Der Frosch in der Milch  –  Stromberg Extremlauf 2014

Gibt es so etwas, wie den „idealen“ Rahmen für eine Ultra-Laufveranstaltung? Was mich seit anderthalb Stunden umgibt, kommt dem jedenfalls ziemlich nah : Sonnenschein aus leicht bewölktem Himmel, kühle, für Ausdauerleistung richtig temperierte Luft und nicht zuletzt Unmengen von frischem Grün! Mentales Doping in mannigfacher Erscheinungsform: Laubwald, Wiesen, Felder, Hügel, auch Weinberge. Ein Garten Eden für naturbegeisterte Läufer wie mich! Kann man sich unter solchen Umständen besch... fühlen?

Yes I can: Ungewohnt früh, augenblicklich bei Kilometer 16, schlurfe ich durch die Talsohle eines läuferischen Tiefs. Eine zweite Zahl steht noch auf der Tafel, die „45“. Folglich muss ich in etwa drei Stunden hier noch einmal vorbei, auch wenn ich mir das im Moment lieber nicht vorrechne. Bereits nach lächerlichen anderthalb Stunden fühle ich mich angezählt, wie ein Boxer nach dem Niederschlag. Heute dauerte es nur Minuten, bis das „Ziehen“ einsetzte, hinten links im Oberschenkel. Aber „dort“ ist nichts! Luzifer hockt im „Kreuz“, neckt und narrt aus sicherer Deckung, unerkannt oder wenigstens unerreichbar, wie so oft. Da hilft nur zweierlei: Häufiges Dehnen und Aushalten. Ersteres habe ich intensiviert und in Letzterem reichlich Übung. Das gilt auch für die zwangs-l-ä-u-f-i-g frühe Ermüdung. Mit 50 Wochen-Trainingskilometern in den Beinen rannte ich los und auf der Ziellinie wird die Summe dreistellig sein. Also eigentlich alles wie immer …

Mag sein. Nur rausche ich sonst nicht so früh (oft überhaupt nicht) in ein Stimmungstief. Wer mich kennt weiß: Ich liebe Bäume. Seit einer Dreiviertelstunde nichts als Bäume, wunderschöner Laubwald, Buchen, Eichen. – ‚Sch… Bäume! Ständig nur Bäume, wann gibt es endlich wieder was zu sehen? So wie vorhin in den Weinbergen? Sch… Oberschenkel und Sch… Wackersteine auf den Wegen! Okay nur abschnittsweise, aber trotzdem: Sch … Steine!’

Wird der eine oder andere sich fragen: Warum tut er sich das an? Mir selbst stellt sich die Frage seit Jahren nicht mehr. Nie überlebte sie vorübergehende Schwächephasen, zudem würde ich bald bereuen mich in quälendem Hadern zu erschöpfen. Ich habe „es“ begonnen und werde „es“ beenden. „Es“ ist nicht selten hart, oft aber auch schön und befriedigend. Außerdem ist „es“ nur zu schaffen, wenn ich bereit bin immer wieder zu leiden. „Es“ meint nicht nur die heutige Etappe, den Stromberg Extremlauf, über 53,9 km und knapp 1.200 Höhenmeter. „Es“ steht für den langen Weg nach Berlin, zum „Mauerwegslauf“, den „100 Meilen von Berlin“ im August: 160 Kilometer ohne Gehpausen und das in der kürzest (mir) möglichen Zeit.

Ein paar Kilometer später bessert sich meine Stimmung. Das Barometer klettert von „Wie soll das gehen?“ auf „Wird schon klappen!“. Mit „unhygienischer Denke“ habe ich mir die zeitweise Mutlosigkeit von der Seele gehustet. Noch immer bin ich müde und es zieht im Bein, aber ich nehme es wieder klaglos hin. Gerade schleppe ich mich eine von mehreren langen Steigungen hinauf. Keine Bange, dir steht jetzt keine Fortsetzung der Unlusttirade bevor. Ganz im Gegenteil: Die Steigungen, besonders die kurzen Steilstücke darin, sind höchst willkommen. Hier offenbart sich nicht Masochismus, sondern Genugtuung. Ich bringe das zuwege, obwohl ich müde bin! Und Linderung bringt es auch – so widersinnig es klingen mag –, weil aufwärts der Oberschenkel Ruhe gibt.

Wieder runter, wieder rauf, mal nach links, dann nach rechts, raus aus dem Wald, rein in den Wald, Schlinge nach links, Schlinge nach rechts, noch einmal diesen Abschnitt und jenen, oder war ich hier doch noch nicht? Langsam auf der Rampe aufwärts, im Scheitel Fahrt aufnehmen, im Schuss bergab, mit Verve in die Kurve, hin, alsbald wieder her … An viele frühere Laufstrecken erinnern sich meine Beine lückenlos. Diese ist verwirrend, horizontal wie vertikal, eine wahre Achterbahn. Doch nur so lassen sich fast 54 Laufkilometer in relativ kleinem Areal von nur etwa 7 mal 2 Kilometer unterbringen. Unmöglich diesen Kurs chronologisch akribisch in Worte zu fassen: Kein Mensch kann sich das merken und kein Mensch will so was lesen. Also biete ich das Geschehen in bekömmlichen Häppchen an, eher in Form von …

Episoden.

