Udos Laufbericht

Florians Laufbericht


 

Spaß, Ärger und ein Happyend  -  Freiburg Marathon

Ein Marathondebüt steht an

„Ich wusste gar nicht, dass die Dreisam ein so reißender Fluss ist!?“ – „Die kann im Frühjahr noch viel mehr Wasser führen, wenn im Schwarzwald der Schnee schmilzt. Und falls es dann noch stark regnet, sind die Dämme wirklich erforderlich!“Florian und ich überqueren den in begradigtem Bett dahin rauschenden Fluss gerade zum zweiten Mal, zwischen Kilometer vier und fünf. Sein erster Marathon und er läuft ihn mit „Heimvorteil“. Nun bin ich ja nicht gerade ein Newcomer auf den 42195 Metern, finde mich hier dennoch in einer Debütantenrolle wieder. Zufällige Allianzen, für ein paar Kilometer, ergaben sich fast bei jedem Lauf. Nur selten flogen dabei ein paar Sätze hin und her. Florian studiert hier und es hat sich durch Kontakte im Läuferforum ergeben, dass wir den Freiburg Marathon gemeinsam finishen wollen. Jenseits der Brücke fordert einer der m äßigen Anstiege die Beine stärker. Eine Baustelle in der Eschholz Straße zwingt einen Teil der Läufer zum Ausweichen auf die Gehwege. Wir „schwimmen“ in der Flut der Sub4h-Finisher. Eigentlich wird es mir während des gesamten Laufes nicht bewusst, welch anspruchsvolle Zielzeit sich Florian für seinen Ersten vorgenommen hat. 3:45h sollen es werden, unter 3:40h entspräche seinem Traum.

Anlauf nehmen …

Was will ich in Freiburg? Mit Marathon Nummer Einundzwanzig - dem dritten in diesem Jahr - setze ich meinen Anlauf fort. „Anlauf nehmen“ - jeder kennt diesen Begriff aus dem Sport. Springer nehmen Anlauf, bevor sie weit, hoch oder mit dem Stab hoch springen. Werfer investieren viel Technik in ihren Anlauf, bevor sie Hammer, Diskus oder Speer in den Stadionhimmel schleudern. Turner nehmen Anlauf vor Kasten und Pferd, Fußballer vor dem Elfmeter. Am Ende wartet immer ein Hindernis oder der mit Wucht abzuschließende Versuch. Viele werden den Begriff auch aus einem der weltweit erfolgreichsten Filme kennen: „Das Boot“ unternimmt mit seiner Crew immer wieder „Anläufe“ auf Frachtschiffe im Atlantik. Ein Torpedo wird auf Kurs gebracht, um den Feind mittschiffs zu treffen und zu vernichten. - Worauf könnte ein Marathoni „Anlauf“ nehmen? Mein „Hindernis“ misst einhundert Kilometer und wartet im Juni in Biel. Ein erster „Versuch“ diese unvorstellbare Distanz laufend und an einem Stück zu überwinden. Und ich werde alles tun, damit die Strecke mir nicht zum „Feind“ wird, weil letztlich nur ich bei einem verunglückten „Anlauf“ Schaden nehmen könnte.

In Freiburg gehe ich unter anderen Vorzeichen an den Start als drei Wochen zuvor im Bienwald, oder Anfang Februar in Bad Füssing. Seit einer Woche stecke ich in der unmittelbaren Vorbereitung für Biel. Jetzt sind es noch elf Wochen. Über 110 Kilometer, mit zwei langen Läufen und Tempoarbeit habe ich seit letztem Sonntag schon in den Knochen. Vorgestern zeigte mir mein Körper erstmals die „gelbe Karte“. Widerwillig, bockig, störrisch, müde und tonnenschwer, ließ er sich nur noch ein paar Trainingskilometer in mäßigem Tempo abringen. Florian bei seinem 3:45h-Lauf zu begleiten, hatte noch vor Wochenfrist den eigennützigen Sinn mich selbst zu bremsen. Bei demnächst 120 bis 140 Wochenkilometern kann ich höhere Tempi sicher nicht mehrmals durchstehen. Und meine Marathon-Vorhabenliste der nächsten Wochen liest sich abenteuerlich. Und jetzt - right now? In dieser Minute wäre ich froh, den Lauf überhaupt in diesem Tempo durchzustehen. Ich flehe zum Heiligen der Läufer (Wer ist da eigentlich zuständig?), mich auf den verbleibenden 36 Kilometern nicht im Stich zu lassen.

