Unerhörte Begegnung der gelb-schwarzen Art  –  Schaichtal Marathon 2014

Volker Drexler ist Initiator und Motor des Schaichtal Marathons. Seiner Bitte: „Mach’ nicht so viel Werbung für uns!“ werden andere Laufveranstalter mit Unverständnis begegnen. Konsequenterweise fehlt der Schaichtal Marathon in (fast) allen Laufkalendern. Doch was steckt hinter dieser Zurückhaltung und wie geriet der Lauf – strikter „Geheimhaltung“ zum Trotz –, dennoch auf meinen Schirm? – Zum Schaichtal Marathon muss man eingeladen werden. Per E-Mail bittet man Volker um einen von 25 Startplätzen. Die Zahl tatsächlich verfügbarer Startplätze tendiert allerdings gegen zwanzig (oder weniger), weil er selbst mitläuft und immer einige seiner „Schaichtal Runners“ mit von der Partie sind. Die stringente Selbstbeschränkung ist spartanischen, teilweise fehlenden Ressourcen geschuldet. Start und Ziel bildet das für diesen Tag überlassene Vereinsheim (zugleich Spielstätte) des Laientheaters von Walddorfhäslach (20 km südlich von Stuttgart). Umringt von Natur stehen hier nur ein paar Parkplätze zur Verfügung, Duschmöglichkeiten fehlen völlig und manches wird bei der Aufführung des „Schaichtal Marathons“ schlichtweg improvisiert. Unterstützt von (vor allen anderen) Frau und Tochter tritt Volker in den meisten Rollen selber auf, ist Regisseur, Läufer, Streckenchef, Zeitnehmer, Durchführender der Siegerehrung und Mädchen für alles. Mit anderen Worten: Infrastruktur und personelle Ausstattung verkraften einfach nicht mehr als das zugelassene Viertelhundert Läufer.

Ursprünglich wollte ich an diesem Wochenende Marathon in Würzburg laufen, mit wenig Enthusiasmus allerdings. Wer schon mal für New York 380 Euro Startgebühr berappte, den kann in dieser Hinsicht so schnell nichts umhauen. Aber 60 Euro für eine zweimal zu durchlaufende Halbmarathonrunde eines deutschen Marathons mittlerer bis kleiner Größenordnung? Da fühlt man sich vorab schon abgezockt. Auch auf den üblichen Stadtmarathon-Trubel hatte ich diesmal null Bock. Und noch weniger auf die Würzburger Strecke, die mich 2007 ziemlich enttäuschte, mir lediglich auf der kurzen Distanz durch den historischen Stadtkern zu gefallen wusste. Also woanders Marathon, aber wo? Nichts in der Nähe verfügbar! Schließlich die Idee nach einem Ultralauf als Alternative zu suchen, wofür ich regelmäßig den Veranstaltungskalender der DUV (Deutsche Ultra Vereinigung) nutze. Dort stieß ich auf einen rund 60 km langen Ultra im Schaichtal, der in drei Runden zu absolvieren ist. Aber auch die Marathondistanz war ausgeschrieben, zwei Runden plus ein kleiner „Korrekturschlenker“ nach dem Start.

Meine Anfrage wurde positiv beschieden und so entschied ich mich für den Marathon (Start 10 Uhr), weil ich keine Lust hatte gegen halb 5 Uhr morgens aufzustehen, um rechtzeitig um 8 Uhr für den Ultra an der Startlinie zu stehen. – Dank technischer Unterstützung findet man im 21. Jahrhundert jedes Mauseloch, mag es auch noch so versteckt gelegen sein. Also rollen wir um 8:50 Uhr auf den Parkplatz vorm Theaterheim. Wir, das sind Roxi und ich. Unsere Hündin wird mir bei der Eroberung des Schaichtals Geleitschutz geben. Ich freue mich darauf, denn seit Anfang Juni des letzten Jahres (Sommeralm Marathon Steiermark) hatten wir keine Gelegenheit mehr gemeinsam Marathon zu laufen. Im Wettkampfbüro melde ich mich bei Volkers besserer Hälfte, die mir die Nichtigkeit von 5 Euro (plus 3 Euro für eine von mir gewünschte Medaille) abnehmen will. Das nehme ich dann einfach mal nicht ernst und lege noch ein paar Euro drauf. Es soll nicht das Einzige bleiben, was an diesem Tag nicht mit dem sonst bei Marathons üblichen (und erforderlichen) protokollarischen Ernst vollzogen wird …

Man grüßt oder begrüßt sich. Keines der freundlich hageren Gesichter ist mir vertraut und doch glaube ich einen jeden der Kerle, die dahinter wohnen, zu kennen. Unsympathen entdecke ich keine, darauf hätte ich aber schon im Voraus Wetten abgeschlossen. Es bleibt reichlich Zeit bis zum Start. Zeit vor allem für Roxi, um die Umgebung zu beschnüffeln und sich an fremde Gerüche zu gewöhnen. Längst hat sie kapiert, was hier gleich „abgehen“ wird. In ein paar Minuten, wenn anlässlich der Ouvertüre des Schaichtal Marathons das komplette Rudel in dieselbe Richtung startet, wird sie die Fortentwicklung von „Born to be wild!“, die tollwütige Bestie geben. Es grenzt an Naivität, wie sie eher wenige Tage alten Hundewelpen eigen ist, mir Ruhe und Mäßigung meines Vierbeiners quasi „erkaufen“ zu wollen. Erkaufen, indem sie sich eine gute Stunde im neuen Terrain mehr oder minder frei bewegen darf …