Laufen in Ochsenbach und um Ochsenbach herum

Dass man dem Kind den Namen „Stromberg Extremlauf“ gab, leitet sich vermutlich aus der Bezeichnung „Naturpark Stromberg-Heuchelberg“ ab, in dem wir größtenteils unterwegs sind. Start und Ziel befinden sich im Dörfchen Ochsenbach, etwa 40 Autokilometer nordwestlich von Stuttgart. Außer meinem Ultra-, kann man sich auch für den Langstrecken- (24,3 km), den Mittelstrecken- (13,6 km) und den Jedermann-Lauf (7,3 km) anmelden. Alles Aufgaben mit anspruchsvollem Profil. Für Kinder gibt es Schüler- und Bambini-Lauf, die altersgerecht mit Höhenmetern geizen. Die von hübschen Fachwerkhäusern gesäumte Hauptstraße bleibt heute per Totalsperrung dem Laufsport vorbehalten. Ein ziemlicher Luxus, denn schon drei Minuten nach dem jeweiligem Start (8 Uhr der Ultra, alle anderen 11 Uhr) reißt Mutter Natur die Läufer an sich und gibt sie erst kurz vorm Zieleinlauf wieder her. Applaudierende Zuschauer darf man also nur auf den ersten und letzten 100 Metern erwarten.

Hunderennen

Bin heute mit vollem Begleitschutz angereist! Frauchen Ines wird Daumen drücken, fotografieren und später für den 13,6 km-Mittelstreckenlauf (390 Höhenmeter) nachmelden. Auch mein Rudelführer ist mit von der Partie und wird mich zu meinem persönlichen Weiten-Rekord begleiten – vorausgesetzt er macht nicht vorher schlapp. Da kommen mir häufiger Bedenken, so weit wie mein Herrchen immer zurück hängt. Unser bisher anspruchsvollster gemeinsamer Lauf war 2011 die Harzquerung mit 51 km (siehe Laufbericht). Ach ja: Ich heiße Roxi, bin weiblich und 7 Jahre alt.

7:45 Uhr: Im Startbereich trifft mein Rudel ein weiteres Hund-Mensch-Laufduo. Wir beschnüffeln uns, weiß und schwarz, vertragen uns auf Anhieb. Der riecht gut, den mag ich. Manchmal beneidet mich mein Herrchen um die sensible Nase: Wie unkompliziert wäre sein Leben, könnte er Tunichtgute und halbseidene Existenzen einfach so am Geruch erkennen. „Der stinkt mir! Der will mir Übles, also meide ich ihn! Kommt er näher, knurre ich! Schlägt er die Warnung in den Wind, grabe ich meine Zähne in sein Fleisch!“ Aber ich schweife ab … Neben der offiziellen Menschen- wird es heute also auch eine animalische Wertung geben. Die werde ich mutmaßlich verlieren, obwohl mir der Weiße, was Laufausdauer angeht, sicher nicht das Wasser reichen kann. Sein Siegesgarant steht neben ihm und hält sich an der Leine fest: Jünger als mein Rudelführer, groß, lange Beine und sicher besser drauf als der Choleriker neben mir. Ja, Choleriker. Grad regt er sich wieder künstlich auf, weil ich keinen Bock hab mir den Hintern im „Sitz“ zu verkühlen … „Sitz!“ zischt er zum x-ten Mal, halblaut, weil er fürchtet sich vor Zaungästen zu blamieren.

Stehen um uns rum, gucken vom Weißen zu mir, dann wieder von mir zum Weißen. Staunen, weil wir beide einen extrem „coolen“ Eindruck machen. Von wegen! Die machen mir nix vor: Gleich rennen alle in dieselbe Richtung und wollen mich abhängen! Und regelmäßig gelingt ihnen das, weil mein Rudelboss zu langsam ist. Was will er? Ach so. Seite an Seite marschieren wir ein Stück Richtung Startlinie … Wenigstens verzichtet er heute auf die blöde Leine, die mir sonst immer am Anfang das Losstürmen verleidet. Die Lust auf den blöden Strick habe ich ihm letztes Wochenende beim Schaichtal Marathon hoffentlich ein für alle Mal ausgetrieben. Hätte ihn fast den linken Arm gekostet, so wie ich mich ins Zeug gelegt … äh … ich meine an Halsband und Leine gerissen hab. Wann geht’s denn nun endlich los? Wieder muss ich mich auf den Hintern setzen und warten. Kaum auszuhalten! Warum machen Menschen aus dem Losrennen so eine Riesensache?

Jetzt!!! Jaaaaa! Loooooos! – Oh Mann was soll das! Der hält mich am Halsband fest! Ich erwürge mich fast, zucke, strample, zerre und er lässt nicht los. Spinnt der? Endlich lockert sich der Griff … jetzt aber! … Was? Wie? Ach nö, nicht schon wieder das Kommando „Langsam!“. Mehrmals faucht er’s, tut zornig und drohend. Was heißt noch gleich „Langsam!“? Vorhin wusste ich’s noch. Ich dreh’ am Rad, mein Herz pumpt wie bekloppt! Und der Schlaffi kommt nicht in die Gänge. Siehst du nicht, dass die alle schon 30 Meter voraus sind! Kannst mich mal! Dann rase ich los … Jaaaa! Das tut so gut! Rennen! Rennen ist sooo geiiiil! … Äh wie? Was ruft er? Boah ist der sauer … Mist! Mist! Mist! Lieber kurz stehen bleiben und abducken … Komm endlich! Hinterher!

