TÜV-geprüft?  –  Indoor Marathon Nürnberg 2014

Um als Jäger und Sammler unter freiem Himmel zu überleben, war das Wesen Mensch dereinst gezwungen seine Fähigkeit der aufrechten Fortbewegung zu perfektionieren. Mit dieser Ausstattung leben wir noch immer und deshalb belegt dieser Marathon auf der nach oben offenen Skala läuferischen Wahn- und Widersinns einen Platz in der Spitzengruppe: 42.195 Meter, verteilt auf 55 Runden, sind in den Räumlichkeiten des TÜV Rheinland zu absolvieren. Pro Umlauf also ungefähr 765 Meter, davon etwas mehr als die Hälfte im Erd-, der Rest im Kellergeschoss. Richtig gedacht: Pro Runde einmal durch ein Treppenhaus runter und in einem anderen wieder rauf*. Insgesamt also „110 Treppenhäuser“, die einen von Runde zu Runde heftiger „anzählen“. Übrigens weniger der etwa 450 Höhenmeter wegen, doch davon später mehr …

*) Eine Transportvorrichtung zum „Beamen“ würde die Läufer vor der Nutzung der höchst engen Treppenhäuser bewahren. So ein Apparat wurde zwar bereits vor über 30 Jahren für Raumschiff Enterprise entwickelt, in irdischen Gefilden jedoch vom TÜV Rheinland zur Personenbeförderung nicht zugelassen …

Niemand zieht im Haus des TÜV Rheinland zu Nürnberg die Laufschuhe an, um eine persönliche Bestzeit zu laufen. Und sicher nur sehr wenige, um einen der Wettbewerbe (Marathon, Halbmarathon, Marathonstaffel) zu gewinnen. Viele laufen hier, weil der Indoor Marathon bunt, laut und „crazy“ ist – ein „Event“ also –, mithin alle Voraussetzungen zum läuferischen „Abfeiern“ erfüllt. Auch viele der üblichen Verdächtigen geben sich ein Stelldichein. Deren Problem: Die Outdoor-Saison liegt in den letzten Zügen. Nur noch wenige Veranstaltungen finden im November statt und meist zu weit entfernt, um zu tun, was Marathonsammler nun einmal tun „müssen“. Da kommt so ein dem Wetter entrückter, ziemlich „bekloppter“ Lauf über Korridore gerade recht.

Je bizarrer der Laufjob, umso begehrter die Startplätze. Von denen gibt es nur je 60 für Marathon und Halbmarathon, hinterlegt mit einer (vermutlich langen) Warteliste. 120 Einzelteilnehmer plus ein paar Staffeln – mehr Menschen vermag der Kurs nicht zu kanalisieren. Die eigentlichen Nadelöhre bilden die engen Treppenhäuser, in denen man – Regel 2 von 2 – „bitte“ nicht überholen soll. Regel 1 von 2 steuert den Verkehr auf den Fluren: Rechts laufen und links überholen.

Wie so oft, habe ich keine genaue Vorstellung davon, was mich in den nächsten Stunden erwartet. Flair, Räumlichkeiten, das notgedrungen unbekannte Drum und Dran meine ich damit aber nicht. Im Dunkeln tappe ich vor allem hinsichtlich der Frage, wie mich die Besonderheiten dieses Laufs fordern werden. „Indoor“ ist der Sauerstoffgehalt der Luft deutlich geringer als draußen. Allein dieser Umstand wird schon einen gewissen Teil meiner Ausdauer blockieren. Und wie wird sich dieser eigenwillige Treppenhaus-Rhythmus auswirken? Zwar habe ich vorgesorgt und Treppenläufe in mein Training eingebaut. Allerdings erst sehr spät, weil eine beginnende Erkältung und zuletzt die „Wadengeschichte“ vom Bestzeitmarathon in München das Training einschränkten. Um einem kapitalen Muskelkater vorzubeugen, wird es jedoch reichen, dessen bin ich sicher.

Um Viertel vor elf steht das Läufervolk fixfertig im Foyer und folgt der Moderation von Markus Othmer. Dessen Stimme kennt hier jeder. Lange Jahre Radiosprecher bei „Antenne Bayern“, wechselte er später zur öffentlich-rechtlichen Konkurrenz von „Radio Bayern 3“ und moderiert seit 2005 auch die Sendung „Blickpunkt Sport“ im Bayerischen Fernsehen. Ehrende Worte findet er vor allem für den mit 74 Jahren ältesten Teilnehmer, Friedrich Hinkel, der an diesem Tag seinen 299. Marathon bestreitet. Ich unterdrücke den Impuls mir auszurechnen, wie lange ich wohl noch laufen müsste, um diese beeindruckende Zahl zu erreichen … Quirliges, gut gelauntes, buntes Durcheinander um mich her. Kostümierte werden von zahlreichen Objektiven aufs Korn genommen und zahllose Blitze zucken durchs TÜV-Gebäude. Sogar das Bayerische Fernsehen hat ein Team geschickt. Medienpräsenz en masse bis hin zum Fernsehen? Für eine Laufveranstaltung mit grob geschätzt 200 Teilnehmern? Allein dieser Umstand verdeutlicht die Extravaganz des Geschehens. Die Kostümierung kommt einem Teilnehmer zwei Tage zu früh – „Fasching beginnt doch erst übermorgen!?“ – entspricht aber dem ausdrücklichen Wunsch der Organisatoren: Zum 10. Mal geht der Indoor Marathon heute über die beengte Bühne und man will richtig „Party machen“.