… Absolut sinnlos! Nach Volkers Startaufruf und dem Anlegen der provisorischen Leine kann man das binnen Nanosekunden einschießende Adrenalin an der Eintrübung ihrer Augen erkennen. Allerhöchste Konzentration, bis zum Zerreißen gestraffter Muskeltonus, Nackenhaare gesträubt. Dieser Hund hört aufs Wort, ich schwöre es, bei allem, was mir heilig ist! Doch es gibt exakt eine Situation, da sie übergangslos und vollständig ihre komplette Erziehung vergisst … ja, genau: Den Start eines Wettkampfs! Auf den paar Metern vom Theaterheim zur Startlinie schlüpfe ich in die Rolle eines drohend bis bösartig knurrenden Leitwolfs (das ist wörtlich gemeint!). Dort angekommen beruhigt sie sich für ein paar Minuten, macht auf unkundige Wölfe wohl auch einen gelangweilten Eindruck. Fotos werden geschossen, plaudernd vergehen die letzten Sekunden.

„Ach übrigens: Der Start war vor fünf Sekunden!“ meint Volker plötzlich mit schwäbischer Gemütlichkeit und so setzen sich alle in Bewegung. Im selben Moment beginnt Roxi sich in nicht suizidaler Absicht vermittels Halsband zu erwürgen und mir dabei die linke Hand auszureißen. Beides gefährdet das beabsichtigte Marathonfinish. Also lasse ich echten und noch mehr gespielten Zorn explodieren, um die schwarze Bestie in ihre Schranken zu weisen. Nach ein paar Metern habe ich die Nase voll davon und bleibe noch einmal stehen. Leine ab! Mit dem drohend gezischten Kommando „Fuß!“ gelingt es mir dann halbwegs das mit Fluchthormonen voll gepumpte Ungeheuer zu beherrschen. Allerdings: Die Hundeführerprüfung würden wir in dieser Manier nicht bestehen. Immerhin dirigiere ich den Vierbeiner unversehrt rund ums Theaterheim und den dörflichen Häckselplatz. Danach schwenken wir auf einen Feldweg ein und ich entlasse das Monster in die Freiheit … Mittels irrwitzigem Sprint in Richtung der führenden Läufer normalisiert sie ihre Hormonlage und verwandelt sich wundersamer Weise in einen ganz normalen, supergehorsamen Hund namens Roxi.

Das Gezerre schluckte meine ganze Aufmerksamkeit. Deshalb hänge ich nun hinter diversen Laufgrüppchen zurück. Roxi wird meine Konzentration häufiger stören und da der Kurs nur an wenigen Stellen (zudem unauffällig) markiert ist, fürchte ich mich zu verlaufen. Nach und nach verkürze ich den Abstand auf ein fünfzig Meter vor mir trabendes Duo, dessen Beine meine flinke Roxi längst umkreist. Dann und wann blickt sie zurück, ob ihr Rudelchef wohl folgt. Etwa zwei Kilometer lasse ich mir Zeit, dann nehmen mich Harald und Robert in ihr trautes Plauderstündchen auf. Zuhören, nachdenken, auf Fragen antworten, immer wieder Roxi ins Auge fassen, sie zurück rufen (wenn nötig) – ziemlich viel Arbeit für einen Geist, der sonst unbehelligt schweifen darf. Schweifen und Ausschau halten, Motive entdecken und Impulse zum Fotografieren erzeugen. Mit den Jahren fand ich überraschende Talente an mir, die Fähigkeit zum Multitasking gehört ganz sicher nicht dazu. Entsprechend wenige Umwelteindrücke setzen sich von den ersten Kilometern fest und Fotos bleiben Mangelware.

Unkomplizierter Kursverlauf, auch in der gerade erreichten Ortschaft Schlaitdorf. Dennoch wäre ich als Solist hier ziemlich verunsichert unterwegs. Und wer weiß, ob ich die entscheidende Wegmarke zum Abbiegen und Verlassen des Dorfes auf Anhieb gefunden hätte? Ein sanfter Buckel will auf asphaltiertem Sträßchen überwunden werden. Beidseits Felder, auf denen die potenzielle Getreideernte des Jahres schon erstaunlich hoch steht. Muss man hier mit Autos rechnen? Roxi stürmt wie immer voraus, begierig jedes neue Stück Welt zu entdecken. Ständig folgt sie ihrer Nase, mal nach links, ein Stückchen aufs Feld, verweilt schnüffelnd, dann wieder nach rechts, verfolgt eine andere Spur, wendet sich schließlich um, guckt, wo die lahmen Menschen bleiben …

