeiten und -formen stimulierend auf die Entwicklung des Herzmuskels. Bestimmte, intensive Trainingsformen (etwa Intervalle) erweisen sich jedoch als erheblich wirksamer und das auf vergleichsweise wenigen Laufkilometern ...

Blut: Ausdauertrainierte verfügen über ein größeres Blutvolumen und einen höheren Anteil des Blutfarbstoffes Hämoglobin. Durch die maximierte Hämoglobinkonzentration können in der Lunge mehr Sauerstoffmoleküle O2 „andocken“, als vor dem Training. Die Sauerstoffsättigung des Blutes hat sich verbessert. Die Volumenzunahme vergrößert die Transportkapazität des Blutvorrates zusätzlich.

Blutgefäße: Muskelzellen werden von feinsten Blutgefäßen umhüllt – den Kapillaren. Durch Ausdauertraining wachsen die Kapillargefäße und vergrößern ihren Querschnitt. Dadurch vergrößert sich die Berührungsfläche, also die Membran zwischen Gefäßen und Muskelzelle, durch die Sauerstoff, Stoffwechselprodukte und Nährstoffe hin und her diffundieren. Ver- und Entsorgung der Muskelzelle verbessern sich. Vielfach wurde vermutet, dass sich zusätzlich neue Kapillaren bilden. Widersprüchliche Untersuchungsergebnisse geben diesbezüglich jedoch keine Sicherheit.

Sauerstoffbereitstellung an der Muskelzelle: Die drei oben genannten Veränderungen, Leistungszunahme des Herzens, bessere O2-Transportkapazität des Blutes und Wachstum des kapillaren Gefäßsystems, steigern gemeinsam und in hohem Maß das Sauerstoffangebot für die arbeitenden Zellen der Laufmuskulatur.

Energiestoffwechsel in der Muskelzelle: Mitochondrien wandeln über mehrstufige, überaus komplexe, biochemische Reaktionen energiereiche Kohlenhydrate und Fette in Wasser und Kohlendioxid um. Dabei wird ein Quantum Energie freigesetzt, das die über Nerven erregte Muskelzelle kontrahieren lässt. Ausdauertraining reizt vorhandene Mitochondrien sich zu vergrößern und regt das Wachstum neuer an. Beides führt zu einer erhöhten Energiebereitstellung.

Spätestens hier wird deutlich, dass Ausdauertraining breit gefächert ansetzen muss: Die oben geschilderte, fulminant gesteigerte Sauerstoffbereitstellung bliebe nutzlos, wenn die Muskelzelle mit der „Zusatzlieferung“ nichts anfangen könnte. Die durch Mitochondrienvergrößerung und -vermehrung leistungsfähigere Zelle kann das Sauerstoffplus im vorbei fließenden Blut dagegen verwerten. Wie noch gezeigt wird, entwickelt erst die richtige Mischung von Trainingsinhalten, das Setzen unterschiedlicher Reize, alle Körperfunktionen gleichmäßig.

Kohlenhydrat-Vorräte in den Muskelzellen: Kohlenhydrate sind in Form von Glykogen, das ist eine Speicherform des Zuckers, in den Muskelzellen vorrätig. Der Umfang dieser Depots ist ein wichtiger Faktor im Marathonlauf. Je mehr Glykogen gespeichert ist, umso schneller kann der Marathoni seine Strecke laufen. Mit ausgefeilter Trainingsmethodik lassen sich die Glykogendepots vergrößern. Wurde dieser Teil des Trainings vernachlässigt, geht irgendwo zwischen Kilometer 35 und 42 das Glykogen zur Neige. Damit bricht die schnelle Energieflussrate des Kohlenhydrat-Stoffwechsels zusammen. Diesen Moment erleben viele Läufer als sehr dramatisch. Manche geben sogar auf.

Fettsäure-Stoffwechsel: Fette stehen in nahezu unbegrenzter Menge zur Verfügung. Spezielles Ausdauertraining, sehr lange, langsame Läufe, optimieren den Fettsäure-Stoffwechsel der Muskelzellen. Dadurch erhöht sich der Anteil der aus Fett gewonnenen Kraft und die Muskulatur schont ihren Glykogenvorrat. Ausschließlich diesem Umstand ist es zu danken, wenn die Glykogenvorräte bis zum Finish reichen, obwohl sie bei Marathonwettkampftempo nach etwa 30 Kilometern bereits verbraucht sein müssten.

Zusammensetzung der Muskulatur: Muskeln bestehen aus Muskelfasern verschiedener Typen: Der Typ FT (Fast Twitch = schnell zuckend) ist für schnelle, kraftvolle Bewegungen zuständig, wie sie vorwiegend im Sprint benötigt werden. Der Typ ST (Slow Twitch = langsam zuckend) ermöglicht langsame, lang anhaltende Ausdauerbewegungen. Die meisten Menschen besitzen eine 50:50-Verteilung der Fasertypen in ihrer Muskulatur. Bei Spitzenathleten wurden aber auch schon extreme Abweichungen von dieser Verteilung gefunden. So soll der Sprinter Carl Lewis über eine 90:10-Verteilung zu Gunsten der schnell zuckenden FT-Fasern verfügt haben. Wessen Muskulatur dagegen von Geburt an überwiegend aus langsam zuckenden ST-Fasern besteht, wird sich als Ausdauertalent erweisen. Grundsätzlich können FT-Fasern nicht in den ST-Typ umgewandelt werden und umgekehrt. Eine Unterart der FT-Fasern vermag jedoch auch Ausdauerbeanspruchungen zu leisten. Und durch entsprechendes Ausdauertraining können Muskelzellen dieses Untertypus aus dem Vorrat der übrigen FT-Fasern zusätzlich rekrutiert werden. Wie alle anderen Anpassungsreaktionen macht der Körper auch diese rückgängig, wenn das Training aussetzt oder die Trainingsreize zu lange unterschwellig sind.

Erholungsfähigkeit: Training setzt auf Verbesserung der Leistungsfähigkeit durch ansteigende Belastungen. Mit der Zeit dauert das Training länger, wird häufiger durchgeführt und auch intensiver. Das ist nur möglich, wenn die Fähigkeit des Körpers sich in allen Bereichen und Prozessen zu erholen mitwächst. Die Zeit zur „Bereitstellung eines wieder belastbaren Organismus“ muss sich verkürzen. Ausdauer darf man deshalb nicht nur als Fähigkeit verstehen lange zu laufen (Ermüdungswiderstandsfähigkeit), sondern auch zur raschen Erholung.

Psyche: Wachsende körperliche Ermüdung erfassen wir mit unserem Bewusstsein. Wir spüren sie zunächst als Wunsch die Bewegung abzubrechen oder zumindest zu verlangsamen. Widerstehen wir, verstärkt sich der Wunsch zu heftigem Drängen, kann sogar als eine Art Schmerz empfunden werden. Dieser nichtstoffliche, nervale Bereich des Ausdauersports, in den sich die Psyche des Individuums einmischt, in dem deshalb die Persönlichkeitsstruktur eine große Rolle spielt, kann nur schwer bis gar nicht gemessen und in Worte gefasst werden. Vergleiche ich Schilderungen verschiedener Läufer, die sich härteste Ausdauerleistungen zumuteten untereinander sowie mit eigenen Erfahrungen, so steht für mich fest: Jeder Läufer erlebt und spürt Anstrengung anders. Auch wenn Anforderungen und Ausdauertrainingszustand objektiv betrachtet übereinstimmen: Zehn Läufer werden nach einem Marathon zehn in Gefühlsmustern divergierende Berichte abliefern. Was dir bereits „weh tut“, mag für mich nur unangenehm sein. Was ich hasse – Dunkelheit beim Laufen unter anderem – mag dir nicht einmal ungute Gedanken eingeben. Andererseits steht außer Frage, dass Härte, unabweisbare Begleiterin diverser Trainingsformen, die Psyche schult. Je häufiger und länger dich Training in mental wie körperlich unangenehmen Umständen hält, desto standhafter bestreitest du die Marathonstrecke. Hierzu bedarf es keiner Ausrichtung oder Optimierung der Trainingseinheiten mit der Absicht dir „weh zu tun“. Die Schulung der psychischen Widerstandsfähigkeit erlebst du als Nebenkriegsschauplatz während ohnehin vorgesehener Läufe.

2.2 Die maximale Sauerstoffaufnahme (VO2max)

zum Seitenanfang

Einige der Veränderungen am Organismus ließen sich nur durch aufwändige oder sogar verletzende, diagnostische Methoden überprüfen. Zur Kontrolle der Leistungsentwicklung eines Sportlers, etwa um das Training der Folgetage zu optimieren, bedarf es unkritischer Verfahren wie zum Beispiel der Spiroergometrie. Bei diesem Belastungstest wird die maximale Sauerstoffaufnahmekapazität (VO2max) des Sportlers gemessen. Die Differenz der Sauerstoffstoffkonzentration in ein- und ausgeatmeter Luft ergibt jene Menge O2, die ein Körper bei Ausbelastung (100% Leistung) maximal verwerten kann. Da große und schwere Menschen mit mehr Körpermasse grundsätzlich auch mehr Sauerstoff verbrauchen, als kleine und leichte, wird der Sauerstoffverbrauch auf das Körpergewicht bezogen. So errechnet sich die relative maximale Sauerstoffaufnahmekapazität (rel. VO2max) als gewichtsneutrales Vergleichskriterium.

Aus folgendem Grund lässt der Wert von rel. VO2max Aussagen über die Ausdauerleistungsfähigkeit zu: Sauerstoff wird im Körper zur Energieerzeugung verbraucht. In den Mitochondrien speist er den Verbrennungsprozess der Energieträger Glykogen und Fettsäuren. Nimmt dein Körper unversehens mehr Sauerstoff auf und atmet weniger über die Lunge wieder ab, dann hast du soeben dein Lauftempo gesteigert oder eine andere kraftraubende Tätigkeit begonnen. VO2max ist damit ein Maß für deine maximale Ausdauerleistung. Einmal gemessen ist das lediglich „nice to know“. Mehrmals, in sinnvollen Zeitabständen ermittelt und mit dem zwischenzeitlich absolvierten Training verglichen, können Sportmediziner und Trainer auf den Erfolg ihrer Trainingsmethodik rückschließen und im Zusammenhang mit anderen Testergebnissen notwendige Korrekturen anbringen.

Die rel. VO2max sollte als Wert betrachtet werden, der alle an Sauerstoffbereitstellung und -verwertung mitwirkenden Teilprozesse zusammenfassend bewertet. Letztlich repräsentiert der Wert jedoch die Leistungsfähigkeit des schwächsten Gliedes in der Kette: Vom Blut mehr aufgenommener, vom Herzen in höherem Schlagvolumen zu den Muskelzellen gepumpter Sauerstoffüberschuss wird wieder ausgeschieden, wenn die Mitochondrien ihn nicht verwerten können. Beste Brennwerte im Kraftwerk Mitochondrium bleiben sinnlos, wenn das Blut wegen eines Eisenmangels nicht genügend Sauerstoff bindet oder seine Transportkapazität durch ungenügend entwickeltes Schlagvolumen der Pumpe begrenzt wird …

„Ein Weg zum Marathon“ nutzt den Begriff, um die Wirkungsrichtung einiger Trainingsformen zu charakterisieren, auch wenn die Messung von VO2max und eine davon abgeleitete Trainingssteuerung für Hobbysportler illusorisch bleibt.

Hinweis: In der Literatur zur Ausdauerschulung entsteht häufig der Eindruck, dass deren Autoren nicht recht wissen, was sich tatsächlich hinter dem Kürzel VO2max verbirgt. Zudem wird die Vorstellung erweckt, VO2max stelle so etwas wie die „PS“ des Läufers dar. Im Bild bleibend wird dabei verkannt, dass Motorleistung nur durch das Zusammenwirken vieler Einzelaggregate zustande kommt. Darüber hinaus wird übersehen, dass nicht die absolute Leistung entscheidet, welches Auto weniger Sprit verbraucht und damit bei höherer Geschwindigkeit weiter fährt, sondern wie viel von der Maximalleistung tatsächlich auch in Bewegung umgesetzt werden kann. Eine verbesserte maximale Sauerstoffaufnahme gilt daher als Voraussetzung für Steigerungen der Ausdauerleistung. Inwieweit ein Läufer davon profitiert bestimmt auch der Grad der Ausschöpfung von VO2max bei niedrigeren Intensitäten (= Tempo).

