30. April 2022

Abenteuer "dahoim"  -  Marathon am Lech "Wild Cross"

Wer in Augsburg einen Marathon laufen möchte, sucht in Marathonkalendern vergebens. Und das, obwohl die mit 300.000 Einwohnern drittgrößte bayrische Stadt sportlich viel zu bieten hat. Neben Erst-Liga-Vereinen im Fußball und Eishockey ist Augsburg auch Zentrum des deutschen Kanu-Spitzensports und die Breite der Aktiven "sportelt" in fast 200 Vereinen. Dass sich kein Stadtmarathon etablieren konnte, dürfte zu einem großen Teil der hohen Dichte an Vereinen und Top-Sportereignissen geschuldet sein, die um die Gunst weniger finanzkräftiger Sponsoren buhlen. Ohne Moos nix los: 2011 hob ein mutiger Veranstalter den "Friedensmarathon Augsburg" aus der Taufe. Der erlebte 2012 seine zweite Auflage (siehe Laufberichte), wurde jedoch mangels Hauptsponsor danach bereits wieder beerdigt.

Kaum jemand dürfte die Marathonlücke im Sportkalender der Stadt Augsburg mehr bedauern als ich. Vor den Toren Augsburgs wohnend zuckele ich etliche Kilometer im Jahr in alle Himmelsrichtungen, um meinem Hobby zu frönen. Oberflächlich betrachtet könnte man mich als Marathonsammler bezeichnen. Allerdings reihte ich zunächst Marathonläufe nur zu Trainingszwecken wie Perlen auf eine Schnur. Absolviere sie auch heute meist noch als lange Läufe, um meine Reichweite für Ultrastrecken zu verlängern. Zugegeben: Inzwischen schöpfe ich auch aus dem steten Wachstum meiner Marathonbilanz Motivation. Im Grunde will ich gar nicht so genau wissen, was mich dazu treibt häufig marathonweit zu laufen. Rekordsucht sicher nicht, am Himmel fanatischer Marathonsammler muss man lange suchen, um meinen nicht sonderlich hellen Stern zu finden. Mit bisher 315 Mal Marathon und weiter rangiere ich weit hinten im nationalen* und internationalen Ranking.

*) Der 100 Marathon Club erstellt eine Liste nationaler Marathonsammler. In diese Liste werden naturgemäß nur Mitglieder aufgenommen, die jeden ihrer Läufe nachweisen. Da mir in einer Liste verzeichnet zu stehen wenig erstrebenswert schien, konnte ich mich nie zu einer Mitgliedschaft im 100 MC durchringen. Der 100 Marathon Club Japan fasst nationale Listen zum "World Mega Marathon Ranking 300+" zusammen. Um die Begrenztheit meiner (vielen Menschen) unbegrenzt anmutenden Laufleidenschaft zu verdeutlichen, nur das: Mit Stichtag 31.12.2021 hätte ich national nur Platz 124 des Rankings besetzen können, international sogar nur Platz 927.

Welcher Motor auch immer den Marathoni in mir bewegt, in Augsburg findet er keinen Treibstoff. Jedenfalls ging ich in präpandemischen Zeiten mit überreich gesegneten Marathonkalendern davon als gesicherte Erkenntnis aus. Als das Virus 2020 die pralle Liste deutscher Marathonveranstaltungen rasch und drastisch leerte, begann ich zu suchen. Stieß auf diverse Läufe, die von Mitgliedern des 100 Marathon Clubs ausgerichtet werden und nur in dessen Veranstaltungskalender verzeichnet stehen. Fand irgendwann auch den Weg zur Lauftruppe "TOMJ" aus Augsburg. Deren rühriges Mitglied Bernhard Manhard, alias "Bernie", veranstaltet hin und wieder Läufe von mindestens Marathonlänge. So bescherte mir Bernie im letzten Jahr das wunderbare Ultralauferlebnis "Rund um den Ammersee" (siehe Laufbericht) und jetzt eine Einladung zum "Marathon am Lech". Bereits dem vierten Marathon am Lech, dessen Vorläufer ich leider versäumte, weil nichts von deren Existenz ahnend.

Offenbar veränderte Bernie die Strecke mehrmals. Wählte diesmal eine Gaststätte am Weitmannsee als Start und Ziel, ein paar Kilometer südlich von Augsburg und unweit des Lechs gelegen. Mit der Signatur "Wild Cross" für den Marathon am Lech wusste ich im Vorfeld so recht nichts anzufangen. Kannte ich doch die meisten Abschnitte der Strecke seit vielen Jahren und joggte dort meist auf normalen Feld- und Waldwegen. Hie und da erwartete ich gröbere, kiesige Abschnitte, doch nicht annähernd die Form jenes läuferischen "Abenteuers dahoim"*, dem ich mich dann hingeben durfte ...

*) Die Anspielung auf den Spruch vom "Finale dahoam" musste ich sprachlich modifizieren. In und um Augsburg wird ein spezieller bayerischer, vom nahen Schwaben beeinflusster Dialekt gesprochen. Die Vokale "oa" werden zu "oi".

