Sonntag, 9. April 2017

Ein guter Tag zum Laufen   -   50 km-Lauf Ebershausen 2017

Ungewöhnliches Handeln eines routinierten Läufers: So spärlich gefüllt war meine Lauftasche noch nie. Ihr Inhalt deckt Notfälle ab, „postfinales“ Duschen und sauberes Wiedereinkleiden. Sonst Fehlanzeige. Seit Tagen wird die Wetterprognose „blauer Himmel und Wärme“ mit hundert Prozent Wahrscheinlichkeit wiederholt. Wozu dann Alternativen im Gepäck? - Und so ein „Startfoto“ habe ich auch noch nie geschossen! Keine ungeduldig wartenden, vom Starttor eingerahmten Läufer, stattdessen eine prachtvoll blühende Magnolie unweit der Startlinie. Heute stehen alle Signale auf Frühling, auf warme Jahreszeit, verheißen „Udos Laufwetter“. - Ein guter Tag zum Laufen!

Alles scheint heute zu passen. Nur 40 Läufer treten zu den 50 km von Ebershausen an und sicher ein Viertel davon kenne ich. Entweder vom Sehen oder persönlich. Mein diesjähriger „Dauerschatten“ steht selbstverständlich auch im Pulk: Roland. Vor einer Woche gingen wir nach sechs Stunden Rundendrehen in Ottobrunn zufrieden unserer Wege, um uns nun hier in Ebershausen gleich wieder zu „duellieren“. Na ja, wär’s echtes Klingenkreuzen, ich läge längst blutend darnieder, angesichts der bestechenden Form und läuferischen Überlegenheit, die Roland so früh im Jahr schon mehrfach bewiesen hat. Neben ihm steht Franz, der ein paar Jährchen mehr auf dem Buckel hat als ich, dafür den Zielstrich um einige Minuten früher überschreiten wird. Anscheinend sind in diesem Jahr alle schneller als ich - aber ich greife vor. Franz und Roland laufen für die LG Ultralauf, eine bundesweite Läufergemeinschaft (früher LG DUV). Als Dritten im Bunde - sie könnten sogar eine Mannschaft stellen, wenn es denn eine Mannschaftswertung gäbe - rekrutierten sie Konrad, den ich seit vorhin gleichfalls zu meinen Bekannten zählen darf. - Gebt mir noch ein paar Jahre Läuferdasein, dann kenne ich halb Lauf-Deutschland …

Völlig überraschend lief ich Ramin in die Arme. Was für eine Freude! Wir lernten uns erst letztes Jahr kennen, sahen uns seitdem nicht oft und haben doch - nur der Läuferhimmel weiß warum - einen Narren aneinander gefressen. Dabei könnten zwei Laufschuhträger unterschiedlicher nicht sein: Ramin ist jung und schnell und ich … Ein paar der übrigen Gesichter sind mir vertraut, zu manchen wüsste ich was zu sagen, zu anderen nicht.

Wie erwähnt: Beste Voraussetzungen, damit Udo in ein paar Stunden wundervolle Lauferinnerungen nach Hause kutschieren kann. Apropos Zuhause: Ebershausen liegt vergleichsweise vor meiner Haustür. Zumindest, wenn ich die üblichen Autotouren zu meinen Marathons und Ultras als Maßstab nehme. Eine Dreiviertelstunde gemütliche Überlandfahrt, dann langte ich in Ebershausen an, in der beschaulich bayerisch-schwäbischen Provinz nahe Krumbach. Und falls du auch dieses Kleinstädtchen nicht kennen solltest: Etwa 40 km Luftlinie südwestlich von Augsburg schickt der Starter gegen 9:10 Uhr das muntere Häuflein Ultras auf die Reise.

Die „Reise“ besteht aus 10 Runden à 5 Kilometer, bestzeitenfähig, da vermessen. 50 vermessene Straßenkilometer findet man nicht allzu oft in Deutschland. Schon gar nicht in der Nähe von Augsburg. Eigentlich schade, dass sich nicht mehr Läufer an diesem bildschönen Frühlingssonntag eingefunden haben. 10 Runden, zumal auf der Straße, klingt ziemlich „ätzend“ und nach bohrender Langeweile. Vielleicht schreckt das den einen oder anderen Ultra ab. Mich nicht. Einen erfahrenen 6/12/24-Stundenlauf-Rundendreher vermag keine Streckenführung zu erschrecken, außerdem hat die Ebershausener Runde wunderschöne Ansichten zu bieten - aber dazu komme ich noch.

