Stand: 23. Februar 2023
Abnehmen durch Lauftraining?
Wenn ich dich ausreichend provoziere, liest du bestimmt weiter:
Durch Laufen
allein nimmt man (fast) nichts ab!
„Also Spaß macht mir diese elende Quälerei, dieses stupide Gelaufe ja nicht.
Aber ich will abnehmen, also mach’ ich das jetzt eine Zeit lang!”
Sollte das so sein, dann hörst du am besten sofort wieder damit auf, weil du
keinen Erfolg haben wirst und nur deine Zeit verschwendest! -
Ohne Laufspaß geht
es nicht. Nur mit Freude an dieser Bewegung wirst du Lust haben rauszugehen,
Wind und Wetter zu trotzen. Wenn du dich - wider deine Natur - wegen der
erhofften Gewichtsreduktion dazu zwingst, wirst du kein Läufer werden.
„Will ich ja auch nicht! Ich will nur ein paar Kilo abnehmen!” - Damit begehst
du den Denkfehler der meisten übergewichten Laufaspiranten. Zugegeben: Die
Vorstellung, man bräuchte einfach nur zwei-, dreimal in der Woche im unteren
Pulsbereich zu joggen, um
abzunehmen, hat was Verlockendes. Und sie wird von Berichten in den Medien, die von wenig Sachkenntnis
inspiriert sind, immer wieder gefördert. Sogar manche Fitnesstrainer und
Mediziner halten unkritisch an diesem Mythos fest, obwohl er längst eindeutig
widerlegt wurde! - Was richtig ist?
Leider eine Tatsache: Immer wieder ungeprüft wird suggeriert, Ausdauersport auf niedrigem
Pulsniveau sei Voraussetzung für schnelle, nachhaltige und dauerhafte
Gewichtsreduzierung. Sogar ein Begriff wurde in diesem Zusammenhang erfunden,
der „Fettverbrennungspuls”. Um es klar zu sagen: Das ist falsch! Wer, wann und
warum mit niedrigem Puls seinen Fettstoffwechsel trainiert, ist im Abschnitt zum
„Fettverbrennungspuls” erläutert. Hier nur die Kernaussagen:
Fettstoffwechseltraining ist eine Trainingsmethode zur Steigerung der
Langzeitausdauer, die das Erreichen läuferischer Ziele zum Ziel hat.
Fettstoffwechseltraining dient nicht dem Fettabbau.
Richtig ist weiterhin, dass zur Unterstützung des „Abspeckens” wirkungsvollere
Sportarten existieren. Am besten geeignet ist Krafttraining, weil der Sportler
in dieser Disziplin den sogenannten „Nachbrenneffekt” nutzen kann. Die mit
„Eisen” malträtierten Muskeln verbrennen nämlich noch Stunden nach der Belastung
munter weiter Kalorien.
Richtig ist auch: Durch regelmäßiges Ausdauertraining (das muss ja nicht mal Laufen
sein) wird dein Energiestoffwechsel verbessert. Er wird auf ein höheres Niveau
gehievt. Darüber hinaus werden die zur sportlichen (Fort-) Bewegung
erforderlichen Muskeln aktiviert. Dadurch erhöht sich der Grundumsatz an
Kalorien, den der Körper täglich unabhängig von Aktivitäten "verbrennt". Das
führt zu anfänglichem Gewichtsverlust, der allerdings ein paar Kilo tiefer
stagniert. Wie viele Kilo das sind, hängt von deinem Übergewicht ab. Du nimmst
also 1, 2, 3 Kilo ab und dann ist Schluss! Wenn du bei 150 kg Körpermasse
beginnst, können es auch einige Pfunde mehr sein. Auf den durchgreifenden
Gewichtsverlust wartest du jedoch vergeblich ...
„Also nehm ich doch ab!”
- Jein! So lange du weiter läufst, wirst du auf diesem
Stand bleiben - wenn im Übrigen nichts änderst. Wer aber nur gelaufen ist, weil
er Abnehmen wollte und dann aufhört, wird binnen weniger Wochen sein
altes
Gewicht wieder „an Bord” haben ... Alles umsonst!
Von Lauftraining unterstütztes
Abnehmen macht also erst mal nur Sinn, wenn das Laufen Freude
macht. Aber selbst das reicht nicht! Wenn die Anfangskilos dahingeschmolzen sind
ist Schluss! Lauftraining zum Abnehmen kannst du wie eine Diät auffassen. Diäten
sind genauso zahlreich wie nutzlos - das hat sich ja mittlerweile rumgesprochen.
Und wahrscheinlich bist du beim Laufen gelandet, weil dir keine andere Diät
geholfen hat. Laufen soll’s jetzt richten. Die gnadenlose Wahrheit liefert dir
deine tägliche Kalorienbilanz:
[ Pro Tag aufgenommene Kcal ]
minus [
pro Tag verbrauchte
Kcal
]
=
tägliche Kalorienbilanz
Wenn die Differenz dieser Gleichung Null ist, hältst du dein Gewicht. Ist sie
negativ, dann nimmst du ab. Bei dir war sie zu oft positiv - du hast zugenommen.
Du hast mehr Kalorien aufgenommen als verbraucht. In diesem Fall wandelt unser
Körper jede Kalorie in Körperfett um und lagert es in den bekannten Depots ein.
Bei Männern ist das vorrangig die Bauchpartie, bei Frauen sind es Beine, Hüften usw. Wenn
du schon genug gegessen hast - so merkwürdig das auch klingen mag - dann wird der
gesunde Apfel in Fett umgewandelt, dann nimmst du vom Apfel zu!