Und das Abenteuerliche begegnet mir schon bald nach dem Start in der so genannten Kissinger Heide. Wie lange muss man in einer Region leben, bis man von sich behaupten darf sie wie seine Westentasche zu kennen? Die Kissinger Heide jedenfalls kannte ich bis dato nicht, obwohl ich seit 50 Jahren unweit von hier wohne und mehrfach pro Woche die Gegend laufend durchstreifte. Weder tippelte ich je auf den schmalen, abschnittsweise wurzelbewehrten Trampelpfaden, noch war mir bislang vergönnt das Natur-Highlight am Rande dieses Trails zu bewundern. So stehe zumindest ich einigermaßen fassungslos vor einem Tennisplatz-großen Flecken mit zahllosen Enzianblüten. Vor allem bemerkenswert: Es handelt sich um den kurzstieligen, blauen Enzian, den ich sonst nur aus den Alpen kenne. Hier wächst er im brettflachen Lechfeld auf Trockenrasen, unweit des gleichnamigen Flusses ...

Zwei, drei Minuten stehen wir als Laufgruppe (13 Teilnehmer, davon eine Frau) einträchtig und mit Andacht beieinander. Nicht einmal, dass die Pflänzchen schlechtwetterbedingt ihre Blütenkelche geschlossen halten, vermag den Anblick ernstlich zu trüben ... (die untere Detailaufnahme im Bild wurde an einem anderen, sonnigen Tag geschossen). Schließlich machen wir uns wieder auf den Weg, noch ein Stück durch die Kissinger Heide, alsbald auf einen Feldweg wechselnd. Wir orientieren uns in Richtung Fluss, traben bis dahin auf mir bekannten Wegen. Bekannt, jedoch seit meinem Umzug vom Wohnort nahe des Lechs, zum neuen Wohnort nahe der Wertach (auch nicht weit entfernt) nur noch selten besucht. Freudig begrüßen die Füße lange entbehrte Wege, streicheln fast vergessene, idyllische Bilder mein Gemüt: ein Bachlauf am Wegrand, schließlich Auwald, in dem sich endlich, der ewigen Kälte des Frühjahrs zum Trotz, die Farbe Grün durchzusetzen beginnt. Es kommt mir vor, als hätten die Bäume im Grunde noch gar keine Lust auszuschlagen. Als ließen sie frisches Hellgrün nur sprießen, weil ihnen keine Wahl bleibt: Was sollen wir machen? Frühjahr und Sommer sind bald wieder um, und überleben wird nur, wer Sonnenlicht sammelt!

Aufs Lechufer stoßen wir nach Überwinden des nicht allzu hohen Hochwasserdamms in Höhe von "Wehr 6" (Laufkilometer 4,5). Ein Großteil des Weges, den der Lech von der Grenze zu Österreich bei Füssen, bis zur Mündung in die Donau bei Donauwörth zurücklegt, wurde eingedeicht. Damit ist halbwegs Naturkundigen das Schicksal des Bergflusses Lech bereits hinreichend beschrieben. Bedauerlicherweise handelt es sich beim Lech um eine lebende Flussleiche. Seinen wahren Charakter entfaltet der Zombie nur noch am Oberlauf im österreichischen Lechtal. Auch dort schützen sich Ansiedlungen mit Dämmen vor Flutkapriolen. Doch nach wie vor belässt man dem Bergfluss Lech den Löwenanteil seines angestammten, stellenweise mehrere hundert Meter breiten, kiesigen Flussbetts. Anlässlich der Schneeschmelze im Frühjahr strömt er auf voller Breite. Reduziert auf sommerliche Wassermengen darf man sich alljährlich überraschen lassen, wo der Lech in dieser Saison Haupt- und Seitenarme im breiten Bett ausgebildet hat.

Auf bayrischer Seite wurde der Lech kanalisiert, eingefasst, gestaut, als Gebirgsfluss letztlich ausgemerzt. Zwei Gründe führten dazu: Hochwasserschutz und Stromerzeugung. Die Veränderungen begannen im 19. Jahrhundert und vollzogen sich in mehreren Stufen bis heute. Ich will mich nicht besserwisserisch über die Entscheidungen unserer Altvorderen erheben, lasse mir aber auch Umweltzerstörung nicht schönreden. Wiewohl mich stets ärgerte auf Hinweistafeln an Staustufen neben Infos zur Stromerzeugung den Lobpreis der herrlichen Natur am Lech zu lesen. Gerade so als hätte der Bau der Stauanlage die Natur bewahrt und nicht in Wahrheit das Meiste davon unwiederbringlich zerstört. Wer das weiß, kann es akzeptieren und sich an dem freuen, was uns blieb. Genauer gesagt, was die Natur aus der vernarbten und in Teilen inzwischen geschützten Landschaft Neues formte.

Die ziemlich genau im Abstand von einem Flusskilometer erbauten Wehre geben den Takt vor. Wir traben dicht am Ufer auf recht brauchbarem, von abertausend Füßen und Fahrradreifen verfestigtem Untergrund. Mittlerweile hat sich die Läuferschar in mindestens zwei Gruppen geteilt. Die schnellere ist längst enteilt, die gemütlichere, mit mir sieben Köpfe, bleibt mehr oder weniger auf Tuchfühlung. Zuweilen schert einer aus, um ein Foto zu schießen, immer wieder finden sich zwei im Gespräch. Anfangs ließ auch ich mich zu längeren Reden "hinreißen", bleibe unterdessen aber vorzugsweise stumm. Schweigen, nicht Redseligkeit ist beim Laufen nun mal meine Art.