2.3 Messung des Trainingsfortschritts in Eigenregie

zum Seitenanfang

Nur wenige verspüren Lust (und noch weniger Marathonaspiranten könnten es sich leisten) den Zuwachs ihrer Ausdauerleistung mit aufwändigen Messverfahren nachzuweisen. Viele werden auch mit Recht fragen, was ihnen das denn bringen soll? Schließlich stellt ein sorgsam aufgestellter Trainingsplan ja so etwas wie ein Versprechen auf verbesserte Ausdauer dar. Wenn du mit diesem Versprechen zufrieden bist, lies einfach nicht weiter …

Manche Indizien für mehr Ausdauer werden dir automatisch geliefert: Die langen Läufe führen dich über vorher nie oder schon lange nicht mehr absolvierte Distanzen. Und dann erholt sich dein Körper innerhalb von 48 Stunden so weit, dass du ihm eine neue Belastung zumuten kannst. Dennoch fragst du dich, ob denn auch 42 Kilometer zu schaffen sind und das bei höherer Laufgeschwindigkeit. Der Verstand akzeptiert, dass 30 langsame Kilometer aus vollem Trainingsprogramm genauso hart sein können wie 42 schnellere mit ausgeruhten Beinen. Nur sät der skeptische Teil deines Ichs massive Zweifel, wenn dir zwei Tage nach dem langen Lauf ein paar flotte Kilometer heftig in die noch schweren Beine fahren. Subjektive Wahrnehmungen scheinen also wenig geeignet einen Nachweis über verbesserte Ausdauer zu führen. Mit dem Pulsmesser gelingt das hingegen auf simple Weise und ist zudem jederzeit reproduzierbar.

Möglichkeit 1: Einlaufen, danach auf vermessener Strecke mehrere Kilometer eine leicht zu kontrollierende Geschwindigkeit laufen; zum Beispiel 5:30 oder 6:00 min/km. Auf den mittleren, meist recht konstant gelaufenen Kilometern, nimmst du deinen Puls. Erstmals vor Beginn des speziellen Marathontrainings und dann im Abstand mehrerer Wochen immer wieder. Du wirst feststellen, dass deine Herzfrequenz bei gleichem Tempo niedriger wird. Wie ist das möglich? Die Antwort kennst du bereits und sie beweist deinen Ausdauerzuwachs.

Möglichkeit 2: Du suchst dir eine häufig im Marathontraining zu laufende Intensität aus. Zum Beispiel DL75 (Dauerlauf 75% von Hfmax). Laufe vor Beginn des speziellen Marathontrainings deine Lieblingsstrecke in diesem Tempo (vorher Einlaufen). Du wirst dafür weniger Zeit bei gleicher Herzfrequenz benötigen, wenn du den Lauf nach mehreren Wochen Marathontraining wiederholst! Wenn du die Länge deiner Lieblingsstrecke kennst, kannst du den Tempogewinn sogar in Zahlen fassen. Wie ist es möglich dieselbe Strecke in kürzerer Zeit zu laufen und dabei keinen höheren Puls zu messen? Ganz einfach: VO2max und andere Körpereigenschaften haben sich verbessert, du bist ausdauernder geworden.

Das Bild zeigt die Auswertung eines auf dem Laufband vorgenommenen Leistungstests. Beachte nur die Herzfrequenzkurven im oberen Bildteil, die mit sechs Wochen Abstand, zu Beginn und in der Mitte meines 12 Wochen-Trainings vor dem Prag Marathon 2006 aufgenommen wurden. In dieser Zeit reduzierte sich mein Puls um ungefähr 10 bpm über das gesamte Geschwindigkeitsspektrum. Für diese Erkenntnis allein, hätte ich mich nicht auf dem Laufband schinden müssen. Meine Aufzeichnungen im Lauftagebuch hatten es mir längst verraten ...

3. Trainingsformen verstehen und anwenden

zum Seitenanfang

Zu wissen, wieso ich mal diese, bald jene Übung zu trainieren hatte, half mir über zahllose körperliche und mentale Schwächen hinweg. Mir scheint wichtig, das häufig aufbegehrende Ego mit stichhaltigen Erklärungen zu befrieden, wenn es unwirsch fragt: „Wozu mach’ ich das? Geht’s nicht auch ohne diese Plackerei?“. Auf dem Weg zum Marathon ist das besonders wichtig: Während im Training für alle Unterdistanzen durchaus die volle Wettkampfstrecke gelaufen werden kann, ist das für den Marathon nicht ratsam; zumindest nicht für Zielzeiten, wie sie die meisten Leser dieses Textes anvisieren. Stattdessen kommen sehr unterschiedliche Trainingsformen zum Einsatz, denen eines gemeinsam ist: An keinem Trainingstag läufst du auch nur annähernd so weit und dabei so schnell wie am Tag X!

Betrachte Skepsis angesichts dessen, was du trainierst und dem was dein Ziel ist, als unvermeidlich! Es wird dir ergehen wie mir vor dem ersten Mal: Ich hielt es für einigermaßen unwahrscheinlich, die Pace tatsächlich über mehr als 42 Kilometer durchzuhalten. Und doch gelang es. Bewahre dir also den Glauben, dass das Training dich zum Finish tragen wird!

3.1 Dauerläufe

zum Seitenanfang

3.1.1 Dauerlauf allgemein

Intensität und Belastung beim Dauerlauf

Die einfachste, zugleich häufigste Trainingsmethode ist der Dauerlauf. Man versteht darunter eine gleichförmige, mit konstanter Intensität (Leistung, Anstrengung) ausgeführte Laufbewegung. In flachem Gelände und ohne störende Einflüsse entspricht die Intensität einer bestimmten, vom Ausdauerzustand abhängigen Laufgeschwindigkeit. Widrige Verhältnisse, wie Anstiege oder Gefälle, wechselnde Windlasten oder Untergründe, lassen häufig keinen gleichmäßigen Kraftaufwand zu. Bergauf und gegen den Wind langsamer, bergab und mit dem Wind schneller: In gewissem Umfang lassen sich so Unterschiede der muskulären Beanspruchung über das Tempo ausgleichen. Diese Taktik findet ihre Grenze, wo in steilem Gefälle bewusst vorsichtig und langsam gelaufen werden muss. Andererseits werden dich bereits mäßig ansteigende Wege so stark fordern, dass der anvisierte Grad der Anstrengung auch mit „Schneckentrab“ nicht mehr zu halten ist. Negativen Einfluss auf die Trainingswirkung des Dauerlaufes hat das nicht. Mithin brauchst du auf der Suche nach ebenem Geläuf nicht krampfhaft in die Ferne schweifen, wenn das wellige Laufrevier vor deiner Haustür liegt ...

Wie hoch die Belastung (Gesamtenergiebedarf, verrichtete Arbeit) durch einen Dauerlauf ausfällt, hängt neben der Intensität von der gelaufenen Distanz oder Dauer ab. Intensität mal Dauer ergibt die Belastung. Die Belastung bestimmt den Grad der Ermüdung und damit die Dauer der Erholungsphase.

Steuerung der Intensität

Freizeitläufer können Intensitäten über körpereigene Indikatoren nur grob abschätzen. Atemfrequenz und Wohlfühlgrad erlauben bei flachen Läufen allenfalls Tempounterscheidungen in „langsam“, „schnell“ und „sehr schnell“. Für eine objektivere, feiner abgestufte Steuerung des Dauerlaufes misst du entweder Tempo oder Herzfrequenz. Die mit beiden Methoden verbundenen Umstände wurden bereits in Teil 2, Abschnitt 3.2 diskutiert.

Wegen der einfacheren Handhabung stützen sich unsere Trainingspläne auf den Pulsmesser. Er misst die Herzfrequenz, deren Wert die jeweilige Intensität widerspiegelt. Tatsächlich besteht bis zu einem Grenzwert (ca. 90% von Hfmax) eine lineare Beziehung zwischen Kraftaufwand und Schlagfrequenz des Herzens. 10 Prozent mehr Leistung lassen das Herz um 10 Prozent seiner maximalen Frequenz2 (Hfmax) schneller arbeiten.

Hinweis: Wenn du unsere Trainingspläne wie vorgegeben nutzen möchtest, solltest du im Umgang mit dem Pulsmesser ausreichend geübt sein. Deshalb sei als Vorbereitung die Lektüre des (leider) recht umfangreichen Abschnittes „Laufen mit Pulsmesser“ auf unserer Seite empfohlen. Wer nicht alles lesen möchte oder kann wählt aus:

2 Wenn im Text Intensitäts- beziehungsweise Tempoangaben in Form von Prozentwerten erfolgen (zum Beispiel „Tempo 80%“), so handelt es sich immer um einen auf die maximale Herzfrequenz (Hfmax) bezogenen Wert. „Tempo 80%“ bedeutet mithin: So laufen, dass ein Puls erreicht wird, der dem 0,8-fachen der maximalen Herzfrequenz entspricht.

Intensitätsbereiche

Intensitäten ( = Tempo bei flachen Läufen) geben unsere Trainingspläne in Form von Abkürzungen vor. Gemeint sind damit Bereiche, innerhalb derer du deine Trainingsherzfrequenz halten sollst. Die Bedeutung der Abkürzungen ergibt sich aus folgender Tabelle:

Gleich weit, gleich schnell und doch anders?

(Subjektive Wahrnehmung von Intensität und Belastung)

Dieselbe flache Strecke, mit identischer Geschwindigkeit (Intensität), unter gleichen Witterungsbedingungen, an verschiedenen Tagen gelaufen, fordert jedes Mal denselben Krafteinsatz von dir. Intensität und Belastung bleiben – objektiv betrachtet – unverändert. Dennoch wird sich die Beanspruchung nicht immer gleich anfühlen, weil dein Grad an Restermüdung (unvollständige Regeneration) vom zuvor erledigten Trainingsprogramm abhängt. Zum Beispiel empfand ich die erste Trainingseinheit nach langen Läufen meist als pure Schinderei. Mit schweren, müden Beinen hatte ich oft Mühe den Puls in den vorgesehenen Trainingsbereich zu hieven und dort zu halten. Das Tempo, die Intensität, kam mir höher vor als sonst, was Kontrollmessungen jedoch samt und sonders verneinten. Und jene Läufe hinterließen mich erschöpfter als vergleichbare an anderen Tagen.

Hinweis: Wenn du dich zu Beginn eines Trainings noch müde fühlst ist das zunächst kein Zeichen von Überlastung oder dem berüchtigten Übertraining. Als Alarmzeichen solltest du allerdings werten, wenn du mehrere Tage nacheinander ausgeprägt schlapp und lustlos durch die Gegend schlurfst.

Welchen Sinn haben Dauerläufe mit unterschiedlichen Intensitäten?

Alle Dauerläufe im Bereich 70 bis 85% steigern die Fähigkeit des Organismus sich zu erholen. Daneben stellen sie eine Art „Feintuning“ für das gut koordinierte Arbeiten des Herz-Kreislauf-Systems dar. Den unterschiedlichen Intensitätsbereichen bleiben folgende Wirkungen vorbehalten:

Regenerative Dauerläufe (DL60) – auch oft als ReKom-Training bezeichnet – werden nach hohen Belastungen angewandt, um mittels erhöhter Durchblutung von Arbeitsmuskulatur und sonstigen Organen die Erholung aktiv zu unterstützen. Die Zeitgrenze für solche Läufe beträgt 30 Minuten! Wer länger läuft, fügt der schon bestehenden eine neue Belastung hinzu und schadet sich eher. Es gibt ernstzunehmende Stimmen, die ReKom-Läufe ablehnen, weil nach ihrer Auffassung jede Laufintensität den Körper merklich belastet. Stattdessen soll die aktive Regeneration in anderen Sportarten gesucht werden. Läufern wird vor allem Schwimmen empfohlen, aber auch Radfahren oder Langlauf im Winter.