Endlich legt er einen Zahn zu, will mich aber immer noch an seinen linken Fuß „klemmen“. Kann er vergessen! Lass ihn doch knurren und zornig tun! Ich weiß, was zu tun ist! Werd’ immer ein Stückchen zu weit vor seinem Haxen laufen, dann wird er automatisch schneller … … Na also, klappt doch! Auf der Straße raus aus dem Ort, runter ins Kirbachtal. Über Brücke und Bach, am Gegenhang wieder hoch … Oh nein! Jetzt bleibt er stehen. Fotografiert! Ich fasse es nicht. Und der Weiße ist schon irre weit voraus mit seinem Rudelführer. Endlich weiter. Noch ein Stück auf der Landstraße, jetzt nach rechts auf einen Feldweg, Richtung Wald … Was hat er gesagt? „Lauf!“ Jaaaaaaaa! Bin dann mal weg!!!

Aller Anfang ist schwer

Roxi schaltet vom konventionellen auf den überlichtschnellen Warp-Antrieb um. Blitzschnell verschwindet sie zwischen Beinen und Bäumen im morgendlichen Halbdunkel des Waldes. Adrenalin heißt ihr Treibstoff. Ein Teufelszeug, das unseren kinderlieben Familienhund übergangslos in eine unbegrenzt ehrgeizige Rennmaschine verwandelt. Schon nach wenigen hundert Metern wird sich ihre Hormonlage auf Normalwerte eingeschwungen haben. Ab da wird sie unablässig „Spähtrupps“ laufen. Voraus, umkehren, zurück, Rudelführer finden und wieder voraus und wieder zurück; von Instinkt und ihrer Bestimmung getrieben, worin auch immer die bestehen mag. Und jederzeit durch Pfiff oder Kommando steuerbar. Also kein Grund zur Sorge.

Jeglicher „Dompteuraufgaben“ enthoben, richte ich meine Aufmerksamkeit auf mich selbst und nach innen. Wie erwartet, fühle ich mich nicht ausgeruht. Fortgesetzt bergan trabend perlen erste Wassertropfen an Stirn und Schläfen. Mein nach zehn Minuten noch unvollständig geschmiertes „Gestänge“ ächzt in allen Scharnieren.

Tempofindung

Zwei Werte definieren die heute zu leistende Arbeit: Streckenlänge 53,9 Kilometer, an ihr entlang verteilt 1.177 Höhenmeter. Die dafür nötige Energie hält mein Körper vorrätig. Also kann ich jeden Meter laufen. Davon bin ich überzeugt, sonst wäre ich nicht hier. Dennoch bleiben Unwägbarkeiten: Wie ist die Steigung beschaffen? Häufig lang und gleichmäßig, oder manchmal brachial steil, in unwegsamem Gelände? Es wäre ein müßiges Unterfangen sich die Verteilung von „Aufs“ und „Abs“ einprägen zu wollen. Und welche Untergründe mich erwarten, wird erst die Probe aufs Exempel zeigen. Wahrscheinlich hätte ich nach penibler Recherche eine brauchbarere Vorstellung von dem, was in den nächsten mehr als fünf Stunden auf mich zukommt. Aber dafür fehlen mir Zeit und ein zwingender Grund. Ich bin nur hier, um zu trainieren. Geht etwas schief …, dann geht es eben schief.

Kurzum: Die unbekannten Verhältnisse lassen nicht zu eine detaillierte, auf eine bestimmte Zielzeit ausgerichtete Tempotaktik zu verfolgen. Es gibt nur eine Instanz, der ich halbwegs vertraue: Laufgefühl. Mangels Alternative und nicht, weil diese „Anstalt des nichtöffentlichen Empfindens“ verlässlich oder gar unfehlbar wäre. Laufgefühl regelt den Kräfteeinsatz. Steuernd greife ich nur ein, wenn mir nach weniger Schinden und mehr Kräfteschonen ist.

Frühmorgens findet entsetzlich früh am Morgen statt

Nach kurzer Schussfahrt den Wald verlassen und blinzelnd der tiefstehenden Sonne entgegen. Auf asphaltiertem Feldweg tippelt Roxi bald fünfzig Meter voraus, augenblicklich in Höhe einer Wiese mit Rindviechern. Bewegung erfasst die friedlich grasenden Wiederkäuer. Ein schwarzer Vierbeiner? So was kennen sie nicht. Wie ein Magnet zieht Roxi die Herde in Richtung Zaun. Ihr sind die großen braunen Gesellen nicht geheuer, also passiert sie die Stelle mit sicherem Abstand und beschleunigt. Geht nicht. Stückweit voraus mündet der Weg in eine Straße. Also Pfiff und schon kehrt sie um. Wir treffen uns vor der braunen, glotzenden Vollversammlung. Ines’ Entzücken vorm inneren Auge, gönne ich mir einen kurzen Stopp und versuche ein wenige Tage altes Kälbchen inmitten schützender Artgenossen einzufangen.

