passiert es: An diesem sonnigen aber sehr windigen und kalten Märztag werden 15 x 400 m in jeweils 93 Sekunden verlangt. Beim sechsten oder siebten Intervall spüre ich plötzlich ein schmerzhaftes Ziehen in der hinteren Muskulatur des linken Oberschenkels. Nicht so dramatisch eigentlich. Ich kann sogar weiterlaufen und alle 15 Intervalle zu Ende bringen. Fortan habe ich jedoch bei hohen Tempi mit diesem Schmerz zu kämpfen. Wieder eine Verletzung! Noch glaube ich das schnell wieder loszuwerden. Aber jeder flotte Lauf lässt es erneut aufbrechen. Und damit gehe ich auch in den Halbmarathon-Testlauf zur Trainingshalbzeit. Was für ein Unfug! Der scharf gelaufene Halbmarathon in Kempten (siehe Bericht) verschlimmert die Blessur gewaltig. Drei Tage kann ich gar nicht laufen und absolviere danach zunächst nur Trainingsläufe in langsamem Dauerlauf. Generell verschleppe ich die Verletzung bis zum Finale in Wien. Besserung ja, Heilung nein, bei harten Läufen zwingt mich der Schmerz zum Abbruch. Wieder begrabe ich innerlich den Unter-3-Stunden-Traum (bis auf ein winziges, von absurder Hoffnung genährtes Fünkchen ganz tief drin). Stets bleibe ich deutlich unter dem vom Trainingsplan geforderten „Härtegrad“. Trainingsreize setze ich vor allem durch den Umfang. Die vorgegebenen etwa 100 km pro Woche halte ich ein.

Persönliches Limit erreicht? - Seit dem Oberschenkel-malheur sucht mich unablässig ein Gedanke heim: Ich wollte meine Grenzen finden, wissen, wie schnell ich einen Marathon laufen kann. Von Mal zu Mal trainierte ich härter und lief so fünf persönliche Bestzeiten in Folge. Vor Florenz fing ich mir beim 3-Stunden-Trainingsplan eine Verletzung im rechten Oberschenkel ein, jetzt im linken. Habe ich also meine Grenze erreicht? Sie gar überschritten? Oder war’s am Tag der 400m-Intervalle einfach nur zu kalt, ich zu leicht angezogen, nicht ausreichend aufgewärmt? Zusätzliche Nahrung erhalten meine Befürchtungen auch von einer Schwächephase in der sechsten Trainingswoche. Tagelang schleppe ich mich mit tonnenschweren Beinen durchs Training und muss ein Intervalltraining sogar abbrechen. Ist dieser Trainingsplan schlicht zu hart für mein Laufvermögen? - Unabhängig vom Ergebnis stand für mich vor Wien schon dreierlei fest: Die 3 Stunden sind für mich tatsächlich das „Ende der Fahnenstange“. Nur ein Training, das optimal auf mich abgestimmt ist, könnte mich dahin bringen. Wenn ich das nächste Mal von 02:59:59 träume, dann auf Basis eines anderen Trainingsplanes. Und: In 2005 werde ich auf diesem Niveau nicht mehr trainieren und Laufen. Es leidet nämlich mittlerweile das Wichtigste an der ganzen Sache: Die Freude am Laufen!

Die Vorbereitung

Dezember 2004: Vor zwei Wochen lief ich in Florenz. Die Achillessehne ist definitiv „im Eimer“. Erst seit einer Woche kann ich wieder ohne Beschwerden gehen. Denkt in so einer Situation jemand an den nächsten Marathon? Ja, ich. Wien soll es sein, am 22. Mai 2005. Somit muss ich Ende Februar die unmittelbare Vorbereitung beginnen. Es bleiben zwei und ein halber Monat Zeit, um wieder laufen zu lernen und meine Achillessehne zu kurieren. Der erste Lauf wie alle weiteren bis etwa Anfang Januar verlaufen bedrückend: Jedes Mal schmerzt die Sehne, wehrt sich gegen die Belastung - mal mehr, mal weniger. Wochenlang lege ich nachts und am Wochenende manchmal auch tags Verbände aus Magerquark auf (das soll nach Aussagen eines orthopädischen Gurus, der mir mal Einlagen für Laufschuhe fabriziert hat, bei Entzündungen helfen). Glaubt es mir: Tatsächlich bis zum Marathon in Wien packe ich mir nach jedem (!) Lauf einen Eisbeutel auf die Sehne, um ein Aufflammen der Entzündung zu verhindern (Hilfe! Das ist ja sooo lästig). Außerdem dehne ich wesentlich mehr und intensiver im Bereich der Sehnen als früher. Es wird besser, keine Frage. Im Verlauf des Januar 2005 kann ich wieder längere Läufe trainieren, auch mal das Tempo forcieren. Eines jedoch bleibt mir von Florenz und dem plötzlichen Aufflammen der Entzündung zurück: Die nagenden Zweifel, ob die Sehne den finalen Belastungsschock der Straßen von Wien überstehen wird. Noch am Lauftag morgens, kurz vor dem Start, entringt sich in Gedanken ein inständiges „Hoffentlich-geht-das-gut“! Von Unruhe geplagt habe ich mich auch noch einmal in ärztliche Behandlung begeben. Ich will endlich eine präzise Diagnose und eine einigermaßen verlässliche Prognose. Computertomographie enthüllt, dass das Problem bei mir in der Sehne steckt: Alte, innere Vernarbungen unklarer Herkunft. Sie machen das Sehnengewebe unflexibel und sorgen für die Schmerzen und die entzündlichen Prozesse. O-Ton Oberarzt: „Wenn Sie das wirklich los werden wollen, dann geht das nur mit einer Operation!“. Das vernarbte Gewebe herausschneiden - klingt einfach. Aber: Die einzige Garantie dabei ist ein halbes Jahr ohne Lauftraining! Ok, nun weiß ich was los ist und beschließe das (Lauf-)jahr ab zu warten und mich dann zu entscheiden. 

Ende Februar 2005: Einstieg in den Trainingsplan für Wien. Wieder entscheide ich mit für das 3-Stunden-Training, wieder träume ich von 02:59:59 - einmal unter 3 Stunden! Die letzten Wochen hatte ich das Training intensiviert, um die Belastung mit dem Trainingsplan nicht sprunghaft erhöhen zu müssen. Die Sehne - immer gut gekühlt - spielt mit. Mal meckert sie mehr, mal weniger. Die ersten Wochen läuft es wie geschmiert. Zwar erfülle ich schnelle Intervalle nicht immer ganz, mache mir darüber aber keine großen Gedanken. In der fünften Woche
>Zurück<

>Zurück<