Das Auslaufen nach anstrengenden Trainingseinheiten bewegt sich ebenfalls im niedrigsten Intensitätsbereich. Allerdings solltest du hierzu deine langsamsten Laufschritte per Gefühl bestimmen und keine Orientierung vom Pulsmesser erwarten. Der Puls erholt sich nur bei sehr gut ausdauertrainierten Läufern ausreichend schnell.

Dauerlauf mit einer Herzfrequenz von 70 bis 75% (DL70) nutzt und schult nahezu ausschließlich den aeroben Anteil des Energiestoffwechsels. Da die Arbeitsmuskulatur relativ wenig Energie pro Zeiteinheit bereitzustellen braucht, kann der Bedarf zum größten Teil vom langsamen Fettsäure-Stoffwechsel gedeckt werden. Die Kohlenhydrat-Depots werden geschont. In diesem Tempo, beziehungsweise mit dieser Intensität, bestreitet man den für das Marathontraining besonders wichtigen langen Lauf (weitere Erläuterungen, siehe langer Lauf).

Bei Dauerläufen im Herzfrequenzband 75 bis 85% (DL75 und DL80) kann sich die arbeitende Muskulatur immer noch ausreichend mit Sauerstoff versorgen, verbraucht jedoch zunehmend Kohlenhydrate, da schnelleres Laufen eine höhere Energieflussrate erfordert. Diese Läufe dienen der Stabilisierung erreichter Ausdauerverbesserungen und einer Vergrößerung der Kohlenhydrat-Speicher in der Muskulatur. Ob mehr das eine oder das andere, hängt von der Kombination aus Intensität und Dauer (Strecke) ab.

Fordernde Läufe DL85, also mit einer Intensität jenseits 85%, verbessern die rel. V02max (siehe Abschnitt 2.2). Dabei ist nicht nur wichtig wie viel Liter Sauerstoff der Körper pro Zeiteinheit maximal aufnehmen kann. Als bedeutsamer hat sich erwiesen wie viel er von dieser Fähigkeit bei reduziertem Tempo verwertet. Weltklassemarathonis erschließen über 90% von VO2max bei Marathonrenntempo!! Darüber hinaus verbessern harte Dauerläufe die Rekrutierung eines bestimmten Muskelfasertyps für Ausdauerleistungen, (siehe Abschnitt 2.1). Das Wachstum der Kapillargefäße um die Muskelzellen wird bei dieser Intensität besonders angeregt. Viertens schulen solche Läufe den Durchhaltewillen und verbessern die Härte gegen sich selbst (Tempohärte), weil sie dem Läufer „weh“ tun. Du läufst unter körperlichen wie mentalen Bedingungen, die schon nach Minuten nichts mehr mit „Wohlfühlläufen“ gemein haben. Ob Training dieser Intensität noch Spaß macht, hängt sehr von deiner Persönlichkeit ab. Der Einsatz solcher Trainingseinheiten beschränkt sich im Marathontraining gottlob auf wenige Prozent des Gesamtumfanges.

Ein- und Auslaufen?

Läufe ab DL75 und intensiver (schneller) sollten mit etwa fünf Minuten Trab zum Einlaufen/Aufwärmen begonnen und mit weiteren fünf Minuten Auslaufen/Abwärmen beendet werden. Vor sehr intensiven Dauerläufen solltest du die Einlaufphase auf 10 Minuten verlängern. Mehr Informationen zum richtigen Ein-/Auslaufen findest du auf unserer Seite unter diesem Link.

3.1.2 Der lange Lauf

zum Seitenanfang

Grundsätzliches

Distanz: 20 bis 35 Kilometer, je nach Ausdauerzustand und Zielzeit, maximal 3:15 Stunden oder 35 Km
Tempo: Konsequent langsam!! 70 - 75%
Häufigkeit: Minimal sechs (fünf) lange Läufe in einem 12 (10) Wochen Trainingsplan, maximal einer pro Woche.

Der lange Lauf ist ein Dauerlauf, der sich wegen der Kombination aus Überlänge und niedrigem Tempo vom übrigen Trainingsgeschehen abhebt. Je nach Trainingsfortschritt und angestrebter Zielzeit überwindest du Distanzen von 20 bis 35 Kilometern. Der dabei anzustrebende Trab darf deutlich unter dem geplanten Marathontempo liegen und hält den Puls im Frequenzband 70 bis 75%. Entscheidend für den Trainingseffekt des „Long Joggs“ ist das langsame Tempo, mit dem der für den Marathonläufer ungemein wichtige Fettsäure-Stoffwechsel intensiv stimuliert wird.

Häufigkeit und Distanz des Langen

Die Grenze für den „Long Jogg“ liegt bei 3:15 Stunden oder 35 Kilometern. Wobei Läufer im unteren Leistungsbereich (Zielzeiten 3:30 und länger) eher an die Zeitgrenze stoßen. Schnelle Leute sollten sich vom 35 km-Limit leiten lassen. Die Distanz der langen Läufe nimmt im Verlauf des Trainingsplans schrittweise zu. Dein Körper kann maximal einen Langen pro Woche verkraften, insgesamt sind 6 bis 8 im Zeitraum des Marathontrainingsplans vorgesehen.

Vor zu vielen und/oder zu langen Long Joggs sei an dieser Stelle gewarnt. Wer länger als 3:15 Stunden oder 35 Kilometer läuft, geht nicht nur das Risiko ein sich zu überlasten, er setzt auch die Wirksamkeit des übrigen Trainingsplans aufs Spiel, weil er mit zu hoher Restermüdung in die nachfolgenden Einheiten geht. Also nicht mutwillig länger laufen, als es der Trainingsplan vorsieht. Ebenso solltest du der eventuellen Versuchung widerstehen zusätzliche lange Kanten einzubauen. Auch solches Vorgehen begünstigt Überlastung und die Vernachlässigung des übrigen Trainingsprogramms.

Vor dem eigentlichen Marathontraining solltest du keine langen Läufe unternehmen. Falls du sie doch einbaust, wächst die Gefahr nach einigen Wochen des 12-Wochen-Marathontrainings ausgepowert, überlastet und lustlos durch die Gegend zu stolpern. Die Distanz der längsten Trainingseinheiten der Vorbereitung endet dort, wo der Lange im Marathontraining beginnt ... bei der Halbmarathonmarke.

Tempogestaltung

Neben der schieren Länge entscheidet das niedrige Tempo über den Erfolg des „Long Joggs“. Wenn du zu schnell unterwegs bist, bezieht die Arbeitsmuskulatur einen zu hohen Prozentsatz ihrer Energie aus Kohlenhydraten. Das reizt die Verwertung von Fettsäuren, worin ein Trainingsziel des langen Laufes besteht, nicht ausreichend. Zudem hätte überzogenes Tempo möglicherweise einen frühen Tempoeinbruch und/oder die Verkürzung der Trainingseinheit zur Folge. Die Laufgeschwindigkeit soll aber über die volle Distanz konstant gehalten werden.

Bei den meisten Läufern liegt das Trabtempo des „langen Kantens“ mehr oder weniger deutlich unter dem angestrebten Marathonrenntempo (MRT). Je bescheidener jedoch die Zielzeit ausfällt, umso näher liegen MRT und Trainingstempo beieinander. Läufer, die auf Ankommen trainieren, vielleicht eine Zielzeit zwischen 4:45 und 5:15 Stunden anpeilen, werden beim Long Jogg ungefähr denselben Trab praktizieren, wie später im Wettkampf. Für einen Marathon knapp unter 4 Stunden liegt das Marathonrenntempo bei 5:40 min/km. Beim langen Lauf darf es dann um einiges gemächlicher zugehen: Etwa 6:20 min/km wären angemessen.

Vor allem mit der Selbstwahrnehmung beim und nach vollbrachtem langem Lauf verbinden sich Selbstzweifel: „Wie soll ich 42,195 Kilometer durchstehen, wenn ich nach 26 (28, 30, 32 …) Kilometern und niedrigerem Tempo schon so kaputt bin???“ Nicht verzagen: Du kannst und wirst das schaffen! Mach dir immer und immer wieder bewusst, dass du den langen Lauf aus hartem Trainingsgeschehen heraus und nie vollständig erholt antrittst! Aus eben diesem Grund wäre es verfehlt (zumindest im Bereich des Hobbysports) den Long Jogg über mehr als 3:15 Stunden auszudehnen. Schon nach dieser Zeit ist der „Akku“ leer, aber das wirst du bald selbst merken.

Von der Unverzichtbarkeit langer Läufe

Der lange Lauf ist die wichtigste Trainingsform des Marathontrainings. Mach dir wenig bis keine Gedanken, wenn aus stichhaltigen Gründen die eine oder andere Trainingseinheit ausfallen muss. Der Verlust einzelner Läufe wird vom übrigen Trainingsprozess kompensiert (natürlich darf das nicht zu oft geschehen). Das gilt für alle Trainingseinheiten, nur nicht für den langen Lauf. Das Minimum von sechs langen Läufen vor einem Marathon sollte nicht unterschritten werden.

Die „Marathon-Szene“ zieht zuweilen jede Lehre in Zweifel. Zwar leugnet niemand im Grundsatz die Notwendigkeit langer Läufe. Über Tempo, Länge und vor allem Häufigkeit entbrennen allerdings heftige Glaubenskriege. Ursache ist nicht bahnbrechendes, sportwissenschaftlich abgesichertes Wissen, sonder eher die Erleuchtung eines (neuen) „Laufgurus“, der einen an sich selbst oder einigen anderen erfolgreich getesteten Sonderweg publiziert und dafür Allgemeingültigkeit reklamiert. Ganz bestimmt sind manche Läufertypen mit nur drei Langen bei deutlich höherem Tempo erfolgreich; vielleicht auch mit revolutionär abweichendem Konzept ... kann sein. Lass dich als Hobbyläufer ohne oder mit geringer Marathonerfahrung von solchen Diskussionen nicht beirren: Wer sechs lange Läufe samt Restprogramm abspult, wird am Marathonsonntag finishen und das mit einiger Wahrscheinlichkeit in der erhofften Zeit! Viele, lange Läufe entsprechen der klassischen Methodik, die unzähligen, glücklichen Marathonas und Marathonis bereits ihre Finisher-Medaillen bescherte.

Langer Lauf pulsgesteuert

Falls du deinen Long Jogg mit dem Pulsmesser kontrollierst, gilt es die schleichend einsetzende Erhöhung des Pulses zu beachten. Etwa auf dem letzten Drittel der langen Trainingseinheit führen Flüssigkeitsverlust, Erhöhung der Körperkerntemperatur und die verschlechterte Stoffwechselsituation zum Ansteigen der Herzfrequenz (siehe auch Bild unten). Etwa fünf Herzschläge pro Minute mehr (5 bpm), bei gleichbleibender Geschwindigkeit, sind völlig normal. Natürlich variiert die Abweichung von Läufer zu Läufer ebenso, wie der Zeitpunkt, ab dem die Veränderung einsetzt. Fest steht, dass sie einsetzt! Wenn du dir beispielsweise 30 Kilometer vorgenommen hast, solltest du den Puls ungefähr ab Kilometer 20 anheben. Natürlich lässt sich der Puls nur durch sanfte Temposteigerung beschleunigen. Die nach zwei Dritteln der Strecke bereits eingetretene Teilermüdung wird dir vorgaukeln, dass du dadurch schneller als auf dem ersten Teil der Strecke unterwegs bist. Tatsächlich wurdest du geringfügig langsamer, was durch die Tempoverschärfung wieder ausgeglichen wird.

