Abwegig  –  1. Friedensmarathon Augsburg 2011

7. August 2011, 8:30 Uhr: Auf der vierspurig ausgebauten B 17 zuckeln Ines, Roxi und ich gen Augsburg. Der Scheibenwischer des kleinen Twingo müht sich mit wechselndem Erfolg, die prasselnde Sturzflut von der Frontscheibe zu schieben. Ines fährt zurückhaltend, damit ihr der Twingo nicht von der Straße schwimmt. Ab und zu streift mich ihr kurzer, mitleidiger Blick. Beim Aufstehen regnete es nicht. Das nahm ich zum Anlass – so weit ich in der Frühphase eines zögerlich erwachenden Bewusstseins so was schon kann – fest an ein Gelingen des heutigen Marathons zu glauben. Und nichts sollte mich von dieser positiven Einstellung abbringen. Aber das ist einfach zu viel – zu viel Wasser von oben. Nie passte die Redensart besser: Ich sehe meine Felle davon schwimmen ...

8:35 Uhr: Wir biegen in die Straße Richtung Rosenau-Stadion ab. Die erste Absperrung ignorieren wir, vor der zweiten steige ich aus. Ines wird das Auto bei Freunden abstellen und mich irgendwann an der Strecke und im Ziel treffen. Zu meiner völligen Verblüffung hat es aufgehört zu regnen. Zügig überwinde ich die 400 Meter bis zum Stadion, um meine Startvorbereitungen abzuschließen. Ich bin spät dran. Aber mit Ortskenntnis und eingedenk gähnender Leere auf der B 17 an einem Sonntagmorgen ist das kein Wagnis.

8:50 Uhr: Der Held steht bereit! Rüstung verschnürt, Habseligkeiten im Marketenderwagen abgegeben, abschließend Erleichterung verschafft – nun möge das Turnier beginnen. Allerdings verlegt dem Ritter ein garstig Fräulein vorm Turnierplatz den Weg; Will hindern das rot-weiße Absperrband just an jener Stell’ zu überwinden, die ihm sein Kampfesmut heut’ befiehlt. Meint, er möge sich hintanstellen, seinen Strauß von dort auszufechten. Das bürgerlich’ Weibsbild mit Verachtung strafend, zugleich den Unfug derlei Ansinnens in einem schnaubenden „Ach was!“ zusammenfassend, schlüpft der Kämpe vorbei, betritt siegesgewiss das gut gefüllte Rund. Sucht seinesgleichen, stellt sich unter sein Wappen, gesellt sich zu seinen Farben: Weiß-blau.

8:55 Uhr: Ich schließe zu Sibylle und Dennis auf, Vereinskameraden, die vor zwei Wochen in Füssen Zeugen meines Debakels wurden. Natürlich wollen sie wissen, wie ich mich heute fühle, was ich für Zielzeitpläne verfolge. Ich spiele nicht gern Verstecken in diesen Dingen, gebe normalerweise offen Auskunft. Allerdings konnte ich mir bisher ebendiese Frage selbst nicht beantworten. Körperlich fühle ich mich „aufgeräumt“ und frisch. Mental irrlichtert noch immer das üble Füssen-Erlebnis in meinem Kopf. Der bittere Nachgeschmack lässt sich am ehesten mit „hartnäckige Bedenken“ umschreiben. Außerdem erlaubt das halbherzige Training seit dem Hunderter – zur Erholung und um meine angeschlagene Achillessehne zu schonen – keine minutiöse Zielzeitprognose. Ein 5er-Schnitt könnte drin sein, vielleicht mehr. Könnte, muss aber nicht. Jedenfalls werde ich mit dieser Schlagzahl beginnen und mich dann am „Körperecho“ orientieren. „Von dreieinhalb bis vier Stunden ist alles möglich.“ lautet dann auch meine Auskunft für Sybille und Dennis. Beide wollen den Lauf gleichfalls mit einer 5er-Pace angehen.

8:59 Uhr: Diesen Moderator kenne ich; die Stimme ist unverwechselbar. Ich hörte sie schon bei mehreren meiner bisher 76 Marathons. Er „parliert“ mit Routine, vermeidet jedoch Plattitüden, liefert stattdessen interessante Infos zur Veranstaltung und dem „Who is Who“ des regionalen Laufsports. Der Mann kommt rum, kennt jede Menge Lauf-Nasen und kann die Daten unterhaltsam verpacken. Auch einen Weltstar hat er angekündigt – zumindest ist Horst Preisler das für mich. Die selbst in Läuferkreisen viel zu wenig bekannte, 76-jährige, lebende Marathon-Legende, wird heute den 1748. Marathon absolvieren; eine unvorstellbare Lebens-Lauf-Leistung, vor der ich jedes Mal den Hut ziehe, wenn der Mann meine Laufwege kreuzt. Kaum vorstellbar, dass dieser Weltrekord jemals gebrochen wird. Es sei denn, die Medizinmänner vermöchten mein Dasein um mehrere hundert Jahre zu verlängern …