Einweisung durch den Veranstalter: Kaum jemand hört richtig zu. In meinem Kopf hallt schon einer seiner ersten Sätze lange nach: „Ihr habt das ganze Jahr hart trainiert, um nun hier euren Marathon zu laufen!“ – Ist das so? Kann ich mir nicht vorstellen. Das Gros der Teilnehmer läuft hier sicher nicht den ersten Marathon in diesem Jahr. Und einige vielleicht nicht mal den letzten … Wenn ich mir alleine die lange Liste derer ansehe, die ich kenne … Da ist zunächst der für „marathon4you“ schreibende Anton aus Neuburg. Auch „Mister Marathon aus Österreich“ ist zugegen – so nennt ihn Kraxi, Gerhard Wally heißt er und mehr als 500 Marathonkerben trägt er bereits im Gebein. Dann Martin aus meinem Verein, der heute sein 100. Finish feiern wird. Michael und seine Lebensgefährtin Sonja (Vorjahressiegerin hier beim Indoor Marathon), ebenfalls von der TG Viktoria Augsburg, beide leistungsstarke Ultras. Später treffe ich Volker, den Veranstalter des Schaichtal Marathons und überhole „Lionheart“, den Dauerläufer im Lederhut, der nie so genau weiß, zum wievielten Mal er auf Marathonkurs unterwegs ist – jedenfalls gab er das, wie immer ohne Punkt und Komma redend, zum Besten, als ich ihn beim Obermain Marathon inmitten einer Traube Läufer überholte (oder war’s vorletztes Jahr beim 6h-Lauf in Fürth?). Und wie bei jedem Marathon trägt auch jemand stolz den gelb-roten Dress des 100-Marathon-Clubs durch die Hallen des TÜV. Diese Liste der Viel-und-Oft-Finisher ließe sich sicher noch eine Weile verlängern …

Genug geredet und fotografiert

Endlich soll’s losgehen. Der Veranstalter schickt die Halbmarathonis zum Start in den Keller und uns samt Staffelstartläufer ums Eck. Ein Schwarm guter Laune schlendert ein paar Meter entgegen Laufrichtung den Flur entlang, bis hinter die mit Klebeband markierte Startlinie. Gute Wünsche verstärkt von einem sanften Klaps werde ich an Michael und Sonja los, dann stelle ich mich ein paar Meter weiter hinten mit dem Rücken an die Wand. Klein machen, Rücksicht nehmen, niemand behindern. Unvermittelt rennt man „vorne“ los und der Rest des Marathonvolks folgt mehr oder weniger überrascht hinterdrein …

So erlebe ich die erste Runde: Links ums Eck, zwei Sekunden später die Bügel der Messeinrichtung passierend, in leichtem Schlingerkurs durchs Foyer, nach 30 Metern an der Leinwand mit der Rundenanzeige vorbei (alles dunkel, da wird noch aufgebaut), ums Treppenhaus und den gläsernen Aufzug in engem Zirkel, vorbei an applaudierenden Zuschauerspalieren, zurück durchs Foyer, abtauchen in den Erdgeschossflur, nach gut einer Minute Geradeauslauf am ersten Treppenhaus ankommen, im Stau der Leiber noch super-leichtfüßig die Stufen hinab, auf halber Höhe Absatz samt 180°-Kehre und weitere Stufen „downstairs“ nehmen. Die enge Tür „spuckt“ mich auf den Flur im Kellergeschoss, hier nach rechts, keine 200 Meter geradeaus, dann vorm Verpflegungsbüffet im rechten Winkel links abbiegen, weitere etwa 100 Meter auf einen DJ und gewaltige Phonzahlen zu. Hier durch Treppenhaus Nummer zwei aufwärts trappeln … trepp-, trepp-, treppauf … Absatz, Kehrtwende, trepp-, trepp-, treppauf, … durch die Tür auf den Erdgeschossflur nach links, die Startlinie neuerlich queren und alsbald scharf links ins Foyer abbiegen …

Nichts einfacher als Rundenzählen!

Runde gezählt? Wieso denn nicht? wird vielleicht dein spontaner Gedanke sein. Zugegeben: Eigentlich kann nichts schiefgehen, immerhin verbirgt sich ein Chip hinter meiner Startnummer. Und ich kreiste hier als Susi Sorglos munter drauflos, wäre mir nicht Unerhörtes schon einmal zugestoßen: Eine elektronische Rundenzählung, die mich ignoriert! Das widerfuhr mir letztes Jahr, nicht weit von hier, beim 6h-Lauf in Fürth. Plötzlich fehlte eine Runde und erst nach entsprechendem Protest bei der Zeitmessfirma wurde sie mir gutgeschrieben. Also flitze ich gespannt auf die Anzeige zu und … dort sind sie mit dem Aufbau immer noch nicht zu Rande.