Worüber unterhalten wir uns eigentlich? Gegend visitieren, Roxi beaufsichtigen, Gedanken und Erlebnisse im Gespräch beisteuern – vielfach geteiltes Augenmerk. Mein Erlebnisspeicher fasst weniger Klares und Konkretes als sonst. Wir reden übers Laufen; wann, wo, was und natürlich auch wie? Läufergespräche starten immer von derselben Linie. So wie Mütter, die sich treffen, zuerst über ihre Kinder reden. Oder wie Hundebesitzer beim Gassigehen zunächst ein paar Sätze über ihre sich beriechenden Vierbeiner wechseln. Derweil senkt sich das Asphaltsträßchen und gewinnt rasch an Gefälle. Stückweit in Laufrichtung rauscht es „autobahnmäßig“ durch die Bäume. Wir streben der vierspurig ausgebauten B 27 entgegen, über die man von Stuttgart in wenigen Minuten das Schaichtal erreicht. Voraus streicht der Blick über bewaldete Höhen. In unmittelbarer Umgebung gefallen saftige, von gelber Löwenzahnblüte veredelte Wiesen.

Ein ums andere Mal pfeife ich Roxi zurück. Dann trabt sie auf mich zu, schaut mich aus einiger Entfernung an und – wenn weitere Kommandos ausbleiben – macht wieder ihr eigenes Ding. Meine Begleiter haben beide einen intensiven Bezug zu Hunden. Trotzdem – oder vielleicht auch gerade deswegen – schinden wir ziemlichen Eindruck, wenn Roxi auf Gesten und Worte prompt reagiert. Kleine Gehorsamsdemo gefällig? Ich hole Roxi auf 20 Meter heran, bedeute ihr mit erhobenem Zeigefinger „Sitz!“ und befehle im Vorbeilaufen „Bleib da!“. Wie hundertfach geübt, lässt sie es auch diesmal geschehen, dass ihr Rudelführer sich entfernt und wartet geduldig (und voller Vertrauen) auf den Ruf zu folgen. Wie? Zirkusnummer und Hundedressur? Praktischer Nutzen fehlt? Entschiedener Widerspruch: Erstens liegt es in der Natur des Hundes, entspricht folglich artgerechter Haltung, dass er sich dem Rudelführer – dem stärksten und klügsten Tier (Schmunzeln strikt verboten!) – unterordnet. Zweitens muss ich mich darauf verlassen können, dass mein Hund einen angewiesenen Platz nicht verlässt, bis ich erledigt habe, was zu erledigen war. Dergleichen verlangt die Menschenwelt (manche sagen auch Zivilisation dazu) häufiger vom Duo Mensch-Hund. Je verlässlicher ein Hund gehorcht, umso mehr Freiheiten kann ich ihm drittens lassen. Konsequente Erziehung dient also beider Interessen, wobei der Hund letztlich am meisten profitiert. Bevor mich nun alle Laufberichte lesenden Hundehasser und Hundeliebhaber als vorbildlich großartigen Hundebesitzer einstufen, möchte ich bescheiden einflechten, dass Roxis Folgsamkeit zum überwiegenden Teil Ines’ jahrelangen Mühen geschuldet ist …

Runter, kurz wieder rauf, nach rechts und vorbei an einer interessanten ökologischen Wegmarke: Vor einer Baumgruppe errichteten Umweltenthusiasten ein vergleichsweise riesiges Insektenhotel. Ich kenne sie nur in der Größe von Nistkästen. Dieses hier bietet genügend Raum, um Myriaden zirpender, schwirrender, krabbelnder Lebewesen ein sicheres Zuhause und Vermehrung zu garantieren. Weiter runter und zwischen Brückenpfeilern – schrumm, sssttt, schrumm, schrumm – unter der B 27 hindurch. Unbekannte Künstler – und ich sperre den Begriff absichtlich nicht zwischen Gänsefüßchen ein – haben auf dem nackten Beton diverse Graffiti hinterlassen. Und eines springt mich so vehement an, dass ich einfach stehen bleiben und fotografieren muss: Fast könnte man auf den Gedanken verfallen, Volker hätte die Darstellung eines rennenden Menschen für seinen Marathon in Auftrag gegeben! Dass ein intensiv pubertierender Schmierfink sich nicht entblödete eine pornografische Ergänzung im Schritt des Rennenden vorzunehmen, betrachte ich als Schönheitsfehler, mehr nicht.

Diesseits der Bundestrasse geht der asphaltierte Feld- alsbald in einen gut befestigten Waldweg über. Bisweilen falle ich hinter meine Begleiter zurück, um ein Foto zu schießen. In diesen Gesprächspausen gelingt es mir besser meine Umgebung zu erfassen und den – mittlerweile – dichten Wald auf mich wirken zu lassen. – Der Streckenplaner denkt, aber die Forstverwaltung lenkt: Ein Langholztransporter, der gerade mit Baumstämmen beladen wird, blockiert den Weg in voller Breite. Zum Glück nimmt der Mann in der Bedienkanzel des hydraulischen Greifers Sichtverbindung auf und signalisiert mit einer Geste gefahrloses Passieren. – Gemütliches Traben und Plaudern kennen keine Pause. Minutenlang verlieren wir weitere Höhenmeter im dichten Wald. Mit Erreichen der Talsohle und Überquerung der Schaich bestätigt sich meine Vermutung längst im Schaichtal unterwegs gewesen zu sein. „Wasser! Wasser!“ Info und Kommando zugleich. Roxi rast vor dem Brückengeländer zum Bachlauf hinunter, steht bis zum Bauch im Wasser, benetzt sich kurz die Zunge, platscht zum anderen Ufer und rauscht mit Volldampf hinter mir her.