Hinweis: Manchen mit gut entwickelter Laufkonstanz wird es gelingen das Tempo zu halten. Neben dem subjektiven Eindruck nicht langsamer geworden zu sein, beweist es der Blick auf den inzwischen rascher „tickenden“ Pulsmesser. Dann entfällt natürlich die Tempoverschärfung. Insgesamt solltest du den Sachverhalt des beschleunigten Pulses nicht überbewerten. Erheblicher Schaden am Trainingserfolg entsteht weder, wenn du am Ende etwas zu schnell, noch, falls du zu langsam nach Hause trabst.

Das Bild zeigt meine Pulskurve beim Illermarathon Immenstadt (Allgäu) vom 8. Juni 2008, einer der Vorbereitungsläufe auf den 24 Stunden-Lauf in Berlin. Ultraläufer nutzen Marathons gerne als lange Läufe. Die Distanz verlängerte sich wegen falscher Wendemarke auf 43,795 km (Doch, doch, so was gibt's!). Einige Allgäuer Hügel bilden sich als markante Pulsspitzen auf der ersten Streckenhälfte ab. Die durchschnittliche Pace betrug 4:55 min/km. Auf der zweiten, brettflachen Hälfte begann der Puls zu klettern, obwohl sich mein Lauftempo nicht änderte. Lediglich für die letzten 8 Kilometer wurde eine Tempoverschärfung von 10 Sekunden/km aufgezeichnet, wodurch der Puls um durchschnittlich weitere 5 bpm anstieg.

Was bezweckt der „Lange“?

Stoffwechselstimulans: Der lange Lauf verbessert den Fettsäure-Stoffwechsel, damit die limitierten Kohlenhydrat-Depots in der Arbeitsmuskulatur bis zum Finish reichen. Ohne gut arbeitende Fettverwertung brauchen die Muskeln ihre Glykogenvorräte zu schnell auf. Das führt zum berüchtigten Phänomen des „Hammermanns“, eines oft als abrupt empfundenen Kraft- und Tempoeinbruchs jenseits der 30 Kilometer Marke. Deine Beine werden schwer wie Blei, die Bewegungen drastisch verlangsamt. Der „Motor“ läuft ab diesem Zeitpunkt beinahe ausschließlich auf Basis der mit niedrigerer Energieflussrate verbrennenden Fette (siehe auch Abschnitt 1). Wer die Fettsäure-Verbrennung jedoch mit Long Joggs gut trainierte, bezieht auf den ersten 30 Kilometern deutlich mehr „Power aus Fett“, schont seine Glykogendepots und kann die Pace bis zum Finish halten. Abgesehen von einer vermiesten Zielzeit: Dem Mann mit dem Hammer zu begegnen ist alles andere als lustig. Wem es passiert, der erlebt die letzten Kilometer als barbarische Quälerei. Viele können sich nur noch gehend ins Ziel schleppen, manche geben auf.

Abhärtung des Bewegungsapparates: Ferner zielt der Lange auf Stabilisierung und Abhärtung des Bewegungsapparates für überlange Läufe. Die stundenlange Beanspruchung, sechs- bis acht Mal im Wochenabstand wiederholt, bringt deinem Organismus bei wie er 40.000 flotte Laufschritte auf Asphalt verkraften kann ohne Schaden zu nehmen. Lass es mich drastisch und überspitzt formulieren: Wer systematisch und mit Bedacht seine Handkante an nachgiebigeren Materialen schult, wird irgendwann als bewunderter Karatekämpfer einen Stapel Ziegelsteine zerschlagen, ohne den winzigsten Kratzer davon zu tragen …

Wichtiger Hinweis: Marathon und andere Straßenläufe werden überwiegend auf asphaltierten oder betonierten Pisten ausgetragen. Auch dieser Umstand will trainiert sein! Wenn möglich verlegst du schon während der Vorbereitungsphase, unbedingt aber im 12-wöchigen Marathontraining, einen Teil deiner Laufkilometer auf asphaltierten Untergrund. Rad- oder entsprechend befestigte Wirtschaftswege bieten sich an. Sorge jedoch für einen sanften Übergang: Anfangs nur zwei, drei Kilometer einer Trainingseinheit, Wochen später auch mal zwei Drittel eines langen Laufes auf Asphalt absolvieren.

Mentale Schulung: Selbstverständlich ebnen dir Long Joggs auch psychisch den Weg zum Marathontor. Du lernst mit wachsender Müdigkeit, einem plötzlich auftretenden Tief und anderen Unbilden umzugehen. Sich durchbeißen heißt die Devise. Es ist weder Zufall, noch Schikane, wenn du die letzten zehn Kilometer des Langen als Kampf gegen wachsende Schwäche erlebst. In der Vorbereitung zu meinen ersten Marathonläufen findet sich kein langer Lauf bei dem es anders gewesen wäre. Lass jedoch Vorsicht walten: Nicht gewalttätig gegen dich selbst vorgehen! Wenn dich extreme Witterung behindert (zum Beispiel Hitze oder tiefer Schnee), du einen schlechten Tag erwischst, oder über einen anderen massiven „Knüppel zwischen deinen Beinen stolperst“, dann brich den Lauf ab! Nie vergessen: Die Verantwortung für deine Gesundheit liegt bei dir. Und wenn was schief geht, musst auch nur du selbst es ausbaden!

„Training on the job“: Der lange Lauf bietet die Möglichkeit Trink- und Ernährungstaktiken unter Marathon-ähnlichen Bedingungen auszuprobieren. Generell gilt: Was sich im Training nicht bewährt, solltest du beim Wettkampf unterlassen. Flüssigkeit muss, Kohlenhydrate sollen während des Marathons zugeführt werden. Was und wie viel, testest du beim Long Jogg. Grundsätzlich befürworte ich den kalorienfreien langen Lauf, um die Glykogenspeicher der Muskulatur schneller auszuschöpfen und damit die Ausbeutung der Fettreserve intensiver zu reizen. Aber während zwei oder drei langer Läufe solltest du die Bekömmlichkeit unterschiedlicher Getränke und Energieträger für den Magen-Darm-Trakt testen. An den Verpflegungsstellen werden oft Bananen und Elektrolyte angeboten. Energiegels oder -riegel kannst du selbst mitführen. Was und wie viel du an Flüssigkeit und fester Nahrung verträgst, werden drei Stunden langer Lauf erweisen.

Zwei Hinweise: Es genügt nicht sich ein Trink-Ess-Konzept für den Marathon zu erarbeiten. Du musst es im Marathonwettkampf auch diszipliniert umsetzen. Mir wurde in zwei Fällen speiübel, weil ich mich leichtsinnig über die mir bekannte verträgliche Menge und Mischung hinweg setzte!

LäuferInnen mit empfindlichem Immunsystem sollten während aller langen Läufe Kohlenhydrate zu sich nehmen. Nach dem Langen (natürlich auch nach dem Marathon) ist die Infektabwehr geschwächt. Es wurde nachgewiesen, dass man dieser Schwächung durch Nahrungszufuhr während längerer Ausdauerbelastungen teilweise vorbeugen kann.

Langer Lauf mit Gehpausen

Gehpausen sind weder Sünde noch Schande! Insbesondere LäuferInnen mit noch nicht nachhaltig ausgeprägter Ausdauer dürfen und sollen mehrminütige Gehpausen in das Langdistanztraining einbauen (zum Beispiel, um in aller Ruhe zu trinken). Gehphasen heben die Trainingswirkung nicht auf. Eine Gehpause zur rechten Zeit schont deine Energiereserven und bewahrt dich vor einem „schwarzen Motivationsloch“.

Langer Lauf mit Tempovarianten

Je ambitionierter ein Läufer für anspruchsvolle Zielzeiten trainiert, umso härtere Tempovariationen wird er der Grundform des langen Laufes hinzufügen:

Langer Lauf mit Endbeschleunigung: Ab Zielzeiten von etwa 3:45 Stunden kann man den langen Lauf mit 5 bis 8 schneller gelaufenen Kilometern wirksamer gestalten. Das geschieht im Schlussviertel des Long Joggs, wird jedoch rechtzeitig beendet, um danach noch zwei Kilometer auslaufen zu können. Endbeschleunigung und Auslaufen führen zu keiner Verlängerung der Trainingseinheit. Was heißt „schneller“? Du solltest die Mehranstrengung deutlich spüren, das geplante Marathonrenntempo jedoch nicht übertreffen.

Crescendo-Lauf: „Crescendo“ kennzeichnet in der Musik einen immer lauter werdenden Orchestervortrag. Im Zusammenhang mit dem langen Lauf meint der Begriff eine stufenförmige Tempoverschärfung auf der zweiten Hälfte. In mehreren, kilometerlangen Stufen hebst du das Lauftempo bis Marathonrenntempo an.

Das Bild zeigt ein über den Puls kontrolliertes Crescendo eines Läufers mit einer Hfmax von 200 bpm. Er würzt seinen 32 km-Lauf mit Temposteigerungen von jeweils ungefähr 10 bpm. Nach drei Stufen erreicht er schließlich das Pulsniveau 85%, was vielfach Marathonrenntempo entspricht. Bitte beachte: Anzahl, Höhe und Dauer der Stufen sind individuell festzulegende Größen. Außerdem ignoriert die Skizze das unweigerliche Anwachsen der Herzfrequenz gegen Ende des Long Joggs, welches bei der Gestaltung des Crescendos einzukalkulieren ist. Wenn die Temposteigerung nahezu stufenlos erfolgt, erfüllt das denselben Zweck.

Hinweis: Es soll Masochisten geben, die Crescendo über Marathonrenntempo hinaus forcieren. Meine Selbstversuche endeten bei MRT oder darunter, was mir bisweilen letzte Reserven abforderte. Auch wegen dieser Erinnerungen warne ich jeden unerfahrenen Marathoni vor der Anwendung der Variante Crescendo. Sie setzt sehr gute, über Jahre erarbeitete Ausdauereigenschaften und körperliche Robustheit voraus.

Lange laufen und gesund bleiben

Mit dem Langen bringst du im Wochentakt die belastendste Trainingseinheit des Marathonläufers hinter dich. Vorkehrungen, um Gesundheit und Wohlbefinden nicht unnötig aufs Spiel zu setzen, sind deshalb Pflicht:

Bekleidungstipps zum langen Lauf

Die überlegte Wahl der Laufkleidung beugt drei Risiken stundenlangen Laufens vor: Übermäßiger Flüssigkeitsverlust, Auskühlung und Wundscheuern. Da Wärme- beziehungsweise Kälteempfinden, Schweißbildung, Infektanfälligkeit und Widerstandsfähigkeit der Haut individuelle Faktoren darstellen, haben konkrete Bekleidungsvorschläge zu unterbleiben. Tendenziell helfen dir möglicherweise folgende Hinweise weiter:

Sommer: Leichte, luftige, der Temperatur und dem eigenen Wärmeempfinden angepasste Bekleidung; wenn die Sonne scheint, wegen Sonnenbrandgefahr, aber auch um die Wärmeaufnahme durch direkte Bestrahlung zu reduzieren, nicht mit nacktem Oberkörper oder schulterfrei Laufen. An trüben oder regnerischen, vielleicht windigen Sommertagen besteht immer die Gefahr zu frieren; denn das Tempo ist niedrig, drei Laufstunden laugen dich energetisch aus und möglicherweise gehst du abschnittsweise. Ein langärmliges Trikot, zunächst mit den Ärmeln um die Hüfte gebunden, behindert beim Laufen kaum und kann bei Bedarf übergestreift werden.

Winter: Viele Läufer gehen in den kalten Monaten zu dick verpackt auf die Strecke! Das mag bei 60 Minuten Joggen angenehm sein. Auf Dreistundenlaufdauer projiziert führt es allerdings zu starkem Schweißverlust. Zu viele, zu dicke, wärmedämmende Schichten erzeugen auf der Haut eine Art Saunaklima. Die Dehydrierung steht in solchen Fällen derjenigen an heißen Sommertagen kaum nach. Nur empfindest du es nicht so und trinkst möglicherweise zu wenig. Die Alternativen „Overdressed“ oder Frieren in der Warmlaufphase und gegen Ende des Long Joggs vermeidet die „Zwiebelmethode“: Ein zusätzliches, möglichst winddichtes Kleidungsstück wird nach zwanzig, dreißig Minuten ausgezogen, an der Hüfte fixiert und bei Bedarf wieder angezogen.