55 Runden. Sicher gibt es Menschen, die es schaffen diese fünfundfünfzig Runden über einen geschätzten Zeitraum von vier Stunden bombensicher und fehlerfrei zu zählen. Im Kopf zu zählen. Zeig mir einen und ich falle in Ehrfurcht vor ihm auf die Knie. Erfahrungsgemäß kann ich schon nach 5, 6 Runden meinem biologischen Datenspeicher nicht mehr vertrauen. Es geht hier um nichts als Spaß haben und ankommen. Also hatte ich mich entschlossen alles, was mit Rundenzählen und Zeitnahme zu tun hat, der Elektronik zu überlassen. Wird schon klappen …

Lost in time and space

Bei meiner Vorbereitung habe ich etwas vergessen. Und das ist wahrscheinlich sogar gut so. Ich weiß nicht, in welcher Zeit ich eine Runde absolvieren muss, um den Marathon unter vier Stunden zu laufen. Nicht, dass ich das unmittelbar so im Sinn hätte. Aber irgendeinen Referenzwert braucht man, um sein Tempo überprüfen zu können. Mein GPS-Diener darf heute in der Schublade ausschlafen, denn GPS funktioniert „indoor“ nicht. Lediglich eine Stoppuhr lasse ich mitlaufen … wofür weiß ich eigentlich selbst nicht. Vielleicht um später, etwa nach einem Viertelmarathon, eine grobe Hochrechnung anzustellen. Also jogge ich unkontrolliert drauflos … und vermag zunächst kein verlässliches Tempogefühl zu entwickeln. Das bewirken die nahen und entsprechend schnell vorbei ziehenden Wände und Fenster der Korridore. Bin ich wirklich so flott unterwegs, wie es den Eindruck hat? Ich versuche das Visuelle auszublenden und meinen „Tacho“ nur mit inneren Meldungen anzusteuern. Mehr Sicherheit gewinne ich dadurch aber auch nicht.

Nun funktioniert die Anzeige. Meinen Namen finde ich trotzdem nicht auf der Leinwand. Ehe ich die vielleicht 15 eingeblendeten Namen zu „scannen“ vermag, bin ich auch schon vorbei und schlage einmal mehr den höllisch engen Kreisbogen um den Aufzug. Na dann eben beim nächsten Mal …

Nächstes Mal: Rundenerfassung passiert und nun flugs die 30 Meter bis zur Leinwand überbrücken, damit die zahlreichen Nachfolger mein Ergebnis nicht wieder aus der Liste kicken … Vorbei am rhythmisch brasilianischen Radau – davon später mehr – und jetzt scharf hingucken: Da isser! Allerdings identifiziere ich nur meinen Namen, die Alterklasse und meine Platzierung in der Altersklasse, dann bin ich wieder vorbei …

Netter Lausbubenstreich: Das wichtigste Datum der Anzeige, die Anzahl der gelaufenen Runden – 6 sind es inzwischen – wird in nur schwer lesbarem Hellgrün eingeblendet. Daneben in hässlichem Braun (vermutlich als Rot in den Projektor eingespeist) die noch zu laufenden Runden. Aber die interessieren mich in dieser Frühphase überhaupt nicht …

Hören

Muss das öde sein: Indoor-Laufen durch Flure, Treppenhäuser und Eingangshalle eines zweckdienlichen Gebäudes. Möchte mancher meinen, stimmt aber nicht. Das schiere Gegenteil kommt der Wahrheit näher. Im Foyer gibt’s ordentlich was auf die Ohren: Für den kakophonischen Grundpegel sorgt der hinter der Absperrung versammelte Tross. Zuschauer, die mit Applaus nicht sparen und Staffelläufer, die ihren jeweils kreisenden Aktiven frenetisch anfeuern. Parliert der Bayern-3-Othmer gerade nicht, schieben einen massive Wattwerte aktueller Popmusik durch die Halle. Und wenn, was stundenlang immer wieder geschieht, die Akteure der Samba-Gruppe „Ritmo Candela“ auf ihre Perkussionsinstrumente eindreschen, haben alle anderen Sendepause. Dann blicken wir Läufer furchtsam in Richtung der hoffentlich TÜV-geprüften Decke und wünschen uns inständig sie möge nicht gerade heute einstürzen …

Diesem Spektakel entkomme ich in den stillen, mit Teppichboden ausgelegten Flur, wo nach wenigen Metern nur noch gedämpftes Füßetrappeln und kurze Kommentare zu hören sind. Kurze, seltene Kommentare, außer man überholt gerade die feuerrote Teufelin in Begleitung des pausenlos plappernden Lederhutträgers „Lionheart“. Und wenn ich pausenlos sage, meine ich pausenlos! Läuferanekdoten gibt er zum Besten, aber auch Fachliches. Gerade weist er „Diabolina“ in seine verschiedenen „Gangarten“ ein, meint fünf oder noch mehr unterscheiden zu können, je nach gefordertem Lauftempo. Das Gespräch drängt sich auf, kann mir schlecht die Ohren verstopfen. Und auch den spontanen Gedanken an Pferde möge man mir verzeihen. Die bringen es bekanntlich nur auf drei (Isländer auf vier) Gangarten, obwohl sie die doppelte Anzahl von Beinen koordinieren müssen … Eine Feststellung, die sich mir im Laufzirkus schon häufig aufdrängte, lässt das Pferdebild rasch verblassen: Wie völlig unterschiedlich LäuferInnen gestrickt sein können! Nichts wäre mir beim Laufen lästiger als längere Zeit reden oder zuhören zu müssen. Ich mag es mundfaul Eindrücke zu sammeln und meinen Gedanken die Zügel schießen zu lassen.