Zunächst kann ich dir nicht ersparen - wie in jedem der bisherigen Laufberichte 2017 - ein höchst unerquickliches Thema anzureißen; auch wenn das keinen mehr anödet als den Gehandicapten selbst: Ich „habe“ Achillessehne und Ziehen im Oberschenkel hinten, beides im linken Bein. Opti- und pessimistische Gedanken wechseln im Takt der Wahrnehmungen. Auf sechs Stunden Ottobrunn folgten erstaunlicherweise zwei nahezu beschwerdefreie Trainings. Die letzte Einheit, am Donnerstag, forderte 6 x 1.000 m harte Intervalle. Oh, ich hasse Intervalle! Dennoch war ich erfreut, endlich mal nur solche Pein zu spüren, die von heftigem Ringen um Ausdauer herrührt. Dass mir die Zündung orthopädischer Knallfrösche, die mir in letzter Zeit häufiger Lauferlebnisse vermiesen, an diesem Tag erspart blieb.

Die Quittung wurde mir am Tag danach ausgestellt. Wieder Eis, Eis, Eis, Quark, Quark, Quark. Die gute Nachricht ist: Mit seinen Hausmittelchen ringt Siegfried den Drachen alsbald nieder. Aber wie man das von Ungeheuern nun mal kennt: So lange sie leben, sind sie unberechenbar. Man weiß nie, wann sie fauchend wieder hervorschnellen, um dem Helden neuerlich zuzusetzen …

Die Runde beginnt mit einem Schlenker im Dorf: Kurz strebt die Meute der Dorfmitte zu, um alsbald links abzubiegen. Nun moderat hinab, über den Haselbach, weitere 100 m sachte hinan, dem Dorfrand folgend, schließlich neuerlich im rechten Winkel links und kaum merklich aufwärts. Abwärts, aufwärts - Orientierungen, die ich bei der Rundenbeschreibung mehrmals verwende, obschon sie, von zwei Ausnahmen abgesehen, erst zu vorgerückter Stunde spürbar bremsen werden. Eingehüllt in einschlägige Gerüche gibt ein Bauernhof als letztes Anwesen des Dorfes Geleit und kurz darauf endet Kilometer „1“ von 50. Asphaltiert zwar, jedoch eher Feldweg als Sträßchen sucht das schmale Asphaltband alsbald die Nähe des Haselbaches und folgt ihm für ein paar Laufminuten. Zuletzt neuerlich im rechten Winkel links, über ein Brücklein den Haselbach querend und leicht beschleunigend hinab. Schon jetzt irritiert mich etwas beim Queren des Bachlaufs, allerdings formt sich im Kopf noch keine Frage …

Keine hundert Meter weiter gewinnt der Weg beachtlich an Steigung, allerdings nur für etwa zwanzig Meter, um schlussendlich rechtwinklig in eine Straße zu münden. Der folge ich nach rechts und habe auf beginnender Wendestrecke das Dorf im Rücken. Der nächste Abschnitt wird vom entgegen kommenden Hauptfeld des 10 km-Laufs belebt, das bereits um 9 Uhr, also zehn Minuten vor uns, die Runde in Angriff nahm. Angrenzender Nadelwald wirft für ein paar hundert Meter seinen Schatten auf Straße und Läufer. Morgendliche Kälte umfängt mich, trotzdem hält sich mein Frösteln in Grenzen. Das ist vermutlich dem herrlichen Ausblick über die sattgrüne, von der Sonne geflutete Wiesenmulde geschuldet. Darüber spannt sich ein Himmel in ungetrübtem Blau, der das Seine tut, um das Versprechen „Frühlingstag“ einzulösen. Zwei Steinwürfe querab mäandert besagter Haselbach durch die Au. Meist bliebe er unsichtbar, wenn begleitende Erlengewächse seinen Fluss nicht verrieten. Naturidylle pur - wären da nicht die heute gesperrte Straße und auf ihr grellbunte, hin und her strebende Farbkleckse.