Das Frühjahr hat im Schaichtal bereits einen beachtlichen Teil seiner Arbeit verrichtet: Kein Baum, kein Strauch, nicht eine Hecke ohne Beitrag zum frischen, grünen Frühlingskleid. Das immerhin nehme ich als fixen Eindruck mit, auch wenn ich ansonsten im Gespräch verfangen bin. Immer noch um Laufveranstaltungen dreht sich die Unterhaltung, bis ich durchblicken lasse, seit geraumer Zeit nicht mehr berufstätig zu sein. Dann will vor allem Harald wissen, wie sich das in meinem Alter erklärt und mit was genau ich vordem beschäftigt war …

In einem derart dicht von Menschen besiedelten Gebiet, wie in der Umgebung von Stuttgart, konnte kein „Urwald“ überdauern. Immer wieder teilen Feuchtwiesen den dichten Blattvorhang dies- oder jenseits des Bachlaufes. Dauerhafte Zeugen der abschnittsweisen Rodung und landwirtschaftlichen Nutzung des Tales über Jahrhunderte. Dennoch hat sich diese grüne Lunge so viel Ursprünglichkeit bewahrt, dass sie als Naturschutzgebiet ausgewiesen wurde. Nur wenige Beispiele natürlicher Idylle können mich derart entzücken, wie das ein mäandernder Bachlauf vermag. Fließgewässer also, denen noch nicht das Rückgrat durch Begradigung gebrochen wurde. Die Schaich darf sich winden, Haken schlagen, Wurzeln unterspülen, Sümpfe speisen und sich in von Seerosen bedeckten Weihern stauen (oder wurden die Weiher von Menschen zur Fischzucht angelegt?). Und was macht Udo inmitten der Herrlichkeit: Joggt plappernd, Fragen beantwortend, auch mal dozierend an Wunderbarem vorbei; versäumt viel von seiner sonst liebsten Laufbeschäftigung: Schauen, genießen … und fotografieren.

Nach 9 km stehen wir vor der Einfassung des Häfner-Brunnens. In dickem Strahl ergießt sich herrlich frisches Quellwasser in den Brunnentrog. Wir lassen uns reichlich Zeit beim Trinken und Erfrischen, unter anderem, weil jeder dem anderen den Vortritt lassen will. Als treusorgender Rudelführer kümmere ich mich zuerst um meinen Vierbeiner: „Wasser! Wasser!“ Roxi inspiziert die Tränke, verzichtet aber auf das Nass, weil es ihr zu sehr aus dem seitlichen Ablauf des Troges spritzt. So wasserverliebt die 50 Prozent Retriever in ihr auch sein mögen, angespritzt zu werden war ihr noch nie geheuer.

Auf die verstreichende Zeit achte ich nur beiläufig, weil ich das streckenkundige Duo ohnehin nicht verlassen will. Außerdem ergibt eine rasche Kalkulation, dass wir ungefähr den Tempodurchschnitt für eine Endzeit von vier Stunden halten (Dass dieser Abschätzung ein grober Fehler zugrunde liegt, werde ich erst später bemerken …). „Täusche ich mich oder geht es hier im Schaichtal stetig bergauf?“ Die Frage ist eigentlich überflüssig, weil ich genügend Lauferfahrung besitze, um sogar unmerkliche Erhebungen sicher zu erspüren. Und die ständigen Steigungen seit Erreichen der Talsohle erkennt man auch mit bloßem Auge. Meine Frage entspringt einem Anfall von Optimismus, weil meine Beine trotz Aufwärtstrend mühelos ihr Werk verrichten und ein ungefährdetes Finish unter vier Stunden winkt.

Stück für Stück erobern wir den Talgrund der Schaich. Obwohl sich die Bilder ständig wiederholen, werden sie nie langweilig. Das liegt an tausend und mehr Varianten, wie die Natur Wald, Wiesen und einen Bachlauf miteinander verwebt. Bisweilen bleibe ich zurück, um mich aus dem Gespräch auszuklinken und ein Foto zu schießen. Insgeheim freue ich mich schon auf die zweite Runde, in der die Unterhaltung mangels Luft und Energie garantiert weniger lebhaft ausfallen wird … 15 Kilometer geschafft: Ein letzter Brückenschlag, dann kehren wir am jenseitigen Hang dem Schaichtal den Rücken. Der Forstweg gewinnt an Steigung. Nach einigen Fotos verkürze ich gerade den Rückstand auf meine Begleiter, als sich Robert plötzlich umwendet und mit Wort und Geste auf etwas „Schützenswertes“ hinweist: „Vorsicht!“ Sekunden vergehen, in denen meine Augen angestrengt den Weg absuchen, bis ich wie vom Blitz getroffen verharre: Ich kenne das Wesen gut, von Bildern und Geschichten, aber nicht leibhaftig. Als Kind las ich „Lurchis Abenteuer“ in Heften, die man beim Einkauf in Schuhgeschäften geschenkt bekam (Gibt es die noch, die Hefte?). Dieses Exemplar eines Feuersalamanders aber lebt und begeistert mit seiner fantastisch gelb-schwarzen Zeichnung. Bin beileibe kein Stubenhocker und musste doch 60 Jahre warten, diesem Molch endlich zu begegnen. Sein Verwandter, der pechschwarze Alpensalamander lief mir oft auf Bergtouren über den Weg. Aber „Lurchi“ hielt sich bis dato vor mir verborgen. Ganz und gar großartig, ein Wunder der Natur! Was immer mir heute noch widerfahren mag: Nichts wird diesen unerhörten Moment übertreffen!