Sybille und Dennis lachen über meinen Scherz. Mich freut mehr, derlei muntere Sätze überhaupt über die Lippen zu bringen. Ein weiteres Indiz dafür, dass ich die „Sache“ heute mit der richtigen Emotionslage angehe. Für ein befriedigendes Lauferlebnis ist ein freier Kopf mindestens so wichtig wie ausreichend Energie in den Beinen. Und ich brauche wahnsinnig dringend ein befriedigendes Lauferlebnis! Die letzten drei Wettkämpfe, der Bergmarathon in Liechtenstein, die hundert Kilometer von Ulm und der Füssen Marathon, jeder auf seine Weise mit schockierendem Verlauf, schmeckten nach Agonie. Ist es so? Liege ich läuferisch bereits in den letzten Zuckungen? Mehrmals wies ich diese Befürchtung innerlich als irrational zurück – mit dem Kopf. Der Hunderter schickte mich viele Kilometer durch die Hölle, war aber unbestreitbar ein Erfolg – sagt der Kopf. Für das hässliche Liechtensteinerlebnis und die Füssen-Pleite gibt es stichhaltige Erklärungen – die fand mein Kopf. Aber mein Herz verlangt mehr, entbehrt die entscheidende Zutat, vermisst Freude und Laufspaß. Und diesen Schatz müssen Läufer immer wieder heben, wenn sie auf langen Strecken nach ihm suchen …

9 Uhr: Der Tross setzt sich auf der Straße vor dem Stadion in Bewegung. Die Bedingungen sind nicht 1a-sommerlich, aber deutlich angenehmer als in Füssen. Vor allem die Wärme, 18°C bei leichter Schwüle, kommt mir entgegen. Rasch entzerrt sich das Feld auf der breiten Stadionstraße. Praktisch von der Startlinie weg kann ich mein Tempo justieren, muss mich nur einmal, mit beherzten Schritten, um ein schleichendes Paar bugsieren. Nach nur vier Minuten erreichen wir die erste Steigung. Undramatische zwanzig Höhenmeter, gleichmäßig verteilt auf einen guten halben Kilometer. Dennoch schalte ich einen Gang zurück, um nicht hier schon mein Pulver zu verschießen. Die Steigung endet auf der Brücke über das Schienengewirr des Augsburger Hauptbahnhofs. Bereits ein Stück vor der Brücke dringt wildes Bellen an mein Ohr. Das hört sich fast an wie … aber das kann doch nicht … doch, das ist Roxi! Ines, begleitet von unserem Freund Volker und seinen Sprößlingen Elias und Leonie, haben den Weg an die Strecke gefunden. Dank akustischer Vorwarnung von Roxi bleibt mir genügend Zeit zum Winken und für ein Hallo.

Nun folgt ein Abstecher Richtung Innenstadt, einen halben Kilometer geradewegs auf die derzeit wohl größte Baustelle Augsburgs zu, den Königsplatz. Jahrelange Kontroversen – ein bischen „Augsburg 21“, Untertunnelung oder nicht? – gingen dem Baubeginn voraus. Ein paar Meter vor der Großbaustelle kehren wir um und rennen denselben Weg wieder zurück. Diese Stippvisite über die Bahnbrücke, vorbei an einer alten Friedhofsmauer und mehrstöckigen Häusern empfinde ich als ähnlich attraktiv wie diverse Kilometer in der pechschwarzen Ulmer Nacht. Nun muss er raus, mein Unmut, der sich schon vor Wochen, nach einer angekündigten Streckenänderung, in einer geharnischten E-Mail an den Veranstalter entlud (siehe unten). Die „geänderte“ Route lässt von der ursprünglichen Planung, vor allem vom historischen Augsburg, wenig übrig. Die Lücken füllen ausdruckslose bis unschöne Vorstadtbezirke und etliche Natur-Kilometer vor der Stadt. Natur ist toll, keine Frage. Aber ein City-Marathon sollte die baulichen Glanzlichter einer Stadt präsentieren. Mit diesem Pfund kann Augsburg wahrlich wuchern. Und natürlich wollte ich wissen, was es mit dieser optisch nahezu wertlosen Schikane Richtung Zentrum auf sich hat, durch die meine Sohlen gerade traben. Die Antwort hierauf hinterließ mich dann doch einigermaßen fassungslos. Dem Motto des Laufes, dem „Frieden“, gedenkend, wolle man die „Nähe“ zur Synagoge nicht außer Acht lassen. „Nähe“ heißt in diesem Fall vom Wendepunkt hundert Meter querab in einer Seitenstraße und schon deshalb unsichtbar, weil sich die Läufer auf den abrupten 180°-Richtungswechsel konzentrieren müssen. Was für ein hanebüchener Unsinn. Wie viele der ungefähr 1.000 Marathonis und Halbmarathonis wissen außer mir, warum sie durch die ungemein attraktive Hermanstraße rennen?

Schon bevor ich die Brücke übers Bahngelände neuerlich überquere, schließe ich innerlich Frieden mit dem Kursverlauf des 1. Friedensmarathons durch Augsburg – dauerhaft, wie ich fälschlicherweise glaube. Für mich wurde der Streckenabschnitt von Frau, Freunden und bellendem Hund aufgewertet. Und das genieße ich nun winkend zum zweiten Mal. Roxi – völlig außer Rand und Band – tut mir wieder einmal leid. Als eingespieltes Laufteam bestreiten wir fast jeden Trainingskilometer gemeinsam. Aber zu einem City-Marathon könnte ich sie nur dauerhaft angeleint mitnehmen und das widerspricht ihrer Natur. Zwei Naturmarathons und einen Ultra durch den Harz haben wir gemeinsam erfolgreich absolviert. Schon deshalb signalisiert ihr Instinkt, was die vielen vorbei trabenden Läufer zu bedeuten haben: Laufen! Roxis Liebe zum Laufen kann man so ausdrücken: Fressen, Saufen und Schlafen muss sie – Laufen will sie!