Flach und mühelos dahin, wieder in wärmendem Sonnenlicht gebadet, die Tafel mit der „2“ ebenso passierend, wie Sekunden später eine von einer Hecke umfriedete Kapelle. Obwohl, Kapelle wäre zweifellos eine Kategorie zu hoch gegriffen. Doch eher ein massiver, gemauerter Bildstock, ein „Marterl“, wie man in Bayern sagt. Eine Minute später tauche ich abermals in morgenfrischen Schatten ein. Wald säumt nun eine Weile beidseits der Straße meinen Weg. Und den Beginn der einzigen, einigermaßen kraftzehrenden Steigung, kann man nun auch schon erkennen. Zwei, drei Minuten trabe ich den Buckel aufwärts, dann flacht die Straße ab und das Ende des Waldstücks kommt in Sicht. Hinterm Waldsaum fehlen noch etwa 200 Schritte bis zur Wende.

Ein Campingtisch mit flüssiger Verpflegung, davor keilförmig angeordnet Pylone, dahinter ein überaus freundlicher und zuvorkommender Helfer. In jeder Runde werde ich einen Becher greifen oder gereicht bekommen, jedes Mal ermuntert von freudigem Kommentar und mit guten Wünschen weiter geschickt. - Zurück im Wald lasse ich die „3“ hinter mir. Die Tafel steckt zwischen blühenden Buschwindröschen. Kleine weiße Sternchen, auf braun-welkem Untergrund aufblitzend … Abwärts und merklich schneller. Pure Notwendigkeit, denn in Höhe der „3“ zeigt die Uhr mehr als 18 Minuten an - zu viel, wenn ich mein Zeitziel verwirklichen will.

Vor und hinter der Wende taxiere ich das Feld. Viele sind mir voraus, kaum mehr als eine Handvoll LäuferInnen folgen mir nach. Ein vorhersehbarer Umstand bei lediglich 40 Teilnehmern und meinem eklatanten Formrückstand. Die Erkenntnis mogelt sich heimtückisch zwischen meine Gedanken: Selbst wenn das in künftigen Wettkämpfen wieder anders werden sollte - gewöhn dich schon mal dran, Udo! Höchstens ein paar Jahre noch, dann wirst du jedes Mal hinter deinen Mitläufern her und vor dem Besenwagen davon laufen. Wahnsinn, wie schnell das ging: Vor 15 Jahren der erste Marathon, mit über 50 gelangen mir in fast jedem Wettkampf persönliche Bestleistungen, in Altersklasse M55 noch weit über 200 km in einem 24h-Lauf, vor drei Jahren meine Sternstunde auf der 100 Meilenschleife rund um Berlin, letztes Jahr die Ultra-Krönung mit dem „Spartathlon“, und nun fühle ich mich alt … Nein, das ist nicht präzise genug ausgedrückt: Mein aktuelles „Hinterherlaufenmüssen“ gibt mir einen Vorgeschmack auf die Zukunft. Wie es sein wird, wenn das fortschreitende Lebensalter mich nach und nach auf hintere Ränge verweist …

Der Wald bleibt zurück. Frei schweift der Blick nun wieder über ein Stück der reizvollen, weithin unbekannten Hügellandschaft zwischen Lech und Iller. 50 km auf 10 identischen Runden abzuspulen entspricht nicht unbedingt dem Traum eines Ultraläufers. Angesichts einer solch attraktiven Schleife und bei Kaiserwetter kann man das allerdings verschmerzen. Frühlingsgrün und Blütenzauber unter azurblauem Himmel, warme Sonnenstrahlen auf der Haut - wahrlich der falsche Zeitpunkt, um Betrachtungen übers nahende läuferische Altenteil anzustellen. - Zum zweiten Mal vorbei am Bildstock dem nahen Waldrand entgegen. Anders als vorhin fühlt sich die Luft in seinem Schatten eisig an. Vielleicht, weil sich meine Haut inzwischen mit einem Schweißfilm überzogen hat. Freudig begrüße ich die Tafel mit der „4“ und kurz darauf die wärmende Sonne.

Vorbei am Abzweig, dessen kurzes, steiles Schlusstück einige der schnelleren Männer gerade in beachtlichem Tempo empor spurten, bevor sie auf die Straße einschwenken und mit Kurs Wende hinter meinem Rücken verschwinden. Eine mit den Beinen kaum wahrnehmbare Kuppe liegt nun noch zwischen mir und dem Ziel. Den hübschen Dorfweiher links liegenlassen, dann ist es so weit: Ein leiser „Piep“ bestätigt meine Rundenmessung und auf der Uhr lese ich 29 min ab. - Ein eiliger Schluck Wasser am Verpflegungstisch und ohne Halt weiter, in Runde zwei …