Immerhin scheine ich gut drauf zu sein, sonst hätte ich mich rasch in "unansprechbarer" Position isoliert. Gut drauf sein ist nicht leicht, weil es Petrus heute erneut nicht sonderlich gut mit mir meint. Mit den meisten andern wohl schon, deren Einstellung zum Wetter sich zusammengefasst so anhört: "Eigentlich tolles Laufwetter heute." Mir ist die Luft mit etwa 10°C "eigentlich" zu kalt und der Himmel unter meist geschlossener Wolkendecke - nicht nur eigentlich - zu grau und düster. Natürlich könnte es schlechter sein, könnte regnen, womit eines von zwei App-Orakeln Recht behielte, die ich gestern konsultierte.

Ein schmaler Saum Uferbewuchs erlaubt dauerhaft den Blick zum Wasser. In Höhe der Wehre klaffen im umgebenden Auwald große Schneisen, durch die kalt und zuweilen mit ein paar Spritzern Regen versetzt der Wind fegt. Die Bodenbeschaffenheit ist zwar nicht ideal für Udos Füße, behindert aber auch nicht. Habe ich so erwartet, weil ich den Weg kenne. Und deshalb vermag ich mir auch nicht auszumalen, was da noch kommen könnte, das abgesehen vom anfänglichen Heide-Trail das Motto "Wild Cross" rechtfertigen könnte. Bis zum so genannten Hochablass in Augsburg, der den Beginn des stadtnahen Uferstreifens mit bestmöglich präparierten Spazierwegen markiert, fehlen jetzt nur noch etwa drei Kilometer ... Hoppla! offenbar war ich nie zuvor an dieser Stelle des Ufers!? "Kraxel-Einlage" für jeden, der dem Ufer weiter folgen möchte: Nacheinander tasten wir uns die Uferböschung hinab und queren zu einer Aufschüttung von Felsbrocken. Wackeligen aber gottlob trockenen Fußes überqueren wir den in den Lech mündenden Bach ...

Das war's dann aber auch wieder mit "Wild Cross". Nach fast 13 Kilometern schiebt sich stückweit voraus der Hochablass ins Blickfeld. Auf fast 150 Metern Breite staut dieses Bollwerk von einem Wehr den Lech und zweigt einen Großteil des Wassers zur Versorgung der Stadt Augsburg ab. In unseren Tagen hat diese Ausleitung lediglich noch den Sinn die vielen Kanäle zu füllen, die einst das Augsburger Textilviertel* und andere Gewerke mit Brauchwasser versorgten. Zudem hält der Hochablass den Wasserspiegel des benachbarten Kuhsees, der "Augsburger Sommerbadewanne", konstant.

*) Im 19. Jahrhundert aufgebaut und nach dem zweiten Weltkrieg erneuert arbeiteten zeitweise über 20.000 Menschen in der Augsburger Textilindustrie. Infolge Globalisierung schlossen jedoch in den 1980er und 1990er Jahre fast alle Betriebe.

Auf schmaler "Landenge" zwischen Kuhsee und Hochablass lasse ich meine Mitläufer erst einmal ziehen und jogge zum nahen Kiosk. Dessen Schalter sind noch geschlossen, was dunkle Vorahnungen auslöst. Und tatsächlich: Meine Hoffnung am Waschbecken in der zugehörigen Toilette Trinkwasser bunkern zu können, so wie früher, als ich hier bei langen Läufen stets Station machte, werden bitter enttäuscht. Die Türen zur Toilette sind ebenfalls verschlossen. Zehn Jahre sind eine lange Zeit - so lange habe ich mindestens nicht mehr versucht im Toilettenhäuschen meine Wasservorräte zu ergänzen. Wie gedankenlos von mir meine Versorgung auf eine vage Möglichkeit hin zu planen. Also trinke ich vom mitgeführten Vorrat im Laufrucksack und vertröste mich bis zur nächsten Gelegenheit. Die wird sich - hoffentlich! - etwa drei Kilometer weiter in Form der Gaststätte "Floßlände" ergeben.

Meine Mitläufer sind mir nach zwecklosem Ausscheren ein ziemliches Stück enteilt. Wie weiter an dieser Stelle? - Geradeaus gemütlich unter Bäumen oder zum Ufer hin auf einen zweifelhaften Pfad abtauchen? Die abschüssige Spur scheint auf einer der Kiesbänke zu enden, wie sie überall entlang des Lechs zum Sonnenbad einladen. Mein Entschluss den oberen Weg zu nehmen stellt sich rasch als Verlaufen heraus: Aus dem Gebüsch unter mir dringen die Stimmen der anderen, die offenbar nur sehr langsam vorankommen. Natürlich will ich keinen Vorteil aus besserem Geläuf ziehen und suche eine Gelegenheit abzusteigen. Zwischen Büschen taste ich mich auf der steilen Böschung hinab zum Uferpfad. "Wild Cross" fortan auf schmalem Pfad und das mitten in Augsburg! Ein anspruchsvoller Trail, der dem Raumgewinn Wurzeln, Steine und Bruchkanten uralter betonierter Befestigungsmauern entgegensetzt. Unfallfrei nur mit umsichtigem, extrem langsamem Tippeln zu bewältigen ...