Zwei Minuten Radweg entlang der Straße, dann Abzweig Richtung Wald. Roxi wird wieder entlassen. Dem Feldweg am Waldsaum folgend kann ich mich vollends dem wundervoll, sonnigen Morgen hingeben. Noch liegen lange Schatten über der Landschaft, noch gibt sie die über Nacht erworbene Frische nur zögerlich her. Den neuen Tag am Morgen atmen, sich laufend darin bewegen. Ein tolles Gefühl, sogar für Morgenmuffel wie mich. Was für ein idyllischer Blick zur anderen Talseite, zwischen Obstbäumen hindurch, über eine von Butterblumen gesprenkelte Wiese und den von Auwald verborgenen Bach. Auf einer Hügelkuppe scharen sich Häuser um ein Kirchlein, als suchten sie Schutz. Reihen von Reben bedecken die steilen Hänge darunter. Über allem spannt sich eine azurblaue, von morgendlichem Dunst kaum belästigte Kuppel. Wie gern würde ich dergleichen öfter erleben, wenn die Sache nicht einen entscheidenden Haken hätte: Frühmorgens findet entsetzlich früh am Morgen statt …

Irokesen in Württemberg

Wir bewegen uns in einer faszinierenden, von Land- und Forstwirtschaft klar strukturierten Umgebung: Zwischen den Hügeln erstrecken sich mehr oder weniger breite Täler, die Zone der Wiesen- und Feldwirtschaft. Die markanteren Hügel stehen als „Irokesen“ in der Landschaft: Auf den Kuppen dominiert krauses Haar – pardon: Laubwald –, die steile Region darunter nutzt man zum Weinanbau. Wie Haarstoppeln Tage nach der Rasur verleihen endlose Reihen von Reben den Hängen ihre typische Textur. Der erste Weingarten samt Fernblick endet nach wenigen Minuten sanften Aufstiegs. Schade. Abgetaucht in kühlem Forst schwitze ich das leise Gefühl von Enttäuschung aus: Aufwärts, auch mal steiler aufwärts und immer weiter aufwärts. Rein physisch fühlt sich das hart an, ist nach nicht mal 10 Kilometern aber gut auszuhalten. Mental trifft es mich härter, weil ich ohne Erholung losgelaufen und müde bin. Noch ziemlich am Anfang einer schweren Prüfung „kleben“ meine Sohlen regelrecht auf steilen Forstwegen. Es wächst die Befürchtung das „Extrem“ in „Stromberg Extremlauf“ könnte wirklich ernst gemeint sein …

Rauf und im Sauseschritt wieder runter, raus aus dem Wald und rein in den nächsten Weinberg. Am Übergang von Wald zu Reben riecht es komisch. Um ehrlich zu sein: Es stinkt ein bisschen. Kein Geruch den ich kenne. Nicht vollends „organisch“, aber auch nicht durch und durch „chemisch“. Mein Reim darauf: Der Rebenhang wurde mit irgendwas gedüngt. Den unangenehmen Geruch davon in der Nase, will ich gar nicht so genau wissen womit … Über asphaltierte, erstaunlich breite Wirtschaftswege zischen Roxi und ich die Hanglage hinab. Genauer: Eigentlich „zischt“ nur Roxi. Ich erhöhe mein Tempo moderat, um die Beine nicht vorzeitig zu verschleißen. Wieder dauert das Reben-Intermezzo nur Minuten, bis wir im Haar des „Irokesen“ als kleine „Krabbeltiere“ verschwinden.

Der Frosch in der Milch

Was folgt sind 17 (!) Kilometer Wald am Stück, reichlich Höhenmeter und mein eingangs beschriebenes Schliddern in läuferischer Agonie. Übel. Zugegeben. Allerdings besitze ich einen ziemlichen Vorrat an Willenskraft, um diesen Zustand zu ertragen. Auch sehr lange zu ertragen. Menschen bemühen Gleichnisse, um Unerbittliches zu überstehen: Fällt der Frosch in einen halb gefüllten Milchtopf, dann hat er die Wahl. Entweder klein bei geben und ersaufen, oder so lange strampeln, bis der Rahm zu Butter verklumpt. Dann springt er vom festen Boden auf den Rand und ist gerettet. Meine Erfahrung weiß zu berichten, dass ich den rettenden Rand noch immer erreichte, egal wie lange es auch gedauert haben mag.

Ausflug ins Grüne

Irgendwann auf der weiten Reise durch sonnigen Laubwald fange ich mich wieder. Weder wurde es leichter, noch fühle ich mich weniger „abgehalftert“ als zuvor. Vielleicht denke ich einfach nur weniger drüber nach, nehme es mit mehr Gleichmut hin. Eine Alternative habe ich nicht. Fiele mir eine ein – die einzig mögliche –, dann wäre ich ihrem Lockruf augenblicklich verfallen. Gewogen und für zu leicht befunden. Also fange ich mich – seltsamerweise in einem Abschnitt nicht enden wollender Steigung. In dieser Zeit verstummt das Gemaule aus dem Oberschenkel hinten links. Und ich packe den gefühlt hundertsten Anstieg in der Gewissheit auch den nächsten und weitere ohne Einbruch zu überstehen. Was zu beweisen war! Was ich mir immer wieder beweisen muss, auf dem langen Weg nach Berlin.

