Den Bogen überspannt?   –   Ottonenlauf, 69 km, 2. August 2014

Seit Anfang Januar, seit sieben Monaten also, bereite ich mich auf mein diesjähriges Saisonziel vor, auf die 100 Meilen von Berlin, den so genannten „Mauerweglauf“, der auf 160,93 km rund um das ehemalige West-Berlin ausgetragen wird. Sieben Monate mit bisher etwa 2.650 Trainingskilometern und 15 Aufbauwettkämpfen, die mich auf einige Höhen trugen und in noch mehr Tiefen warfen. Meine noch immer leistungsorientierte Einstellung zum Laufsport setzt diesen hohen Einsatz voraus. Wer so intensiv trainiert, bewegt sich auf messerscharfem Grat: Gerade noch ausdauersteigernd und orthopädisch verträglich oder schon im freien Fall Richtung Verletzung? Als Amateur fehlt mir die Möglichkeit meine Trainingsplanung durch Erfassung von Stoffwechselparametern effizienter zu gestalten. Und die Auswahl der Testwettkämpfe richtet sich nicht zuletzt nach dem Angebot. Mit anderen Worten: Man kann sich auch mal an einem dicken Happen heftig verschlucken. Mir widerfuhr das zweimal, jeweils in Form eines 100 km-Laufs. Der letzte liegt nur sechs Tage zurück. Ein – ohne Übertreibung – grauenhaftes Regen- und Schwächeerlebnis, nach dem ich mich nun frage, ob ich den Bogen überspannte …

… und falls nicht letzten Sonntag, ob ich mich vielleicht heute, beim letzten Vorbereitungswettkampf, zwei Wochen vor Berlin, endgültig in den Hades schicke … Heute also der „Ottonenlauf“: 69 km inklusive reichlich Höhenmeter, zu denen ich auf der Homepage des Veranstalters keine Angabe fand*. Im Ziel werde ich binnen einer Woche (Sonntag bis Samstag) 219 km absolviert haben. Dieser Gewaltakt in Sachen Wochenpensum samt schlimmem Erlebnis vom letzten Sonntag schrauben meine Erwartungen auf Sparflamme: Vermutlich werden meine Akkus auch heute, nach wenig mehr als 30 km, etwa der Hälfte der Distanz, leer sein. Ich befürchte einen weiteren selbstquälerischen Akt, bei dem mich nur Willensstärke ins Ziel bringen wird. Einen Lichtblick – im wahrsten Sinne des Wortes – gibt es an diesem Augustmorgen allerdings: Es ist warm und die Sonne scheint! Also mein Wetter!

*) Auf der Seite „harzinfo.de“ werden 1.363 Höhenmeter im Auf- und 1.727 Hm für den Abstieg beziffert, wenn man von Stiege im Harz nach Quedlinburg über den Selketal-Stieg wandert.

Der Ottonenlauf wird auf dem Fernwanderweg „Selketal-Stieg“ ausgetragen. Er beginnt im Örtchen Stiege im östlichen Harz (Unterharz), am Bahnhof der Selketalbahn und endet in Quedlinburg. Zunächst folgt der „Selketal-Stieg“ 46 Kilometer dem Flüsschen Selke, orientiert sich danach am nördlichen Rand des Harz’, um etwa sechs Kilometer vor Quedlinburg jäh nach Norden abzubiegen und den Harz zu verlassen. Die völlige Übereinstimmung von Wanderweg und Laufstrecke wird mir erst eine halbe Stunde vorm Start bewusst. Auf der etwas undurchsichtigen Homepage des Ottonenlaufes sucht man eine Streckenskizze vergeblich und für tiefschürfende Vorbereitungen fehlte mir die Zeit. Leider. Das „leider“ formt sich in meinem Kopf, als ich einen Läufer mit Hund in Startnähe beobachte. „Lucky“ – ein (schwarzer) Flat Coated Retriever – wird sein Herrchen begleiten und meine Roxi musste zu Hause bleiben … Als sich das Läuferfeld in Höhe der Startlinie versammelt, schallt heißeres Gebell und sehnsüchtiges Fiepen vom Parkplatz herüber. Zum ersten Mal erlebe ich einen mitlaufenden Vierbeiner, der vorm Start ähnlich ausrastet wie Roxi. Luckys Hunde- lugt um eine Autoschnauze, will nichts vom Startprozedere verpassen: „Herrchen kapierst du’s nicht??? Die rennen gleich los!!!“

Kurze Ansprache des Landrats, ein paar Worte des Starters zu Gefahrenpunkten auf der Strecke, dann die Vorstellung der Hexe. O-Ton des Starters: „Einziger Lauf im Harz mit einer Hexe“. Bevor sie auf ihrem Besen zum Brocken reitet, wird sie uns noch schnell verhexen. Weh’ mir, wenn ihre Magie verfängt. Oder darf man ihrem verschmitzten, rotwangigen Lächeln trauen? Gehört sie zu den guten Hexen? – Kurz vor 7 Uhr morgens. Anruf per Handy im Zielbereich: „Wir sind startbereit!“ Countdown: 5 – 4 – 3 – 2 – 1 – 0 und im Stadion in Quedlinburg startet jemand die Uhr …