Erst links, kurz darauf rechts, das Ganze mit einiger Steigung, bringt uns auf die „Wiwilli Brücke“. Hier steht ein erstes Mitglied von Florians „Coaching Team“, seine Schwester, und reicht ihm eine Trinkflasche. Ein paar Schlucke, mehr nimmt er nicht. Im Schnitt alle drei Kilometer hält der Veranstalter Getränke bereit, so ist die Flasche eigentlich überflüssig. Auf der Brücke bietet er sie erst mir, dann anderen Läufern an. Als alle dankend ablehnen, ereilt sie das Schicksal aller Marathontrinkgefäße … Durch die Eisenverstrebungen der Brücke schweift der Blick über die Gleisanlagen des Freiburger Hauptbahnhofes. Der Eindruck ist kurz, denn am jenseitigen Brückenkopf fordern die noch kompakte Masse der Läufer und eine stark abschüssige Rampe volle Konzentration. Mit Elan biegt Florian an ihrem Ende auf die Straße ein. Er ist jetzt viel zu schnell, merkt es aber offensichtlich nicht. Ich warte bis zur 6km-Zwischenzeit. Dann kann er meine Aussage überprüfen und wir drosseln das Tempo.

Rückblick

Eine gute halbe Stunde ist seit dem Start um 11:20 Uhr vor den Messehallen vergangen. Ich denke an Ines, die bis 13 Uhr auf ihren Halbmarathon warten muss. Wir hatten uns mit Florian in Messenähe getroffen. Gerade mal anderthalb Stunden Zeit sich ein wenig zu beschnuppern. Sogar ein bisschen Hektik kam kurz vor Beginn noch auf, weil wir einen falschen Weg zur Startaufstellung wählten und dann in weitem Bogen, von hinten, zur Läuferschlange aufschließen mussten. Kuss und gute Wünsche an meine Frau fielen folglich ein wenig flüchtiger aus, als sonst. Ines drückt auch noch den sichtlich nervösen Florian, dann überbrücken wir die drei-, vierhundert Meter im flotten Trab, um den Start nicht zu verpassen. Noch ein Novum für mich: Der erste Marathon vor dem ich mich Einlaufen musste … Kurzes Bedauern: Schon jetzt schallt mir aus den Lautsprechern das neue Lied von Nelly Furtado, „Say it right“, entgegen. Derzeit bin ich verrückt nach dem Song. Der Rhythmus erfasst mich, ein erster Stoß Glückshormone katapultiert meine ohnehin große Vorfreude auf den Gipfel. „Das Lied hätte ich mir zum Start gewünscht.“ - Florian antwortet nicht, das ist ihm sicher völlig egal, der will jetzt nur noch eins: Endlich laufen! Wir stehen kaum drei Minuten, da erfüllt sich sein Wunsch. Läufermeute, dicht an dicht, auf vierspuriger Straße, an Überholen ist nicht zu denken und das ist gut so. Der Hammermann ist nämlich nicht nur hinter der 33 km-Marke aktiv! Der schickt seine Schergen auch schon auf die ersten zwei Kilometer, lässt sie Begeisterung und gute Laune versprühen, auf dass die Unerfahrenen mit hohem Anfangstempo ihre wertvollen Reserven verschleudern. Das ist ein bisschen wie bei einem Kaltstart mit dem Auto: Nie verbraucht die Kiste mehr Sprit als in den ersten Minuten … Florian studiert Physik, so leuchtet ihm mein Vergleich ein. Jedenfalls lässt er sich bereitwillig von mir bremsen. Nicht mal uneigennützig: Wie weit reichen meine Vorräte heute? Ich habe in dieser Hinsicht ein paar Bedenken, nach dem Kräfte-Blackout vom Freitag. So brauchen wir fast 6 Minuten für den ersten Kilometer, doch schon beim zweiten stimmt dann das Tempo.