Kurz nach der Brücke passieren wir die nächste Augsburger Dauerbaustelle, die in Renovierung befindliche Kongresshalle. Ungezählte klassische Konzerte kommen mir in den Sinn, an einen Ballettabend erinnere ich mich, aber auch an Seichteres wie Didi Hallervorden oder (vor etwa einer Million Jahren) einen Rockabend mit der in schwarzes Leder gehüllten Suzie Quatro (Kennt die noch jemand?). Über die Kongresshalle lugt das Wahrzeichen Augsburgs, der Hotelturm, vom Volksmund wegen seiner Form und der vielen Balkone auch Maiskolben genannt. Eigentlich kein echtes Wahrzeichen, aber eben das markanteste Bauwerk, wenn man sich der Stadt von ferne nähert. Ich wollte mich an Sybilles und Dennis’ Fersen heften, habe diese Absicht aber bereits in der Hermanstraße aufgegeben. Mein Tempo liegt im Schnitt etwa bei 4:55 min/km und schon jetzt steht fest, dass heute keinesfalls mehr drin ist. Ich bin ausgeruht, aber meinen Beinen fehlt die Leichtigkeit, die mich sonst bis Kilometer 10 beflügelt.

Wir messen den Stadtteil Göggingen ab und verlieren am so genannten Klausenberg die vorhin gewonnenen zwanzig Höhenmeter. Damit haben wir die „Augsburger Hochterrasse“ wieder verlassen. Den Begriff muss man kurz erklären: Im Norden Augsburgs mündet die Wertach in den Lech. Nach Süden spannen die beiden Gebirgsflüsse ein Dreieck auf, die „Hochterrasse“, das um eben diese zwanzig bis dreißig Meter höher liegt als die Umgebung. Exakt an dieser militärtaktisch vorteilhaften Stelle ließ der römische Kaiser Augustus vor über 2.000 Jahren ein von Palisaden umschlossenes Heerlager errichten, die Keimzelle der späteren Stadt Augsburg. Auch die Namensgebung der Stadt stellt nun kein Geheimnis mehr dar. Am Fuß des Klausenbergs angekommen, fällt mein Blick in die Einfahrt zum Kurhaustheater. Klingt langweilig gilt aber architektonisch als einmalige Sensation. Im 19. Jahrhundert gab es hier in Göggingen die „Hessing’sche Ökonomie- und Heilanstalt“. Zur Erbauung der dort behandelten Patienten wurde 1886 das Kurhaus mit Theater und Palmengarten im Neorenaissance-Stil errichtet. In Art und Stil einzigartig auf der Welt, erstrahlt das kleine Theater nach seiner Restaurierung in den Neunziger Jahren wieder im alten Glanz. Ich kenne jemanden, der schon deswegen gerne Vorstellungen unterschiedlicher Genre besucht, um sich das märchenhafte Gebäude von innen anzusehen. Ein paar Schritte, versunken in Gedanken, von der Straße aus ist nichts zu sehen. Wer von den Tausend vor und hinter mir kennt das Theater überhaupt?

Keine Angst, dieser Laufbericht entartet nicht zur Stadtführung. Das restliche Göggingen ist rasch erzählt: Über die Hauptstraße vorbei am größten Sportgeschäft und Sponsor der Laufes (nein, nein, das spielte sicher keine Rolle bei der Routenwahl), dann nach rechts in Richtung Wertach. Über die Wertachbrücke verlassen wir bebaute Augsburger Fläche und tauchen in einer der schönsten Alleen der Region unter. Die Chaussee führt nach Schloss und Gut Wellenburg, heute eine beliebte Ausflugsgaststätte. Nach ein paar hundert Meter absolviere ich die zweite Wende des Tages unter alten Linden und nehme wieder Kurs auf Göggingen. Vor der Wertach jäh nach links, zunächst durch Auwald, später vorbei an einem der vielen Augsburger Kleingarten-Domizile. Ich halte meine Pace uhrwerkartig, bleibe pro Kilometer jeweils knapp unter fünf Minuten. Tempokonstanz war schon immer meine Stärke und doch: „Locker, flockig traben“ geht anders, die Schritte kosten Mühe. Schon stellen sich miesepetrige Gedanken ein: ‚Das fühlt sich ganz ähnlich an wie in Füssen und dort endete es als Fiasko … Kann sein, aber heute laufe ich mehr als eine halbe Minute pro Kilometer schneller als in Füssen. Das muss sich so anfühlen. Also mach dich nicht verrückt!’

Gerade arbeite ich das „erbaulichste“ Stück Augsburg des ganzen Laufes ab: Nervige vierhundert Meter traben wir an der vierspurigen B 17 entlang. Zum Glück ist Sonntag, überdies ein verregneter, da hält sich der Verkehr in Grenzen. Wochentags schieben sich endlose Fahrzeugströme über diesen Augsburger Güter- und Personen-Bypass. Zwei Minuten später wandert der Verkehrslärm Achtern aus, während wir am Wertachufer dem Stadtteil Pfersee zustreben. Dunkelgrün lugen die Fluten der auf diesem Flussabschnitt streng kanalisierten Wertach durch die Büsche. Ich versuche das Motiv „Läufer am Fluss“ einzufangen, was mir jedoch wegen verstellter Sicht und mangelhafter Lichtverhältnisse misslingt.