Widerstrebend überlasse ich den Salamander seinem Schicksal und mache mich an die Verfolgung der enteilten Mitstreiter. Drei-, vierhundert etwas steilere Wegmeter und eine Spitzkehre nehme ich dabei unter Füße. Ist die Freude über die Begegnung mit dem Salamander schuld daran, dass sich das fast so leichtfüßig anfühlt, wie kurz nach dem Start? Erst an der Wasserstelle, hinter deren Tischchen zwei junge Damen sitzen, hole ich Harald ein, während Robert bereits wieder den Wettkampf aufgenommen hat. Ich platziere Roxi, frage artig, ob ich meinen „Müll“ (zwei ausgedrückte, aufgerissene Gelbeutelchen) zurücklassen darf, spüle den süßen Kleber mit zwei Bechern Wasser runter, bedanke mich bei den beiden Mädels und mache mich ohne Eile wieder auf den Weg. Harald hat sich derweil 200 Meter Vorsprung erarbeitet und von Robert sehe ich gar nichts mehr.

Lass sie laufen, denke ich bei mir, du hast schließlich Zeit. Entlang endlos langer Geraden geht es stetig, aber ausnahmslos moderat in lichtem Laubwald bergan. 17 Kilometer gelaufen. Ich nehme die Zeit und kalkuliere noch einmal meine Pace. Das kann nicht stimmen! Wiederholen: Uhr und Kilometer ablesen, Kopfrechnen … … … Verdammter Mist! Was um alles in der Welt habe ich vorhin falsch gemacht?? Aus lethargisch verschlafenem Trott geweckt, wird mir rasch klar, welchen Fehler ich beging. Verdammter Mist! Tatsächlich habe ich jetzt etwa 6 bis 7 Minuten Rückstand auf die Zielzeit 4 h (bezogen auf eine gleichmäßige Pace von 5:39 min/km)! Verplaudertes Trödeln, Trinken am Brunnen, Feuersalamander-Bewunderung, Verweilen an der Wasserstelle – dabei schwamm Sekunde um Sekunde die Schaich hinunter. Und nun? Mir bleiben 25 Kilometer, um die Zeit wettzumachen. Aber ist das realistisch und will ich mir die dafür nötige Gewalt gegen den eigenen Körper antun? Den Ausschlag gibt mein augenblickliches Empfinden: Obschon in geringer Steigung aufwärts trabend, signalisieren die Beine ausreichend Reserven. Also Schluss mit lustig und einen Zahn zulegen …

Die Strecke ist nicht markiert, folglich muss ich mich auf die GPS-basierte Entfernungsmessung verlassen und die ist ungenau. Blöderweise habe ich mir auch nicht merken können, wie lang eine Runde ist. Zwanzig Komma irgendwas Kilometer. Der Abstand zu Harald verkürzt sich, nach jeder Wegbiegung bin ich ihm wieder etwas dichter auf die Pelle gerückt. Scheinbar mühelos halte ich das verschärfte Tempo. Einzig im Oberschenkel hinten links verstärkt sich das seltsame Ziehen, an dem ich nun schon seit der Osterwoche herum laboriere. Ursache ist vermutlich die Belastung durch den Doppel-Marathon, wenngleich die Beschwerden erst zwei Tage danach zum ersten Mal auftraten. Nervig, aber nicht zu ändern. Unaufgefordert meldet sich der Ultra-Depp in meinem Kopf zu Wort: „Das musst du dir einfach rauslaufen!“ Einstmals gehört, unauslöschlich eingebrannt und von ähnlicher Sinnhaftigkeit wie „Quäl dich du Sau!“

Unaufhaltsam sanft aufwärts, vorwärts, Kilometer um Kilometer. Mit einem Mal erreiche ich den Waldrand, laufe daran entlang. Harald ist nur noch einen Steinwurf weit entfernt. In der Senke vor der bösartig steilen Brücke über die B 27, kurz vor dem Ziel, hole ich ihn ein. „Du läufst aber noch eine Runde!?“ fragt er mich und gibt damit zu erkennen, es für sich bei einem Umlauf zu belassen.