Und endlich wieder runter. Noch grüßen uns die Bäume nicht, obschon ich den Eindruck habe ihnen heute schon begegnet zu sein. Spätestens beim Übergang vom Wald zum Weinberg gibt mir die Nase Sicherheit. Den Mief kennen wir. Noch einmal die Kehre abwärts entlang der Reben. Schöne Ausblicke, an denen ich mich kaum satt sehen kann. Zurück in den Wald. Kurz nur, denn der Streckenposten schickt uns diesmal talwärts … Nach einer Minute melden wir uns bei Mutter Sonne zurück und genießen leichtes Traben in sanftem, nun für längere Zeit asphaltiertem Gefälle. Eine Gruppe Wanderer mit Hund: „Roxi rechts!“ Mit Roxi am rechten Fuß jogge ich vorbei und kommandiere: „Lauf!“ Und sie prescht voraus, zwischen Wiesen und Feldern, als Kundschafterin ihres Rudels.

Der Weg wird stetig flacher, entfernt sich mehr und mehr von den Hängen hinter mir. Kilometer 29, schließlich 30. Plötzlich ein Menschenauflauf. Was tun die alle hier? Wanderer, die sich am Parkplatz sammeln? Sonntägliche Ausflügler ins Grüne? Flugs vorbei und die kurzzeitig ans Bein „gefesselte“ Roxi wieder entlassen. Allein unterwegs auf einem Radweg. Von der nahe gelegenen Straße hallen Fahrgeräusche herüber, bis sich der Weg in Richtung Höhenzug orientiert. Schließlich nur noch mein Atmen, das leise Tappen der Füße, ansonsten Stille. Grüner, berückend schöner Blick in Richtung Weinberg und Hügelkette: Wiese mit gelben Frühlingsblumen, eingerahmt von leuchtendem Hellgrün an Bäumen und Büschen. Anfang Mai! Ich hätte Lust ein Gedicht zu schreiben oder wenigstens zu zitieren. Keine Angst: Dichten ist nicht mein Ding und passende Lyrik findet sich nicht im Memory …

Lasst Blumen sprechen

Radweg mündet in ein schmales Fahrsträßchen. Wegweiser, drauf steht: „Weingut Steinbachhof“. Stetig sanft bergan. Was sonst? Ein Schweißtropfen will weggewischt werden. Trotz praller Sonne nur einer, wo üblicherweise satte Rinnsale der Schwerkraft gehorchen. Ideale Laufbedingungen: Sonne und kühle Luft, höchstens 13, 14 °C. Sende eine Dankadresse – nicht die erste heute – gen Himmel. Einer der Verantwortlichen da oben muss Läufer sein. Felder rechts und links, kniehohes Getreide, verblühter Raps. Der Steinbachhof taucht hinter einer Bodenwelle auf. Bildhübsches Gebäudeensemble: Zwei Fachwerkhäuser, daneben Scheunen (?), Stallungen (?), Kelterhaus (?), Weinlager (?), Remise (?). Vor der Einfahrt eine Getränkestation der Feuerwehr. Nach links und aufwärts, mühelos auf Asphalt. Plötzlich Motorengeräusche. „Roxi zu mir!“ Sträßchen mündet in anderes Sträßchen. Frau Streckenposten klatscht begeistert Beifall und mahnt zur Vorsicht: „Leider g’rad’ viel’ Audoos unnerwegs!“ Tatsächlich tuckern zwei den Hügel runter und von unten kurven weitere heran. Wo um alles in der Welt kommen die her, wo wollen sie hin? Das ist doch nur ein besserer Feldweg, keine Durchgangsstraße – oder doch?

Steiler aufwärts jetzt, am oberen Rand eines Weingartens entlang. Eine weitere Blechkiste stinkt von hinten kommend vorbei, dann eine von vorn … … … Durchhalten wollen, Ziel- und Trainingsfixierung, Wettkampf, Ehrgeiz, Dauerbeobachtung des körperlichen Selbst – plötzlich alles Nebensache. Nebensache, wegen ein paar Blümchen. Kein Quatsch. Nicht mal was Besonderes. Blau-violette Blütenstände irgendeines Unkrauts, tausendfach und allerorten auf diesem Planeten schon gesehen. Perspektive und Einordnung in das „Gesamtkunstwerk Natur“ lässt mich just an dieser Stelle verharren und – wenn schon keine Muße zu ausgiebigem Betrachten bleibt – wenigstens ein Foto davon mitnehmen. Blau-violett im Gras, zwischen gelben Sternen, vor Rebstöcken, hintergründig ein bewaldeter Hügel. Weiß nicht was es hat oder mir gibt. Aber es lohnt das Zeitopfer.

Endlich weg von der stark frequentierten Bundesstraße – pardon: dem besseren Feldweg –, und ebenerdig (seltenes Glück) am Hang voran. Die fantastische Aussicht über das Tal macht jede Mühe sofort vergessen. Ein Weiler duckt sich im Talgrund, fest umgürtet von Grün und Braun. Ein Flickenteppich aus bestellten und scheinbar brach liegenden Äckern. Welche Frucht wollen Bauern auf Feldern ernten und vor allem wann, die jetzt, Anfang Mai, noch nacktes Erdreich vorweisen? Kartoffeln? Rüben?