Stadtteil Pfersee: In den uns gezeigten Straßen wohnt man. Zu sehen gibt’s hier … nichts. Aber eine Halbmarathonrunde ist lang und irgendwo müssen die Kilometer runter getrabt werden. Eben diesem Zweck dient auch der Schlenker im sich anschließenden Bezirk Kriegshaber. Immer wieder gucke ich durch die Brille eines auswärtigen Besuchers, der diese Stadt nicht kennt. Vielleicht ein Läufer, der sich den ersten Augsburg Marathon nicht entgehen lassen wollte und deshalb die zwei- bis dreistündige Anreise nicht scheut. Oder Herr Müller – so nenne ich ihn jetzt einfach – stammt aus dem hohen Norden, macht im nahen Allgäu Urlaub und wollte die Chance auf einen Marathon weit abseits seiner sonstigen Laufradien wahrnehmen. Herr Müller hat jetzt schon die Hermanstraße gesehen, das Bahngelände, Göggingens attraktive Boulevards, das nette Pfersee und bereist nun die Hinterhöfe von Kriegshaber …

Über die Wertach nehmen wir Kurs Innenstadt und besichtigen zunächst den Plärrer. So heißt in Augsburg das Gelände, auf dem zweimal jährlich ein großes Volksfest stattfindet oder auch mal ein Zirkus gastiert. Augenblicklich ist der Anblick besonders reizvoll: Ein Konglomerat aus großen Lkw, entladenen Teilen und im Aufbau befindlichen Zelten oder Fahrgeschäften kündet vom Ende August beginnenden Volksfest „Herbstplärrer“. Einfach nicht hingucken Herr Müller! Kilometer 14. Nun wird’s hübscher, zumindest für die Ohren: Sambatrommeln übertragen ihren Rhythmus auf meine Beine. Die Gruppe hat ihren Standort geschickt gewählt, an dieser Stelle berühren sich Hinweg zur und Rückweg aus der Stadtmitte.

In der „Langen Gasse“ beginnt der zweite Aufstieg zum Niveau der Hochterrasse, gleichermaßen harmlos wie zu Beginn des Wettkampfs. Hier gibt’s auch endlich ein bauliches Schmankerl zu sehen, das Wertachbrucker Tor (erbaut 1370, umgebaut 1605). Gleich danach passieren wir die nächste, in diesem Fall sogar skandalträchtige Großbaustelle. Die schwarzen, noch nackten Stahlträger des in Umbau befindlichen Eisstadions ragen wie ein Fanal in den grauen Morgenhimmel. Sie künden von einem deutschen Eishockey-Erstligisten (Augsburger EV), der hier seine Heimspiele austrägt. Aber auch vom gordischen Knoten aus chronischem Geldmangel und baulicher Inkompetenz, der den zügigen Abschluss der Arbeiten verzögert.

„Am Katzenstadel“ noch aufwärts, dann links weg, durch das pflastersteinige Sträßchen „Auf dem Kreuz“, schließlich nach rechts in die „Alte Gasse“ – mehr Augsburg für Herrn Müller, sogar historisches, aber leider wenig anziehend. Ursächlich ist ein Luftangriff im Februar 1944, der große Teile der Augsburger Innenstadt zerstörte. Straßenzüge, die nach dem Krieg zweckdienlich (= relativ unansehnlich) wiedererrichtet wurden. Daran kranken noch heute viele zentrumsnahe Viertel. Aber jetzt, Herr Müller! Durch das Portal der spätbarocken, ehemaligen Fürstbischöflichen Residenz ergießt sich der Strom der Läufer in den so genannten Fronhof, ehedem Turnier- und Exierplatz, heute eine blumengeschmückte Grünanlage. In heißen Sommern (wann wieder?) genießen die Augsburger hier kühlen Schatten unter alten Laubbäumen. Herrn Müller und mir verstellen sie leider die Sicht auf den Augsburger Dom, dessen rückwärtiger Teil des Kirchenschiffs an den Fronhof grenzt.

Zwei Tordurchfahrten der Residenz passierend geht’s weiter Richtung City und wenig später in die Augsburger Fußgängerzone. Nun endlich klopft Herrn Müllers Entdeckerherz wie wild: Auf dem Rathausplatz zieht das herrliche Ensemble aus Rathaus (Renaissancebau von Elias Holl) und Perlachturm seine Blicke magisch an. So nimmt er den prächtigen Augustusbrunnen nur am Rande wahr. Auf einem Sockel in Brunnenmitte steht der lorbeerbekränzte Kaiser Augustus, den rechten Arm huldvoll erhoben und richtet das Wort an sein ruhmreiches Heer …

Das ruhmreiche Heer verschwindet durch eine Seitengasse der Fußgängerzone. Dieser Schlenker beschert Herrn Müller ein paar hübsche Bürgerhausfassaden und vor allem das Standbild des wohl berühmtesten und wichtigsten Augsburgers aller Zeiten: Jakob Fugger (1459 – 1525). Zu seiner Zeit war er der bedeutendste Kaufmann und Bankier Europas und machte Augsburg zum Mittelpunkt der westlichen Welt. Der Kaiser reiste zum Fugger nach Augsburg, weil er Geld brauchte. Offensichtlich regierte schon damals das Geld die Welt … So wie heute. Deshalb verlassen wir die Innenstadt klammheimlich in derselben Richtung aus der wir kamen, und so bleibt Herrn Müller die Mehrzahl Augsburger Attraktionen verborgen.