Wo der Boden unter meinen Füßen ein hohes Maß an Konzentration forderte, verlor ich noch immer das Gefühl für Raum und Zeit ... Nur schwer abschätzbar, wie weit oder wie lange ich auf diese Weise im Pulk der anderen voran tippele. Zumal wir zwischendurch auf vergleichsweise "autobahnähnlichen" Spazierwegen immer Mal wieder zügiger vorankommen. Selbst den Regen, der etwa in Höhe des Hochablasses tröpfelnd einsetzte und nun einigermaßen ergiebig niedergeht, bemerke ich kaum. Vermutlich hält das in der Stadt bereits erstaunlich dichte Blätterdach einen großen Teil der nassen Belästigung von uns fern.

Die Formulierung "in der Stadt" muss ich an dieser Stelle erläutern, sonst führt sie Lesers Vorstellung in die Irre: Beidseits des Flusses und über mehrere Kilometer erstrecken sich seit dem Hochablass flussnah Wohn- oder Gewerbegebiete. Das Zentrum Augsburgs, die Altstadt, entstand jedoch in sicherem Abstand vor Hochwassern, etwa einen Kilometer vom Fluss entfernt, auf und vor der so genannten "Hochterrasse". Der Begriff umreißt ein dreieckiges Areal höher gelegenen Landes, dessen Schenkel von den Flüssen Lech und Wertach gebildet werden. Lech und Wertach vereinigen sich ein paar Kilometer nördlich von hier, noch innerhalb der Stadtgrenze. Der römische Kaiser Augustus gilt als Stadtgründer Augsburgs, weil zu Zeiten seiner Regentschaft, vor etwas mehr als 2.000 Jahren, auf der Hochterrasse ein von Palisaden geschütztes Militärlager errichtet wurde. Man darf sich die Lechufer folglich nicht gesäumt von pulsierendem Leben mit Cafes, Restaurants und Einkaufsmeilen vorstellen, wie das in geschichtlich ähnlich bedeutsamen Städten der Fall ist. Dazu war der Gebirgsfluss Lech einst zu unberechenbar.

Kilometer 17,5: Meine Gedanken kreisen schon eine ganze Weile um die erhoffte "Wasserversorgung" an der Gaststätte "Floßlände", die jeden Moment zwischen den Uferbäumen auftauchen muss. Völlig unerwartet schiebt sich stattdessen eine zum Fluss hin offene, mit stützender Betonmauer in die Böschung gebaute Arena ins Blickfeld. Ein paar Meter tiefer angekommen fällt es mir schwer den Sinn der Anlage zu erfassen. Das liegt vor allem am bunten, naiven Wandgemälde, das die Stützmauer in voller Breite bedeckt. Ein paar stählerne Installationen ragen aus dem Boden auf und am Rand der Manege warten Wasserspielgeräte offenbar auf die Kinder des benachbarten Stadtviertels. Als dann einer meiner Mitläufer die einem Hydranten nicht unähnliche Vorrichtung als "Wasserwerfer" erkennt und in Betrieb setzt, scheint das Rätsel entschlüsselt: Ich stehe auf einem modernen Spielplatz für Kinder.*

*) Reizüberflutung angesichts ungewöhnlicher Spielgeräte und eines verwirrenden Wandgemäldes lässt mich eine weitere wichtige "Trainingskomponente" der Arena übersehen: In die Stützwand wurden zahllose Klettergriffe und -steine eingelassen, an denen entlang hangelnd Kids ihre Geschicklichkeit schulen können.

200 Meter weiter dann endlich die Gaststätte. Von einem Besuch vor ein paar Monaten weiß ich, dass die Toilette nur von außen zugänglich ist. Und deren Türen sind gottlob offen. Also fische ich den mitgebrachten Silikonklappbecher aus meinem Rucksack und stille am Waschbecken meinen Durst. Erstaunlich genug, dass ich angesichts der Witterungsverhältnisse überhaupt Durst verspüre. Die mitgeführten etwa anderthalb Liter Wasser hätten folglich kaum für die ganze Strecke gereicht ...

Nach meinem Trinkexzess um Anschluss an die Lauftruppe bemüht renne ich eilig an dem auf einen Brückenpfeiler gesprühten Graffiti vorbei. Flüchtig betrachtet gleicht es einer in Grautönen gehaltenen Madonnendarstellung. Ich nehme die "Madonna" als Schnappschuss mit und mir zugleich vor das Kunstwerk daheim am Monitor näher in Augenschein zu nehmen. Eine gewisse Dringlichkeit scheint der Vorsatz durch den Schauder in Mitläuferin Judiths Stimme zu gewinnen, als sie ihre Frage an Begleiter Andreas richtet. Im Widerhall der Brückenunterführung nicht zu überhören: "Hast du das Bild gesehen?" - Bei der "Madonna" handelt es sich nämlich mitnichten um eine Darstellung der Gottesmutter. Das Graffiti stellt eine offbar weiß- bis semmelblonde, junge Frau dar (Ukrainerin?), die mit einem Pinsel die ukrainischen Landesfarben Gelb und Blau auf den runden Körper einer Handgranate malt ...