Wundscheuern oder Blasen an den Füßen lassen sich durch folgende Maßnahmen vermeiden: Trag beim Langen deine bequemsten und am besten eingelaufenen Schuhe, Laufstrümpfe und Klamotten; also ausschließlich Material, das sich in zig Läufen bewährt hat! Es darf an keiner Stelle reiben, kratzen, scheuern oder drücken. Eine Stunde mag das gut gehen. Nach drei Stunden ist die Haut durch! Das gilt auch für den Lauf-BH: Weibliche Haut im Bereich der Brust ist besonders empfindlich. Männer kleben ihre Brustwarzen ab. Kritisch sind Shorts, weil sie, nass geschwitzt, den Innenseiten der Oberschenkel übel mitspielen können. Meine persönliche maximale Reichweite in Shorts ist die Halbmarathondistanz. In durchweichten Kurztights hatte ich jedoch nie Probleme, selbst auf längsten Ultrastrecken nicht.

Weitere Tipps zum Langen aus der Trainingspraxis

Der lange Lauf ist vor allem eines: Lang! Die erste Schwierigkeit kann schon darin bestehen im Trainingsrevier eine geeignete Strecke zu finden. Man muss schon etliche Naturschönheiten aneinander reihen, um auf die gewünschten 28, 30, 32 Kilometer zu kommen. Wenn dir Erfahrungen mit dem langen Lauf fehlen, empfehle ich für die ersten Male das „Stützpunktverfahren“. Als Stützpunkt, an dem du vor allem Getränke, Nahrung, vielleicht ein frisches Trikot und anderes, deponieren kannst, eignet sich die Wohnung oder das Auto. Du teilst deinen langen Lauf in kleinere Runden oder Wendestrecken auf und kehrst zum Ausgangspunkt zurück um dich zu verpflegen. Ideal wären 5 km-Abschnitte, um sich gleich an die Trinkintervalle des späteren Marathons zu gewöhnen. Wenn eine Distanz mal nur vier, eine andere eventuell acht Kilometer beträgt, weil es das Gelände nicht anders hergibt, spielt das auch keine Rolle. Der Stützpunkt beugt zudem Ängsten vor, die du angesichts der gewaltig anmutenden Strecke von mehr als 25 Kilometern aufbauen könntest. Und falls dich tatsächlich Schwäche zum Abbruch zwingt, bist du in kurzer Zeit zu Hause.

Grundsätzlich interessanter und damit motivierender gestaltet sich der Long Jogg auf Rundkursen. In diesem Fall hast du zwei Alternativen: „Deponie-“ oder „Mitnahmeverfahren“. Gut sitzende Trinkgürtel, manche mit Zusatztaschen für Riegel, Taschentuch und Lippenstift (nicht den roten, den mit dem Lippenbalsam!), erlauben den Getränkevorrat für die komplette Strecke mitzunehmen. Bei der Anschaffung des Trinkgürtels stellen für mich Modelle mit 6 bis 8 Fläschchen die bessere Alternative dar. Die lassen sich beim Trinkstopp einzeln und auf einmal leeren. Große Trinkflaschen neigen zum Schwappen, wenn du sie nach und nach leerst (Suizidgefahr geht beim Langen von allem aus was nervig ist: Schwappende Trinkflaschen, piepsende Pulsmesser, schlecht sitzende Ohrhörer, usw.).

Hinweis: Vor erstmaligem Einsatz des Trinkgürtels beim Langen, solltest du ihn gefüllt und zur Gewöhnung auf kürzeren Strecken mitnehmen. Das vermeidet böse Überraschungen beim Long Jogg in Form von Handhabungsproblemen und Druckstellen (mich schmerzte einmal tagelang ein Wirbelknochen, auf dem eine der Flaschen mehrere Stunden munter herumhämmerte).

Das „Deponieverfahren“ setzt auf Infrastruktur oder eine Vorabversorgungsfahrt. Lange wehrte sich alles in mir gegen kurze Schleifen und nervig schlackernde Trinkgürtel. Deshalb wählte ich Strecken, wo ich Stunden zuvor (manchmal am Vortag) meine Trinkflaschen an ausgewählten Punkten deponierte (besser: versteckte). Das schränkt die Freiheit der „Streckenkomposition“ gewaltig ein und mag umweltpolitisch fragwürdig sein, befreit jedoch von der Bürde sich auf dem langen Weg mit irgendetwas zu „behängen“. Der Aufwand schwindet, wenn öffentliche Toiletten mit Handwaschbecken, Friedhöfe (nein, nein, gar so schlimm ist der Lange nicht, aber auf Friedhöfen gibt’s Wasserhähne!), oder Wohnungen deiner Freunde an der Strecke liegen. Auch den Toilettenvorraum einer Schulturnhalle nutzte ich eines barbarisch heißen Sommertages, nachdem mein Trinkvorrat erschöpft war …

Andere Läufer berichten von der Möglichkeit eine Route entlang von Flüssen oder rund um Seen zu legen. Gegenden, die wegen ihrer Naherholungs- oder touristischen Bedeutung diverse Möglichkeiten (Kioske, Gaststätten, Tankstellen) zur Getränkebeschaffung bieten. Und ein paar Euro lassen sich leicht verstauen … Zudem bietet sich in gut erschlossenem Umfeld oft auch die Chance mit öffentlichen Verkehrsmitteln zum Ausgangspunkt des Long Joggs zurückzukehren.

Neben Getränken, eventuell Nahrung und was dir sonst noch unabdingbar scheint, solltest du vor allem an Taschentücher oder Toilettenpapier denken. Dessen Notwendigkeit hängt natürlich davon ab, wie eingespielt und stabil dein „finaler Stoffwechsel“ funktioniert (deutlicher mag ich nicht werden). Bedenke andererseits, dass Erschütterungen unausgesetzt deinen Unterleib massieren. Die können in drei Stunden eine Menge in Bewegung setzen, was sonst um diese Zeit noch ruht … Da ich zu jenen Menschen gehöre, die mehr Talent beim Austeilen von Ratschlägen entwickeln als bei deren Selbstanwendung, überstand ich mehrmals Stoffwechselkatastrophen abseits der Zivilisation. Not und Mutter Natur lehrten mich Bäume mit großen Blättern mehr zu lieben als andere. Mit anderen Worten: Der Feind des Ahorns ist auch mein Feind …

Der Trainingsplan fixiert den Langen mit Tempo DL70 und einer Distanz in Kilometern. Selbst Besitzer von GPS-basierten Entfernungsmessern kommen nicht umhin den Kurs vor dem Start zu planen, wofür es mehrere Methoden gibt. Vor Jahren bediente ich mich Karten im Maßstab 1:50.000 und eines Kartenentfernungsmessers, um eine vorgegebene Distanz festzulegen. Jeden Sonntag dasselbe Bild: Frühstücksgeschirr abgeräumt, Krümel beseitigt, Karte auf dem Tisch ausgebreitet und Udo rollt mit dem flinken Rädchen des Entfernungsmessers über die Karte …

Mit der Zeit legte ich mir eine kleine Sammlung von Standardstrecken an. Wenn es neue zu bestimmen galt, ersetzten inzwischen Helfer im Internet das Kartenritual: Google-Earth gestattet eine Strecke auf wenige hundert Meter genau abzumessen. Voraussetzung ist die Gegend zu kennen, um sich die Streckenperspektive von Google-Earth einzuprägen und beim Laufen richtig zu navigieren. Voraussetzung ist weiterhin, dass nicht zu lange Passagen durch dichten Wald führen, weil diese Wege aus der Vogelperspektive von Google-Earth schlecht zu erkennen sind. Manchmal macht Vertrautheit mit dem Gelände fehlende Sicht bei der Planung wett. Außerdem: Ungenauigkeiten fallen kaum ins Gewicht. Letztlich bleibt unerheblich, ob du tatsächlich 29,7 oder 30,3 Kilometer gelaufen bist.

Auf lokalen oder überörtlichen Internet-Portalen stehen vielfach bereits vermessene Strecken zum Abruf bereit. Manchmal sogar als GPS-Daten-Download, den du auf dein eventuell vorhandenes Navi laden kannst. Eine weitere Grundlage für die Streckenplanung bilden Karten und Software der Landesvermessungsämter, die auf DVD erworben werden können.

3.1.3 Marathonrenntempo (MRT)

zum Seitenanfang

Marathonläufer gehen mit gut trainierter Fettsäure-Verwertung, aber begrenztem Kohlenhydrat-Vorrat auf die Strecke. Im Grundsatz gilt: Konstantes Wettkampftempo über die gesamte Distanz verwertet diese Ressourcen am wirtschaftlichsten3. Je gleichmäßiger du läufst, umso erfolgreicher wirst du sein. Trainingsdauerläufe im Marathonrenntempo (MRT) schulen dein Gespür für die geplante Wettkampfgeschwindigkeit. Der Bewegungsapparat – besser: das ihn steuernde Nervensystem – soll sich diesen Schrittrhythmus einprägen und auf der Marathonstrecke reproduzieren. Zur Tempokontrolle benötigst du vermessene Strecken (oder Distanzmesser, zum Beispiel Footpod-Systeme oder GPS). Sinnvoll sind Kilometermarkierungen, weil du diese Streckeneinteilung bei fast allen Marathonläufen vorfinden wirst.

Gerade Marathoneinsteigern fällt die Tempoeinschätzung schwer. Und es bereitet ihnen noch mehr Probleme eine scheinbar geringfügige Abweichung von 4, 5, 6, 7 Sekunden pro 1.000 Meter durch sachte Tempokorrektur auszugleichen. Nun klingen 4, 5, 6, 7 Sekunden nach wenig, nach „piepegal“. Hochgerechnet auf 42,195 Kilometer ergeben aber schon „lächerliche“ 7 Sekunden eine Abweichung von fast 5 Minuten. „Na und?“ wirst du jetzt vielleicht denken. Dazu folgende Überlegung: Angenommen das Training hat deine Ausdauer exakt auf die gewünschte Zielzeit getrimmt. Angenommen du hast an jenem Marathonsonntag wirklich genau die erträumten 3:59 Stunden in deinen Beinen. Keine Minute weniger! Und nun gehst du von Beginn eine 7 Sekunden zu schnelle Pace. Was wird passieren? Irgendwo zwischen den Kilometern 36 bis 40 wirst du dafür bestraft: Glykogen alle, du brichst ein, hast ein Rendezvous mit dem berühmt berüchtigten Hammermann und quälst dich fortan ins Ziel. Natürlich verfehlst du nach dieser Malaise auch deine Zielzeit, was du aber, „deformiert“ von den Schlägen des Hammermannes, als das kleinere Übel empfinden wirst. Ein paar Sekunden pro Kilometer zu schnell klingt unbedeutend, zumal beim Marathonlauf. Aber diese Abweichung hat Gewicht und sollte durch ständige Korrekturen vermieden werden. Ein glückliches Finish hängt auch von der disziplinierten Umsetzung der Tempovorgabe ab! Laufeinheiten im MRT bieten die Möglichkeit das zu üben. Sollten dir Reserven bleiben, kannst du sie auf den letzten Marathon-Kilometern verbrennen.

Hinweise: Lass dich nicht davon beeindrucken, wie hart sich MRT anfühlt, und dass du es kaum länger als von der Trainingseinheit verlangt durchhalten könntest. Der Gedanke „Wie soll ich in diesem Tempo 42,195 Km laufen?“ stellt sich unweigerlich ein. Bedenke in solchen Momenten, dass dir der Trainingsplan diese Leistung unvollständig erholt abverlangt. Am Marathonsonntag, mit vor Power strotzenden Muskeldepots, wirst du dir verwundert die Augen reiben, wie spielerisch leicht sich die ersten zehn Kilometer in diesem Tempo anfühlen.