Vermutlich ist ein erster, nicht bewusst wahrgenommener Tropfen der Vater des Gedankens: ‚Was für ein Glück wir haben! Nun hat es 16 Kilometer lang nicht geregnet!’ Allerdings folgen dem versprengten Tropfen kurz darauf weitere und als ich das Zentrum in Höhe Stadttheater verlasse, ist die Straße schon wieder nass. Ach ja, das Stadttheater – demnächst eine weitere Augsburger Großbaustelle: Seit Monaten gibt es, die Sanierung des maroden Spielhauses betreffend, mehr Theater ums Theater, als Theater im Theater. Überhaupt wird mir auf diesem Trip erst richtig bewusst, welchen Sanierungsstau vormalige Stadtregierungen hinterlassen und zu verantworten haben. Was passierte eigentlich mit dem vielen Steuergeld, als es noch reichlich in der Stadtschatulle klingelte?

Die Innenstadtpassage mit ihren holprigen Pflasterabschnitten war anstrengend. Meine schweren Beine lassen keinen Zweifel darüber aufkommen, dass ich Tempo rausnehmen muss. Noch geht’s, zumal nun für ein paar hundert Meter wieder bergab. Das Gewummer der Sambatrommeln bleibt in meinem Rücken zurück. In Höhe Plärrer schaue ich in angestrengte Gesichter der langsamer laufenden Konkurrenz. Sie haben die Innenstadt noch vor sich. Dann bin ich wieder an der Wertach und habe erstmals ein nicht asphaltiertes Wegstück unter den Sohlen. Das kostet zusätzliche Körner. Dass ich den Mehraufwand spüre, verheißt nichts Gutes … Zurück auf der Stadionstraße vollende ich die erste Runde. Grüßen muss ich dann und wann, erst Jörg, einen Vereinskameraden und Mittelstreckler, dann, am Stadion und regenbeschirmt, Heinz mit Frau. Der unermüdliche Arbeiter und gute Geist meines Vereins hat es sich nicht nehmen lassen seine Läufer anzufeuern: „Klasse Udo! Weiter so!“

Runde zwei deckt sich nur teilweise mit der ersten und beginnt entlang der Wertach. Zu meinem Leidwesen wieder auf einem nicht versiegelten und deshalb mit Pfützen übersäten Radweg. Mittlerweile regnet es stetig, was mir wider Erwarten nichts ausmacht. An der nächsten Kilometertafel finde ich mein seit der Halbzeit verändertes Laufgefühl bestätigt: Ich bin langsamer geworden. Natürlich möchte man in der Heimatstadt seines Vereins eine gute Zeit abliefern. Insgeheim hatte ich gehofft, meine Jahresbestzeit vom Spreewald Marathon unterbieten zu können. Aber fünf Wochen nach einem Hundertkilometerlauf, der alle Depots und Systeme nachhaltig erschöpfte, bleibt solches Unterfangen die pure Illusion. Was tun? Mich an die Kandarre nehmen, eine höhere Schlagzahl erzwingen, um unter 3:30 h zu bleiben? Diese Alternative verwerfe ich aus Furcht hinter Kilometer 30 ähnlich abzustürzen – wenn auch aus anderen Gründen – wie vor zwei Wochen in Füssen. Entschluss: Das verminderte Tempo möglichst bis zum Schluss durchhalten.

Als ich via Wertachbrücke zum zweiten Mal die Wellenburger Allee erreiche, liegen mehr als zwei Kilometer Tanz um Pfützen und Auwald hinter mir. Der Asphalt schont meine Kräfte und – wohl mehr gefühlt als real – werde ich wieder schneller. Dieses Mal messen wir die zwei Kilometer Allee mit ihren ungefähr 350 Linden vollständig ab. Erst hin, dann wieder zurück. Diverse Male grüße ich andere Läufer, entweder weil ich sie kenne, oder als Antwort auf eindeutig an mich gewandte Gesten. Scharfe Kehre am Ende der Allee: Da stimmt doch was nicht!? Eigentlich verzeichnet der Streckenplan an dieser Stelle eine Schleife Richtung Norden.

Dem gehe ich mächtig auf den Senkel, kann aber nix dafür. Ich halte nur stoisch mein Tempo, kein Jota schneller, keines langsamer. Eine Weile klebe ich an seinen Fersen, dann gibt er Gas und vergrößert den Abstand. Nach nicht mal einer Minute habe ich ihn wieder eingeholt und das Spielchen wiederholt sich. Nicht nur zweimal, mehrmals, über einige Kilometer. Selbst das kurzweiligste Intermezzo wird irgendwann langweilig. Aus diesem Grund achte ich bald nicht mehr darauf, wie sich unser seltsames Pas de deux entwickelt und wo es endet.