Eine unattraktive, zudem gemähte Grasböschung grenzt den Weinberg nach oben, zum Wald hin ab. Einen seltsam sinnentleerten Kontrast zu dieser Schräge vermitteln in regelmäßigen Abständen aufgepflanzte Verbotstafeln: Naturschutzgebiet, Zerstörung oder Mitnahme von „Natur“ bei Strafe verboten – sinngemäß zitiert, weil ich mir den genauen Wortlaut nicht einprägen kann. Eine kahle, maschinell behauene Böschung als Auftakt eines Schutzgebiets? Der Pfeil will abgeschossen werden, bleibt angesichts einer Kolonie lilienartiger Blumen dann aber im Köcher stecken. Den Zenit ihrer blasslila Schönheit haben sie zwar überschritten, doch noch im Verblühen versenden sie eine klare Botschaft, klarer als Verbotstafeln sie je übermitteln könnten: Hände weg von uns!

Namen- aber nicht gesichtslos

Man sollte ihnen ein Denkmal setzen. Das Denkmal des unbekannten Helfers, Streckenpostens, Feuerwehrmanns. Um auf 54 km abzusichern, zu verpflegen und Weg zu weisen benötigt Herr Org eine ziemliche Menge Personal. Schon einfach nur anwesend zu sein, ist aller Ehren wert. Aber diese Frauen und Männer, zuweilen auch jugendlichen Geister, gehen mit, nehmen Anteil, spenden Beifall, feuern an. Einvernehmlich alle. Klatschende Hände, lachende Gesichter, motivierende Münder. Mindestens in dieser Hinsicht – ich lege mich fest – erweist sich der Stromberg Extremlauf als wirklich extrem.

Mit Roxi als Vorhut ernte ich natürlich mehr Aufmerksamkeit als andere. Manchmal fällt es den Streckenposten schwer sie zuzuordnen. Offenbar unterstellen einige dem armen Tier es habe sich verlaufen, suche sein Herrchen, wollen dem verständnislos dreinblickenden Vierbeiner den rechten Abzweig zeigen. „Ist das ihr Hund?“ höre ich ein-, zweimal und registriere Erleichterung, weil das vermeintlich verlorene Wesen so verloren gar nicht ist. Mehrmals hält man ihr mit Wasser gefüllte Schüsseln hin, Angebote, die sie jedoch nur einmal nutzt. Weil ich die Wohltäter belohnt sehen möchte, fühle ich mich zu einer Art Entschuldigung veranlasst; verweise auf labende Pfützen im Wald, in einem Fall sogar auf einen reichlich sprudelnden Brunnen mitten im Weinberg. Meine Botschaft lautet: Es ist nichts „Persönliches“, wenn sie euer Angebot verschmäht!

Egal wann und wo Roxi mich begleitet, immer mehrt sie den Erlebniswert des Laufes. Sie gehört einfach dazu, wenn ihre Natur sich mit dem Charakter der Veranstaltung verträgt, wenn ich ihr überwiegend freies Laufen gestatten kann. Mitläufern, Helfern und Zuschauern scheint sie meist gleichgültig zu sein. Und wenn Aufsehen, dann eher ein vorsichtiges Sich-in-Acht-nehmen. Auch das ist hier grundlegend anders: Roxis Erscheinen verursacht nicht selten Freude oder ein die Kuriosität begrüßendes Lächeln. Selbst als sie ein zur Brotzeit in Schnauzenhöhe bereit liegendes, verführerisch duftendes Stück Salami näher in Augenschein nimmt als generell erlaubt*, erntet sie nur zügelloses Gelächter. Hat sie nun ein Stück davon gefressen oder nicht? Ich konnte die Szene selbst nicht beobachten, lediglich die Reaktionen und meine: Roxi hat nicht gefrevelt! Beweiskräftiges Indiz: Sie beleckt sich nicht die Lefzen, wie nach einem Leckerbissen üblich.

*) Anerzogener Grundsatz: „Menschliches Futter ist tabu!“

Nasen

Mit Roxis Nase kann ich nicht konkurrieren, erhebe aber den Anspruch ein durchaus sensibles Riechorgan zu besitzen. Und hier riecht es „bärlauchig“ würzig. Nicht zum ersten Mal, aber bisher nicht so intensiv. Ich versuche den Geruch mit einem Bild zur Deckung zu bringen. Das einzige, was hier massenweise am Waldboden wächst, sind diese an Maiglöckchen erinnernden Blütenpflanzen. Das soll Bärlauch sein? Ich packe meinen Zweifel in zwei Fotos, um daheim im allwissenden Internet zu recherchieren. Es bleiben nicht die einzigen, ausgedehnten Polster aus Bärlauch, deren Geruch mich bis zum sportlichen Ende begleitet …

Stromberg Extremläufer: Normal, verrückt oder süchtig?

„Alles wird normal, wenn man es nur lange genug macht“ formuliert einer der Protagonisten in meinem aktuellen Roman**. Den empfehle ich wirklich keinem unbeschwerten Geist zum Lesen. Eines der widerlichsten Bücher, das ich je in Händen hielt. Zugleich eines der unwiderstehlichsten, denn einmal angefangen, zieht einen endloser Schrecken in seinen Bann. – „Alles wird normal, wenn man es nur lange genug macht.“ Zaungäste unseres Tuns – so sie wissen, was wir hier tun – halten uns sicher NICHT für normal. Dann eher schon für verrückt oder bestenfalls süchtig (wäre heilbar). Die wir es tun, wissen, dass es möglich ist, wenn man sich lange genüg darin übt. Bis es eben „normal“ geworden ist.