Mal in geschlossener Kette, dann wieder in lückenhafter Formation bewältigen wir die nächsten Uferkilometer. Das Geläuf unter meinen Füßen wechselt mehrfach. Einige Kilometer Trails gilt es zu überstehen, mehrfach darf ich aber auch auf planen Spazierwegen oder am Rand von Wohnstraßen "entspannen". Es macht durchaus Spaß sich auf verschlungenen, von Windbruch oder hungrigen Bibern erschwerten Pfaden im Stadtgebiet voranzukämpfen. Wie nachhaltig das "trailige" Vorankommen meinen Bewegungsapparat erodiert, bleibt mir dabei lange Zeit verborgen. Erst binnen weniger Minuten anschwellende, leider allzu bekannte Beschwerden rund um die Hüfte, vor allem im Gesäßmuskel links, weisen auf die Beanspruchung hin. Schmerz im Gebein ist eine Sache, Ausdauer eine andere. An der gebricht es mir offenbar nicht. Bis auf weiteres verzichte ich auf Energiegel ...

Von Zeit zu Zeit spähe ich über den Fluss, versuche einen Blick auf den erwähnten Zusammenfluss von Lech und Wertach zu erhaschen. Schon eine Weile gibt es am jenseitigen Gestade außer einer grünen, undurchdringlichen Wand nichts zu sehen. Vermutlich die Ausläufer des Naturschutzgebietes "Wolfzahnau", das die Spitze des Dreiecks der Augsburger Hochterrasse einnimmt. Ein paar Minuten weiter verlassen wir den Pfad am Fluss über eine Treppe, um das Kleinkraftwerk "Wolfzahnau" zu umgehen; kehren dahinter jedoch unmittelbar ans Flussufer zurück, um den von Bernie versprochenen schönsten aller städtischen Lechtrails zu genießen. Was soll ich sagen? - Bernie hat nicht übertrieben!

Weitere anderthalb Pfadkilometer schmeicheln den Augen und knechten die Beine, bis die Mündung der Wertach in den Lech auf der anderen Uferseite ins Blickfeld rückt. Vermutlich von kaum jemandem sonst wahrgenommen und von mir aus höchst individuellen Gründen vermerkt: Ich wohne nahe der Wertach, etwa 20 Kilometer südlich von hier, jogge mehrfach die Woche an ihr rauf und runter. Vorzeiten auch mal bis zur Mündung dort drüben ... Von jeher faszinierte mich der höchst unterschiedliche Charakter beider Flüsse: Bei Sonnenschein türkisblau die von Schneeschmelze und Bergbächen gespeiste Flut des Lechs, nach starkem Regen in den Alpen gelegentlich milchig eingetrübt. Dunkel und unergründlich dagegen das Wasser der Wertach, entstammt es doch diversen Hochmooren im Allgäu.

Minuten später endet der Trail, zumindest scheint ihm weiter zu folgen im weglosen Gelände dann doch zu abenteuerlich. Ich steppe mühsam die Uferböschung empor und setze den Lauf auf einem Radweg fort. Weiter nordwärts und nun mit jedem Schritt dem anschwellenden Autolärm auf der sechsspurigen A8 entgegen. Vom unablässigen "Da-damm, Da-da-damm, Da-damm ..." über den Köpfen vorbeirasender Fahrzeuge untermalt lassen wir die erst wenige Jahre alte Brücke rasch hinter uns. Die Autobahn markiert auch ungefähr die Stelle, an der es aufhört zu tröpfeln. Stattdessen drückt nun die Sonne schweißtreibend warm durch die milchglasscheibendünne Wolkendecke ...

Millionen Kubikmeter Müll, über Jahrzehnte wahllos auf einen Haufen gekippt und verdichtet, begreife ich in der Spätphase meines Lebens vor allem als Sünde der Vergangenheit. Umso mehr als mein Müll-Bewusstsein seit langem strikter Abfalltrennung und dem (oft erfolglosen) Versuch zur Müllvermeidung huldigt. Der Frevel hat Bestand, auch wenn der Hügel aus Unrat, den wir gerade in verhaltendem Trab erobern, mit Steinen und Erde bedeckt und bepflanzt, wohl für alle Zeiten als Aussichtspunkt genutzt werden wird. Ein weiteres Verbrechen an der Natur, an dessen Entstehung ich wahrscheinlich selbst und über Jahre bedenkenlos beteiligt war. Ich wohnte schon in der Gegend um Augsburg, als Mülllaster hier noch im Minutentakt ihren Dreck abluden. Der Müllberg ist ein "hübsches" Beispiel dafür wie man sich irreparablen, von Menschenhand angerichteten Wahnsinn in der Größenordnung eines Berges schönreden kann. Auf der entsprechenden Seite der Stadt Augsburg wird die Deponie Augsburg-Nord mit hehren, an Harmlosigkeit nicht mehr zu überbietenden Worten bedacht. Man liest von Naherholung, Wanderwegen, Rastplätzen für Zugvögel, der herrlichen Aussicht, auch von Blindschleiche und Ringelnatter, die sich ansiedeln durften ... Kein Wort vom Gift, das sich vor der Abdichtung der Deponie ins Grundwasser ergoss oder vom benachbarten Lech davongetragen wurde. Wieder ist mir wichtig: Ich will und werde mich nicht über die Entscheidungsträger von damals erheben. Ich war beteiligt, fühle eine Mitschuld. Aber Schönreden kommt nicht infrage!