Noch vor dem Ende der Allee nehme ich Witterung auf. Meine Nase atmet die Verzweiflung des Streckenplaners, der sich – warum auch immer – genötigt sah, die fehlende Schleife just an dieser Stelle nachzuholen. Eine Streckenänderung der Streckenänderung. Also trabe ich einen halben Kilometer im landwirtschaftlichen Nowhere nordwärts, vollziehe eine weitere scharfe Kehrtwendung, trabe dieselben interessanten Meter zurück und bin wieder auf der Allee … Ich habe es extra nachgeschlagen: Augsburg ist eine Großstadt mit etwa 265.000 Einwohnern, auf einer Fläche von 146 Quadratkilometern. Da kann man bei der Streckenplanung leicht in Not geraten. Kurze Abstecher ins Nirwana mit 180°-Wenden sind da unumgänglich …

Die verregneten Kilometer 30, 31 und 32 erspare ich dem geneigten Leser. Die äußeren Ansichten wurden schon einmal als regenfreie Kilometer 9, 10 und 11 erzählt und die inneren geben zusammenfassend die wachsende Angst vor dem Hammermann wider. – Zu früh gefreut! Du hättest den Streckenplan genauer studieren sollen! Statt Pferseer Asphalt platschen die Füße nun weiter entlang der Wertach über pfützig-schmierige Spazierwege. Jedem einleuchtend: Für das um die Hälfte ausgedünnte und schon extrem in die Länge gezogene Läuferfeld tun’s auf Runde zwei auch schmale, autofreie Pfade. Das ist sicherer und fördert den Verkehrsfluss in der Stadt. Sicherer schon, aber auch anstrengender. Der nasse Boden scheint meine Sohlen geradezu anzusaugen. Ich kämpfe, kein Zweifel, werde wieder an Füssen vor zwei Wochen erinnert und an die katastrophale Schlussphase dort. Rasch beruhige ich den Hasenfuß in mir: ‚Du rennst heute um einiges schneller und dort war schon kurz hinter Km 30 der Ofen aus! Jetzt sind es nur noch sieben Kilometer! Nur noch sieben!!!’

Nach dem Wertachübergang, kurz vorm Plärrer, trinke ich an einer Verpflegungsstation einen letzten Becher Wasser. Mein Verpflegungskonzept ist heute gottlob aufgegangen, nach zwei Läufen mit scheußlichen Bauchschmerzen, weil mir vermutlich die angebotene Flüssigkeit nicht bekam. Für heute hatte ich mir vorgenommen die nötige Energie in Form von mitgeführten Gels zu tanken und mit Wasser zu verdünnen. Weil sein Bauch sich völlig problemfrei gab, griff Bruder Leichtfuß dann doch zu einem Becherchen Iso und kippte es gierig. Wie angekündigt handelte es sich um diese üble Sorte mit Kohlensäure, spendiert von einem der Sponsoren. Ich werde nie begreifen, wie man auf die Idee verfallen kann, ein Sportgetränk mit Kohlensäure zu versetzen und – noch irrwitziger – das während eines Marathons den Läufern auszuschenken. Mein Rückfall wurde sofort mit Rumoren in der Verdauungsabteilung bestraft und so mied ich die Brühe im weiteren Verlauf, wie der Teufel das Weihwasser.

Ich verzettele mich. Nein, nicht beim Laufen, beim Schreiben. Erzählen wollte ich eigentlich von der Begebenheit an eben diesem für mich letzten Verpflegungspunkt: „Hallo Udo!“ schallt es nämlich hinter dem Büffet hervor. Ich grüße zurück und mache mich mit meinem Becher aus dem Staub. „Aus dem Staub machen“ sich Leute mit schlechtem Gewissen. Meines meint vorwurfsvoll: „Den müsstest du kennen! Warum kennst du den nicht?“ Habe ich nicht genau hingeschaut, sein Konterfei vergessen oder einen Aussetzer? Nach ein paar Metern höre ich, wie er seiner Helferin am Stand erklärt: „Der ist in Ulm den Hunderter gelaufen!“ Rascher wurde Zerknirschung sicher selten von Stolz verdrängt. Das ist zwar eine grunddumme Empfindung, immerhin erleichtert sie meinen Körper auf den nächsten paar hundert Metern um gut einen Zentner …

Die Angst des Läufers vor dem Berg: Vor der zweiten Schleife durch die City muss ich ein letztes Mal diesen Berg hoch. Ich nehme mir vor, notfalls drei Gänge runter zu schalten und den Zeitverlust zu akzeptieren. Dann los: Vorbei am Wertachbrucker Tor, weiter hinan … Die Steigung macht mir merkwürdigerweise kaum etwas aus. Bei Km 32 würgte ich mein letztes Gel runter. Vielleicht kommt diese Energie gerade vermehrt in den Beinen an. Dann bin ich oben und arbeite ein weiteres Mal die Augsburger Hingucker ab: Erzbischhöfliches Palais, Brunnen, Perlachturm, Rathaus … Ihr Reiz schrumpfte im selben Maße, wie meine Ermüdung gewachsen ist. In der Fußgängerzone, dann Richtung Theater, verfolge ich Bekannte. Das Paar hatte, als wir uns auf einem der Wendeabschnitte zuwinkten, einen deutlichen Vorsprung, scheint nun aber einzubrechen. So leid mir das für Vereinskameraden tut, mich treibt es vorwärts. In der Schlussphase wirkt jedes Überholmanöver wie ein Raketentreibsatz. Doch der Lauf wird nur mental leichter, nicht körperlich. Es drängt mich etwas Anspornendes an die beiden loszuwerden, allein es fehlt die Kraft zum Denken und Sprechen.