Verschiedentlich wird im Zusammenhang mit Marathonrenntempo (Wettkampftempo Marathon) auf den Wert 85% von Hfmax verwiesen. Tatsächlich hängt die durchschnittliche Herzfrequenz einer Marathona oder eines Marathonis bei MRT von vielen Faktoren ab. Unter anderem spielen hierbei der Grad der Ausdauertrainiertheit, die Veranlagung sowie tagesabhängige Faktoren eine Rolle. Auch schlagen Frauenherzen, neueren Untersuchungen zu Folge, grundsätzlich ein paar bpm höher. Wenn deine Herzfrequenz bei MRT vom „Standardwert 85%“ abweicht, besteht folglich keine Veranlassung sich darüber graue Haare wachsen zu lassen oder die Trainingsinhalte anzuzweifeln.

Es scheint noch lange hin – vorausschauend zu denken kann aber nicht schaden: Ein Großteil der Marathonläufer wird auf der zweiten Hälfte langsamer. Wenn du dein Tempo halten kannst, wirst du ab Kilometer 25 zunehmend Mitläufer überholen – bei Marathons mit hoher Teilnehmerzahl sogar scharenweise. Das vermittelt dir ein Gefühl eigener Stärke und motiviert bis in die allerletzte Haarwurzel. In Schwächephasen schlitterst du gar nicht erst und auf den entscheidenden Schlusskilometern werden „Megawatt“ an Laufleistung frei. Marathon läuft man auch mit dem Kopf …

3Die Wettkampftaktik von Marathonläufern im höheren Leistungsbereich weicht vom Grundsatz der konstanten Pace mit geringer Schwankungsbreite ab. Auch Freizeit-Marathonis sollten die Anfangsphase des Marathons etwas langsamer angehen lassen. Warum und wie wird an geeigneter Stelle erläutert.

3.1.4 Schwellenlauf

zum Seitenanfang

(Der Begriff wird in unseren Trainingsplänen nicht verwendet, ist hier nur der Vollständigkeit halber erklärt.)

Belastet ein Dauerlauf den Stoffwechsel knapp unterhalb der individuellen anaeroben Schwelle (IANS), spricht man vom Schwellenlauf. In der Trainingslehre werden Läufe mit dieser hohen Intensität („etwas“ unterhalb von 90 %) als besonders wirkungsvoll erachtet. Ohne Leistungstest lässt sich die IANS allerdings nur grob bestimmen und sogar nach einem Laktatstufentest bleiben Unsicherheiten. Außerdem verändert sich die IANS im Verlauf erfolgreichen Ausdauertrainings. Fazit: Ein Laufamateur ohne Leistungsanalyse und Trainerunterstützung kann sein Schwellentempo nur vage einschätzen. Deshalb kommen unsere Trainingspläne ohne Schwellenläufe aus (mehr zum Thema Laktatstufentest und dessen Interpretation unter diesem Link auf unserer Seite).

3.1.5 Tempolauf

zum Seitenanfang

(Der Begriff wird in unseren Trainingsplänen nicht verwendet, ist hier nur der Vollständigkeit halber erklärt.)

Zur Vokabel Tempolauf gibt es keine allgemeingültige Definition. Tempodauerlauf oder Tempolauf bezeichnet flottes bis schnelles Laufen im Bereich von 80 bis über 90%. Vielfach setzen Autoren noch ein extensiv oder intensiv hinzu, was jedoch auch nicht zur klaren Abgrenzung führt. Falls du dergleichen liest, muss der Begriff in der Lektüre durch Intensitätsangaben fixiert sein. Falls nicht, legst du die Zeilen am besten zur Seite. Ein Tempodauerlauf kann alles Mögliche sein: Schwellenlauf, MRT, DL80/85 oder ein Wettkampf.

3.1.6 Testwettkämpfe

zum Seitenanfang

Testwettkämpfe im Marathontrainingsplan verfolgen vier Ziele:

  1. Du atmest Wettkampfatmosphäre und gewöhnst dich an das Drum und Dran offizieller Läufe.
  2. Du übst das richtige Lauftempo zu treffen und gleichmäßig zu laufen.
  3. Die höhere Motivation im Wettkampf/Volkslauf steigert den Trainingserfolg.
  4. Unter regulären Bedingungen gibt der Testlauf Aufschluss über deinen Leistungsstand.

zu 1.: Vielleicht hast du nie vorher an einem Volkslauf teilgenommen und kennst das nicht: Buntes Läufergewimmel, die gute Laune aller Beteiligten und dein Lampenfieber eskalieren leicht zu einer Stimmung, in der alle guten Vorsätze für den Wettkampf über Bord gehen. Besser du erlebst diese Aufregung ein-, zweimal vor dem Marathon. Unruhe am Vorabend, Appetitlosigkeit beim Frühstück, Konzentrationsprobleme beim Packen der Lauftasche, Angst zu spät zu kommen, ungeduldiges Warten beim Abholen der Startnummer, Anstehen vor der Toilette – zahlreiche Erfahrungen dieser Art sind möglich und nötig. Besser du machst sie bereits vor dem Marathonsonntag, an dem deine Erregungskurve noch um einiges höher sein wird.

zu 2.: Wetten, dass du nach dem Startschuss zu schnell anlaufen wirst? Sich in dieser Phase zu kontrollieren und im weiteren Verlauf möglichst konstante Kilometerschnitte einzuhalten, das will geübt werden. Diesen Teil des Läuferhandwerks erlernst du unter den mentalen und körperlichen Bedingungen eines Wettkampfs am besten.

zu 3.: Laufen ist auch Kopfsache! Umgeben von Laufhungrigen, angefeuert von Zuschauern und mit einer Startnummer auf der Brust mobilisieren die meisten Läufer deutlich mehr Kraftreserven als bei entsprechenden Testläufen im Training. Ein wirksameres Training zur Verbesserung der Sauerstoffaufnahmekapazität VO2max gibt es kaum.

zu 4.: Hast du deinen Trainingsplan weitgehend und richtig umgesetzt? Dann wird dir der Probelauf die verbesserte Ausdauer bescheinigen. Angesichts einer unerwartet schlechten Laufzeit brauchst du dennoch nicht in Weltuntergangsstimmung zu versinken. Eine Reihe von Gründen können zum Misslingen eines Testwettkampfs beitragen: Zum Beispiel schlechte Tagesform oder Nachwirkungen des Trainings (Restermüdung!), um nur zwei zu nennen.

Hinweise: Testwettkämpfe sind wichtige Bestandteile des Marathontrainings. Je ein 10 km-Lauf und ein Halbmarathon bereichern unsere Trainingspläne. Falls du keine der Veranstaltungen zum vorgesehenen Zeitpunkt findest, dann laufe ersatzweise die Distanz unter vollem Einsatz als Training. Übrigens solltest du dich nicht auf die klassischen Distanzen 10 km oder Halbmarathon versteifen: Ein 8,8 km-Lauf um die Ecke oder ein 20 km-Lauf im Nachbarort tun es auch. Zur Einschätzung des Leistungsstandes rechnest du die Endzeit auf eine nicht übermäßig abweichende klassische Distanz um.

Gleich ob Powerlauf im Training oder Testwettkampf: Vergiss nicht dich vorher ausreichend aufzuwärmen und gönn dir nach getaner Arbeit ein paar Minuten Trab zum Abwärmen.

3.2 Intervalltraining

zum Seitenanfang

Irrtum eins

Viele verknüpfen mit Intervalltraining abstoßende Bilder von „Folter“ und einpeitschenden Elitetrainern am Rand der Laufbahn. Derlei Exzesse mag es geben; mit richtig dosiertem Intervalltraining haben solche Vorstellungen aber nichts gemein. Selbstverständlich kommen Atem- und Herzfrequenz beim Laufen von Tempointervallen mächtig auf Touren; was sie auch müssen, weil sich die erwünschte Trainingswirkung anders nicht einstellt. Andererseits bringen flotte Wiederholungsläufe willkommene Abwechslung ins monotone Kilometerschrubben.

Irrtum zwei

„Intervalltraining ist nur was für knallhart leistungsorientierte Läufer, die schnelle Bestzeiten anstreben.“ Falsch: Wer Marathon laufen möchte, verfügt über eine solide, in Monaten oder Jahren erarbeitete Ausdauerbasis. Diese Grundlage befähigt dich zu Intervallläufen, gleich ob du auf Ankommen trainierst oder eine anspruchsvollere Zielzeit anstrebst. Über eine zurückhaltende Dosierung lässt sich die Trainingsform an jedes Ausdauerniveau anpassen.

Irrtum drei

Intervalltraining verfolgt nicht die Absicht beim Marathon ein paar Sekunden mehr aus dir heraus zu quetschen. Es geht um hoch effiziente Trainingsreize, die Kilometer sparen! Denn: Die größte gesundheitliche Gefahr für Marathonläufer geht vom gewaltig gesteigerten Wochenpensum aus. Je geringer die Kilometerwochensumme, umso dankbarer reagiert deine „orthopädische Abteilung“. Weniger Kilometer bedeuten weniger Risiko für Überlastungsschmerzen oder degenerative Veränderungen am Bewegungsapparat.

Irrtum vier folgt aus drei

Vielleicht erkennst du dich in folgender Schilderung: „Wiederholungsläufe sind hart, deswegen mag ich sie nicht und gestalte sie „komfortabler“ als vorgesehen; also weniger Wiederholungen, langsamer, längere Pausen. Dass dergestalt verstümmelte Tempoeinheiten nicht zur vorgesehenen Zielzeit führen, leuchtet mir ein. Deshalb schraube ich meine Zielzeitansprüche um eine Viertelstunde runter, gebe mich mit „X minus 15“ des Trainingsplans zufrieden.“ Logisch ist diese Überlegung und doch macht sie dir das Läuferleben unnötig schwer, lässt dich mehr Trainingskilometer rennen als nötig. Denn für „X minus 15“ gäb’s auch einen Trainingsplan; einen mit kleinerem Pensum, mithin geringerem Risiko. Na gut: Der enthält auch diese „blöden“ Intervallläufe, wenn auch auf einem noch niedrigeren Level!

3.2.1 Intervallläufe allgemein

zum Seitenanfang

Intervalltraining besteht aus einer Folge von Kurzzeitbelastungen mit eingeschobenen Erholungspausen. Dieses Grundkonzept kann recht unterschiedliche Trainingseinheiten hervorbringen, je nach Bemessung von

Große Bedeutung kommt der gleichmäßigen Ausführung der Belastungen zu: Besser weniger Wiederholungen, dafür alle in der vorgegebenen Zeitspanne und mit konstantem Tempo absolvieren. Auch für das letzte Intervall muss noch ausreichend Kraft vorhanden sein, um die Zeitvorgabe zu erfüllen. Intervallläufe sollten dich insgesamt nur so weit erschöpfen, dass dir nach der letzen Wiederholung das Gefühl bleibt: „Einer wär’ noch drin!“

Das Bild zeigt das Herzfrequenzprotokoll eines Intervalltrainings 5 x 1.000 Meter mit einer Trabpause von 500 Metern zwischen den Belastungen.

Ein- und Auslaufen sind bei dieser hochintensiven Trainingsform unerlässlich und sollten auf jeweils mindestens 10, besser 15 Minuten ausgedehnt werden. Durch das Aufwärmen bleibt die Verletzungsgefahr im Rahmen. Die lange Abwärmphase gewährleistet einen optimalen Übergang in die Regeneration, reduziert noch in Bewegung einen Teil der Muskelübersäuerung. In obigem Beispiel fanden die Intervalle nach Monaten ohne hart fordernde Läufe statt. Zur Risikominimierung verlängerte ich deshalb das Einlaufen auf 4 Kilometer. Den ebenso langen Heimweg von der Trainingsstrecke nutzte ich zum Auslaufen.

Wichtiger Hinweis: Das hohe Tempo der Wiederholungsläufe setzt ungewohnte Muskelkräfte frei, die deinem Bewegungsapparat zusetzen können. Beim ersten Intervalltraining solltest du hinsichtlich Tempo und Wiederholungszahl unter der Vorgabe bleiben. Um den Effekt des 12-Wochen-Marathontrainings durch solche Einschränkungen nicht zu schmälern, solltest du Intervallerfahrungen bereits in der Vorbereitungsphase gesammelt haben.