Auch auf dem nicht ganz so noblen Kellerflur (Bodenbelag aus genopptem Kunststoff) kann Langeweile nicht aufkommen. Durch die Fenster fällt der Blick in bepflanzte Lichthöfe und ehe der Kopf die „Wie-weit-noch-Frage“ formulieren kann, muss ich mich auch schon entscheiden: Nach dem Linksabbiegen weiter oder mal wieder einen Becher Iso vom Verpflegungstisch greifen? Anfangs lasse ich mehrere Runden verstreichen, stelle dann aber fest, dass nur ein Schluck den Becherboden bedeckt. Von da an schnappe ich mir auf jeder zweiten Runde eine Erfrischung. Mit Stolz darf ich vermelden: Parallel zu den Marathonkilometern absolviere ich auch die Geschicklichkeitsübung „Trinken in Bewegung“ erfolgreich. Das sparsame Einschenken hilft mir keinen einzigen Tropfen zu verschütten. Das schaffen nicht alle und damit ist klar, warum die Streckenverpflegung hier unten im Keller angeboten wird: Immer wieder wischen Helfer die zwanzig Meter hinter der Tränke trocken. An alles gedacht und wirklich alles gut durchdacht!

Die 100 Meter von der Tränke – hierhin überträgt ein Lautsprecher das akustische Geschehen aus dem Foyer – zum Treppenhaus bedeuten auch einen Wechsel der Beschallung. In Höhe des Treppenhauses empfängt uns ein DJ mit Dauerlächeln und rhythmisch wippenden Füßen. Auf 55 Umläufen präsentiert er 40 Jahre Pop- und Diskogeschichte … Oben angelangt brauche ich dann ein paar Sekunden, um den Krafteinsatz auf den Stufen zu verdauen und meinen Laufrhythmus wiederzufinden. Anfangs genügen dafür ein paar Meter, später reichen nicht mal die hundert Meter bis ins Foyer.

Sehen

Indoor-Laufen in Fluren eines zweckdienlichen Gebäudes muss also keinesfalls öde sein, wie die soeben mit „Zuhören“ verbrachte Runde zeigt. Die zeitgleich auf mich einstürmenden optischen Eindrücke habe ich dir dabei allerdings unterschlagen. Unter anderem die beiden kaffeebraunen, unglaublich langbeinigen Zuckerhut-Schönheiten, die den schnellen „Ritmo“ von „Ritmo Candela“ in fiebrige Sambaschritte verwandeln. „Carnaval do Brasil“ an einem grauen Novembertag in Nürnberg: Wie ist es möglich auf so hohen Absätzen nicht umzuknicken und sich die Beine zu brechen? Sind die High Heels eigentlich TÜV-geprüft?

Mehrfach in den Korridoren, jeweils effektvoll in Fensternischen platziert, trabe ich an Ausstellungsstücken vorbei: Von Kinderspielzeug, über Apparaturen, deren Zweck mir verborgen bleibt, bis hin zu irgendwelchen Bohrkernen, kann man hier TÜV-geprüftes (?) oder vom TÜV als untauglich Verworfenes (?) besichtigen. Mit Farbe wurde in diesem Gebäude wahrlich nicht gespart. Rote, blaue, grüne, gelbe Türen – nur Abwechslung oder nach einem bestimmten System lackiert? Wo Seitenflure einmünden, bilden bunte, über Eck platzierte und die komplette Wandhöhe ausfüllende Grafiken einen weiteren Blickfang. Vermutlich dienen auch sie der Orientierung.

Erst Hören und Sehen – jetzt auch noch „Spüren“

Die „Witterung“ wechselt häufiger im Verlauf einer Runde. Generell schätze ich die Temperatur auf etwa 18°C, vielleicht ein wenig mehr im Erdgeschoss. Ausreichend temperiert jedenfalls, um mir ein- bis zweimal pro Runde den Schweiß aus der Stirn wischen zu müssen. Im Foyer, in Höhe der offenen Eingangstüren, fröstele ich dagegen ein wenig und im Keller, dank gekippter Fenster, erwartet mich um zwei, drei Grad kältere, dafür sauerstoffreichere Luft als oben.

So weit die Außenwahrnehmungen. In mir drin nimmt der Marathon den üblichen Verlauf. Auf dem ersten Drittel Leichtfüßigkeit, im zweiten die ernüchternde Feststellung einsetzender Ermüdung und im dritten weicht Laufvergnügen unaufhaltsam dem Kampf um jeden Meter und jede Treppenstufe. Besonders aufmerksam lausche ich heute auf „Äußerungen“ meiner Füße. Ich nutze die Indoor-Gelegenheit zur Erfüllung des schon lange schwelenden Wunsches einen Marathon im „Nike free 5.0“ zu laufen. Für einen so schweren Läufer wie mich durchaus eine „TÜV-Sonderprüfung“, über deren Ausgang ich mir keine Vorhersagen zutraue. Im Notfall habe ich nach jeder Runde die Möglichkeit in gewohnte Treter umzusteigen. Andere zirkeln mit noch minimalistischeren Schuhkonzepten durch die Flure. Zehenschuhe konnte ich bereits erspähen und zwei die es auf die Spitze treiben: Laufen, wie die Natur sie schuf: Barfuß!