Dankbar registriere ich die Erleichterung, trudele ich im letzten Gefälleabschnitt abwärts. Kraft sammeln für die letzten drei Kilometer. Ich kalkuliere die mutmaßliche Laufzeit. Rechne vereinfacht mit fünf Minuten pro Kilometer, plus eine für die letzten 195 Meter. Ich kann es unter 3:35 h schaffen, wenn ich nicht mehr langsamer werde. Natürlich interessiert keine Seele des Universums, ob ich das Finish unter 3:35 h hinlege oder nicht. Im Grunde ist das sogar mir egal. Wichtig ist die Zahl als Ziel, das meinen Ehrgeiz noch einmal auflodern lässt und das Durchhalten erleichtert.

Jetzt tut es weh, verdammt weh. Aber heute empfinde ich den finalen Schmerz als positives Gefühl. Es tut weh, weil ich schnell bin, weil ich durchhalte, weil ich mich überwinde, weil ich gewinne. Alles ist entschieden. Kein Opfer für den Hammermann! Beißen! Vorhin hat es uns einer an der Strecke zugerufen: „Jetzt müsst ihr beißen!“ Am Ende der Fußgängerzone war das. Und nun beiße ich. Herzhaft, kraftvoll, mit Lust am Schmerz … Bahnunterführung. Halbdunkel. Von Eisenträgern rinnt Wasser herab. Wieder ins Licht. Über die breite Ackermannstraße. Sonst tausend Autos. Jetzt Grabesstille, gesperrt. Ans Wertachufer. Pfützen. Tausendundeine Pfütze. Mal spritzt Wasser, dann wieder Dreck. Füße nass. Schuhe schmatzen bei jedem Schritt. Blut hämmert im Kopf. Beißen! Beißen!

Kilometer 41, fast geschafft. Blick zur Uhr. Kurz rechnen. Plus sechs Minuten. Genau 3:35 h. Will unter 3:35 h bleiben. Da-run-ter, da-run-ter, da-run-ter … Beißen! Ziehen! Alles geben! Auf die Stadionstraße. Nicht mehr weit … Nasser Asphalt, nasse Schuhe, nasse Füße, nasser Kerl, Nässe von oben. Egal. Beißen! Irgendwer schiebt das Stadion von mir weg. Aber ich bin schneller. Kilometer 42. Blick zur Uhr. Plus eine Minute. Schon wieder 3:35 h. „Guck nicht auf die Uhr, du bist doch gleich da!“ plärrt was Blondes, Weibliches kurz vorm Marathontor. Ich kann noch klar denken. Denke: ‚Du hast keinen Schimmer davon, was Läufer antreibt!’ Bin im Stadion. Dann auf der Bahn. Achtzig Meter noch. Will unter 3:35 h und renne als ging’s um mein Leben …

abwegig
[Bedeutung nach Wictionary: so, dass es nicht ernsthaft in Betracht gezogen werden kann]

Weg
[Bedeutung gem. Wictionary: bestimmte, zum Erreichen des Zieles einzuschlagende einzelne oder auch wechselnde Richtung]

Wettkampffazit

Es ging nicht um mein Leben auf dem Weg durch Augsburg, läuferisch stand jedoch einiges auf dem Spiel. Ich brauchte einen Erfolg und vor allem wieder Spaß an Wettkämpfen. Ich bekam beides. Zum einen schenkte ich mir mit 3:34:48 h das zweitbeste Marathonergebnis meines Laufjahres. Trotz bescheidener Wetterverhältnisse und einer in vielen Abschnitten öden Strecke war ich guter Dinge und genoß den Lauf. Auf diese Weise, aber mit mehr Sonne, darf es gerne weiter gehen …

Die „Vision“ einer persönlichen Jahresbestzeit erwies sich schon zu Beginn des Wettkampfs als pure Illusion. Vor vier Jahren, nach den hundert Kilometer von Biel, widerfuhr mir Ähnliches. Die Regeneration nach einem Hunderter vollzieht sich nicht binnen weniger Wochen. Gleiches gilt für die „Umprogrammierung“ des Bewegungsapparats von ultraweit-langsam auf Marathon und wieder schneller durch entsprechende Trainingsgestaltung. Wobei die unvollständige Erholung in den Wochen nach dem Ultra den Trainingsfortschritt bremst. Umgekehrt gilt: Der Versuch weiter intensiv und tempobetont zu trainieren, verzögert die Regeneration. So beißt sich die Katze in den Schwanz und man verfehlt beide Ziele.

Hart an der gegenwärtigen Leistungsgrenze zu laufen war mir auch wichtig, weil ich meinem Verein Ehre machen wollte. Mit über 50 Aktiven stellte die TG Viktoria Augsburg die größte und zugleich erfolgreichste Teilnehmergruppe. Wir freuen uns über hervorragende Ergebnisse.