Mit der Intervallmethode besitzt du eines der wirksamsten Werkzeuge, um bei allen von VO2max repräsentierten Faktoren den Hebel anzusetzen. Mit keiner anderen Trainingsform ist zum Beispiel eine so rasche Volumenvergrößerung des Herzens verbunden. Darüber hinaus verbessert sich die aerobe Kraftfreisetzung aus Kohlenhydraten.

Auch anaerob ergeben sich Verbesserungen: Die Wiederholungen erzwingen eine hohe Energieflussrate in den Muskelzellen, zu deren Aufrechterhaltung nicht mehr ausreichend Sauerstoff herbei geschafft werden kann. Dadurch erhöht sich die Milchsäurekonzentration. So entstehen starke Trainingsreize zur Verbesserung von Laktatabbau und Laktattoleranz. Laktattoleranz bedeutet, dass sich das Gefühl schwerer, schmerzender Beine erst bei höherer Milchsäurekonzentration einstellt. Als Folge davon kann höheres Tempo länger beibehalten werden kann.

Mental machen Intervallläufer gleichfalls einen Schritt nach vorne: Intervalltempo verursacht spätestens auf dem letzten Drittel oder den letzten hundert Metern unangenehme Körpergefühle. Du wirst härter im Nehmen! Wegen der Aussicht, diesem unangenehmen Zustand jeweils nur kurz ausgesetzt zu sein, bleiben gute Stimmung und Laufspaß vielen Läufern erhalten. Das verbessert letztlich auch die Akzeptanz dieser Trainingsform. Eine Serie von Intervallbelastungen ist für viele (Outing: Ich gehöre dazu.) psychisch besser zu verkraften als ein mittellanger Dauerlauf in hohem Tempo.

3.2.2 Intervalle beim Marathontraining

zum Seitenanfang

Läufer aller Distanzen, von Kurz- bis Marathonstrecke, setzen Intervallläufe ein, um die maximale Sauerstoffaufnahme (VO2max) zu verbessern und die Arbeitsmuskulatur für ihre Spezialdisziplin zu prägen. Intervallläufe im Marathontraining weisen oft folgende Gestaltung auf:

Intervalle zwischen 1.000 und 2.000 Metern werden gerne im 10-km-Wettkampftempo gelaufen, das man über den Faktor 4,7 aus der Marathonzielzeit ableitet. Beispiel: Zielzeit Marathon 3:59:59 Stunden ergibt eine 10er-Wettkampfzeit von 51:04 Minuten. Das entspricht 5:06 min pro 1.000 Meter-Intervall.

Für 800 Meter-Belastungen existiert eine noch einfachere Herleitung des Trainingstempos: Man nehme die Marathonzielzeit in Stunden als 800-Meter-Zeit in Minuten. Beispiel: Zielzeit Marathon 3:59 Stunden. Das ergibt einen 800-Meter-Richtwert von 3:59 Minuten.

400 oder 500 Meter-Abschnitte sollten schneller als die 800 Meter gelaufen werden. Beispiel: Zielzeit Marathon 3:00 Stunden. 800-Meter-Richtwert wäre 3:00 min. Umgerechnet auf 400 Meter sind das 90 Sekunden. Das 400-Meter-Intervall sollte dann unter 90 Sekunden liegen.

Tipp aus der Trainingspraxis: Möglicherweise findest du in deiner Umgebung einen idealen Streckenabschnitt, um schnelle Wiederholungen zu üben. Ideal, weil flach, Untergrund nicht zu hart, keine scharfen Kurven, vielleicht im Wald, also schattig und so weiter. Du hast den Streifen ausgemessen und dummerweise erstreckt er sich lediglich über 910 Meter, vom markanten Baum am Anfang bis zur kleinen Brücke am Ende. Und der Trainingsplan erwartet 800 oder 1.000-Meter-Intervalle von dir. Was tun? Zweierlei: Rechne 1.000 und 800 Meter-Zeit des Trainingsplans auf deine 910 Meter um. Wenn 800er-Läufe anstehen, läufst du die schnelleren 910er-Intervalle, werden 1000er verlangt eben langsamere. Und was ist mit der Anzahl der Wiederholungen? 8 x 800 Meter ergäbe 6,4 Kilometer Belastung. 7 x 910 Meter ergibt auch fast 6,4 Kilometer … Dies ist natürlich ein konstruiertes Beispiel. Dennoch enthält es die „tröstliche Botschaft“, dass sich Intervalltraining keinesfalls auf Tartanbahn und klassische Streckenlängen beschränkt. Das Beispiel soll den Weg weisen, wie du Vorgaben des Trainingsplans auf deine Gegebenheiten ummünzen kannst.

Hinweis: Häufig findet man in der Laufliteratur die Begriffe „extensives“ und „intensives“ Intervalltraining. Diese Differenzierung ist für die praktische Umsetzung unserer Trainingspläne ohne Belang. Vereinfacht ausgedrückt liegt die Intensität „intensiver“ Wiederholungen deutlich oberhalb der anaeroben Schwelle, was eine rasche Übersäuerung der Muskulatur zur Folge hat. Deshalb eignen sich nur Distanzen bis maximal 800 Meter für diese sehr schnell gelaufenen Intervalle. „Extensives Intervalltraining“ nutzt 1.000 bis 3.000 Meter-Strecken und wird im Tempo so dosiert, dass die Laktatkonzentration nur langsam steigt. Die Attribute „extensiv“ und „intensiv“ haben viel mit Trainingstheorie, dafür weniger mit tatsächlichen Empfindungen auf der Laufstrecke zu tun. Extensive Intervalle spürst du gleichermaßen intensiv wie intensive. Zwar läufst du sie ein bisschen langsamer, dafür um einiges weiter.

3.2.3 Die „lohnende Pause“

zum Seitenanfang

Als lohnend werden Pausen zwischen den Intervallbelastungen bezeichnet, wenn sie etwa ein Drittel einer nahezu vollständigen Erholung andauern. In dieser Zeit vermag der Körper, insbesondere die Laufmuskulatur, zwei Drittel des Ausdauerpotentials zu regenerieren. Das Lohnende an der Sache ist demnach, für ein Drittel zeitlichen Aufwandes immerhin zwei Drittel Regeneration einzufahren. Auf diese Weise wird es möglich, eine Serie höherer Belastungen in relativ kurzer Zeit abzuarbeiten. Zwar vertieft sich die Ermüdung des Läufers von Intervall zu Intervall. Die lohnende Pause zögert den Erschöpfungsprozess jedoch so lange hinaus, dass die hohe Intensität über alle Wiederholungen durchzuhalten ist.

Du kannst die lohnende Pause mit dem Pulsmesser steuern: Der richtige Zeitpunkt für die nächste Belastung ist gekommen, wenn der Puls auf 70% bis 75% gefallen ist. Häufig findet man in der Literatur den Pulswert „120“. Eine solche Absolutangabe ist irreführend, weil sie die individuellen Unterschiede der maximalen Herzfrequenz nicht berücksichtigt. Da Pulskontrolle nicht immer einfach und bei einer anstrengenden „Sache“ wie Intervalltraining als lästig empfunden wird, haben wir bei unseren Intervallläufen die mutmaßlich lohnenden Pausen in Minuten oder Metern angegeben. Sicher passt das nicht für jeden exakt, ist andererseits auch für niemanden grob verkehrt. Im Übrigen kann es erwünscht sein die Pause generell vorfristig zu beenden, um beispielsweise den Trainingsreiz eines Intervalltrainings zu variieren (im Rahmen unserer Trainingspläne solltest du allerdings die Trabpause nicht kürzen).

Eine aktive Pausengestaltung in Form gemütlichen Trabens (Schneckentempo genügt) steigert die Trainingswirkung! Der Trab konserviert die Spannung der Beinmuskulatur, wodurch die Rückführung des Blutes in den Venen optimal unterstützt wird. So bleibt der Blutdruck in der Pause hoch, was den Trainingsreiz auf dein Läuferherz verstärkt ohne anzustrengen.

3.2.4 Steuerung des Intervalltempos

zum Seitenanfang

Das Wertepaar Distanz und Zeit definiert das Tempo eines Laufintervalls. Beispiel: 800 Meter in 4:00 Minuten. Solche Angaben verstehen sich auf flachen, griffigen Wegen bei unkritischen Witterungsbedingungen. Ohne Erfahrung wird es dir schwer fallen gleichmäßig schnell unterwegs zu sein und dabei das Tempo hinlänglich genau zu treffen. Eine abschnittsweise vermessene Strecke erleichtert die Aufgabe: Merke dir Zwischenzeiten (oder notiere sie auf einem Zettel, so hab ich das gemacht) und korrigiere bei jeder Marke dein Tempo. Ideal hierfür ist eine 400 Meter-Bahn. Erkundige dich bei örtlichen Sportvereinen: Häufig haben die günstig gelegene Strecken im Wald markiert. Für ein 800 Meter-Intervall in 3:30 Minuten auf der Bahn könntest du dir folgende Zwischenzeiten merken:

Auf den ersten 200 Metern nimmst du die Zwischenzeit zweimal, danach solltest du die Pace einigermaßen im Gefühl haben.

Der Pulsmesser taugt beim Intervalltraining lediglich zur Abschätzung der lohnenden Pause (wie oben beschrieben). Darüber hinaus lässt sich mit der Aufzeichnung der Pulskurven (siehe Bild) der Trainingserfolg abschätzen, wenn ein identisches Intervalltraining Wochen später wiederholt wird. Wegen der zwischenzeitlich eingetretenen Ausdauerverbesserung sollte der Puls der zweiten Aufzeichnung etwas niedriger liegen und sich in der Pause schneller erholen. Aber: Für Einsteiger und nicht so ambitioniert Trainierende bringt solcherlei Statistik wenig Nutzen, eher Verwirrung. Die Werte hängen teilweise von Tagesform und Trainingsbelastung der Vortage ab. Nur bei reichlich Erfahrung mit den Hilfsmitteln und vor allem dem eigenen Körper zeitigt die Pulsauswertung mehr als morgendliches Kaffeesatzlesen.

Das Bild des Herzfrequenzverlaufes verdeutlicht, weshalb ein Pulsmesser zur Temposteuerung unbrauchbar ist: Der Puls entwickelt sich mit starker Verzögerung, erreicht erst spät den für die Übung maximalen Wert (im Bild ungefähr nach 400 von geplanten 1.000 Metern). Das Tempo sollte aber bereits auf den ersten Metern stimmen!

Hinweise aus der Trainingspraxis: Genauigkeit ist Übungssache. Nach einigen absolvierten Intervalltrainings wirst du das Wunschtempo von der ersten Wiederholung an zielsicher und mit nur noch geringen Abweichungen treffen. Auch deshalb lege ich dir nahe, bereits in der Vorbereitungsphase Wiederholungsläufe zu üben. Wenn ich heute solche Läufe praktiziere, begnüge ich mich meist mit einer Zwischenzeit zur Hälfte. Das erste Intervall empfinde ich als sehr belastend. Der anaerobe Stoffwechsel wacht dabei auf und wird mit jedem Schritt ökonomischer. Es folgen einige Wiederholungen, die mir nicht so schwer fallen, bis mich die fortgeschrittene Ermüdung bei der letzten (oder auch schon vorletzten) zum „Beißen“ zwingt. Manchen Läufern macht solches Training mehr Spaß als monotoner, belastender Dauerlauf. Ines und ich gehören nicht dazu, aber das ist eine Frage des Naturells.

Meine Erfahrungen mit Intervalltraing: Anfangs hatte ich nie Probleme mit Intervalleinheiten. Weder körperlich, noch den Laufspaß betreffend. Weder Hitze noch Kälte, kein Regen, nicht einmal das eintönige Rund der Tartanbahn konnten mich abschrecken. Oft stellte sich beim Einlaufen das Gefühl ein: ‚Das wird heut’ nix, die Beine sind einfach noch zu schwer von gestern!’ Zugegeben: Hart waren Intervallläufe immer, trotzdem machbar und hieraus speiste sich die Zuversicht für den Tag X gut gerüstet zu sein. Sicher hatte ich mehr Lust auf Dauerläufe jedweder Art. Aber einmal die Woche Intervalle, das war nicht schwer.