„Halt! Deine Startnummer?“ ruft die Zeitnehmerin – Volkers Frau – aus dem offenen Fenster des Wettkampfbüros (= Theaterheim) hinter mir her. Ich drehe um und melde eine vernehmliche „16“. Und weiter. Roxi behalte ich entlang des Häckselplatzes am Fuß, will nicht mit irgendwelchen Auto fahrenden Anwohnern ins Gehege kommen. Eingangs des Feldweges erhält sie ihre Freiheit zurück. Beobachtete uns nun ein Uneingeweihter, gewönne er sicherlich den Eindruck eines unlustigen, erschöpften Tieres, weil Roxi ein gutes Stück hinter mir her trottet. Tatsächlich ist sie weder müde, noch verhält sie sich untypisch. Für sie schien das Mega-Gassi mit Erreichen des Vereinheimes und dem Trinkstopp an unserem Auto beendet. Und nach dem Gassi gibt’s immer – ohne jede Ausnahme – einen Leckerbissen. Sich vom Futter zu entfernen, quasi um den Lohn der Lauferei betrogen zu werden, lähmt jetzt ihre Beine.

Harald ist ausgestiegen und Robert erkenne ich weit voraus als winzige Gestalt zwischen Feldern. Er passiert gerade den markanten, einem Raumschiff aus Perry Rhodans Welt nicht unähnlichen Wasserturm. Wenn ich mein Ziel noch erreichen will, werde ich Robert wohl oder übel einholen müssen. Auf diese Weise „optisch dargestellt“ erscheint mir meine Aufgabe fast unlösbar. Trotzdem steigere ich mein Tempo, wonach man mir postwendend aus dem Oberschenkel hinten links einen Rüffel erteilt. – Hoppla! Hier rechts oder geradeaus weiter? Wie war das vorhin? Zunächst biege ich ab, erkenne aber rasch meinen Irrtum … Wenig später wieder Unsicherheit: Weiter oder rechts? Rechts sieht unbekannt, nach Irrweg, aus, also geradeaus. Das war’s dann aber mit den Unsicherheiten, den weiteren Kursverlauf erinnere ich sicher. Bin nun völlig allein auf weiter Flur. Kurz vor Schlaitdorf genieße ich den weiten Blick übers Neckartal und die dahinter wie Riegel angeordneten Höhenzüge Richtung Schwäbische Alb. In Schlaitdorf finde ich den unauffälligen Abzweig ohne Schwierigkeiten. Raus aufs Feld, den Buckel überwinden, dabei schnaufen und schwitzen. Die Sonne drückt mit Macht durch den unentschieden gemusterten Himmel. Bisweilen lugt sie zwischen den Wolken hervor und flutet die schwäbische Landschaft mit Licht und Wärme.

Abstieg ins Schaichtal. Will ich den „vollen Lorbeer“ erringen, dann geht das nur bei Vollgas auf den Gefällestrecken. Mit weiten Sätzen ringe ich der Strecke verlorene Sekunden ab. Ich könnte noch schneller laufen, traue mich aber nicht. Was, wenn ich mir meine Knie verkorkse oder einen anderen orthopädischen Teufel wecke? Unter der B 27 hindurch und ab in den Wald, in den so genannten „Hutewald“, um genau zu sein. Der Begriff steht auf einer Tafel am Wegrand, die ich im Vorbeizischen zwar nicht lesen, als „Merkzettel“ aber immerhin fotografieren kann. Was man unter einem „Hutewald“ versteht, lese ich bei Wikipedia, unmittelbar vorm Schreiben dieser Zeilen. Zitat: „Ein Hutewald, auch Hudewald oder Hutung genannt, ist ein in extensiver Form als Weide genutzter, lichter Wald.“

Im Eiltempo fetze ich durchs Schaichtal, weitere zwei Kilometer vorwärts und hinab, Kilometer 28 und 29 (das jedenfalls meldet mein GPS-Diener). Mit der ersten Brücke über die Schaich endet der einfache Teil meiner Aufholjagd, denn von hier ab geht’s bergauf. Nie steil, immer wieder von ebenen Wegstücken unterbrochen, aber doch eindeutig „Körner verzehrend“ hinan. Ich stabilisiere meine Geschwindigkeit auf etwa 5:30 min/km und hoffe es auf diese Weise zu schaffen. Wenn ich nur eine verlässliche Wegmarke hätte!? Überwiegend zeigt mein GPS-Messer nach vermessenen Marathons eine gelaufene Strecke von 42,6 Kilometer an. Überwiegend. In hügeliger und/oder stark bewaldeter Landschaft habe ich aber auch schon manch radikale Abweichung erlebt. Kilometer 31, dann 32. Ich warte bis das Zählwerk 32,8 Kilometer anzeigt – noch 10 km! – und wage eine Hochrechnung … … … … … Könnte klappen, wenn ich dieses Tempo halte UND nach längstens 42,6 km den Fuß über die Ziellinie setze!

Der Brunnen kommt zum zweiten Mal in Sicht und – Wasser schöpfend – auch Robert. Dieses Mal verweile ich nur Sekunden, trinke eilig in großen Schlucken. Gemeinsam mit Robert nehme ich den Wettkampf wieder auf. Ist das nun ein gutes Omen für meine Sache, dass ich ihn einholen konnte? Minute um Minute verstreicht, ohne dass wir das Gespräch der ersten Runde wiederbeleben. Dafür fehlt (zumindest mir) nun Luft und Energie. Die Aufholjagd gestaltet sich mit jeder Viertelstunde anstrengender. Vorhin konnte ich die Natur infolge Ablenkung nicht recht genießen und nun hindert mich der Kampf. Für einige Fotos – allesamt aus vollem Lauf geschossen und daher im Halbdunkel des Waldes überwiegend verwackelt – reicht’s dann aber doch. Abrupt bleibt Robert stehen, was ich aus dem Augenwinkel wahrnehme. Sieht aus, als habe er einen Stein im Schuh. Nach kurzem Halt trabt er wieder an. Noch eine ganze Weile höre ich das Scharren seiner Schritte – irgendwann bleiben sie aus … Was ist da los? – Später im Ziel wird er mir erklären unter Krämpfen gelitten zu haben.