Der Bahnhof der Selketalbahn (Schmalspurbahn) bleibt zurück und keine Minute später erzwingt ein zauberhafter Anblick bereits den ersten Fotostopp: Im Gegenlicht der blutjungen Sonne weht Morgendunst über die spiegelnde Oberfläche eines Teiches. Was ist das dort drüben am anderen Ufer hinter den dünnen Nebelschleiern? Dreht dort nicht die Rotwangige auf ihrem Besen eine Abschiedsrunde? Weiterlaufen in frischer aber keineswegs kalter Luft: Etwa 14, 15 °C bereits jetzt und heute Nachmittag wird die Quecksilbersäule nicht mehr weit vom Strich mit der 30 entfernt sein … Der Weg beschreibt einen S-förmigen Schlenker, überwindet zugleich ein paar Höhenmeter. Aus längst verblühtem Rapsfeld weht mir feuchtwarme Luft ins Gesicht. Übergangslos beschlägt die Brille. Das hatte ich auch noch nicht … Hexenwerk oder Physik?

Die Harzlandschaft zeigt dem Besucher viele Gesichter. Das durfte ich schon 2011 anlässlich der Harzquerung (51 km, von Wernigerode nach Nordhausen) erleben. Davor hatte ich nur Bilder von dichten, dunklen Nadelwäldern an steilen Hängen im Kopf. Zumindest im Unterharz dominieren Mischwälder, sanfte Hänge und ausgedehnte, waldfreie, von Landwirtschaft geprägte Flächen. Über eine solche schlängelt sich der Selketal-Stieg auf seinen ersten Kilometern und sucht die Selke ... Der Sonne entgegen, vorbei an Feldern, Wiesen, Kühen. Ackerbau und Viehzucht fallen in den jüngeren Bundesländern einige Nummern größer aus als bei mir zu Hause. Zu DDR-Zeiten wurde die Landwirtschaft von der LPG (Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft) im großen Stil betrieben und nach der Wende oftmals in identischem Umfang als GmbH weitergeführt. Eine bunte Herde treibt eine gefleckte vor sich her: Rindviecher auf benachbarter Weide stieben in wilder Flucht davon. Kurzfristig aber nur, dann kapieren die Leittiere, dass sie nicht nordamerikanische Weite, sondern den von Weidezäunen begrenzten heimischen Harz unter den Klauen haben.

Zum zweiten Mal beende ich einen Kilometer nach weniger als sechs Minuten. Zu schnell Udo! Denk an die Höllenfahrt vor sechs Tagen! Runter mit dem Tempo! Ich gehorche der Vernunft, wenngleich viele meiner vor Kraft nur so strotzenden Mitläufer nun vorbei ziehen. ‚Lauft nur! Abgerechnet wird zum Schluss!’ Der trotzige, zur Beschwichtigung meines Ehrgeizes formulierte Gedanke enthält den Schlüssel zum Lauferfolg: Wohl dosierter, gleichmäßiger Ausdauereinsatz über die komplette Distanz! Das gilt für kürzere, noch mehr aber für Strecken im Ultrabereich.

Wir verlassen die offene Hochfläche und schlüpfen in morgendlich kühlen Wald. Zugleich geht es moderat abwärts, wenig später sanft wieder rauf; ein Stück Straße folgt, zuletzt weist der Gleiskörper der Schmalspurbahn den Weg. Nichts weltbewegend Attraktives aber durchweg reizvoll. Im Minutenabstand auch an zwei Teichen vorbei, von Bäumen malerisch umrahmt und von der Sonne geheimnisumwittert in Szene gesetzt.

Acht Kilometer liegen bereits hinter mir und noch immer keine Möglichkeit zum Trinken. Und das an einem Tag, der heiß und schwül zu werden verspricht. Durch meine Gedanken hallt noch das Echo der Abschiedsformel kurz vorm Start: „Ich hoffe, es wird nicht so heiß, wie in den letzten Jahren!“ Hitzeerfahrungen liegen also vor und trotzdem kein Schluck Wasser? Wie planen Köpfe, die Laufveranstaltungen organisieren? Köpfe, deren kluge Weitsicht man oft noch im kleinsten Detail aufblitzen sieht, die dann einen so groben Fehler begehen: Nach 10,5 km, in der Ortschaft Güntersberge, die erste Möglichkeit zu trinken! Was bedeutet das? Angenommen bei Kilometer 5 hätte man trinken können. Seither wären ungefähr 5 x 6 = 30 min vergangen, in denen der Körper verlorene Flüssigkeit hätte ersetzen können. Die halbe Stunde entgangene Rehydrierung (= das in dieser Zeit vom Körper aufgenommene Wasser) ist nicht mehr aufholbar, egal in welchen Zeitintervallen man künftig auch trinkt, weil die Rehydrierungskapazität des Magen-Darmtraktes begrenzt ist. Das weiß jeder Ultraläufer. Und die es nicht wissen, sollten es sich bewusst machen.