**) „Der Menschenmacher“, Thriller von Cody McFadyen.

Viele der „normalen Verrückten“ bekomme ich allerdings nicht aus der Nähe zu Gesicht. Auf dem ersten Kilometer natürlich, doch dann zieht sich das Feld zur Kette auseinander und ein paar Kilometer später ist die sichtbare Konkurrenz auf ein, zwei Beinpaare geschrumpft, abschnittsweise nicht einmal mehr die. Es sind und bleiben auf über 50 Kilometern dieselben Waden und Rücken, die ich studieren kann. Platzverschiebungen finden nur „entre nous“ statt. Niemand prescht überraschend von hinten heran und nur zweimal, sehr viel später, überhole ich einen, der sich überschätzte.

Zwei der Mitstreiter fallen mir besonders auf. Der eine, weil er ungefähr auf der Hälfte der Distanz in meiner Nähe kämpft, um letztendlich, etwa zehn Kilometer vor dem Ziel zu enteilen. Roxi nimmt ihn als temporäres Rudelmitglied auf, trabt nicht selten stoisch an seiner Seite dahin. Der andere Kontrahent präsentiert sich als Mischung aus Harlekin mit Hörnerkappe und superbunt gewandetem Sportler. Gleich auf den ersten Blick kommt mir die Farbkombination seines Oberteils merkwürdig bekannt vor. Mangels Einsicht unterstelle ich einstweilen ein laufendes, übrigens mit kaffeebrauner Haut gesegnetes Mitglied eines Karnevalsvereins vor mir zu haben. Eines, das eine mir unverständliche Tempotaktik verfolgt. Mal fällt er in Schneckentrab, lässt sich (und seinen Begleitradler) widerstandslos überholen. Prescht wenig später von hinten heran und lässt mich so alt aussehen, wie ich mich augenblicklich fühle. Dieses „Schauspiel“ der krassen Tempounterschiede wiederholt sich mehrmals, hilft an einer Getränkestelle sogar meiner Farb- und Reiseerinnerung auf die Sprünge: Auf seiner Brust prangt das Wappen von Ecuador und das Gelb-Blau-Rot seines Trikots entspricht den Farben der ecuadorianischen Nationalflagge.

Auf lange Sicht – urteilt Erfahrung und belegt Laufwissen – muss sein unstetes Tempogehabe ins Verderben führen. Weiß nicht, wann ich ihn letztmals überhole, etliche Kilometer zur Ziellinie fehlen allerdings noch. Der Lauftheoretiker in mir, der immer wissen möchte, als wie treffsicher sich Einschätzungen erweisen, findet heraus: Der Ecuadorianer läuft ca. 18 Minuten nach mir ins Ziel.

Schlussakkorde

Der Stromberg Extremlauf fletscht die Zähne. Es überkommt einen unwillkürlich die Vorstellung vom Gebiss eines Monsters betrachtet man sein Profil. Mit welcher Wucht er mir die Hauer in Waden und Oberschenkel schlägt, bekomme ich immer wieder zu spüren. Und ich werde schwächer. Aber zur Strecke bringt er mich nicht. Jeden verdammten, der scheinbar immer steiler werdenden Meter laufe ich, meinem Credo folgend: Gehen nur, wenn Schwäche mich dazu zwingt! Inzwischen wiederhole ich jenen Abschnitt des Kurses, auf dem mir vor zwei Stunden das mentale Tief so zusetzte. Und nun? Nun bin ich objektiv und subjektiv erheblich schwächer. Sehnen und Gelenke jammern vor sich hin, die Füße tun weh und aus dem Kreuz zieht es nach wie vor in den Oberschenkel hinten links. Kann man sich unter solchen Umständen wohl fühlen? Yes I can: Die Summe aller Pein stört fraglos den Genuss. Und doch wächst mit jedem Meter, den ich der Ziellinie näher komme, die Freude auf das Finish. Depressive Verstimmungen finden da einfach keinen Nährboden mehr.

Inzwischen hat sich die Strecke etwas belebt. Dann und wann überholen mich Teilnehmer des 24 km-Laufes, der erst gegen 11 Uhr gestartet war. Na gut, dann diesen kurzen Anstieg auch noch! So oder so ähnlich denkt es in mir. Aber der vermeintlich kurze Anstieg bei Kilometer 48 hat es dann für einige Minuten noch mal in sich. Bezeichnend, dass ich mich an den ätzenden Buckel kaum erinnere. Vordem war ich frischer und hab den Anspruch der Steigung wohl nicht registriert. Noch einmal richtig schwitzen …

Kilometer 49, 50: Roxi und ich allein auf weiter Flur. Ein bisschen erholt, da nun ständig abschüssig wetzend. Links überblicke ich die Wiesen des Kirbachtales, voraus scheint der Weg kein Ende nehmen zu wollen. Tut er letztlich aber doch: Ein letzter Becher Wasser, dann verlassen wir den Waldrand und genießen die Sonne. Kilometer 51: Ein Brücklein. Davor, darauf und danach ein für diese Wettkampfspätphase höchst, höchst unerwartetes Bedürfnis. Vielleicht von dem im Dunkel unter der Brücke plätschernden Bach endgültig ausgelöst: Ich muss mal!? Dergleichen widerfuhr mir nie zuvor. Eigentlich müsste ich nach 50 Kilometern ausgetrocknet sein. Zwar spülte ich meine Gels mit jeweils reichlich Wasser runter, wir liefen oft im Schatten und die Luft ist nach wie vor recht kühl. Trotzdem: Es gelingt meinem Körper nach X Marathons wieder einmal mich zu verblüffen …