In der Nähe meines läuferischen Limits änderte sich dieses Empfinden. Da war nun kein Platz mehr für Laufspaß und bisweilen genügte meine Tagesform auch nicht dem Anspruch der Vorgabe. Rückblickend sehe ich mich einige Einheiten abbrechen, weil die in den Beinen gefühlte Restermüdung einfach zu groß war. Es ist nicht meine Art dem Widrigen auszuweichen. Dass ich Wiederholungsläufe zuletzt fast ausschließlich auf abwechslungsreicheren Naturstrecken unternahm, spricht allerdings Bände. Und doch: Intervalle sparen Kilometer und deshalb werde ich sie weiter einsetzen, um meine Ziele zu erreichen!

3.3 Fahrtspiel

zum Seitenanfang

Ursprünglicher Begriff: Fartlek / Schwedisch: fart = Geschwindigkeit, lek = Spiel

Beim Fahrtspiel bestimmen Faktoren wie Lust und Laune des Läufers, Gelände und der Zufall den Inhalt der Trainingseinheit. Das Fahrtspiel gestattet ungeplante, spontane Wechsel der Intensität durch Variation des Lauftempos oder Wahl der Laufstrecke im profilierten Gelände. Nach dem Einlaufen (mindestens 5 min) stellst du dir die erste Teilaufgabe. Die könnte lauten: „Bis zu der Feldscheune dort hinten sehr schnell laufen!“ Ob die Feldscheune als Zwischenziel herhalten muss oder etwas anderes, steht ebenso in deinem Belieben wie das vorgelegte Tempo. Du legst fest wie schnell „schnell“ ist! Bei der Scheune angekommen belohnst du dich mit erholsamem Trab. Wie lange der andauert, steht dir wiederum frei. Unterdessen formulierst du deine zweite Teilaufgabe, die darin bestehen könnte einen steil ansteigenden Wegabschnitt so schnell wie möglich zu bewältigen. Nach der „Peitsche“ wieder das „Zuckerbrot“: Traben, damit der Körper sich erholt. Dieser Wechsel von Belastung und Erholung setzt sich über die gesamte Fahrtspieldauer fort. Am Ende steht das obligatorische Auslaufen für wenigstens 5 Minuten.

Von fesselnden Vorgaben befreit in herrlichem Gelände zu laufen, sich dennoch mit Tempowechseln zu fordern und den Pulsmesser in der Schublade zu lassen: In diesem Mix liegt der eigentliche Reiz des Fahrtspiels. Außer der Uhr, die dir sagt wann Schluss ist, solltest du jede Anzeige von Werten missachten. Kein Puls ist einzuhalten und niemand wird dich nach Länge und Tempo der schnellen Abschnitte fragen. Feel free! Trabe zur Erholung, wann du willst und so lange du glaubst es nötig zu haben. Für heute vergisst du einfach alle meine nervigen Erläuterungen zu lohnenden Pausen und effizientem Training. Mit dem Fahrtspiel vollzieht sich so etwas wie eine Rückkehr zur archaischen Laufweise unserer Vorväter. Die bewegten sich im Gelände mal langsam, mal schnell, wie sie es brauchten und wie die Umgebung es zuließ. Back to the running roots! Für mich gibt es kein schöneres Training!

Lass dich vom Gelände herausfordern

Man kann sich beim Fahrtspiel auch vollkommen dem Gelände überlassen, wenn das beispielsweise viele, nicht allzu hohe Hügel aufweist. Eine Spielvariante wäre: „Aufwärts schnell, abwärts traben“. Falls du dich im Gelände gut auskennst, böten Crosspassagen reizvolle Abwechslung: Querfeldein, wobei dir tiefer Boden (weiche Wiese, moosiger Waldboden, Matsch, Sand) oder Hindernisse (z.B. das Überspringen von Bruchästen im Hochwald, Gräben, größeren Steinen) Kraft rauben und den Puls in die Höhe treiben. Lediglich dein Einfallsreichtum begrenzt die Varianten des Fartlek. Alles ist möglich, so lange Belastungswechsel zustande kommen, die immer wieder eine Teilerholung zulassen.

Hinweise zur Belastungsgestaltung

Zwar bleiben im Fahrtspiel angewandte Tempi (Intensitäten) dir überlassen, was aber nicht heißen darf die Vernunft mit Laufschuhfüßen zu treten. Von leicht beschleunigt bis knapp unter Maximum ist alles möglich und auch sinnvoll. Allerdings sollten sprintähnliche Kurzzeitbelastungen oder Steigerungsläufe (Sprint und Steigerungsläufe siehe unten) nicht sofort nach dem Einlaufen (da ist die Muskulatur für explosive Belastungen nochnicht ausreichend durchwärmt) und nicht zu oft eingebaut werden. Zu viele maximale Belastungen führen leicht zu Muskelkater und erzwingen womöglich unerwünschte Laufpausen an den Folgetagen. Wer Steigerungen oder Läufe knapp unter Sprinttempo nicht gewohnt ist, sollte nicht mehr als drei dieser superdynamischen Elemente in sein Fahrtspiel integrieren.

Die Länge der schnell gelaufenen Wegstücke regelt sich erfahrungsgemäß von selbst. Erreichte ich das anvisierte Ziel und fühlte mich bis dorthin unterfordert, fand sich stückweit in Laufrichtung garantiert ein markanter Baum, um zu verlängern. Und gegen Ende des Fartlek backt jeder ganz automatisch kleinere Brötchen …

Die Angst des Marathonis vor Unterforderung

Das Fahrtspiel ist bei vielen Läufern beliebt, weil sich ihre Lauffreude nach Herzenslust austoben darf. Bei anderen, weil sie glauben das Ausmaß der „Selbstquälerei“ kontrollieren zu können. Den Trainingsfaulen unter euch mag das gelingen. Wer aber nur ein klein wenig Ehrgeiz sein eigen nennt, wird sich vermutlich knochenhart schinden. Diesen Effekt habe ich an mir selbst immer wieder feststellen müssen. Fahrtspiele erschöpften mich manchmal nachhaltiger, als es hartes Intervalltraining vermocht hätte. Deshalb ein Appell an die Adresse der Ehrgeizigen: Übertreibt es nicht beim Fahrtspiel! Morgen, spätestens übermorgen, wollt ihr wieder trainieren.

Vom Spaß abgesehen: Was bringt das Fahrtspiel?

Die unstrukturierte Intervallarbeit beim Fahrtspiel stellt für den Organismus einen nicht zu unterschätzenden Trainingsreiz dar, der die Sauerstoffaufnahmefähigkeit verbessert. Gerade Unberechenbarkeit und Unregelmäßigkeit mit der Leistung abgerufen wird, zwingt den Körper seine Organsysteme zu optimieren. Je nach tatsächlichem Inhalt des Fahrtspiels, entwickelt es mehr Dauerlauf- oder Intervallcharakter. Dementsprechend entfaltet die Trainingseinheit eher Wirkungen wie sie Dauerläufe zu Wege bringen, oder eben jene der Intervallarbeit.

3.4 Pyramidenlauf

zum Seitenanfang

Den Wechsel zwischen schnellem Laufen und Erholungstrab, wobei die Belastungsdauer steigt, um sich nach einmaligem Maximum wieder zu verkürzen, nennt man Pyramidenlauf. Die Pyramide wird manchmal als Abart des Intervalltrainings eingestuft, häufig aber auch als Fahrtspiel mit festem Programm erwähnt. Letzteres widerstrebt mir massiv, weil die wichtigste Eigenschaft des Fahrtspiels beim Pyramidenlauf buchstäblich auf der Strecke bleibt: Die Freiheit zu laufen was, wie und wo ich will. Die Ähnlichkeiten mit Intervalltraining sind dagegen signifikant: Alle Belastungsintervalle werden im selben Tempo gelaufen, die Trabpausen lohnend gestaltet. Pyramidenläufe wirst du als anstrengend empfinden, weil sie unter starker physischer Belastung fortwährende Konzentration verlangen.

Pyramide des Cestius in Rom (Nachtaufnahme)

Beispiele für Laufpyramiden:

Beispiel 1: Intensität der Belastungen: Wettkampftempo 10 km
Einlaufen: 10 (alle Angaben in Minuten)
Belastungen: 1 - 2 - 3 - 4 - 3 - 2 - 1
Trabpausen: 1 - 1 - 2 - 2 - 2 - 1
Auslaufen: 10
Belastung insgesamt: Anspruchsvoll

Beispiel 2: Intensität der Belastungen: 85 - 90% Hfmax
Einlaufen: 10 min
Belastungen: 1.000 - 2.000 - 3.000 - 2.000 - 1.000 Meter
Trabpausen: 500 - 800 - 1.000 - 800 Meter
Auslaufen: 10 min
Belastung insgesamt: Sehr hart!

Zur Ausführung der Pyramiden gelten dieselben Hinweise wie beim Intervalltraining.

3.5 Wiederholungsläufe

zum Seitenanfang

(In unseren Trainingsplänen nicht verwendet; hier nur der Vollständigkeit halber erklärt.)

Wiederholungsläufe gleichen der Intervallmethode. Allerdings wird die Pause zwischen zwei Belastungen bis zur (fast) vollständigen Erholung ausgedehnt.

3.6 Sprints und Steigerungsläufe

zum Seitenanfang

Sprints überbrücken eine Distanz von etwa 80 bis 100 Metern mit maximalem Krafteinsatz.

Steigerungsläufe beginnst du trabend, steigerst stufenlos dein Tempo, um die letzten 20 Meter mit hoher Intensität zu absolvieren (leicht submaximal, kein Sprint!). Insgesamt werden auch dabei etwa 80 bis 100 m zurückgelegt.

Beide Trainingsformen dienen im Marathontraining lediglich als Zugabe für Dauerläufe. Je nach Trainingszustand führt der Läufer drei bis fünf dieser Belastungen kurz nacheinander aus. Diese Einlage sollte nicht als Intervalltraining missverstanden werden, da sie zu wenige Wiederholungen aufweist und Trabpausen fehlen (nach dem Austrudeln beginnt ohne langen Verzug die nächste Wiederholung).


200 m-Lauf, Leichtathletikweltmeisterschaft 2005, Helsinki
Fotograf: Andrew Howe
Datei lizensiert unter Attribution ShareAlike 2.5

In Dauerläufe eingebaut brechen solche Kurzzeitbelastungen die Bewegungsmonotonie. Vielen Läufern macht es einfach Spaß nach ewig gleichem Trott ein paar Mal zu „explodieren“. Zudem korrigiert kurzfristig schnelle Bewegung den über viele Kilometer einreißenden, schlampigen Schlappschritt, „reanimiert“ sozusagen den guten Laufstil. Nervenzentren, die deine Motorik koordinieren, werden gezwungen das unverschliffene, komplette Bewegungsmuster „Laufschritte“ abzurufen.

Während der beiden Taperingwochen vor dem Marathon, bei nach und nach reduziertem Umfang, übermitteln diese kurzeitigen, hohen Belastungsreize dem Organismus eine Botschaft: „Bald ist es so weit! Komm nicht auf die Idee Ausdauer abzubauen!“

Wichtiger Hinweis: Ich empfehle generell auf Sprints zu verzichten und ausschließlich Steigerungsläufe einzusetzen. Für die nicht an maximalen Krafteinsatz angepasste Muskulatur vorwiegend aerob (also extensiv) trainierender Ausdauersportler bergen Sprints ein zu hohes Verletzungsrisiko! Stell dir diesen Läufer-GAU vor: Drei Monate entbehrungsreiches Marathontraining, dein Läuferherz läuft abwechselnd vor Lampenfieber und Vorfreude über und dann reißt während eines Sprints in der letzten Woche eine Muskelfaser …