Der Bauch ist voll und mein Unmut verfliegt. Viel zu schön das Wetter, um sich über irgendwas zu ärgern. Hinter der Ortschaft Güntersberge gelingt mir der erste Blick auf die Namensgeberin des Wanderwegs, die Selke. Bisher wand sich das schmächtige Bächlein abseits des Kurses oder blickdicht von wild wucherndem Kraut verborgen, ließ seine Existenz nur ahnen. Wieder ein Teich. Anscheinend aufgestaut, wie die anderen zuvor und gespeist vom Quellwasser der Hänge. Was für ein Unterschied zum nassen Höllenritt des letzten Wochenendes: Sonne, An- und Aussichten, Abwechslung ohne Pause. „Außen“ ist alles anders, „innen“ aber auch. Ich fühle mich wohl, habe Freude an diesem Wettkampf … endlich wieder. Zwicken und Zwacken? Nachwehen vom Sonntag? Ja, schon, ein bisschen. Aber nichts, was auch nur den Hauch einer Beunruhigung rechtfertigen würde. Selbst die feste Überzeugung in zwei, drei Stunden wieder diese unsägliche Schwäche ertragen zu müssen, vermag meine Stimmung nicht zu dämpfen.

Auf bewaldeter „Galerie“, ein paar Meter oberhalb von Schmalspurbahn und Bachbett, setzt sich der Wanderweg fort. Der Untergrund wechselt ständig: Gras, Schotter oder eine Kombination von beidem. Dann und wann nutzen wir typische Waldpfade mit den dort üblichen Hindernissen. Doch jeder Meter ist gut zu laufen, nirgendwo verborgene Tücken. Wo Gras wächst, wurde vor kurzem gemäht. Ob ganz bewusst zum Schutz der Läufer oder einem festgelegten Pflegeplan des Wanderweges gehorchend, vermag ich nicht zu sagen. Nächster Verpflegungspunkt, Straßenquerung, Steg über die Selke, links unterhalb eine Fischtreppe. Sie ermöglicht schuppenbewehrten Selkebewohnern das an dieser Stelle errichtete Wehr zu überwinden. Mich fasziniert – warum auch immer – die ausgeklügelte Bauweise des Bypasses: Betonierte, ineinander geschachtelte Zylindersegmente, durch die das Wasser einen reichlichen halben Meter bachwärts gurgelt. Und weiter: Sofort wieder im Wald, von Kühle umfangen und dem Selkeufer folgend …

… aber nur noch einen halben Kilometer, dann wendet sich der Selketal-Stieg aus uneinsichtigem Grund** bergwärts, weg vom Bach und dem Damm der Schmalspurbahn. Bereits auf den ersten Metern des Anstiegs streichen meine Mitläufer die Segel und gehen. Alle bis auf zwei! Die hecheln auf sechs Beinen von hinten heran und mit einem Affenzahn an mir vorbei. „Langsam Lucky, langsam!“ höre ich den Zweibeiner ächzen. Das Zugtier mit der langen, rosafarbenen Zunge bleibt von diesem Wunsch völlig unbeeindruckt. Und so spurten die beiden den Hang hinan, als gälte es den Leibhaftigen höchstselbst von dort oben zu vertreiben. Selbst oft mit Hund unterwegs, bin ich natürlich entzückt von diesem explosiven Mensch-Hund-Gespann. Und doch: Wie wollen die beiden mit dieser stürmisch unklugen Taktik das Ziel in Quedlinburg erreichen? An Luckys Ausdauer zweifle ich dabei nicht im Geringsten; an jener des Zweibeiners, den er hinter sich her zerrt, dafür umso mehr.

**) Nahe der Ortschaft Silberhütte befindet sich eine Fabrik für Feuerwerkskörper, die praktisch den kompletten Talgrund ausfüllt (Ergebnis einer Recherche in Google Maps). Entweder ist kein Platz für einen Wanderweg oder man will dem Auge des Wanderers die Ansicht hässlicher Fabrikgebäude, die sich über gut einen Kilometer hinziehen, nicht zumuten.

Der Aufstieg fällt weit weniger dramatisch aus als befürchtet. Nicht wirklich steil und nach ein paar Minuten erreiche ich bereits ein Hochplateau. Hier im Wald wird einmal mehr der Beweis geführt, wie schwierig es für Streckenplaner sein muss, eine Ultrastrecke für ein paar Stunden passierbar zu halten: Rot-weißes Trassenband quer zum Waldweg verwehrt mir das Weiterlaufen. Wie zur Warnung rumort und dröhnt unüberhörbar ein PS-gewaltiges Dieselmonster, irgendwo weiter vorne, links von mir, im dichten Wald. Nicht zu übersehen auch der vom eisernen Drachen exzessiv zerfurchte Boden. Entweder wissen Streckenplaner und Waldarbeiter nichts von ihren jeweiligen Absichten oder sie ignorieren sich. Auf jeden Fall ignoriere ich jetzt die Absperrung, wie alle anderen vor mir auch …