Von Zeit zu Zeit bereichern Ausflügler auf Drahteseln, mit und ohne Kinder, die Fauna des Schaichtals. Nicht selten äugen sie misstrauisch in Richtung der schwarzen Bestie mit dem Wolfsgebiss. „Der will nicht mal spielen!“ möchte ich den Radlern am liebsten zurufen, dirigiere stattdessen Roxi mehrfach mit gleichlautendem Kommando „An die Seite!“. Als verlässliches, allerdings nicht präzise abzulesendes Thermometer hängt ihre Zunge ein ziemliches Stück seitlich aus dem Maul. Eine Folge des zunehmend erfolgreicheren Kampfes der Sonne gegen die Wolken. Auch hier am Talgrund jagt sie uns immer wieder hitzige Schauer über den Rücken. Weitere zwei Kilometer geschafft, neue Hochrechnung: Könnte klappen! – Roxi ist nicht das einzige Monster im Schaichtal. Beinahe lautlos erhebt sich ein riesiger Schatten aus der Dämmerung über dem dicht beschirmten Bachlauf, schwingt sich behäbig empor, streicht wenige Meter vor uns über den Weg, folgt ihm ein Stück im Tiefflug, um dann irgendwo seitwärts im unergründlichen Grün unterzutauchen. Erneutes Staunen über Vielfalt und Wunder von Mutter Natur: Natürlich habe ich schon Graureiher gesehen, aber nicht beim „Alarmstart“ und schon gar nicht aus fünf Metern Entfernung …

War der Weg entlang des Talgrunds vorhin auch schon so lang? Ermüdung und Ziehen im Oberschenkel wachsen in sich verkürzenden Intervallen. Wie lange halte ich das noch durch? Endlich kommen der Abzweig und die letzte Brücke in Sicht, über die ich das Tal verlassen werde. Fast an derselben Stelle des steiler werdenden Waldwegs freue ich mich über eine weitere, unerwartete Begegnung. Diesmal kein hübsch gelb-schwarz gezeichneter Molch, sondern der von weit über drei Stunden Laufsport gezeichnete Volker. „Ich habe die Strecke selbst noch nie unter vier Stunden geschafft!“ eröffnete er mir vor dem Start. Als er nach selbigem mit der Vorhut davon preschte, glaubte ich ihn falsch verstanden zu haben. Jetzt wartet er mit ausgebreiteten Armen und ruft Roxi zu sich. Ein paar Streicheleinheiten lässt sich die Hundedame gefallen, folgt dann allerdings ihrem Pflichtbewusstsein: Mission not yet fullfilled!

Ein diesmal noch während der Annäherung geschlucktes Gel, ein Becher Wasser zum Nachspülen und schon lasse ich den Streckenposten hinter mir. Keine Zeit mehr vergeuden! Auf der ewigen Rampe im Hochwald mobilisiere ich, was an Ausdauer noch verfügbar ist. Da geht noch was, nur begrenzt, denn auch in diesen Trainingsmarathon ging ich nicht vollständig regeneriert. Zugleich kommt mir in den Sinn, dass die leichten Dauerkopfschmerzen der letzten Tage anscheinend doch nichts zu bedeuten hatten. Seit dem Start wie weggeblasen und der befürchtete, krankheitsbedingte Leistungseinbruch blieb aus. Wenn nur dieses blöde Ziehen im Oberschenkel nicht wäre. Aber vielleicht hat das auch sein Gutes, denn so traue ich mich nicht meine Reserven noch ärger zu schröpfen. Kilometer 37, 38, 39 … Rechnen, rechnen und noch mal rechnen. Das jeweils identische Ergebnis lautet: Ich kann das schaffen, aber nur, wenn am Ende tatsächlich nicht mehr als 42,6 km in der Entfernungsanzeige stehen. Durchhalten! Wer sagt, dass Marathonlaufen Spaß macht? Glaubt dem Lügner nicht! Es ist hart, tut weh, macht dich fertig und du wirst es zeitweise hassen …