Vorerst keine TÜV-Prüfplakette

Mit der Rundenanzeige stehe ich gewaltig auf Kriegsfuß. Nachdem ich mich endlich samt korrekt gezählter Runden darin lesen konnte, ignoriert mich die Liste nach den Umläufen 11 und 12. Wie soll ich mir das anders erklären, als von Trauben nachfolgender Läufer bereits aus der Liste verdrängt worden zu sein? Immerhin trennen Messstelle und Anzeige etwa 30 Meter. Zweifel und Unsicherheit bleiben trotzdem. Und so etwas ist mit „Laufspaß“ überhaupt nicht vereinbar. Also nehme ich mir vor zu intervenieren, wenn ich beim nächsten Umlauf wieder „leer ausgehe“. Just nach dieser Runde taucht mein Name dann wieder auf in der Liste. Zu kurz allerdings, um die Rundenzahl zu lesen. Halbwegs besänftigt vollende ich Runde 14 und … wieder kein „Udo“ in der Liste. Boaaah, ist das nervig! Und so bedauere ich zutiefst keine eigene Rundenzählung vorbereitet zu haben.

Komme mir schon vor, wie das Kaninchen vor der Schlange: Erwarte gespannt das nächste Überschreiten der Ziellinie … will flugs zur Leinwand … schaffe es aber nur bis zum Zeitnehmertisch mit den Laptops … werde dort abgefangen und kommentarlos mit einer anderen Startnummer am Startnummernband umgürtet?!! Sofort ist mir klar, dass da etwas in die Hose gegangen ist. Der könnte aber wenigstens mal den Mund aufmachen und rauslassen was! Erst Nachfragen beschert mir dann die Erklärung. Kurzfassung: „Startnummer defekt, mehrmals nicht gezählt!“ Bevor ich wieder in den Wettkampf einsteige, will ich noch wissen, wie viele Runden, denn nun tatsächlich für mich zu Buche stehen. Weiß er nicht. Mitten im Sambagetöse von „Ritmo Candela“ glaube ich zu verstehen: „Lauf ein paar Runden, dann sag ich’s dir!“ – Also wird es so laufen: Sie nehmen meine nächsten Rundenzeiten und stellen dann eine Hochrechnung unter Verwendung der insgesamt bisher verstrichenen Zeit an.

Fehlerbehaftete Zeitmessung. Sollte mich einer fragen: TÜV-Plakette vorerst verweigern ... Mit zwei Startnummern auf dem Bauch – alt: 64, neu: 37 – hab ich auch noch keinen Wettkampf bestritten. Zwei Runden vergehen … drei … vier, in denen ich mir einen Spaß daraus mache bekannten Mitläufern das Zwei-Startnummern-Kuriosum als Rätsel aufzugeben. Vom Zeitnehmertisch kommt keine Reaktion. Tief stecken sie die Köpfe in die Notebooks, wie Strauße die ihren in den Sand. Einstweilen gebe ich mich mit der Anzeige zufrieden, die meine Rundenzahl nun scheinbar zuverlässig und mit plausiblem Wert abbildet …

Erstes Rechenkunststück

Für den Viertelmarathon teile ich 55 Umläufe durch 4 … Ist gleich … ist ungefähr … grob gerechnet … irgendwas knapp unter 14. Also nehme ich meine Zeit nach Runde 14 und multipliziere sie mit 4. Über das Ergebnis staune ich, bleibt die Hochrechnung auf das Finish doch rund 10 Minuten unter der Vier-Stundenmarke. Kann das sein? So schnell war und bin ich doch gar nicht unterwegs!? Zweimal überprüfe ich meine Kalkulation, suche den Denkfehler, finde aber keinen. Irgendwas stimmt da nicht …

Miserable Tagesform, dennoch passables Ergebnis

Michael hat mich bereits überrundet. Er allein. Sonja – die Vorjahressiegerin – war nicht dabei. Das ist beunruhigend, weil das Paar die meisten Bewerbe Seite an Seite durchsteht. Als ich dann zu Sonja aufschließe, ist mir klar, dass sie einen rabenschwarzen Tag erwischt hat. Vielleicht ist sie auch einfach nicht mehr in Form (so wie ich). Am Ende wird sie eine Dreiviertelstunde (!) länger gebraucht haben als im Vorjahr, aber auf einem versöhnlichen zweiten Gesamtplatz bei den Frauen einlaufen.

Zweites Rechenkunststück

Nach 27,5 Runden ist Halbzeit. Kurz vor Ende des 28. Umlaufes verdopple ich meine Laufzeit. Diesmal wundere ich mich nicht. Die Hochrechnung billigt mir zwar nur noch eine Endzeit von etwa 3:55 h zu, was jedoch meinem Laufgefühl entspricht: Ich bin langsamer geworden. Und wenn schon: Fünf Minuten sind ein gutes Zeitpolster für die zweite Hälfte. Zur Not werde ich in den letzten Runden einen Zahn zulegen, um unter vier Stunden zu bleiben.