Noch eine hübsche Aussicht über eine hoch im Unterharz gelegene Wiese, dann neigt sich der Weg und ich gebe die gerade erst erkämpfte Höhe wieder preis; auf einem Waldweg mit starkem Gefälle, das die empfindlichsten Saiten meines Halteapparates schmerzhaft zum Klingen bringt. Unten über eine Straße, schließlich noch ein paar hundert Meter bis in Höhe der ersten Häuser der Ortschaft Alexisbad und vor den nächsten Verpflegungsstand. Der entpuppt sich als überreich gedecktes Büffet, mit allem, wovon ein Ultra nur träumen kann. Während ich trinke und meine Augen die Opulenz bedauernd streifen, bleibt mir nur der Traum von Keksen, Kuchen, Schmalz-, Wurst- oder Käsebroten und anderen erlesenen Köstlichkeiten. Mit nichts als Wasser, Iso, Gel und später auch mal Cola versorgt laufe ich dann wieder los und lasse die vielen Herrlichkeiten zurück. In all den Jahren habe ich nie begriffen, wie man mit kulinarischen „Wackersteinen“ im Bauch einen Wettkampf laufend und ohne Erbrechen durchstehen kann.

Einer meiner Mitläufer erbittet sich einen Becher Kaffee. Oh Mann, da kann ich nun nicht widerstehen! „Auch für mich einmal Kaffee bitte …“ Ein Schluck und schon habe ich mir die „Gosche“ verbrüht. Was bin ich für ein Rindvieh! „Das war jetzt keine gute Idee, mit dem heißen Kaffee!“ jammere ich an eine der netten Damen hin. Und nun? Ich kann doch hier keine Wurzeln schlagen, bis das göttliche Getränk mundgerecht temperiert und endlich trinkbar ist!? Mit zerknirschtem Lächeln, allergrößtem Bedauern und nochmaligem Jammern – „Oh Mann! Das war jetzt keine gute Idee, das mit dem Kaffee!“ – gebe ich meinen Becher wieder an eine der liebenswürdigen Helferinnen zurück, sage „Danke!“ und tauche im Unterholz der Selke ab …

Wie so oft in diesem Jahr, weiß ich herzlich wenig darüber, was mich auf der Strecke erwartet. Lag das bisher an meiner unzureichenden Vorbereitung, so reiche ich diesmal den Schwarzen Peter an den Veranstalter weiter. Auf dessen Internetseite wird der „Selketal-Stieg“ zwar mehrfach in Verbindung mit dem Ottonenlauf erwähnt. Doch woher soll ein fremder Ultra wissen, dass der Ottonenlauf identisch mit dem rund 70 km langen Wanderweg ist? Warum bemüht man das zeitlich dem Mittelalter zuzuordnende Herrschergeschlecht der „Ottonen“ als Namensgeber für diesen Lauf? Warum heißt der Lauf nicht „Selketal-Stieg-Ultra“ oder so ähnlich.

Wie dem auch sei – das Selketal bleibt langsam unter mir zurück. Ohne große Mühe trabend erreiche ich nach ein paar Minuten den Talrand oberhalb der Ortschaft Alexisbad und stehe vor … ? Das muss die ominöse „Verlobungsurne“ sein, von der ich vorhin auf einem Wegweiser las. Späterer Recherche gemäß handelt es sich dabei weder um eine Urne, noch um ein im Zusammenhang mit einer Verlobung errichtetes Denkmal. Der Volksmund prägte den Begriff, weil im Sockel die Namen von Frauen und Männern eingeprägt sind. Gestiftet wurde das Monument von einem Adligen, der in Alexisbad zusammen mit den im Sockel verewigten Badegästen einen feuchtfröhlichen Kuraufenthalt verbrachte. Hinter der Verlobungsurne lockt ein Aussichtsfelsen, den ich mir nicht entgehen lassen will, auch wenn mein Weg in eine andere Richtung führt. „Halt! Hier geht’s lang!“ beeilt sich eine Tourenradlerin meinen scheinbaren Irrtum korrigieren. „Ich weiß! Ich will nur auch was sehen von der Gegend, wenn ich schon so weit für einen Wettkampf fahre!“ gebe ich ihr zu verstehen. Von der Felsklippe reicht der Blick hinunter ins Selketal zu den ersten Häusern von Alexisbad und weit hinaus über die bewaldeten Hügel des Unterharzes.

Wenn sich die Sehenswürdigkeiten weiter in diesem Ausmaß häufen, werde ich Quedlinburg heute kaum noch erreichen! Zunächst stoße ich auf den „Luisentempel“***, passiere später gebückt einen kurzen Felstunnel, finde danach die kleine, hölzerne, einer Kapelle nicht unähnliche „Köthener Hütte“**** und zuletzt ein mächtiges, eisernes Kreuz*****. Jede dieser Kuriositäten ist mir einen kurzen Halt und ein paar Fotos wert – Wettkampf hin, Wettkampf her. Ganz „beiläufig“ hat das Geläuf der Strecke einen völlig anderen Charakter angenommen, präsentiert sich jetzt als waschechter Trail mit den gewohnten, natürlichen Stolperfallen. Ein paar zusätzliche kommen an sonnigen Samstagen in Gestalt von Wanderern und Touristen hinzu, auf die man hinter jeder Ecke gefasst sein muss. Auf dem teilweise felsigen Boden ist Konzentration angesagt, will man nicht straucheln und in einem der gähnenden Abgründe landen. Besonders gefährliche Stellen wurden allerdings durch Geländer entschärft. Also Urne, Tempel, Tunnel, Hütte, Kreuz und dann auf schmalem Pfad abwärts … abwärts … bis ich im kleinen Weiler Mägdesprung wieder auf die plätschernde Selke treffe.