Nun scheint in meiner Argumentation ein Loch zu sein:
„Die tägliche
Kalorienbilanz wird doch durch Laufen günstig beeinflusst, weil ich dabei
erheblich mehr Kalorien verbrauche!” - Das ist richtig, aber leider nicht zu
Ende gedacht: Dein Körper wird durch vermehrten Hunger die verbrauchten Kalorien
wieder einfordern. Und du wirst essen. Wenn nicht, was wäre es anders als die
übliche
nutzlose Hungerdiät?
Wenn du mir nicht glaubst, stell dich bei nächster Gelegenheit an der
Laufstrecke eines Marathonwettbewerbes auf. Stundenlang werden dich schlanke und
drahtige Läufer passieren. Aber wenn etwa 2/3 des Feldes vorbei und ca. 4:30
Stunden um sind, wirst du vermehrt Läufer beobachten, die ihre
Fettpolster unter der luftigen Bekleidung nicht verbergen können ... Spätestens
dann solltest du dir die Frage stellen, wie das sein kann: Wie können Menschen
einen Marathon laufen, darauf monatelang trainieren, um die 50, 60 Kilometer pro
Woche und dann immer noch Übergewicht mit sich 'rumtragen? Mehr laufen
macht mehr Hunger - auch mehr Hunger auf die Kaloriensünden der Vergangenheit.
„Also keine Hoffnung, keine Lösung?” - Doch, aber es ist dieselbe, die auch ganz
ohne Diät und Laufen zum Erfolg führt: Ändere jenes Verhalten, das dein
Übergewicht verursacht hat! Vermutlich hast du zu viel fettreiche und / oder
süße Kost gegessen
und möglicherweise zu viel Gesüßtes und / oder Alkoholisches getrunken. Und da
musst du ansetzen. Iss und trinke anders als bisher. Dann allerdings wird dich
dein gleichzeitiges Lauftraining innerhalb kurzer Zeit in einen schlanken
Menschen verwandeln, den du schon lange vergessen hattest …
„Wie soll ich denn essen und trinken?”
- Ich bin kein Ernährungsberater, will
dir daher auch keine Tipps geben, was du essen und trinken sollst. Meine
Erfahrung kann ich dir anbieten (Pssst: Ich kämpfte immer schon mit Übergewicht!):
Ich laufe seit vielen Jahren. Übergewicht (so an die 4,5,6,7,8,9 Kilo,
je nach Saison) hatte ich dabei immer. Zu Jahresbeginn habe ich mir jeweils die Weihnachts-Neujahrs-Zusatzkilos wieder runter gehungert. Methode „Brutal”:
Kennst du sicher, da wird Essen durch stramme Haltung, Unzufriedenheit und
schlechte Laune ersetzt .... Meine äußere Form änderte sich dramatisch durch das erste
12-wöchige Marathontraining. Dabei erreichte ich zum ersten Mal in meinem Leben
ein völliges Abschmelzen des Übergewichts! Ich schränkte Alkohol ein und aß auch
weniger von den Fettträgern ... Das fiel mir angesichts meines
anspruchsvollen Laufziels von 42,195 km leicht. Nach dem Marathon kehrte
ich zur üblichen Ernährung zurück. Ja genau: Die Pfunde kehrten auch zurück! Und
beim zweiten Marathon (München, einfach mal in den Laufberichten nachlesen) trat
ich sogar mit noch mehr Übergewicht an, weil ich ... pardon ... fraß wie ein
„Scheunendrescher” und auf die Wirkung der vielen langen Läufe wartete. Ich nahm
während des Marathontrainings noch zu!!! - Dann endlich schenkte ich dem
Glauben, was ich schon lange wusste und änderte meinen Nahrungsmix
dauerhaft.
Während der Vorbereitung zum dritten Marathon (Rom) wandelte ich ca. 8 Kilo
Körperfett in Laufenergie um. Es können noch ein paar mehr gewesen sein,
weil ich mich erst auf die Waage traute, als die ersten Pfunde schon dahin
waren.Zwischenzeitlich
habe ich meine Ernährung wieder ein wenig mehr dem Gusto überlassen. Neben dem
vom Umfang und den Inhalten her brutalen Training mag ich mich nicht auch
noch durch rigorose Kontrolle meiner Ernährung kasteien. In den Monaten der
Vorbereitung auf harte Ultraziele verliere ich jeweils Gewicht, das ich in der
Zeit danach, der Regenerationsphase wieder aufbaue. Einstweilen vertraue ich auf
die Kalorienfressermonate, Zeiten also, in denen es mir durch Sattessen nicht
gelingt mein Gewicht zu halten. Versuche das aber nicht nachzuahmen. Oder
verfügst du über die Zeit und die Rahmenbedingungen um bis zu 180 km pro Woche
zu laufen?
Nachsatz: Ich möchte auch anlässlich dieser Thematik nicht falsch verstanden
werden: Niemand braucht nach meiner Auffassung bis auf Idealgewicht abzumagern.
Und ich erhebe mich auch nicht über offensichtlich übergewichtige Jogger. Dazu
war ich einfach zu lange (auch als Läufer) selbst leicht übergewichtig und hatte
keine wirklichen Probleme damit. Es geht mir darum, vielfach unkritisch und falsch
hergestellte Zusammenhänge zwischen Schlankheit und Sport im Allgemeinen, mehr noch zwischen Schlankheit und Lauftraining im Speziellen, zu
korrigieren.
Hier noch ein paar wirklich gut
geschriebene Links zum Thema:
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