Sanft aufwärts, die ersten etwa 40 Meter Höhenunterschied verteilen sich gleichmäßig entlang einer 700 Meter langen Rampe. An ihrem vorläufigen Ende stehend bin ich zum ersten Mal überwältigt. Von der Aussicht über die Stadt, wie man sie so und aus nördlicher Richtung blickend von keiner natürlichen Erhebung aus genießen kann. Schauen, Schnappschuss, noch rasch die Regenjacke ausziehen und weiter, einer Art Serpentine mit geringer Steigung folgend. Eine weitere Rechtskurve, dann gucke ich wahrscheinlich noch verblüffter aus der Wäsche, als eben gen Augsburger Zentrum. Erst hier oben am "Gipfelgrat" lässt sich das wahre Ausmaß der Deponie einschätzen: Vom südlichen, oberen Rand blicke ich jetzt zum nördlichen, über dem sich auch der "Müllberggipfel" mit - kein Witz! - dem "Gipfelkreuz" erhebt. Weitere 400 Meter trennen mich von dort ...

*) An ihrer Basis misst die ehemalige Deponie Augsburg-Nord etwa 800 x 600 Meter. Auch heute wird dort noch Müll der Deponieklasse 1 (z.B. Kehricht, Dämmstoffe, Asbest) verfüllt. Die Einlagerung von Müll anderer Deponieklassen endete 1996 nach Inbetriebnahme der Abfallverwertungsanlage Augsburg samt Abfallheizkraftwerk.

Natürlich lasse ich mich am Kreuz lehnend in Siegerpose ablichten. Anlässlich der Niederschrift des Erlebten mit ein paar Tagen Abstand und nach einiger Reflexion, ein Akt, der mir mindestens so bizarr vorkommt wie der einen gigantischen Haufen Dreck mit einem Gipfelkreuz zu krönen ... Einige der anderen Läufer rasten am Gipfelkreuz. Langes Rasten während eines Marathons, auch wenn wie heute das Lauferlebnis im Mittelpunkt steht, geht mir gegen den Strich. Zudem zieht es hier oben wie Hechtsuppe und auszukühlen will ich keinesfalls riskieren. Also verabschiede ich mich von der ruhenden Truppe und mache mich solo an den Abstieg ...

Der Müll im Berg ist und bleibt aktiv. Zahlreiche so genannte "Gasbrunnen"*, an denen ich aufwärts schon vorbei lief, die nun auch meinen Weg "downhill" säumen, weisen unmissverständlich darauf hin. An der südlichen Basis des Müllbergs, direkt neben der Autobahn A8 angekommen, jogge ich am eingezäunten Areal des Deponiekraftwerks* vorbei ... Jetzt noch über die Autobahn und dann wieder zurück zur "natürlichen Natur". Ein weiterer, flacher und harmloser Trail führt mir ein paar hundert Meter der Firnhaberauheide vor, bringt mich anschließend zurück ans Lechufer.

*) Unter Gasbrunnen versteht man senkrechte Schächte durch die Deponie, in denen sich über horizontale Gasdrainagen abgeleitetes Gas sammelt. Deponiegas (hauptsächlich die "Klimakiller" Methan und CO2) entsteht durch den Zerfall im Müll enthaltener organischer Stoffe. Das Gas wird so weit möglich verbrannt/verstromt, um den Treibhauseffekt zu reduzieren. Die Deponie Augsburg-Nord setzt drei Gasottomotoren zur Stromerzeugung ein.

Für den Rückweg auf derselben Lechseite hat Streckenplaner Bernie ausschließlich Rad- und Spazierwege in Ufernähe vorgesehen. Entsprechend rasch komme ich voran, muss dafür jedoch meist auf den "Durchblick" zum Lech verzichten. Rasch voran ist relativ, inzwischen haben die Beschwerden rund um die Hüfte und in der Gesäßmuskulatur eine gefühlt "lähmende" Intensität erreicht. Der GPS-Geschwindigkeitsanzeige meiner Uhr schenke ich zwar keine Beachtung, bilde mir den Tempoverlust aber sicher nicht ein.

Nach einer Weile meldet mein Handy einen Anruf, auf den ich schon seit einer Weile hoffe: Meine Frau Ines erwartet mich am Gasthaus "Floßlände"! Es war nicht sicher, ob sie mich nach ihrem Termin noch würde treffen können. Irgendwie seltsam: Nicht selten, als hätte sie einen Riecher dafür, beglückt mich meine liebe Frau mit ihrer Gegenwart in physisch oder mental kritischen Phasen eines Laufes. Also genau dann, wenn ich aus der Begegnung am meisten Kraft schöpfen kann. Der Anruf beschleunigt meine Schritte, obendrein fallen sie mir wieder leichter. Und etwa eine Viertelstunde später ergebe ich mich ihrem Lächeln und ihrer Umarmung, ein weiteres, freudvolles "Strecken-Highlight".