***) Beim „Luisentempel“ handelt es sich um einen Rundtempel (Monopteros), den Herzog „Alexius Friedrich Christian von Anhalt-Bernburg“ (Namensgeber des Ortes Alexisbad) 1823 errichten ließ. Benannt wurde der Tempel nach der Tochter des Herzogs, „Luise von Anhalt-Bernburg“. Die Kuppel des Tempels wird von sechs gusseisernen, ionischen Säulen getragen.

****) Die „Köthener Hütte“ (Beiname „Kapelle“) wurde 1897 von Wanderfreunden der Köthener Abteilung des Harzclubs e.V. erbaut. Den Beinamen hat die Hütte von ihrem kleinen Glockenturm, der ihr das Aussehen einer Kapelle verleiht.

*****) Das mächtige, etwa mannshohe, gusseiserne Kreuz markiert ungefähr die Stelle, da sich der Selketal-Stieg wieder ins Tal hinab senkt. Es wurde zum Gedenken an Herzog Alexius Friedrich Christian von Anhalt-Bernburg nach seinem Tod im Jahre 1837 von seiner Tochter Wilhelmine Luise und deren Ehemann Friedrich von Preußen errichtet.

Ich fühle mich gut nach 30 km und weiß es nicht mal. Für Kopfzerbrechen in Sachen Tagesform war auf dem letzten, überaus kurzweiligen Streckenabschnitt wahrlich keine Zeit. Am Verpflegungsstand in Mägdesprung scherze ich mit den Helfern (Bin das wirklich ich?) und finde auch noch Zeit mich für das historische Backsteingebäude im Hintergrund – offensichtlich ein Museum – zu interessieren. „Carlswerk Mägdesprung“ steht auf der Tafel neben dem Eingang. Während ich mein Getränk schlürfe, werfe ich einen Blick durch den offen stehenden Eingang und blicke auf ein Sammelsurium alter Maschinen. Der freundliche Helfer erläutert mir die Öffnungszeiten des Museums, was ich allerdings mit einem bedauernden Schulterzucken quittiere: „Leider muss ich heute Abend wieder heimfahren!“

Über die „Schöne Brücke“ – Was ist schöner an der als an anderen vor oder nach ihr? – wechsele ich die Uferseite der Selke, zugleich vom Hellen ins Dunkle. Nach zwei Minuten praller Sonne auf dem Museumsvorplatz heiße ich den Segen der dichten Uferbelaubung herzlich willkommen. Dem Ufer folgend überwinde ich gelegentlich harmlose Buckel und lasse mich immer wieder vom idyllisch dahin plätschernden Flüsschen zu Fotos verführen. Vor allem das Spiel der Lichtreflexe auf der Wasseroberfläche, reizvolle Hell-Dunkel-Effekte und viel sattes Grün wollen in den Speicher meiner Kamera. Aber auch die rennenden Farbkleckse von Mitläufern, vor allem vor beeindruckenden Felsformationen und ein weiterer, kurzer Tunnel wollen sich späterem Vergessen entziehen. Schließlich stehe ich vor der wohl skurrilsten Sehenswürdigkeit der gesamten Strecke, einer an U-förmigem Ast mitten in den Wanderweg hängenden Schaukel … Ich habe einen Heidenspaß auf etwa zwei Kilometern in diesem herrlichen, grünen Gewölbe. Schade, dass ich den Naturschönheiten nicht mehr Zeit widmen kann. Später, daheim und Gigabyte tief in Internetrecherchen verstrickt, wächst mein Bedauern noch um Potenzen: Ich habe vieles sehen dürfen, das meiste blieb mir allerdings verborgen. Entweder lag es ein paar Schritte abseits der Strecke oder ich hätte mich im entscheidenden Moment umdrehen müssen, um von einer kuriosen oder romantischen Ansicht überwältigt zu werden …

Die Sonne darf mich wieder ein bisschen bescheinen. Die Selke fließt irgendwo abseits des jetzt breiten, geschotterten Fahrweges. Grüne Wiesen, ein Anwesen (Gaststätte?), einige Meter Anstieg und dann für Minuten im dichten Wald am Talhang untertauchen. Ein Wegstück mit völlig anderem Charakter, nicht so wildromantisch aber auch nicht weniger bezaubernd. Ich bewege mich – rückblickend kann ich es nicht anders ausdrücken – in einem Zustand vollkommener Ausgeglichenheit. Körperlich und mental. Ich werde gefordert, muss mich aber nicht überwinden, um den Anspruch der Aufgabe zu erfüllen. Nicht das mindeste Anzeichen von Schwäche. Meine Läuferseele wird mit Herrlichkeiten gefüttert, ist zufrieden, wie lange nicht mehr. Umso brachialer nun das: Ein Jogger kommt mir entgegen. Ein Jogger? Auf seiner Brust prangt gleichfalls eine Startnummer unter 100, wie bei mir. „Sind wir hier richtig?“ pflanzt er jähes Misstrauen in meine eben noch heile Läuferwelt. „Hinter mir kommen noch ein paar!“ entgegne ich und hake nach: „Gibt’s da vorne keine Pfeile mehr?“ Anscheinend fand er keine und kehrte deshalb um. Entschlossen halte ich meine Richtung: Wo hätte ich mich verlaufen sollen? Der Verlauf des Wanderweges ist eindeutig, auch wenn von keinem Markierungstäfelchen bestätigt.