Auf vier Spuren geht es erstmalig über die Dreisam. Tief unter uns, beidseits des über eine endlose Folge künstlicher Katarakte gischtenden Bergflusses, glaube ich Florians Trainingsstrecken zu erkennen. Früher habe er da häufiger trainiert, meint er, allerdings seien die Wege oft sehr schlüpfrig und schlecht zu laufen. Mittlerweile bevorzugt er asphaltierte Strecken entlang der Dreisam. Aufpassen! Die sofort wieder sehr kompakte Läuferschlange verlässt die vierspurige Straße spiralförmig abschüssig nach rechts. Allseits eingeschlossen von Läufern: Vorne, hinten, an den Flanken und in düsterer Unterführung nun auch über uns. Getrappel von hundert Füßen und der bekannte Geräuschemix gut gelaunter, noch vollkommen frischer Marathonis hallen von Decke und Wänden wider. Es lässt sich gut an und ich bin mächtig gut drauf!

Schnell wird es wieder hell und wir finden uns auf einer Wohnstraße im Stadteil Weingarten wieder. Ein Stück voraus tanzen die lila Luftballons eines Pacemakers über Läuferköpfen. Florian vermutet in ihm den 3:45h-Zugläufer. Meine Korrektur quittiert er mit einem verwunderten „der ist aber ganz schnell unterwegs für vier Stunden!“ Ich versuche eine Erklärung, da Pacemaker sich ja meist an der Bruttozeit orientieren. Ganz überzeugt bin ich davon aber selbst nicht. Der ist trotzdem zu schnell. Wie auch immer: Im engen Wohngebiet zwingt uns die Traube der 4h-Läufer zur Tempomäßigung. Macht nix, wir liegen bei Kilometer drei befriedigend in der Zeit und mein Laufkamerad wird seine Kräfte noch brauchen (und ich wohl auch).

Da schert Pumuckl aus dem Läuferfeld! Pumuckl kennt ihr sicher alle, aber habt ihr auch schon mal den Marathon laufenden Pumuckl erlebt? Mittlerweile eine selbstverständliche, mit großem Hallo bei vielen Läufen begrüßte Persönlichkeit: Dietmar Mücke! Im Pumuckl-Kostüm läuft er für einen guten Zweck und sammelt Geld. Und Dietmar läuft barfuß! Anscheinend hat er sich ein Steinchen in die Sohle getreten. Ein paar fußlahme „Hupfer“, ein wischender Griff unter die Fußsohle und weiter geht’s …

Ortsteil Haslach: Irgendwo in der Nähe, ein paar Straßen weiter, wohnt Florian, wie er mir mit Satz und Handbewegung bedeutet. Hier bietet sich auf etwas breiterem Geläuf auch endlich die Chance die 4h-Läufer zu passieren. Kräftemäßig kein Problem zu diesem frühen Zeitpunkt - dennoch ist so ein Manöver bei grenzwertig berechnetem Temposchnitt kritisch. Es kostet zusätzlich Energie, die auf den letzten Kilometern schmerzlich fehlt. Also versuche ich es mit nur sanfter Tempoverschärfung für Florian so erträglich wie möglich zu bewerkstelligen, weiche auch mal auf den Bürgersteig aus, schneide eine Ecke ab und setze mich nach ein, zwei Minuten vor den Pulk. Freies, entspanntes, ruhiges, mit einem Wort herrliches Laufen, ab jetzt ist es wieder möglich.

Rückblick Ende

Wir haben die Innenstadt erreicht, Kilometer Sieben passiert, laufen gleichmäßig, "alle Anzeigen im grünen Bereich". Florian hält sich diszipliniert zurück, obwohl wir hinter dem für seine Traumzeit nötigen Schnitt her hinken. „Langsam laufen, so lange es tendenziell aufwärts geht“ habe ich als Devise ausgegeben und „nachher, bei leichtem Gefälle, können wir Zeit gut machen.“ Marathonis müssen in Freiburg die Halbmarathonstrecke zweimal durchlaufen. Ihr Profil weist bis Kilometer 12 ungefähr fünfzig Meter Steigung auf, danach geht es stetig abwärts. Wir erreichen die Innenstadt, auf der Kaiser-Joseph Straße. Das ist die Freiburger Einkaufsmeile und bedeutet Kopfsteinpflaster. Immer unangenehm. In Freiburg heißt das aber auch ‚aufpassen!’ Nein, nicht der Zuschauer wegen, die stehen selbst hier nicht allzu dicht (Wo bleibt die vollmundig angekündigte, tolle Stimmung? Bis dato ist der Publikumszuspruch recht dürftig). Freiburgs Attraktion, die „Bächle“, ein Netz von steingefassten Bachläufen mitten durch die Altstadt, kann unachtsamen Läufern leicht zum Verhängnis werden. Ein Fehltritt und du stehst im Wasser oder knickst womöglich schmerzhaft um. Mit langem Satz setze ich über’s Bächle, weil jenseits das Pflaster feiner und flacher verlegt ist. Ganze dreißig Meter sind mir gegönnt, dann muss ich einer Zuschauergruppe ausweichen und bleibe anschließend auf der holprigeren, zusätzlich von Straßenbahnschienen durchfurchten Fahrbahn.