Alleine weiter, geführt vom GPS-Track, den Bernie allen Teilnehmern zur Verfügung stellte. Bisher schenkte ich der Anzeige kaum Beachtung, meist war Bernie wegweisend zugegen. Es gilt jedoch in Bälde die Flussseite zu wechseln und dafür den so genannten "Osramsteg" zu nutzen, den ich nur vom Hörensagen kenne. Dabei handelt es sich um eine Eisenbahnbrücke, deren Gleis das ehemalige Osram-Betriebsgelände* auf der anderen Lechseite anbindet. Die Brücke besitzt einen separaten Steg für Fußgänger. Vorhin "trailten" wir unter der Brücke hindurch und nun will ich den Übergang nicht durch eine Unachtsamkeit verpassen. Einmal mehr beklage ich die Primitivität der Trackdarstellung auf der Uhr. Sie erlaubt in der Feindarstellung kaum mehr als etwa 100 Meter in die Zukunft zu blicken. Bisweilen, nach Vorgaben, die ich bis heute nicht genau kenne und ohne, dass ich das beeinflussen könnte, schaltet die Uhr auf eine gröbere Darstellung um. Dann beträgt die "Sichtweite" etwa einen halben Kilometer. Aber natürlich tut sie mir diesen Gefallen nie dann, wenn ich frühzeitig vorgewarnt werden möchte, um nicht alle paar Sekunden meine Position checken zu müssen ... Will man sich in unübersichtlichem Gelände nicht verlaufen, bleibt einem nichts anderes übrig als tatsächlich die Anzeige mehrmals in der Minute in Augenschein zu nehmen. Woher ich das wohl weiß?

*) Das an die in chinesischem Alleinbesitz befindliche Firma "Ledvance" verkaufte Osram-Werk wurde vom Management im Jahr 2018 geschlossen. Zuletzt 650 Mitarbeiter verloren ihre Arbeit. Seitdem steht das Werksgelände weitgehend leer.

Eine Weile noch geradeaus, dann endlich knickt der Track nach rechts ab und schließlich mache ich die Brücke unter alten, hohen Uferbäumen aus. Der Fußgängersteg verläuft unterhalb des Gleisbetts, in ganzer Länge überdacht, um Passanten zu schützen. Auf halbem Weg gönne ich mir einen Moment zum Schauen. Der Rest des dem Lech verbliebenen Wassers* rinnt unter mir träge gen Norden, gibt dabei einige Kiesbänke frei - ideal fürs demnächst wieder beginnende sommerliche Badevergnügen ... Weiter zum anderen Ufer, das mich sogleich darüber belehrt den falschen Steg gewählt zu haben. Der logische Weiterweg Richtung Süden wird vom sich aufwölbenden Bahndamm blockiert. Noch bevor ich das Gleis entern und die andere Seite einsehen kann, ist mir klar, was ich finden werde: Einen identischen, zweiten Steg auf der anderen Brückenseite, und den hätte ich nehmen sollen.

*) Der größte Teil des Lechwassers wird wie erwähnt am Hochablass abgeleitet, um die Stadtkanäle zu speisen.

Mit einiger Verwunderung verkürze ich auf dem von altem Baumbestand domartig beschirmten Weg den Abstand zu drei Läufern. Zweifelsfrei Bernie und zwei andere, von denen ich mich auf dem Gipfel verabschiedete. Sie scheinen mich unbemerkt überholt zu haben, als ich bei Ines stand!? Zum Quartett wiedervereint halten wir eine Viertelstunde später auf die im Rest der Welt sicher bekannteste Augsburger Sportstätte zu, den "Eiskanal". Auf der künstlich angelegten Wildwasserstrecke fanden 1972, vor einer Kulisse von 20.000 Zuschauern, die olympischen Wettfahrten statt. Die Anlage wurde jüngst für 20 Millionen Euro saniert. Viel Geld, das zu rechtfertigen mehr verlangt als hin und wieder ausgetragene internationale Meisterschaften (demnächst Schauplatz der Kanu Weltmeisterschaft). Tatsächlich dient der Eiskanal aber auch den Spitzensportlern des benachbarten Bundesleistungszentrums und örtlichen Kanu-Vereinen als Trainingsstrecke.

Die "Umleitung" infolge Baumaßnahmen ist noch nicht aufgehoben: "Ihr könnt' gerne eine Runde drehen und euch alles anschauen ..." informiert uns eine Frau zum Glück rechtzeitig, " ... müsst aber hier wieder zurück und außen'rum laufen. Der Durchgang zum Hochablass ist noch gesperrt!" Also investieren wir ein paar Schritte hin zum Eiskanal, um uns die Anlage anzuschauen. Für einen Nicht-Städter wie mich, der hier nur selten vorbeikommt, scheint alles unverändert. Vermutlich wurden die mit Gras bewachsenen Stufen der Stehtribünen befestigt, ein paar Mäuerchen erneuert, womöglich auch die betonierten Hindernisse im Kanal selbst repariert. Noch fehlt das Wichtigste: Wasser. Normalerweise rauscht, brüllt und gurgelt es randhoch durch die Rinne, bildet Strudel und Wirbel, um den Kanuten das Paddeln so schwer wie möglich zu machen. Schließlich umlaufen wir den Bereich, zu dem eine weitere, mit Abstand harmlosere Trainingsstrecke gehört. Sie wurde direkt in den vom benachbarten Hochablass kommenden Stadtkanal eingebracht. Gerade trainieren einige junge Athleten dort und ein weiteres Mal unterbreche ich meinen Lauf zum Sammeln von Eindrücken und Fotos ...

