Vorbereitung in zwei Phasen
Die vier und einen halben Monat Vorbereitung bis zum Start in Prag am 14. Mai
2006 teilen sich in zwei Abschnitte: Das eigentliche Marathontraining über 12
Wochen (Beginn 20. Februar) und davor rund 7 Wochen Verbesserung der
Grundschnelligkeit. Der Silvesterlauf 2005 in München hatte für mich deshalb
zwei Bedeutungen. Einerseits schloss er das Laufjahr und die Regenerationszeit
nach dem Monaco Marathon ab. Zugleich bildete er den „Startschuss“ für den
Einstieg in ein - nach der langen Ruhephase des Dezembers - hartes
Tempotraining. Dass ich einen 10-km-Trainingsplan für die Zielzeit 40 Minuten
vorschaltete, hat zwei Gründe. Einerseits verlangte mein neuer Marathon-TP die
„40 min auf 10 km“ als Einstiegsgröße. Darüber hinaus erlebte ich bei den zuvor
erfolglosen Versuchen, Sub3 zu knacken, dass die im Intervalltraining geforderten
Tempi häufig meine Leistungsfähigkeit überforderten. Nicht zuletzt hierauf führe
ich die Verletzungen zurück. Von der Verbesserung der Grundschnelligkeit (höhere
maximale Sauerstoffaufnahme, bessere Stoffwechselparameter) versprach ich mir
einen wichtigen Einstiegsvorteil.
In einem Wettkampf Mitte Februar wollte ich mir selbst die
Marathon-Trainingsplanreife nachweisen. Um einiges vorweg zu nehmen: Der
härteste, schneereichste und längste Winter der letzten Dekaden zwang mich nicht
nur bis in den April ausschließlich auf Asphalt und der zum Glück meist
geräumten Tartanbahn zu trainieren. Er verhinderte auch besagten Testwettkampf.
Auch der im Marathontrainingsplan enthaltene, erste 10-km-Wettkampf büßte auf
einer teils schneebedeckten, abschnittsweise matschigen Strecke beinahe jede
Aussagekraft ein.
Was konnte ich noch tun? Wodurch ließ sich mein Vorhaben unterstützen?
Es schien mir nicht damit getan, sich dem Diktat eines härteren Marathon
Trainingsplans (M-TP) zu unterziehen und ein spezielles Tempotraining voran
gehen zu lassen. Ich wollte mehr tun. Meine Frau hatte mir zum Geburtstag
einen Leistungstest (Laktatstufentest) geschenkt, den ich nun nutzen wollte.
Also ersetzte ich die erste Trainingseinheit des M-TP durch den
Laktattest. Ich
war gespannt, welche Empfehlungen mir der Tester geben würde. Von wegen
Empfehlungen! Er überantwortete die stufenweise aufgenommenen Laktatmesswerte
einem Computerprogramm, das dann errechnete Herzfrequenztrainingsbereiche für
mich „ausspuckte“. Erläuterungen gab es kaum und wenn waren sie schwammig und
diffus. Es war mir weder auf Anhieb, noch nach Internetrecherchen und eiligem
Einlesen in die Thematik möglich, die Aussagen des Programms mit den
Trainingsvorgaben meines M-TP zu korrelieren. Ebenso wenig konnte ich jenen
oft beschriebenen Punkt bestimmen, den man die „individuelle anaerobe Schwelle (IAS)“
nennt. Jenen Wert also, ab dem der Körper nicht mehr im Sauerstoffgleichgewicht
ist. Zielgenaues, sogenanntes „Schwellentraining“ war folglich weiterhin
Wunschdenken bzw. nur aus anderen Erfahrungswerten ableitbar.
Der Laktattest stiftete zusätzliche Verwirrung. Damit begonnen hatte mein neuer
Trainingsplan, der sich bei näherer Betrachtung als beinharte „12-Wochen-Folter“
mit der ein oder anderen unsinnigen Forderung entpuppte. Einige der darin
vorgegebenen Werte waren völlig unrealistisch, was Vergleiche mit anderen
Trainingsplänen derselben Leistungsstufe und der dem TP innewohnenden, eigenen
Logik recht schnell enthüllten. Beispiel: Man kann keine 10 Intervalle über 1000
Meter in 3:30 Min. fordern, wenn der Eingangslevel ein Laufvermögen von 40
Minuten auf 10 km ist. Die ausgeruht gelaufenen 4 Minuten pro Kilometer geben
erst einmal auch die ungefähren Intervallzeiten vor - minus einige Sekunden. Der
Plan enthielt noch mehr solcher Ungereimtheiten. Und nur meine Erfahrung
hinderte mich daran, diesen falschen Vorgaben hinterher zu laufen …
Nun auch noch das Debakel mit dem Laktattest ... Was tun? Ich entschloss mich
meine bisherigen Herzfrequenzbereiche grundsätzlich beizubehalten, jedoch mehr
am oberen Rand und teilweise darüber hinausgehend zu laufen. Insbesondere wollte
ich beim „Long Run“, dem langen, langsamen Dauerlauf über 35 km, im Schnitt etwa
um 5 Herzschläge schneller laufen.