Das Martinstor mit pittoreskem Turm markiert das Ende der Fußgängerzone. Hindurch und kurz danach links ab durch die Wallstraße, Kilometer neun, Zeit ok. Die Sonne streift mich warm. Dankbar schwenkt mein Blick himmelwärts. Tatsächlich überwiegt jetzt die Farbe blau, nachdem heute Morgen dichtes Nebelgrau über den Dächern hing und die Temperaturen im Keller hielt. Noch kann ich nicht wissen, dass sich die Wolken in ein paar Minuten und für die komplette Laufzeit wieder schließen werden. Hätte ich ein langes Laufshirt im Gepäck gehabt, ich trüge es jetzt. Wind ist zum Glück keiner fühlbar und so kann ich das gelegentliche Frösteln an den Armen gut ertragen. Leicht ansteigend und durch das „Schwabentor“ geht es zurück in Altstadt und Fußgängerbereich. Neuerlich Kopfsteinpflaster und Bächle. Weiter. „Zum roten Bären“, angeblich das älteste Gasthaus der Welt, vor 1120 erbaut, bleibt linkerhand liegen. Weiter in die Herrenstraße. Aus dem Augenwinkel registriere ich gerade noch das „Restaurant Löwen“, in dem ich mit Ines gestern Abend so lecker gegessen habe. Mit dem Freiburg Marathon ist Geschäft zu machen: Eine Bäckerei bietet am Stand vor der Haustür allerlei Leckereien feil. „Wer Geld dabei hat, kann sich hier verpflegen“ scherzt Florian. „Ja, dann kann er hier ordentlich Brotzeit machen“ gebe ich zurück. Feixend rennen wir um die Ecke und verlassen damit endgültig den Fußgängerbereich.

Schlossberg links, hohes Parkhaus rechts, in dieser „Schlucht“ erwartet uns einer der zahlreichen Getränkestände. Florian schnappt sich jedes Mal im Laufen einen Becher. Ich habe heute Zeit und keinen Bock auf die gewohnte Atemnot nach hastigem Trinken. Deshalb leiste ich mir kurze Pausen und hole dann wieder auf. Hier verläuft auch eines der kurzen Stücke mit „Gegenverkehr“. Schnelle Läufer mit mehreren Kilometern Vorsprung erregen Florians Aufmerksamkeit. Und einer der anderen Mitläufer „will sich lieber nicht vorstellen, wie viel Vorsprung die jetzt schon haben …“ Absperrgitter bilden nun für ein paar hundert Meter einen Kanal. Rechts halten sie Publikum auf Distanz, links trennen sie uns von den Schnelleren.

Zweisam entlang der Dreisam

Die nächste Nebenstraße gehört dann wieder vollkommen uns und leitet zum Ufer der Dreisam. Zehn Kilometer geschafft. Während der nächsten Viertelstunde orientiert sich die Strecke am Fluss. Über die Oberaubrücke wechseln wir die Uferseite. Schöne Blicke in das Bett des Flusses und zu seinen parkähnlich gepflegten Ufern tun sich auf. Gegenüber ragt die von der Sonne beschienene, vom Weinanbau genutzte Bergflanke steil auf. Das gefällt mir, das gefällt mir sogar ausnehmend gut! Freude und Zuversicht erhalten auf diese Weise weitere Nahrung. Auch die inneren Ampeln tragen dazu bei, sie stehen weiter auf Grün - anscheinend hat der Ruhetag ausgereicht, mich nach der vorgestrigen Trainingsschwäche wieder aufzurichten.

Die Uferstraße ist hier zu Ende, auf einem Rad- und Fußweg geht es weiter. Voraus eine Parkbank. Darauf, der Länge nach hingestreckt und mit geschlossenen Augen die warme Mittagssonne genießend, erkennt Florian einen Kommilitonen. Sein Winken bleibt erfolglos und leicht sehnsuchtsvoll spotte ich „der hat’s voll verschlafen.“ Das hat auch was. Hier gemütlich in der Sonne liegen und den Herrgott einen guten Mann sein lassen.