Und schon schnappt die Zielzeitfalle zu! Im Vorhinein war ich auf keine Zeit fixiert und hätte mit vier Stunden plus x gut leben können. Nach dem halben Weg scheint Sub4h aber möglich und darum will ich es jetzt. Auch wenn ich mich dafür mit hoher Wahrscheinlichkeit werde „aufarbeiten“ müssen – wieder einmal. Kenne ich es eigentlich anders?

Um (meine) Runde 30 herum wird es auf den Fluren zunehmend ruhiger, weil die Halbmarathonis nach und nach ihr Finish feiern. Stockungen in den Treppenhäusern kommen nun kaum noch vor. Nach wie vor bewältige ich die Stiegen laufend. Erstaunlicherweise habe ich dabei abwärts keinen einzigen Stolperer zu beklagen. Koordinativ nicht herausragend begabt, führe ich das auf das „Treppentraining“ der beiden Vorwochen zurück. Aufwärts strauchele ich dagegen auf zwei Umläufen und das auch noch nacheinander. Koordinationstraining nützt nichts, wenn die Beine müde werden und man nicht aufpasst. Um ein Haar hätte mich der zweite Stolperer zu Fall gebracht. Mit dem Erschrecken schießen mir Vorstellungen von blutenden Platzwunden durch den Kopf. Die martialischen Bilder genügen, um mich selbst zur Ordnung zu rufen. Die restlichen Treppenhäuser erstürme ich hochkonzentriert, mit bewusst angehobenen Füßen und ohne weiteren Fehltritt.

Hart ist es nicht nur für mich

Runde 38, 39, 40 … ich wehre wachsenden Widerständen, erlebe die übliche Metamorphose. Laufvergnügen verwandelt sich in körperliches Bedrängtsein, bis hin zur Qual. Wer das schon erlebt hat, kennt es als stufenlosen, je nach Verfassung früher oder später einsetzenden Übergang. Mehr und mehr „Rädchen im Getriebe“ signalisieren Überlastung. Nur Erfahrung hilft zwischen „neuronalem Jammern“ und echter „Fehlermeldung“ zu unterscheiden. Ohne Leidensfähigkeit und ausreichend Willenskraft geht es dabei nicht. Bis heute vermag ich nicht „aufzudröseln“, welche der beiden Eigenschaften in welchem Umfang den Erfolg, noch weniger wie sie sich gegenseitig bedingen. Vielleicht handelt es sich auch nur um zwei Gesichter desselben geistigen Aggregatzustandes. Für mich selbst gehe ich unterdessen, also nach hundertfacher Wiederholung ähnlicher Tortur, von einem irreversiblen Handlungsmuster aus: Aushalten wollen, aushalten können, als „gespeichertes Programm“. Sturheit, die „Aufgeben“ nur als Begriff, jedoch nicht als realistische Alternative zulässt.

Beweisen kann ich es nicht, bin aber sicher: Die Treppenhäuser setzen einem mehr zu als es die eher harmlose Zahl von etwa 450 Höhenmeter auf- und abwärts vermuten ließe. Das liegt an der Steilheit (vor allem der Anstiege) samt der von Stufen fest vorgegebenen Schrittweite und -höhe. Darüber hinaus „schreddern“ die Stiegen den Laufrhythmus zweimal pro Runde. Oben oder unten angelangt beschleunigst du, justierst dein Tempo, um kurze Zeit später bereits wieder abbremsen zu müssen. Alles in allem eine sehr spezielle Laufaufgabe!

Ich kreuze aber nicht als Einzelkämpfer durch die Korridore des TÜV! Anderen ergeht es sicht- und hörbar schlechter. Schweißglänzende Nacken, zunehmend eckigere Bewegungen, unnatürlich nach vorn geneigte Oberkörper, schweres Atmen, extrem verlangsamte Bewegungen bis hin zum Gehen. Um einen bemühen sich gar pulsmessend die Sanitäter: Schwächeanfall im Foyer. Erste Runde: Sieht kritisch aus! Zweite Runde: Er bewegt sich immer noch nicht! Dritte Runde: Offensichtlich bei Bewusstsein, Arm unter den Hinterkopf geschoben, um bequemer zu liegen. Vierte Runde: Er ist weg – anscheinend wieder wohlauf!

Nix für „Mr. Spock“

Hast von der ermüdenden Entwicklung des Laufgeschehens gelesen und nun Bilder im Kopf. Sind aber unvollständig! Ergänze alles bisher Geschriebene, einschließlich Samba-Rambazamba, wummerndem Dance-Sound, kaffeebraunen, bunt schillernden Tänzerinnen – mittlerweile im Laufkanal auf Tuchfühlung mit den Läufern – und den ganzen übrigen vielfach kostümierten Laufzirkus, dann nähert sich deine Vorstellung der „absonderlichen Gesamtsituation“ …