29 Minuten - ich muss also auf den letzten beiden Kilometern mit einer Pace von etwas weniger als 5:30 min unterwegs gewesen sein. Verständlich, denn die Anstiege liegen alle auf den ersten 3.000 Metern. Dennoch ist mir nicht wohl dabei, weil 5:30 min/km zu viele Körner kosten. Immerhin verfüge ich jetzt über ein Zeitguthaben von 1 Minute. Wie, was? - Ach ja, ich vergaß mein Tagesziel zu erwähnen. „Eine Sekunde unter fünf Stunden“ würde mich Jubelgesänge anstimmen lassen. Ob ich allerdings einen Durchschnitt von 6 min/km selbst bei guter Tagesform über so lange Zeit bereits durchstehen kann, bleibt ungewiss. Vor einer Woche in Ottobrunn ging das etwa drei Stunden lang gut, dann kam der Einbruch. Mal sehen, wie weit mich die Kräfte heute tragen …

Das Dorf bleibt zurück und ich trabe mutterseelenallein durch die von bäuerlicher Viehwirtschaft geprägte Landschaft. Lichtreflexe zwischen vertrocknetem Schilf zu meiner Linken stammen vom Haselbach. Frühes Grün sprießt zaghaft an Uferbüschen. Auf der anderen Wegseite, im Auslauf eines sanften Wiesenrückens und stückweit entfernt, mustern mich zwei Kühe mit Unverständnis. Jahr ein, Jahr aus rennen hier kaum Zweibeiner durch die Gegend und heute ständig welche … Abbiegen, die Brücke über den Bach nehmen und für ein paar Meter hinab … wieder erfasst mich leichte Verwirrung, doch diesmal als Frage formuliert: Fließt ein Bach nicht eigentlich am tiefsten Punkt eines Tales oder einer Mulde? Wieso liegt dann der Wiesengrund jenseits der Brücke tiefer?

Wichtigeres verdrängt Rätselhaftes: Sowohl Achillessehne als auch Ziehen im Oberschenkel hinten links machen sich bemerkbar. Kein Schmerz, nicht einmal „wirkliche“ Beschwerden. Wie drücke ich mich bloß verständlich aus? - Ich spüre die Instabilität, die Angegriffenheit, im linken Bein. Wird sich diese Wahrnehmung wieder geben oder von Runde zu Runde verstärken? Wirklich ein guter Tag zum Laufen?

Zum zweiten Mal nehme ich die Parade der Freunde und Bekannten ab. Als erster und freudig grüßend zischt Ramin vorbei. Der scheint sich für heute einiges vorgenommen zu haben. Roland und in seinem Windschatten Konrad folgen alsbald und schließlich der kleine, zähe Franz. Klein von Wuchs aber - das zeichnet sich zu dieser frühen Stunde schon ab - mit großer Leistung. Und das mit 67 Lenzen …

Die Runden zwei und drei verbringe ich mit Laufen und Schauen, Schauen und Laufen. Und zwischendurch immer wieder mal mit Bangen, ob sich das „Klappern im Fahrwerk“ zur Havarie auswachsen wird. Nach diesen ersten anderthalb Stunden ist in dieser Hinsicht jedoch noch keine Entscheidung gefallen. Auch nicht, was die Pace betrifft. Die vermag ich einstweilen ohne Schwierigkeiten zu halten. Mit etwa anderthalb Minuten Zeitguthaben passiere ich zum dritten Mal die Ziellinie. Anderthalb Minuten - neunzig Sekunden sind viel, wenn man sie aufholen muss, aber so gut wie nichts, wenn vorzeitig einsetzende Ermüdung die Beine lähmt.

Kraft tanken im Zielbereich: Gel einwerfen und Wasser hinterher schütten. Eigene Gelvorräte liegen bereit, ich greife jedoch auf das vom Veranstalter angebotene Präparat zurück. Wegen ihres erträglichen Geschmacks, habe ich die Marke früher selbst verwendet. Leider sind die Gelpäckchen dieser Sorte schwieriger zu handhaben. Klebrige Finger drohen - Eingeweihte werden wissen, was ich meine. Doch Gel ist teuer. Cirka ein bis zwei Euro legt man für eine Portion auf den Ladentisch. Da ich heute sportlich keine Bäume ausreißen will und mich fünf Stunden klebrige Finger nicht erschrecken, verzichte ich mit Blick ins Portemonnaie aufs leichtere Handling meiner Marke.