Florian gibt einen kurzen Hinweis und schlägt sich in die Büsche. Na gut, dann werd’ ich auch mal. Den leichten Druck hätte ich mir zwar verkneifen können, zumal sich das Gefühl später erfahrungsgemäß verliert, aber wenn ich sowieso warten muss … So doll war das nun auch wieder nicht. Florian hat nun fünfzig Meter Vorsprung und erst in Höhe der Wende, kurz vor der Sandfangbrücke, kann ich wieder aufschließen. Nach der Brücke wendet sich der Laufweg Richtung Innenstadt. Von hier geht es spürbar bergab, entsprechend beschleunigen sich unsere Schritte.

Musikalisches

Kilometer 12 ist nicht mehr weit. Dort wird eine der 42 Musikgruppen postiert sein, die der Veranstalter zum Heben der Stimmung aufgeboten hat. Einige haben wir schon genossen, doch diese erwartet Florian mit Spannung. Es ist seine eigene Band, die heute ohne Posaunisten auskommen muss. Wild winkend rast er auf seine Freunde zu, ein Kameraobjektiv wird in Stellung gebracht und mit lautem Hallo sind wir auch schon vorbei. Was der Veranstalter den Gruppen bezahlt, möchte ich von ihm wissen. Sein „Garnichts“ macht mich dann schon ein wenig betroffen. „Sie zahlen den Strom und stellen jedem ein Lunchpaket. Das war’s. Sogar Unterstand und Transport musst du selbst bestreiten. Das Los der Musiker: Du wirst nicht ernst genommen!“ Wenn für einen Stadtmarathon recht hohe Startgebühren fällig wurden, konnte ich Zweiflern bisher immer eine lange, kostenintensive Liste von Ausgaben präsentieren. Auch Freiburg ist mit 46 Euro verdammt teuer, zumal man das Finisher Shirt extra zahlen muss. Umso unverständlicher, dass die Musikanten vollkommen leer ausgehen.

Dieser Musikus braucht nur Strom und keine Verpflegung: Vor dem Eingang des SWR 3 Rundfunkhauses steht eine kunterbunte Kirmesorgel und begleitet unseren Lauf ein Stück weit. Unwillkürlich muss ich mir vorstellen, dass das in allen Farben des Regenbogens gestaltete Ding sonst eher zur Untermalung von Kinderfesten beiträgt. Und weiter.

Bergab geht’s schneller

Der Kanal aus Absperrgittern „saugt“ uns wieder ein. Jetzt sind wir die Schnelleren, wenngleich sich nebenan nur noch wenige Läufer auf Gegenkurs zur Dreisamschleife aufmachen. Die bekannte „Schlucht“ aus Berg und Parkhaus wartet noch mit einem kurzen Buckel auf, danach geht es wieder sicht- und spürbar abwärts. Ich verschärfe das Tempo, um etwas Zeit gut zu machen. Florian sieht gut aus, hält mit. Ich erkundige mich nach seinem Befinden und bekomme meinen optischen Eindruck bestätigt. Was mit mir ist? Mittlerweile haben wir 15 Kilometer in den Beinen und ich sollte eigentlich noch nichts spüren. Die „Laufknochen“ signalisieren allerdings unmissverständlich das in dieser Woche schon absolvierte Pensum. Was den Energiefluss angeht, kann ich nicht meckern. Also denke ich einfach positiv und das heißt in diesem Fall mit Freude an das später bevorstehende Finish.

Wieder wartet eine Abordnung von Florians Studiengenossen, drei an der Zahl. Diesmal gibt’s nicht nur ein Foto, sondern auch eine weitere Flasche. Der milchig trübe Inhalt lässt auf eine Geheimmixtur schließen. Die aufgezählten Inhaltsstoffe finden meine stille Zustimmung. Dann ergänzt er seine Liste noch mit Orangensaft, worauf ich auch nichts erwidere, dafür aber inständig hoffe, dass davon möglichst wenig drin ist. Säfte gehören nicht in Sportgetränke, die während des Laufes konsumiert werden. Sie verzögern die Rehydrierung und sind nicht sonderlich gut verträglich.