Verdammt! Wann erreiche ich endlich den Waldrand? Von dort fehlt dann immer noch ein reichlicher Kilometer … mehr oder weniger … Mist! Mist! Mist! Keine sichere Wegmarke, wie weit es noch ist. Leider habe ich mir die Entfernungen im ersten Umlauf nur sehr oberflächlich eingeprägt. Vielleicht steht schon fest, dass es nicht zu schaffen ist und ich weiß es nur nicht. Vielleicht könnte ich längst zwei Gänge runterschalten, um meine Knochen zu schonen. Stattdessen zwinge ich mich das zu hohe Tempo zu konservieren. Nicht zu hoch um durchzuhalten, aber möglicherweise zu hoch um in der kommenden Woche wieder sinnvoll trainieren zu können. 40 Kilometer, 40,5 und noch immer nimmt der Wald kein Ende … … … Besondere Härte des Augenblicks: Leiden und nicht wissen, ob die Qual sich lohnt. Der Waldrand! Endlich! Kilometer 41 und 3:51 h sind um. Das schaffe ich … das schaffe ich nicht … das schaffe ich … das schaffe ich nicht … Zuversicht und Bangen spielen Ping-Pong mit mir. Ich schwanke zwischen Durchhalten und Aufgeben. Noch ist Hoffnung, noch obsiegt der Wille über die Ahnung zu scheitern. Ich hetze am Waldrand entlang, überhole ein paar Läufer, die mir völlig unbekannt vorkommen … Weiter! … 41,6 … nicht mehr zu schaffen! … oder doch? ‚Wenn ich jetzt nicht bald die Brücke über die B27 sehe, dann …’ 42 km … Keine Brücke in Sicht … ‚Aber vielleicht sind die letzten Meter zur Brücke kürzer als ich sie in Erinnerung habe!? Außerdem geht’s doch dann bergab!!’ … Wegbiegung, noch ein Stück, dann freie Sicht zur Brücke … gut 500 Meter fehlen noch! Zeit? 3:59 h – Aus!!!

Einsicht in das Unabänderliche öffnet ein Ventil und mit einem vernehmlichen pfffffffffffffft! entweicht Luft aus dem Ballon, den man Willen nennt. Tempo runter, verhaltenes Traben, wozu jetzt noch Schmerzen ertragen? Ich fühle Enttäuschung, aber wirklich nur ein bisschen. Noch bevor ich den Scheitel der steilen Brückenauffahrt erreiche, hat sich der Anflug von Frust über der schwäbischen Landschaft verflüchtigt. Ich denke an das Finish vor zwei Wochen und den glühenden Zorn im Herzen, weil eine falsche Wegmarkierung mich narrte. Wieso jetzt dieser Frieden in mir, die Versöhnung mit der sicheren Niederlage, schon kurz vor dem Finish? Vor allem anderen liegt es an der Art der Veranstaltung, die einem das läuferische Laissez-faire überzeugend vermittelt. Auch an der Ursache des „Misserfolges“: Hauptsächlich mangels Streckenkenntnis unfreiwillig vertrödelte 7 Minuten auf den ersten 17 Kilometern waren nicht mehr wettzumachen. Nicht von mir, nicht in der heutigen Verfassung. Mit Roxi am Fuß biege ich auf den Parkplatz vorm Theaterheim ein, überwinde zwei Stufen und frage durchs Fenster: „Wo ist das Ziel?“ – „Passt schon!“ schallt es mir von drinnen entgegen, „So genau nehmen wir das hier nicht!“

Die offizielle Uhr bleibt bei 4:03:26 h für mich stehen und das Zählwerk meines GPS-Dieners zeigt 43 Kilometer. Das ausliegende Vermessungsprotokoll nimmt es dann aber doch genau und bescheinigt mir 42,2199 Kilometer absolviert zu haben. Der Rest ist Entspannung. Kurz am Waschbecken in der Toilette erfrischen, umziehen, Roxi füttern, mitgebrachtes Grillgut bereitlegen (der Grill räuchert schon verlockend in den sonnigen Himmel), alkoholfreies Weizenbier einfüllen und noch eins und noch eins und noch eins … Medaille von Volker umgehängt bekommen und sich irgendwann verabschieden. Verabschieden von ausnahmslos liebenswerten Menschen, die mir vor Stunden noch fremd waren und deren Bekanntschaft ich nun keinesfalls mehr missen möchte …

Fazit zur Veranstaltung

Das landschaftliche Kleinod Schaichtal hat viel fürs Auge zu bieten. Aber auch die übrigen Kilometer in der Nähe des Ortes Walddorfhäslach, südlich von Stuttgart, schaut man sich gerne zweimal an. Laufstarke Teilnehmer werden sich auch auf den drei Runden des Ultras nicht langweilen. Ob man die Runden als fantastisch erlebt oder wenigstens – so wie ich – mit sensationellen Begegnungen der örtlichen Fauna belohnt wird, hängt natürlich vom individuellen Verhältnis des Läufers zur Natur ab und – wie immer auch – vom Zufall.

Der Veranstalter will keinen „Sturm“ auf seinen Lauf und hat ihn deshalb als Einladungslauf ausgeschrieben. Man sollte den aufwändigen Anmeldemodus akzeptieren, ggf. auch eine Absage und den Verweis auf die nächste Durchführung, weil personelle Besetzung und Infrastruktur einfach nicht mehr als 25 Starter verkraften. Dafür ist man unter liebenswerten Menschen gut aufgehoben und wird ein schönes Lauferlebnis einfahren.

Unzulänglichkeiten sind mir nicht aufgefallen und wenn, hätte ich sie in diesem Fall mit nonchalantem Lächeln übersehen. Ein wunderbarer Lauf, den ich unbedingt wiederholen möchte!

 

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