Ich halte die Richtung, bin jedoch im Innersten alarmiert. Verlaufen wäre extrem ärgerlich, auch wenn ich hier nur „trainiere“. Unablässig forsche ich in jedem Winkel meines Sichtfeldes nach Hinweisen. Finde aber keine. Minute um Minute vergeht und ich werde immer unsicherer. Da hilft es auch nichts, dass sich der Auslöser der Verwirrung besann und mir offensichtlich folgt. Dem Streckenchef müssen die Ohren klingeln, denn in Gedanken übermittle ich ihm eine geharnischte Rüge. Vermutlich fehlen am Boden aufgesprühte Pfeile (oder auch kleine, gelbe Farbkleckse), weil es gar keine Möglichkeit gibt vom Weg abzuweichen. Nur, woher sollen Ortsunkundige wissen, ob es sich so verhält oder ob sie, einen Augenblick zu lange unaufmerksam, doch irgendwo den Abzweig verpassten? Auch wo keine Seitenwege irritieren können, müssen Markierungen Sicherheit geben. Immer noch nichts. Fast bin ich nun auch davon überzeugt den falschen Weg eingeschlagen zu haben. Wie weit soll ich noch laufen? Wann wird aus hochgradigem Verdacht Gewissheit? – Und dann sind sie einfach da: Zwei Pfeile hintereinander. Was für ein Hohn. Mehr als fünf Minuten gar keiner und hier verschwenderisch gleich zwei. Da fragste dich schon, was sich einer bei so ’was denkt. „Hier ist wieder eine Markierung!“ rufe ich befreit dem Hintermann zu. Weniger um sein Leid abzukürzen, eher um mich vom aufgestauten Druck zu befreien …

Die Welt ist wieder in schönster Ordnung. Die Sonne scheint, taucht die Welt jenseits dieser reizvollen Allee in kräftige Farben. Einmal mehr hat sich das Selketal ein neues Gewand übergestreift, lässt nun alles Schroffe vermissen. Nicht mehr allzu hoch erheben sich die bewaldeten Hänge. Im Talgrund dominieren Wiesen. Zylindrische Heuballen und allenfalls knöcheltief nachgewachsenes Gras verraten, dass die letzte Mahd erst ein, zwei Wochen zurückliegt. Weit voraus ragt etwas „Kirchturmartiges“ über dem von Bäumen dicht bestandenen Hügelkamm auf. Burg? Schloss? Kirche******? Laufen unter Alleebäumen, zeitweise am Waldrand, für kurze Abschnitte immer wieder auch in der Sonne. Ich merke wie warm und schwül sich der Tag bis jetzt, gegen halb zwölf Uhr vormittags, entwickelt hat. Auch mein Durst wächst und so bin ich dankbar für die schattig unter Bäumen platzierte Tränke. Ein Gel und zwei Becher Wasser zum Spülen hinterher.

******) Es handelt sich dabei um den Turm der Burg Falkenstein, die ich auf dem späteren Wegverlauf (möglicherweise aus Unachtsamkeit) nicht mehr ausmachen konnte.

Ist das noch Wärme oder schon Hitze? Nach rein subjektivem Empfinden plädiere ich für „warm“. Allerdings sind 25°C sicher längst überschritten. Und das ist – objektiv betrachtet – für Läufer eher Hitze. Mir macht die Temperatur nicht zu schaffen. Nicht im Mindesten. Sonnig und warm: Mein Wetter. 45 Kilometer liegen inzwischen hinter mir und der befürchtete Einbruch hat nicht stattgefunden. Auf diesem flachen Wegstück und festem Untergrund vermag ich mein Tempo sogar noch ein wenig zu steigern. Etliche Anstiege erwarten mich noch, vielleicht werde ich dort den überfälligen Tribut entrichten müssen …

Was ist das denn? Sieht aus wie die Portalfassade einer großen Kirche. Allerdings scheinen sich dahinter nur Wald und Hang aufzutürmen. Erst die Entdeckung fotografisch sichern, dann zurück zu einer Hinweistafel. Meinem halblaut gemurmelten „Was ist das denn für ein Gebäude?“ folgt ein Echo: „Das ist ein Grabmal!“ Der Mann wartet in Höhe des Mausoleums******* offensichtlich auf einen Läufer (eine Läuferin?), den (die) er anfeuern will. Die Idee liegt nahe und entwickelt sich spontan: Der könnte ein Bild von mir auf der Strecke machen. Ich bringe meine Bitte an den Mann, übergebe die Digicam, wetze ein paar Schritte zurück und dann wieder auf die Linse zu. Klick! Passt!