Fehlender Schlaf (= unvollständige Regeneration) schien mir eine weitere Ursache
minderer Leistungen zu sein. Die häufig bleierne Müdigkeit in den Beinen, schon
zu Trainingsbeginn, war mir in guter Erinnerung. Immerhin gönnte ich mir in den
letzten Jahren im Schnitt nur 5 bis 6 Stunden Schlaf, was unter normalen
Lebensbedingungen ausreicht. Mit Beginn des M-TP änderte ich mein Verhalten in
dieser Hinsicht radikal und ging oft „mit den Hühnern“ schlafen … Das war
richtig und wichtig zugleich.
Regelmäßiges Saunieren - es pendelte sich bei zweimal pro Woche ein - sollte das Verhärten der Muskulatur verhindern. Wenn möglich setzte ich Saunatermine so, dass sie
Als dritte begleitende Maßnahme setzte ich Krafttraining für die Körperpartien
oberhalb der Gürtellinie ein - also Belastungen für die ansonsten
unterbeschäftigten Muskelgruppen an Bauch, Rücken, Rumpfseiten, Armen und
Schultern. Zweimal pro Woche, ungefähr neun verschiedene Übungen zu je drei
Sätzen, wurden absolviert. Die Gewichte / Intensität wählte ich so, dass sich
als Folge kein Wachstum neuer, sondern eine Kräftigung vorhandener Muskulatur
einstellte. Muskelwachstum hätte Gewichtszuwachs bedeutet, was sich natürlich
kontraproduktiv auswirkt. Mit diesen Übungen begann ich etwa Anfang Februar.
Natürlich kann ich keinen Nachweis führen, was und wie viel die „konzertierte
Aktion“ der oben beschriebenen Verhaltensänderungen bzw. -ergänzungen gebracht
hat. Im Falle des Krafttrainings kann ich nicht mal mit einem subjektiv
empfundenen Einfluss auf die Laufleistung aufwarten. Dafür hab’ ich mir im
Spiegel zunehmend besser gefallen, was indirekt motiviert, weil es einen ja mit
der „Gesamtsituation durchaus zufriedener sein lässt“ ;-)
Das
Marathon Training
Die erste Woche brachte Licht und Schatten. Das erste Intervalltraining ging
zwar nicht „in die Hose“. Von den geforderten 10x1000 Meter (in 3:30 min/km, was
für ein Witz!) brachte ich aber gerade mal 5 Wiederholungen (in 3:50). Offen
gestanden fehlte mir nicht nur die Kraft für mehr. Marathon-Guru Steffny
verlangt in seinem TP auf dieser Leistungsstufe eben genau die 5 Wiederholungen
in 3:50 min/km. So brachte ich auch nicht die Motivation für mehr auf, zumal
Intervalltraining immer von Verletzungsängsten überlagert war …
Erfreulich stimmte mich der Rest der Trainingswoche, einschließlich des
abschließenden 35 km Laufes, für den ich mit 3 Stunden ungewohnt wenig Zeit
brauchte.