 

Zeit: 3:34:48 h
Platzierung Gesamt: 122. von 446 Teilnehmern
Platzierung M55: 10. von 28 Teilnehmern

 

Veranstaltungsfazit

Bedenkt man fehlende Erfahrung und die vielen Unwägbarkeiten, die sich der Planung und Durchführung einer Großveranstaltung in den Weg stellen, dann darf die Premiere des Friedensmarathons als gelungen betrachtet werden. Ein dummer Fehler, wie die Verkürzung der 10 km-Strecke durch falsch aufgestellte Absperrungen, kann passieren. Dergleichen habe ich auch schon bei Veranstaltungen erlebt, die jahrzehntelang ohne Beanstandung über die Bühne gingen. Die beschnittene Streckenlänge enttäuschte natürlich viele Läufer, die mit Hoffnung auf eine persönliche Bestzeit ins Rennen gingen. Als weiterer Mangel kamen mir die kalten Duschen im Rosenaustadion zu Ohren. Für mich keine Wellness-Frage, sondern ein wichtiger Punkt der Gesundheitsfürsorge, insbesondere nach einem Regenlauf mit entsprechender Auskühlung. Solche Patzer kann keine Organisation vorhersehen, sollte aber künftig vorbauen.

Anders verhält es sich in puncto Streckenverlauf, denn der lässt sich datailliert planen. Auswärtige Teilnehmer erlebten schöne Augsburger Trainingsstrecken, unter anderem entlang der Wertach und, ländlich geprägt, Richtung Wellenburg. Auch Stadtteile mit viel Grün, wie Göggingen und Pfersee, in denen es sich gut leben und wohnen lässt, durfte man besichtigen. Vom einzigartigen Augsburg, seinen vielen Baudenkmälern und historischen Straßenzügen, erschloss der Lauf herzlich wenig. Das lässt sich auch nicht mit der verkrampften Projektion des Laufmottos „Frieden“ auf die Route relativieren. Hier hätte der Hinweis auf die heute friedliche Koexistenz vieler Religionen in Augsburg und die nicht zufällige kalendarische Nähe zum „Augsburger Friedensfest“ genügt. Die Zumutung einer zusätzlichen scharfen Wende am Ende eines öden Abschnitts, nur um sich einer religiösen Stätte auf hundert Meter zu nähern, entlarvt sich schlicht als Unfug. Dem „ganz so schlimm ist es nun auch nicht“ des Veranstalters gilt es daher vehement zu widersprechen, wobei ich die Diskussion, ob die entgegen anfänglicher Planung verbliebene Rumpfstrecke noch ein „City-Marathon“ ist oder nicht, anderen überlasse. Wirklich „schlimm“ erscheint mir, dass die insgesamt zu wenig attraktive Strecke Augsburg nicht gerecht wird.

 

Meine Protest-E-Mail anlässlich der Strecken„änderung“

Hallo OrgTeam,
mir ist nicht klar, wer für die neue Streckenführung verantwortlich ist - oder, um es meinem Empfinden entsprechend auszudrücken - wer sie verschuldet. Die neuen Schleifen noch als City-Marathon zu bezeichnen halte ich für einen schlechten Witz. Formal stimmt das, immerhin verbleibt der Kurs in den Augsburger Stadtgrenzen. Wenn aber mehr als die Hälfte baulicher Attraktionen nicht mehr zu sehen sein wird (Rotes, Vogel, Jakobertor, nicht mehr vorbei an der Fuggerei, keine Altstadtpassage im Bereich vorderer, mittlerer, hinterer Lech, keine Kahnfahrt, und vor allem kein Ulrich und keine Maximilianstraße mit zwei Prachtbrunnen), dann hätte man den Lauf gleich aus der Stadt heraus verlegen können. Das ist einfacher und für die Läufer preiswerter. Die verbleibende Rumpfstrecke wird Augsburg nicht gerecht und stellt jenen, die das zu verantworten haben, ein Armutszeugnis aus.

Noch eine Anmerkung: Was um Himmelswillen soll der Schlenker durch die Hermannstraße? Das von der Brücke aus zu sehende Bahngelände bildet keine der Prachtansichten Augsburgs. Ebenso wenig die Hermannstraße. Und vorm Königsplatz - oder besser der Baustelle - wird dann gewendet. Was habt ihr euch dabei gedacht?

Ich werde meine Anmeldung dennoch nicht zurückziehen. Vielleicht gelingt es euch mit einer erfolgreichen Durchführung den Lauf zu etablieren und in den Folgejahren eine wirkliche City-Strecke auszuschreiben.

Schade, dass die neue Strecke die Veranstaltung dermaßen entwertet.

Mit läuferischen Grüßen
Udo Pitsch


Antwort des Veranstalters

Hallo Udo,
na, ganz so schlimm ist es nun auch nicht. Du hast den Rathausplatz ganz ausgelassen, der immerhin 2x passiert wird. Und den Dom. Leider lässt sich der Ostteil der Stadt nicht so einbeziehen, wie wir es gern gehabt hätten, v.a. nicht mit Kosten, die wir noch irgendwie in den städtischen Zuschüssen hätten unterbringen können. Dann wäre es uns irgendwann gegangen wie dem Maxfest. Das ist das eine. Die Hermanstraße ist wegen der Synagogennähe drin, das wollten wir bei einem Marathon unter diesem Motto doch nicht außer acht lassen. Wir passieren jetzt Dom, Moschee, Synagoge und auch das buddhistische Zentrum.
Bei einem Erfolg schaffen wir es vielleicht nächstes Jahr mit einer noch attraktiveren Strecke.

Grüße
Axel

 

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