Ohne große Anstrengung - jedenfalls fühl' ich keine - machen wir Zeit gut. Ungefähr 30 Sekunden auf jedem der Gefällekilometer. Auf diesem Teil der Strecke fällt auch das Überholen des gewaltigen „Aufgalopps“ rund um den 3:45h-Zugläufer leicht. Am Straßenrand, gelegentlich auf dem Bürgersteig, haarscharf an Zuschauern vorbei, schnell ist das Hindernis überwunden. - Was ist denn da vorne los? Die Musik einer weiteren Band schallt uns entgegen. Im Zentrum des Ortsteiles Herdern hat sich eine beeindruckende Zuschauerkolonie zusammen geballt. Die machen Krach für Tausend. Pfeifen, Ratschen, Schreien, Klatschen, Bravo-und-Vorwärts-Geschrei, alles was der frenetische, deutsche Lauffan an leistungssteigernden Gebärden drauf hat, prasselt auf uns ein. Irgendwo hab ich gelesen, dass dieser Stadtteil im letzten Jahr vom Veranstalter eine Auszeichnung für die beste Stimmung bekam. Die Lautesten sind sie definitiv auch heute, so viel steht fest.

Weiter durch Wohnstraßen. Dreikäsehochs am Straßenrand lassen sich abklatschen. Mag ich und klatsche mit. Haben dieselben Knirpse die üppig verteilten Anfeuerungsparolen mit Kreide auf die Straße gemalt? Alles kann und will ich nicht entziffern, aber schon das „vorwärts!“ wendet sich eindeutig an uns (Halb-) Marathonis. Eine sehr sympathische Stadt mit sympathischen Menschen. Und weiter …

Noch mehr Musikalisches

Durch eine Bahnunterführung nach links abknickend, dahinter Musik. Laute, rhythmisch hämmernde Musik. Noch nichts zu sehen, aber schon zu hören: Techno wummert zwischen Wohnhäusern. Noch ein kleine Biegung, dann erkenne ich die gigantische Lautsprecherbox auf einem Balkon im ersten Stock. Ein paar junge Leute machen da Party auf ihre Weise. Allein die Chance einmal ungestraft das ganze Viertel mit etlichen Dezibel zuzudröhnen muss wahnsinnig „geil“ sein. Für meine Ohren gibt es Schlimmeres als gut gemachten Techno. Auf diesen oder jenen schauerlichen Gig entlang der Runde hätte ich dagegen gerne verzichtet.

Von hinten schiebt Techno, von vorne ziehen bereits die Klänge einer weiteren „offiziellen“ Band. Und wir biegen auf die für den Individualverkehr gesperrte Zähringer Straße ein. 18 Kilometer gelaufen und über zwei Minuten im Gefälle gut gemacht. Nur 500 Meter sind es bis zum Wendepunkt, dem letzten auf der ersten Runde. Just an diesem Wendepunkt hat sich eine weitere Musikgruppe postiert. Die spielen nicht schlecht. Programm und wohl auch Güte der Darbietung veranlassen Florian zu überschwänglichem Kommentar: „Das ist Musik!“

Manchmal hängt Florian ein, zwei Meter zurück. Ist das nur Unachtsamkeit oder bahnen sich da Probleme an? Doch alle Kontrollblicke finden entspannte Züge in einem noch unangestrengt wirkenden Gesicht. Alles klar! - Wieder ein anderer Musikstil: Fünf bunt kostümierte Steeldrum-MusikerInnen verwöhnen jetzt mein Trommelfell auf ihren aus Ölfässern gefertigten Schlaginstrumenten. Ist Florians Trommelfell durch den Auftritt eher gereizt? Keine Ahnung, jedenfalls schweigt er zu dieser Darbietung und trabt stoischen Schrittes vorbei.

Qualen für’s Gehör und Labsal für des liebenden Läufers Seele

Der inzwischen lückenhafte Strom der Läufer verlässt die vierspurige Ausfallstraße und wälzt sich auf breiter Straße Richtung Messegelände. Noch zwei Kilometer, dann ist der Halbe abgehakt. Vorher quälen noch vier blutjunge Musiker ihre Instrumente und unsere Großhirnrinde. Die vier Jungs auf einem Anhänger, im weißen Hemd mit Fliege und Hosenträgern, produzieren einen ziemlich unharmonischen Lärm, den sie wahrscheinlich für Rockmusik halten. Und dass der „Sänger“ der Sangeskunst nicht mächtig ist, hätte mir der musikalische Florian durch seinen Scherz gar nicht erst mitteilen müssen - niemand kann das überhören! Entsetzlich, aber dran vorbei und weiter …