*******) Das Mausoleum wurde 1834 als letzte Ruhestätte der „Grafen von der Asseburg Falkenstein“ erbaut und gehört zum Park des unweit gelegenen Schlosses Meisdorf. Ältere Gebeine wurden umgebettet und die letzte Beisetzung datiert aus dem Jahr 1928.

Nur ein paar Schritte weiter betrete ich einen ausgedehnten, überaus gepflegten Park, passiere einen Teich, eine bildschöne, singulär stehende Trauerweide, werde vor fliegenden Golfbällen gewarnt und vor einer Hecke verpflegt. „Du bist an Position 33!“ Spricht’s und starrt dabei ganz angestrengt auf seinen Tablet-PC. Will ich das wissen? Vor gut anderthalb Stunden, vor diesem Technikmuseum, teilte mir ein Helfer schon mal sein Zählergebnis mit. Da rangierte ich angeblich an Position 45. Also ganz hübsch aufgeholt … Ich weiß genau, was dieser Umstand in mir drin anrichten wird. Ich kenne mich … Gel, Wasser und weiter. Erst als ich die Vorderfront des Schlosses Meisdorf (heute ein Nobelhotel) passiere, realisiere ich, was dieser Park hauptsächlich beherbergt. Vom Schlosshof geht es wieder zurück in den Wald, was den endgültigen Abschied vom Flüsschen Selke bedeutet und unmittelbar Höhenmeter …

Objektiv nicht steil oder nur subjektiv, weil ich einfach gut drauf bin? Vermutlich liegt die Wahrheit irgendwo dazwischen. Voller Genugtuung über die stetig fließende Energie nehme ich Hügel um Hügel, lasse dabei auch wieder zwei Kontrahenten hinter mir. Sie gehen, ich trabe und bin ziemlich sicher, dass sich daran auf den verbleibenden 22 Kilometern nichts ändern wird, egal was da noch kommen mag. Und da kommt noch eine Menge. Reichlich Plackerei zum Beispiel, wie man sie gerne in feuchtfröhlicher Stimmung besingt: Auf und nieder immer wieder! Tatsächlich addieren sich auf den folgenden 13 km am Nordrand des Harzes die meisten Höhenmeter der Strecke ... Mir können sie nichts anhaben. Mit wachsender Verwunderung gucke ich mir dabei zu, wie mühelos ich da hoch tippele. Mein Staunen schließt auch den bizarren Umstand ein, dass ich mich über jeden Meter Aufstieg „freue“. Na ja, freuen ist vielleicht zu viel gesagt. Eine widersprüchliche Gefühlsmischung, am ehesten mit Hassliebe zu umschreiben, durchzieht mich da. Während meine Muskelzellen mit der erhöhten Anstrengung hadern, reibt sich der ehrgeizige Gnom in meinem Hinterstübchen vergnügt die Hände. Vor allem, wenn wieder einer gehend hinter mir zurück bleibt …

Wer glaubt, nach dem Verlassen des malerischen Selketals keine oder nur noch drittklassige Attraktionen geboten zu bekommen, wird angenehm und aufs Mannigfaltigste überrascht. Nicht zuletzt die Vielfalt der Wälder des Harzes begeistert mich. Aber auch touristisch gilt es rechts und links der Strecke noch einiges einzusammeln: Weiher und Seen, wunderschön kühle Alleen oder Naturdenkmale, wie beispielsweise die gewaltige „Eiche an der Bienenwiese“ (ca. 300 Jahre alt). Dann und wann, am Waldrand oder durch Schneisen, greift der Blick weit hinaus nach der dem Harz im Norden vorgelagerten Landschaft. Oder man blickt hinunter auf eine der schmucken, mit den Ausläufern des Harzes verzahnten Ortschaften.

Auf langer Gerade und noch ziemlich weit voraus: Mann mit Hund beim Gassigehen. Wenig später identifiziere ich die beiden als Lucky mit Herrchen. Pardon, wenn ich ausnahmsweise den Vierbeiner zuerst nenne, aber Lucky könnte noch laufen, wenn er denn dürfte. Meine Skepsis vor Stunden, was die Ausdauer des Zweibeiners am anderen Ende der Leine angeht, war also berechtigt. Schließlich überhole ich die beiden, kann mir dabei ein Foto natürlich nicht verkneifen. „Meine Hündin musste leider daheim bleiben!“ meine ich mich als Oft-mit-Hund-Läufer outen zu müssen. „Warum?“ werde ich zweisilbig gefragt, weil die Kraft für ganze Sätze wohl nicht mehr reicht. „Ohne Streckenkenntnis war mir nicht klar, ob ich sie würde frei laufen lassen können!“ füge ich erklärend hinzu …