Runde vier, fünf und sechs: Die Quecksilbersäule dürfte sich inzwischen nach der 20°C-Marke recken. Dennoch müsste ich lügen, würde ich behaupten die Lufttemperatur als „laufhinderlich warm“ zu empfinden. „Angenehm warm“ und „im Schatten immer noch kühl“ sind Attribute, die mein Empfinden ziemlich genau beschreiben. Ich bin pro Runde ein paar Sekunden langsamer geworden. Keine Ahnung warum, auf Wärme und Sonne führe ich es sicher nicht zurück. Im Grunde weiß der Realist in mir längst, das ich das Tagesziel verfehlen werde. Ich laufe am Limit. Nicht in der Form, dass ich hart kämpfen müsste. Jedoch so, dass eine auch nur geringfügig erhöhte Schrittfrequenz den baldigen Einbruch zur Folge hätte. Woher ich das weiß? - Laufgefühl! Und dasselbe Laufgefühl spricht auch davon, dass ich im gegenwärtigen Tempo keine weiteren 20 Kilometer sammeln werde.

Wenig erfreuliche Aussichten, die mir allerdings den schönen Tag nicht verleiden. Gefühltes ist Ungewisses und Ungewisses lässt sich lange Zeit verdrängen. Ich flüchte mich in eine einfache Formel: „Wenn ich Runde 10 mit einer Minute Zeitguthaben angehe, dann werde ich es schaffen!“ Ganz und gar erfreuliche Signale erreichen mich aus der Abteilung „Orthopädie“. Es mag merkwürdig klingen, aber nach 3, 4 Runden zum „Einlaufen“ spüre ich meine Sehne nicht mehr und das Ziehen im Oberschenkel hat sich gleichfalls in azurblaue Luft aufgelöst … Also absolut kein Grund für Miesepetrigkeit in Sicht.

Zur guten Stimmung tragen auch die steten Begegnungen mit Ramin, Roland und Franz bei. Manchmal begegnen wir uns sogar auf jeder Runde zweimal. Ich hoffe ausreichend Lächeln und motivierende Gesten bereitzustellen, um den anderen für die erhaltene Aufmunterung zu danken. - En passant: Franz demonstriert in Sachen Temperatur andere Empfindungen als ich. Inzwischen präsentiert er sich dem strahlenden Zentralgestirn mit nackter Heldenbrust …

Es ist mir tatsächlich gelungen ein Läuferpaar - sie und ihn - zu überholen. Auch ein einzelner Läufer musste seinem anfänglich hohen Tempo Tribut zollen und blieb hinter mir zurück. Bei gerade mal 40 Mitläufern, von denen ich sehr lange Zeit niemanden vor mir sah, finde ich das durchaus erwähnenswert. Wie auch mein verfrühtes „Frohlocken“, als ich ein über einige Kilometer verfolgtes, zweites Mixed-Duo infolge kürzeren Verpflegungshalts hinter mir lasse … Verfrüht, weil „Er“ vom Duo gleich darauf lockeren, sozusagen entfesselten Schrittes wieder an mir vorbeizieht. Anscheinend hat sich seine „Fußfessel“ entschlossen ihr läuferisches Heil von nun an solo und geruhsamer zu suchen (wie sich später zeigen wird, musste die Dame aufgegeben).

Weitere Platzierungserfolge ergeben sich nicht. Übrigens auch, weil elf Teilnehmer vorzeitig den Wettkampf beenden müssen. Darunter auch der lange Zeit Führende. Elf von Vierzig - eine Ausfallrate, deren Größenordnung in Richtung Spartathlon tendiert und wohl auch auf einen der dort ursächlichen Einflüsse zurückzuführen ist: Wärme.

Doch, ja, auch ich empfinde inzwischen die Temperaturen als belastend; weniger die der Luft, als die Unbarmherzigkeit, mit der meine gleißende Freundin mir in den letzten Runden einheizt. Schatten findet sich seit einiger Zeit auf keinem Streckenabschnitt mehr. Selbst die kurze Passage im noch kahlen Laubwald, kurz vor der Wende, bietet kaum mehr Gelegenheit zur Abkühlung. Schweiß fließt reichlich und in der vorletzten Runde werden meine Beine schwer und immer schwerer. Wie viel davon Helios’ Wirken verschuldet und was auf das Konto meines unzureichenden Ausdauerzustandes geht, vermag ich nicht zu sagen. Da mich Sonne und Wärme zumindest mental sogar unterstützen, taugen sie eher nicht als Ausrede …