Mir kommt da so ein Gedanke: Ich stelle mir einen Außerirdischen vor. Eine hochintelligente, streng logisch denkende Lebensform. Schon mit Emotionen begabt, aber nicht unter den Menschen eigenen Unzulänglichkeiten und irrationalen Handlungsweisen „leidend“. Charakterlich demnach ähnlich ausgestattet wie weiland das Langohr „Mr. Spock“ auf dem Raumschiff Enterprise. Seit Stunden studiert nun dieses „Alien“ – getarnt als menschlicher Zuschauer oder gar ein paar Runden mitlaufend – den Fortgang der Veranstaltung. Unterstellt – seiner mentalen Konditionierung folgend – allen Beobachtungen einen Sinn. Dem verrückten Rahmen ebenso, wie dem Verhalten der Läufer. Sinnt darüber nach, was Kostümierungen zu bedeuten haben oder das Bumm-Bumm der Sambatrommeln. Mal findet er einen Erklärungsansatz, um ihn nach der übernächsten, widersprechenden Beobachtung aufgeben zu müssen. Wendet er sich den Wettkämpfern zu, hat er daran zu beißen, dass ihre Rennerei offensichtlich keine lebensnotwendige oder die Art erhaltende Handlung darstellt. Zweckfreiheit kann er gedanklich nicht erfassen, denn das Wort gibt es in seiner Sprache nicht. Zuletzt riecht er, wie sehr sich manche Erdlinge quälen, wider ihre biologische Natur und Verfassung. Wittert fassungslos, dass sie trotzdem nicht damit aufhören. Stundenlang und hochfrequent berechnet sein Biocomputer mögliche Erklärungen und kommt zu keinem Ergebnis … Einige Sternzeiteinheiten später und zurück auf seinem Heimatplaneten hat seine Spezies den ersten Fall von Wahnsinn zu beklagen. Äonen verbrachte sein Volk in geistiger Gesundheit. Und schon der erste Kontakt mit diesen rätselhaften Wesen auf dem dritten Planeten jenes fernen Sonnensystems reichte aus das zu ändern …

Drittes und weitere Rechenkunststücke

Nach 41-Komma-Irgendwas Runden werde ich den Dreiviertelmarathon im Sack haben. Die Nachkommastellen zu berechnen übersteigt die noch verbliebene Geistes- und für diesen sekundären Zweck verfügbare Willenskraft. Also nehme ich kurz vor Ende von Runde 42 die Zeit und bin einigermaßen konsterniert: Deutlich über 3 Stunden! Wie kann das sein? Rechenfehler? Rundenfehler? Ich bin noch langsamer geworden, das steht außer Frage. Aber doch nicht so entscheidend, um von einem „Vorsprung“ auf die Sub4h-Option derart ins Hintertreffen zu geraten. Ist „unter vier“ noch möglich?

Um das herauszufinden stoppe ich eine Rundenzeit und komme ziemlich genau auf 5 Minuten. Verbleibende Runden mal 5 Minuten plus bereits verstrichene Zeit ist gleich: Hoffnungslos! Ein bis zwei Minuten gutzumachen würde ich mir zutrauen, aber keine sechs oder sieben. – Habe ich die Uhr falsch abgelesen? Noch einmal nehme ich die Zeit für eine Runde und wieder beläuft sie sich auf ziemlich genau 5 Minuten.

Wo ist die Zeit geblieben? Der Rundenerfassung traue ich längst nicht mehr. Vorhin, auf der Schlussrunde des Marathonsiegers, hallte Verwirrung durch die Gänge. Zunächst meldet der Moderator den Zieleinlauf des Siegers, dann fehlt doch noch eine Runde. Die Rede ist von „technischen Problemen“. Die unzuverlässige Projektion an der Leinwand verstärkt meine Verunsicherung: Im einen Moment siehst du deinen Namen, im nächsten ist er verschwunden … ach halt! Doch nicht! Jetzt steht er drei Zeilen weiter unten … ah nein! Nun in der obersten Zeile. Ganz großer Murks diese Apparatur! TÜV-Plakette endgültig verweigert!

Ich bin es leid und fasse einen Entschluss: Es ist mir völlig „wurscht“, mit welcher Zeit ich heute ins Ziel komme!

Die Flure leeren sich

Um Runde 45 herum leeren sich die Flure zunehmend. 46, 47, 48 … manchmal sehe ich niemanden mehr vor mir. Es kommt mir vor, als wäre ich einer der letzten Mohikaner, die noch unterwegs sind. Superlangsam, superschlecht und einer miserablen Platzierung entgegen trabend. Mir zu versichern, dass das nicht stimmen kann, verscheucht die Empfindung nicht. Ich habe mein Tempo weiter reduziert. Letztlich ist es einerlei, mit welcher Zeit ich mich in die Ergebnisliste eintrage. Meine Füße tun weh. Mehr als 30 Kilometer im „free“ zu laufen war ihnen offensichtlich zuviel. Ich wollte wissen, wie sich das anfühlt, jetzt weiß ich es …

Anton von „marathon4you“ hat den Wettkampf schon beendet, spaziert aber noch fotografierend durch die Flure: „Wie viele Runden hast du noch Udo?“ Meine Antwort fällt unsicher aus: „Ich glaube 2 …“ Eigentlich hätte ich sagen müssen: „Hoffentlich nur 2, vermutlich aber 3!“ Ist es nervig, wenn ich nun noch einmal auf die Rundenzählung zu sprechen komme? Ich hoffe es! Nur so verstehst du, wie sehr mir die unklare Zeit- und Rundenerfassung an diesem Tag „auf den Keks geht“!!! Also: Im Infoblatt heißt es: „ … wenn 54/26 Runden auf der Leinwand angezeigt werden, beginnt die jeweils letzte Runde …“ Eben las ich hinter meinem Namen:

Absolvierte Runden: 53   Zu laufende Runden: 3

Nach dem nächsten Durchgang lese ich:

Absolvierte Runden: 54    Zu laufende Runden: 2

Gemäß Infoblatt befinde ich mich nun auf der letzten Runde. Langer Flur oben, Treppe runter, langer Flur unten, kurzer Flur unten, Treppe rauf, kurzer Flur oben, Foyer und durchs Ziel. Ab zum Zeitnehmertisch und herausfordernd fragen: „Hab ich’s geschafft?“ Hektisches Suchen im Notebook … (dabei weiß ich längst, was er sagen wird) … „Eine Runde musst du noch laufen!“ Mein mit Verstimmung auf Basis des Infoblatts vorgetragener Protest geht in der plötzlich anschwellenden Emission von Rhythmus und Melodie unter. Ich gebe auf: ‚Sch … drauf! Laufe ich eben noch eine! Darauf kommt es nun auch nicht mehr an!’

Auf diesen letzten Metern habe ich nicht den Nerv die recht einfache Lösung zu erkennen. Später drängt sie sich von selbst auf: Da der Start etwa 50 Meter vor der Ziellinie erfolgt, steht eine Runde zu viel auf dem Konto. Deshalb beginnt der letzte Umlauf, wenn 55 Runden angezeigt werden. Da waren Zeitnehmer und Verfasser des Infoblatts schlicht uneins. Dieser Fauxpas narrte wohl auch der Sieger des Laufs (und wer weiß wie viele andere noch), der sich nach 55 Runden am Ziel glaubte und gleichfalls eine weitere anhängen musste …

Durchs Treppenhaus nach oben, mit tonnenschweren Beinen, aber das spielt nun keine Rolle mehr. Nach links auf das letzte kurze Stück Korridor. Einsam und verloren, inzwischen zum großen Teil ausgetrunken, steht in einem Seitenflur noch immer die Flasche mit der „74“ drauf. Sie gehört Friedrich Hinkel mit Startnummer 74, zugleich mit 74 Jahren ältester Teilnehmer (du erinnerst dich?). „Mein persönliches Dopingmittel“ antwortete er einem Kontrahenten auf dessen Frage, was er wohl Geheimnisvolles in der Flasche angemischt habe. 74 Jahre alt und 42 km weit durch Korridore traben. Alter schützt vor Torheit nicht – wer wüsste das besser als ich. Verhalten jogge ich um’s finale Eck, betrete das Foyer, kreuze die Ziellinie, lasse mir vom Zeitnehmertisch ein „Jetzt bist du fertig!“ zurufen und bin einfach nur froh endlich meinen 139. Marathonsieg in der Tasche zu haben …

Ergebnis: 4:11:52 h, Platz 30 von 64 gesamt, Platz 3 in M60 (von 5 Teilnehmern)

 

Fazit zur Veranstaltung

Bis auf eine Ausnahme vermag ich auf den Indoor Marathon beim TÜV-Rheinland nur Loblieder anzustimmen. Für das bescheidene Startgeld wird enorm viel geboten. Die Versorgung der Teilnehmer ist vorbildlich. Vom ausreichend großen Parkplatz vorm Haus bis zu den Duschen im Keller wird auf engstem Raum jeglicher „Läuferkomfort“ geboten. Alle Helfer mühen sich freundlich und engagiert um die Teilnehmer.

Ein Extrasternchen möchte ich in Sachen Sicherheit vergeben – auch eingedenk der Tatsache, dass man in den Räumlichkeiten des TÜV hohe Standards erwarten darf. Die Strecke – Flure und Treppenhäuser – ist mit Absperrbändern gesichert. Alle in die Korridore vorspringenden Ecken oder Vorrichtungen wurden mit Matratzen oder anderem Polstermaterial entschärft. In Höhe der Verpflegungsstation waren Helfer unablässig damit beschäftigt verschüttetes Getränk vom Boden zu wischen, damit niemand ausrutschen kann. Und das Sanitätsteam war zur Stelle als es darauf ankam.

Umso ärgerlicher die Pleite mit der Rundenzählung. Selbst wenn ich meine eigene, vom nicht funktionierenden Transponder herrührende übergroße Verwirrung relativiere, bleibt unter dem Strich das Prädikat mangelhaft. Wild auf und ab springende Einblendungen des aktuellen Rundenergebnisses plus Diskrepanz zwischen Ankündigung und Durchführung der Rundenzählung dürften viele Teilnehmer verunsichert haben. Anlässlich der 10. Auflage des Rennens und der langjährigen Zusammenarbeit mit derselben Zeitnehmerfirma doppelt unverständlich.

Fazit: Sehr lohnende Veranstaltung, besonders für Läufer, die Wettkämpfe mit hohem „Event-Faktor“ mögen.

 


Bildnachweis:

Bilder der Barfußläufer: Hanna Grobe, Laufschule Marburg
Bilder von Udo in Bewegung: Anton Lautner, Neuburg
Übrige Bilder: Eigene

 

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