Das helle Pfeifen der Schmalspurbahn habe ich vor Stunden schon einmal gehört. Just als ich die Sehenswürdigkeiten entlang des Wanderwegs oberhalb von Alexisbad besichtigte. Bäume und Felsen verhinderten, dass ich der akustischen eine visuelle Wahrnehmung hinzufügen konnte. Auch diesmal komme ich zu spät. Zwei, drei Minuten nach dem Pfeifen überquere ich den Schienenstrang, von der Bahn ist leider nichts mehr zu sehen … Jenseits des Bahndamms geht es ein letztes Mal rauf, zweieinhalb Kilometer, moderat aber stetig. Ich stöhne mehr gewohnheitsmäßig, als dass es mich wirklich mitnehmen würde: „Wie oft denn noch?“

Von nun an geht’s bergab. Zumeist in mäßigem, meine Gelenke und Sehnen schonendem Gefälle. Auf eine Weise, die es einem erlaubt ein paar Minuten gut zu machen (wenn man das noch kann) oder den Lauf einigermaßen gemütlich ausklingen zu lassen. Nach zwei, drei Kilometern renne ich durch die Straßen von Bad Suderode und lasse die kühlen Harzwälder unwiderruflich hinter mir. Ich habe nicht mitgezählt, wie viele der zeitweise gehenden Mitstreiter ich inzwischen überholen konnte. Einer bleibt mir hartnäckig auf den Fersen. Es entwickelt sich sogar so etwas wie ein kleiner Wettstreit. Jeweils in Höhe der jetzt dicht an dicht folgenden Verpflegungsstände ziehe ich an ihm vorbei, auf der Strecke dazwischen holt er mich wieder ein. Ein-, zwei-, dreimal, bis er keine Lust (oder keine Kraft) mehr zu haben scheint. Im freien Gelände zwischen Bad Suderode und Quedlinburg brennt die Sonne ziemlich heftig aus leicht milchigem Himmel. 14 Uhr am Nachmittag: Das Thermometer dürfte irgendwo zwischen 28 bis 30°C stehen. Ich spüre die schwüle Hitze, fühle mich aber pudelwohl.

Das anlässlich des kleinen Laufduells erhöhte Tempo behalte ich bei, will mich nun von niemandem mehr einholen lassen. Zuletzt verläuft die Strecke auf einem Radweg, kilometerweit schnurgeradeaus, parallel zu einer der Ausfallstraßen von Quedlinburg und in praller Sonne. Ohne Erdkrümmung könnte man bis Schweden oder zum Nordkap gucken ... Manchmal glaube ich eine Turmspitze am Horizont zu erspähen, bin aber nicht sicher. Diese lange Gerade kann einem den Rest geben, körperlich und mental. Bei Sonnenschein besorgt das der strahlende Stern, bei Schlechtwetter Gegenwind. Ich sollte mich schonen! Schließlich geht es hier um nichts als anzukommen. Mag sein, aber gerade jetzt bietet sich die Gelegenheit der Beweisführung! Nach dem Regendebakel des letzten Wochenendes will ich wissen, wie ausdauernd ich tatsächlich bin. Statt einen Gang runterzuschalten, erhöhe ich auf den letzten vier, fünf Kilometern noch einmal die Pace. Natürlich tut das weh. Zugleich geht eine wahnsinnige Befriedigung davon aus, es noch zu können: Bereits 65 Kilometer Knochenjob im Harz und jetzt Tempo machen, einen Schlussspurt über mehrere Kilometer ziehen, die schnellsten Kilometer des ganzen Wettkampfs … Schweiß dringt aus allen Poren, die Füße tun weh, der Atem geht tiefer, der Tunnel wird enger … alles egal. Ich kann es! Ziehe das Tempo durch bis zum Stadion und nur das zählt! Ich bin bereit für Berlin, habe meine Hausaufgaben gemacht! Von wegen Bogen überspannt! Nach 7:25:55 h und zufrieden wie selten in diesem Jahr laufe ich ins Ziel.

Ergebnis: 7:25:55 h, Platz 19 von 73 gesamt, Platz 1 von 8 in M60

 

Fazit zur Veranstaltung

Der Selketalstieg bietet auf ca. 70 km unzählige schöne Eindrücke und Landschaften. Kein Abschnitt ist wie der andere und ständig hält der Weg Überraschungen bereit. Ein Kurs für Landschaftsenthusiasten und Entdecker touristischer Höhepunkte. Verglichen mit den 51 km der Harzquerung vermag ich mich nicht zu entscheiden, welche Strecke ich lieber noch einmal unter die Sohlen nehmen würde.

Organisatorisch gibt man sich viel Mühe am Start, unterwegs und auch im Stadion in Quedlinburg. Die liebevoll betreuten Verpflegungspunkte sollte man besonders hervorheben. Im Ablauf der Veranstaltung gibt es keinerlei Reibungspunkte.

Negativ aufgefallen sind mir lediglich das Fehlen einer Trinkmöglichkeit zwischen Start und Kilometer 10,5, sowie die abschnittsweise sporadische Markierung im Selketal, zwischen Mägdesprung und Meisdorf. Ein Teilnehmer ließ sich derart verunsichern, dass er sogar umkehrte, um den vermeintlich verfehlten Abzweig zu suchen.

 

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