Aber dann kam’s knüppeldick: Woche zwei und drei versetzten mich in einen
Zustand permanenter und nachhaltiger Ermüdung. Ganz ehrlich: Ich hatte nicht das
geringste Problem früh schlafen zu gehen. Jeden Abend hing ich wie ein
„schlaffer Sack“ auf der Couch. Mein spezifisches Problem war und ist harte
Trainingseinheiten wegzustecken. Oder in Trainingsdeutsch: Ich brauche mehr
Erholungszeit als andere Läufer. Für mich ist es praktisch sinnlos, am Tag nach
einem Long Run von 35 km schon wieder zu trainieren. Und Intervalltraining zwei
Tage nach dem Long Run, kann ich gleichfalls vergessen. Die oben beschriebenen
Ungereimtheiten im TP an sich und meine verzögerte Regeneration zwangen mich
häufig zu Änderungen des Trainingsprogramms. Sie gingen jedoch nie zu Lasten der
Gesamtkilometer. Letzten Endes bin davon überzeugt, einen sinnvollen und unter
Berücksichtigung aller objektiven wie subjektiven Bedingungen nahezu optimalen
Weg durch diesen Trainingsplan eingehalten zu haben. Nicht zuletzt die schon
nach wenigen Trainingswochen gemessene, deutliche Leistungssteigerung gibt mir
diese Sicherheit. Ich konnte am Pulsmesser beobachten, wie von Woche zu Woche
die durchschnittlich gemessene Herzfrequenz für das Bezugstempo 5 min/km sank.
Zuletzt lag sie bei ungefähr 73% der maximalen Herzfrequenz. Weitere
Erfolgsbestätigung boten die Long Runs, deren 35 km in rund 2:45 und weniger zu
Ende waren. Nach 6 Wochen wurde der Leistungszuwachs mittels Wiederholung des
Laktatstufentests auch objektiv nachgewiesen. Meine zweite Kurve verlief
drastisch flacher, der Anstieg in den anaeroben Bereich begann erst wesentlich
später.
Mein Laufprogramm war hart, manchmal qualvoll, körperlich meine ich. Die mentale
Belastung empfand ich aber als noch härter. Dazu trugen nicht nur die
hartnäckigen Selbstzweifel nach gelegentlichen Misserfolgen und ständigem
Schwächeempfinden bei. Wer mich auf dieser Homepage häufiger gelesen hat wird
wissen, dass ich Übertreibungen zu vermeiden suche. Daher mag man mir die
folgende Äußerungen glauben: Zur „Hölle“ missrieten Trainingseinheiten, wenn
mein stärkster Gegner, der Winter, sie häufig zu verhindern suchte. Über Monate
waren Wald- und Feldwege unbrauchbar, entweder eisglatt oder schneebedeckt
(manchmal bis in Kniehöhe). So blieben mir nur die langweiligen Straßen und
Radwege. Beißende Minusgrade, verschärft durch eisigen Wind oder schmerzende
Schneekristalle auf Wangen und in den Augen, ließen mich nicht selten laut
fluchend durch die Gegend rennen … Und selbst der Asphalt wurde häufig zur
gefährlichen Rutschbahn, wenn gefallener Schnee nicht rechtzeitig geräumt oder
getaut war. Meine liebe Frau, selbst Läuferin, wusste aus eigenem Erleben,
welchen Unbilden ich da ausgesetzt war.
Wahrscheinlich habe ich ihre Geduld mit
meiner Übellaunigkeit bzw. ausgeprägten depressiven Stimmungen diesem Umstand zu
verdanken …
Dennoch ging es aufwärts. Neben der Leistung verbesserte sich merkwürdigerweise
auch der Zustand meiner diversen Wehwehchen. Achillessehnen und Spreizfuß rechts
stellten ihre Proteste zurück, verstummten irgendwann völlig. Das kann ich bis
heute nicht fassen. Zwei Halbmarathontestläufe in persönlicher Bestzeit gaben
mir zusätzlichen Auftrieb. Besonders das zweite Ergebnis von 1:25:53
(Bischofswerda, siehe „Andere Läufe“), nach stetem Auf und Ab in sächsischen
Wäldern, schien mir ein mögliches Sub3-Ergebnis für Prag zu signalisieren …
Von Verletzungen blieb ich leider nicht ganz verschont: Ein paar extreme
Gefälleabschnitte auf der HM-Strecke von Bischofswerda sorgten für heftige
Stauchungen der Wirbelsäule. In Verbindung mit Kälte und Wind blieb ein übler
Schmerz im Lendenwirbelbereich zurück. Zum Glück schränkten die Beschwerden mich
läuferisch nicht ein, weil sie hauptsächlich nach dem Lauf- oder Krafttraining
einsetzten. Rechtzeitig vor Prag verschwanden sie zum Glück völlig.
In der letzten Woche vor dem Lauf, auf dem Weg nach Prag und in Prag hatte ich
das Gefühl „Sub3 ist möglich“. Ich glaubte an meine Chance und hoffte auf gutes
(= kühles) Wetter und tolle Tagesform …