Weiter über die Staumauer des Hochablasses, zurück auf die gegenüberliegende Lechseite. Wenige Meter nur, dann erreiche ich den heute früh bereits kurz tangierten Kuhsee. Nun wähle ich dessen Ostseite, um die "Augsburger Badewanne" zu umrunden. Laufe zwischen Liegewiesen und Stränden, passiere Kioske, Kinderspielplätze und zahlreiche Ruhebänke - meistenteils verwaist. Früher kam ich hier auf langen Trainingsläufen vor Marathons oder Ultras häufiger vorbei ... Am Südende des Kuhsees befrage ich wieder den Track auf meiner Uhr. Bernie und die "Gang" gingen irgendwo hinter mir verloren ... Der Track bezeichnet die Stelle, an der ich mich vom See verabschiede und einem weiteren Trail zuwende. Zum Glück kaum mehr als ein halber Kilometer von Wurzeln und anderen Fußangeln gewürzte Schwerstarbeit für meine schmerzenden Haxen. Aushaltbar, weil mich nur noch etwa sechs Kilometer vom Ziel trennen.

Die Pfadspur mündet in den mir bestens bekannten, breiten, beinahe planen Wirtschaftsweg auf der vom Lech abgewandten Seite des Damms. Irgendwo jenseits des Damms, am Ufer und im Auwald, waren wir heute Morgen in entgegengesetzter Richtung unterwegs gewesen - in einem Tag voller Erlebnisse, voll mit kleinen Abenteuern. Es kommt mir vor als wäre seitdem viel mehr Zeit vergangen, als die tatsächlichen etwa viereinhalb Stunden. - Meine Beine jubeln über das feine Geläuf unter den Füßen. Sie belohnen mich mit mehr Tempo, das ich sogar noch steigere, als ich hinter meinem Rücken Schritte vernehme ... Anscheinend ein ausgeruhter, frecher Verfolger, der ein bisschen durch die Lechgegend joggt ... Er verkürzt den Abstand und unerklärlicherweise fühle ich mich provoziert. Ich lege mehr Ausdauer in meine Schritte, versuche den Abstand wieder zu vergrößern, was mir zeitweise sogar zu gelingen scheint. Als Experiment erbringt mein "Fluchtversuch" zwei Erkenntnisse: Es schmerzt nicht heftiger, wenn ich schneller laufe. Außerdem verfüge ich anscheinend noch über genügend Restausdauer für so ein Spielchen; obschon ich bislang keines meiner Gels antastete, mich lediglich von Wasser "ernährte". Bin dermaßen eingesponnen ins "Noch-Können" und darüber sinnen, dass mir das Naheliegende gar nicht in den Sinn kommt. Dass der Mann hinter meinem Rücken, der nun doch noch auf- und mich schließlich einholt, zur "Gang" gehört.

Als wir das Ufer des Auensees erreichen und er mir klarmacht, infolge fehlender "GPS-Steuerung" gar keine andere Wahl gehabt zu haben als mir hinterher zu laufen, komme ich mir schon ziemlich dämlich vor ... Kurzes Fotoshooting am See, währenddessen sich auch wieder Bernie und ein weiterer, seit dem Kuhsee "abgängiger" Mitläufer zu uns gesellen. Neuerlich zum Quartett arrangiert umrunden wir das idyllische Ufer des Auensees. Und, ja, der Gedanke liegt nahe: Ein weiterer halber Kilometer "Wild Cross" auf kiesiger Spur malträtiert einmal mehr meine armen Füße.

Das ist jetzt aber auch schon egal, so kurz vorm Ende. Das allerdings nicht sobald heranrücken will. Wieder zurück auf dem festen, planen Weg am Lechdamm dreht sich der Kilometerzähler unaufhaltsam weiter: 41, 42 ... und noch immer kein Anzeichen, dass das ersehnte Zielgebiet Weitmannsee linker Hand auftauchen könnte. Bereits 43 Kilometer liegen laut Uhr hinter uns, als ich den Weg zum Weitmannsee endlich voraus zwischen Büschen ausmache. Ein paar Meter noch unweit von dessen Ufer, dann erlöst mich das von Bernie als Start und Ziel ausersehene Schild von allen Schmerzen. Ich stoppe die Uhr nach 5:32:03 Stunden und 43,54 Kilometern.

 

Fazit zur Veranstaltung

Die Strecke des Marathons am Lech "Wild Cross" hatte einiges an Naturschönheiten und sonstigen Attraktionen zu bieten. Die diversen Trailkilometer forderten mich als ausgewiesenen "Nicht-Trailspezialisten" auf besondere Weise. Dennoch möchte ich sie nicht missen, weil sie mir bekannte Augsburger Uferkilometer auf völlig neue, zum Teil abenteuerliche, auf jeden Fall aber idyllische Weise erschlossen.

Bernie Manhard investierte viel Arbeit und Mühe, um seinen Marathon für die Teilnehmer zum unvergesslichen Erlebnis werden zu lassen. Das ist ihm zweifelsfrei und überreich gelungen. Herzlichen Dank dafür. Herzlichen Dank auch für die von Bernie höchstpersönlich gestaltete und angefertige Medaille aus Original-Lechkieseln. Ohne Laufmenschen vom Schlage eines Bernie Mannhardt wäre der Laufsport erheblich ärmer!

Fazit: Ich freue mich heute schon auf den nächsten von Bernie Manhard entwickelten Lauf am Lech, oder wo auch immer sonst und hoffe auf eine Einladung.

 


Bildnachweis: Alle Bilder, auf denen ich selbst zu sehen bin, wurden dankenswerterweise von Bernie Manhard zur Verfügung gestellt. Übrige Bilder: Udo Pitsch.

 

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