Schwere Beine in der vorletzten Runde also und der Eindruck stetig langsamer zu werden. Allerdings lehrt Erfahrung, dass Letzteres nicht unbedingt stimmen muss. Ich kämpfe mich an der Kilometertafel „1“ vorbei, schließlich an der „2“ und ignoriere die Uhr. Will mich von möglichen „schlechten Nachrichten“ nicht vorzeitig demotivieren lassen. Erst nach der vorletzten Wende, kurz vor Kilometer 43 entschließe ich mich der „Wahrheit“ ins Auge zu sehen. Nach kurzem Kopfrechnen hoffe ich auf einen Wert unter 4:18 h, das entspräche dann exakt einer Pace von 6 min/km und ließe mein Tagesziel am Leben. Ein paar Schritte noch, ein Blick und … aus! Mit 4:18:30 h bin ich schon jetzt eine halbe Minute verspätet.

Bergab hinter der Tafel mit der „3“. Die Unfähigkeit das leichte Gefälle in deutlich höheres Tempo umzumünzen lässt kurzzeitig und verzweifelt sprudelnde Gedanken an ein „finales Aufbäumen“ versiegen. Ich habe nichts mehr zuzusetzen, außerdem schmerzen meine Füße bei jedem Schritt. Was mich fast noch mehr lähmt sind mögliche Reaktionen von Sehne und Pobacke, falls ich das Unmögliche versuchen würde. Erschöpfung und Vernunft reden mir alle Flausen aus und ich füge mich.

Die Straße ist wie leergefegt. Kein Wunder, denn einige schnellere Läufer sind bereits im Ziel. Darunter auch Ramin, dem ich vorhin anlässlich der letzten Überrundung im Scherz drohte: „Wehe du wirst langsamer!“ Das Laufen fällt mir körperlich schwer, mental dagegen leicht. Klingt das widersinnig? Natürlich läge ich jetzt gerne dort drüben im Gras, aalte mich in der Sonne und tränke mit Genuss ein Bier. Aber es macht mir auch nichts aus diese letzten 4, 3, 2 Kilometer noch mitzunehmen. Schaut euch dieses wunderbare Frühlingswetter an! Wer weiß, wann ich wieder so gute Laufbedingungen vorfinden werde.

Letzte Wende und nun sozusagen nur noch abwärts, zwei Kilometer bis ins Ziel. Auf der langen, von der Sonne gefluteten Gerade findet mein suchender Blick fast niemanden mehr. Ein Läufer tippelt mir entgegen, dann noch einer … Niemand sonst mehr hinter mir? Irgendwie kann ich mir das nicht erklären (dass elf Teilnehmer aufgaben, erfahre ich erst später). Einerlei. Der Blick auf die Uhr samt kurzem Kalkül mündet dennoch in Zufriedenheit. Vermutlich werde ich mit vier, fünf Minuten über Tagesziel finishen und damit auch nur etwa 10 min langsamer sein als vor drei Jahren an gleicher Stelle. Und damals kreiste ich in bereits wesentlich besserer Form.

Letzte Meter, noch einmal die sanfte Kuppe, die sich nun überhaupt nicht mehr sanft anfühlt, auf tonnenschweren Beinen vorbei am Dorfteich und schließlich durchs Ziel. Dort erwartet mich das Triumvirat Roland, Franz und Konrad zum Abklatschen …

Ergebnis: 5:04.29 h

Rundenzeiten:

1: 28:58, 2: 29:47, 3: 29:36, 4: 30:10, 5: 32:12,

6: 29:23, 7: 29:54, 8: 29:54, 9: 30:30, 10: 34:01

 

Fazit zur Veranstaltung

Alle organisatorischen Belange wurden mit Sorgfalt und zur vollsten Zufriedenheit der Läufer umgesetzt. Freundliche Helfer drücken der Veranstaltung ihren Stempel auf. Negative Kritik: Fehlanzeige.

Der 5 km-Rundkurs weist zwar einige Höhenmeter auf (übrigens - und das nicht nur nach meiner Auffassung - einige mehr als die 10 in der Ausschreibung genannten), schont aber durch asphaltiertes Geläuf die Kräfte. Zuschauer fehlen, dafür entschädigt idyllische Natur. Ob man 10 x 5 km als langweilig empfindet oder nicht, ist eine Temperamentsfrage und vermutlich auch von der Tagesform abhängig.

Fazit: Auf jeden Fall wieder!

 

Wir über uns Gästebuch Trekkingseiten Ines' Seite Haftung
logo-links logo-rechts

zum Seitenanfang