Der Rest ist einfach nur schön: Rechts Wiesen mit Blumen, gelbe, weiße, einmal auch ein ausgedehnter rosafarbener Bestand. Stehen bleiben und fotografieren. Der Sieg ist mein, das leiste ich mir jetzt. Links Felder, sanft ansteigend, dann steiler, ein Weinberg. Bald auch auf dieser Seite Wiesen, darüber Wald. Weit voraus lugen die ersten Häuser von Ochsenbach über den Hügel. Nicht mehr weit. Noch ein Fotostopp: Zwei Pferde grasen friedlich auf einer Koppel. Gebt zu ihr Ochsenbacher, die habt ihr zu unserer Erbauung hierher gebracht … Die letzten Kilometer eines langen Wettkampfes setzen fast jedes Mal dieselben, widerstreitenden Empfindungen frei: Schwäche und Hinfälligkeit, grenzenlose Sehnsucht nach dem letzten Schritt. Demgegenüber eine alles überwältigende Freude es (fast) geschafft zu haben. Aufhören-müssen und es-nie-enden-lassen-wollen koexistieren im selben Bewusstsein. Lässt auch noch die Sonne alles in bunten Farben leuchten, dann habe ich ihn wieder einmal erlebt, den nie perfekten, den immer harten, den insgesamt wunderschönen Lauf.

Es war mir klar und ist mir egal: Ein letzter kurzer, steiler Anstieg aus dem Kirbachtal hinauf zur Dorfstraße. Roxi riecht das Ziel, lässt sich nur noch widerwillig an meinem Bein verankern. Noch zweihundert Meter, dem Lautsprecherlärm entgegen. Schon von weitem höre ich meinen Namen und Verein. Ein großer „Bahnhof“ erwartet uns und am meisten Lob heimst Roxi ein. Ein bisschen Show für die Zuschauer im Sinn, kommandiere ich 30 Meter vor dem Ziel: „Roxi lauf!“ Rast los und beweist, wie kurz 54 Kilometer sind, wenn man sie auf vier Beinen absolviert. Dann stockt sie, schert seitwärts aus und ich weiß auch warum, wenngleich ich den „Grund“ nicht ausmachen kann: Irgendwo da seitlich hält sich Frauchen versteckt. Wegen der Absperrung unsichtbar für Roxi aber nicht zu „überriechen“ … Nach 5:37:48 h stoppt man für uns die Uhr.

Ergebnis: 5:37:48 h, Platz 36 gesamt, Platz 1 in M60

Ines’ Mittelstsreckenlauf (13,6 km, 390 Höhenmeter)

Ihr Fazit: „Da hätte ich wirklich was verpasst, wäre ich zu Hause geblieben!“ – Dem voraus geht ein traumhaft schöner Lauf durch die Laubwälder des Naturparks Stromberg-Heuchelberg. Traumwetter und stilvolles Ambiente tun ein Übriges, so dass die vielen Höhenmeter ihren Genuss nicht trüben. Besonders stolz ist sie darauf jeden der 13.600 Meter laufend bewältigt zu haben. Auch wo andere vorsichtshalber gehen, kämpft sie sich trabend bergwärts. Sie weiß, dass das ein Risiko ist, hält aber bis zum Ende tapfer durch. Was für ein tolles Lauferlebnis sie „eingefahren“ hat, braucht man nicht beschreiben, der Schnappschuss kurz vorm Ziel sagt alles!

Ergebnis: 1:24:48 h, Platz 62 gesamt, Platz 3 in W40

Fazit zur Veranstaltung

Deutschland besitzt unzählige reizvolle Landschaften. Wie alt muss man werden, bis man keine mehr entdeckt, die einen so in ihren Bann schlägt, wie der Landstrich rund um Ochsenbach? Hügel, Laubwald, Weinberge, Wiesen, Felder, Bäche, Blumen kennt jeder. Aber die spezielle Mischung dieser Bildzutaten, Ergebnis jahrhundertelanger Kultivierung, offeriert einzigartige Ansichten. Dem Streckenplaner ist es gelungen, die Vielfalt der Natur mit seinem Kurs „einzufangen“. Wundervoll! 54 Kilometer, von denen nicht einer langweilig wird. Die „depressive“ Stimmung in einer Phase meines Laufes kam von innen, nicht – wie man vielleicht meinen könnte – von „zu vielen Bäumen“. Wahrscheinlich wäre ich in ein noch tieferes Loch gefallen, hätte der Wald mich nicht „aufgefangen“.

Alle Wege in Ochsenbach sind kurz, nur die Strecke ist ultralang. Die mehr als nur engagierten Helfer kümmerten sich vor, während und nach der Veranstaltung zuvorkommend um die LäuferInnen und ihre Belange. Auch in allen anderen organisatorischen Details „Note 1“ für die Läufe im Kirbachtal. Ines, als Teilnehmerin am „Mittelstreckenlauf“, wusste gleichfalls nur Positives zu berichten.

Prädikat: Sehr wertvoll! Hinfahren, Laufen, Spaß haben!

Quellennachweis Bilder:

Die Bilder mit Rahmen stellte freundlicherweise der TV Ochsenbach 1908 e.V. zur Verfügung.
Alle anderen Fotos: Ines und Udo Pitsch

 

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