Eine lange Allee liegt noch vor uns. Sie flankiert auf etwa 800 Metern den riesigen Hauptfriedhof. Zunächst senkt sich die Straße leicht, um schlussendlich als lang gezogene Brückenauffahrt noch einmal die Beinmuskeln zu traktieren. Vorher gibt’s was zu trinken. Für mich an einem Verpflegungsstand. Den ignoriert Florian, denn er weiß seine Freundin wenig weiter an der Straße wartend. Er empfängt eine Flasche, des gleichen milchigtrüben Inhalts wie vorhin, und bezahlt die Liebestat mit einem Kuss. So viel Zeit für Beziehungspflege muss sein!

Runde zwei: Schluss mit Lustig!

Brücke geentert, nach links gewendet, über steile Abfahrt nach unten gerannt. Rechter Hand erstreckt sich das Messegelände. Querab sehe ich das Erwartete und Unabänderliche. Klingt schicksalhaft und wird es uns dann auch für den ganzen, verfluchten Rest des Laufes! Und das sind weitere 21 Kilometer. Was ich sehe? Achttausendfünfhundert Halbmarathonläufer! Es ist kurz nach 13 Uhr und sie sind gerade gestartet. Immer näher kommen wir dem mächtigen Lindwurm aus Läufern und „beißen“ ihm in den Schwanz. Alle 8500 sind bereits durch! ‚Das wird schwierig’ denke ich, derzeit noch mit positivem Zusatz: ‚Irgendwie wird’s schon gehen.’ Zuletzt laufen wir parallel zu den letzten Halbmarathonis in einem beängstigend engen, wieder mit Gittern und Trassenband reservierten Kanal. Da kommt man nur hintereinander durch. Aber dafür gehört die schmale Furt uns. Dann ist sie zu Ende und die Malaise nimmt ihren Anfang. Nur ganz außen und nur selten ergibt sich eine Chance die deutlich langsameren Läufer zu überholen. Einstweilen füge ich mich, hoffe auf baldige Entzerrung der „Sache“. Dafür suche ich meine Frau in der Menge. Sie wird heute sehr langsam laufen, ein Genuss- und Trainingslauf ist beabsichtigt. Irgendwo hier am Ende der Schlange muss sie sein. Nach ein paar Minuten gebe ich mein hoffnungsloses Unterfangen auf. Das ist ein bisschen wie die Suche nach der Nadel im Heuhaufen.

Vom ersten Durchlauf weiß ich: Nach zwei Kilometern endet der vierspurige Streckenabschnitt in enger Spirale nach rechts unten. Wie soll das gehen? Hier ist schon kaum Platz und die enge Abfahrt zur Unterführung muss doch wie ein Trichter wirken, in den man zu viel Wasser geschüttet hat. So ähnlich kosten wir’s dann auch aus: Eingekeilt und mit noch weiter reduzierter Geschwindigkeit „zuckeln“ wir abwärts, trippeln durch die Unterführung, erreichen schließlich die ersten Wohngebiete mit ihren engen Straßen. Zäh und stockend spült die Flut über Fahrbahn und Bürgersteige, zwischen parkenden Autos und inzwischen deutlich mehr Zuschauern. Passanten machen sich klein, drücken sich gegen Zäune und Hecken, nutzen Hofeinfahrten, klatschen und jubeln trotzdem. Es lebe das „Event“! Den Halbmarathonis kann’s eigentlich egal sein, es ist ja ihr Tempo. Aber mir ist es nicht egal. Da ist kein Durchkommen. Lücken gibt’s kaum, zudem schließen sie sich sofort wieder. Ein einziger Slalomlauf mit Tücken. Jeden Moment erwarte ich ein unvorhersehbares Hindernis. Das ist ätzend! Schon hier verfluche ich die Wettkampfleitung. Das hier hat mit entspanntem, gleichmäßigem Laufen absolut nichts mehr zu tun. Links vorbei, nach rechts ausweichen, kurz durch die Mitte beschleunigen, wieder abbremsen, aufpassen auf Läuferfüße, Passanten, Autos, Randsteine, Verkehrsinseln und … unvermittelt auftauchende Pfosten!!! Das musst du dir einfach mal vorstellen: Da steht urplötzlich auf dem Bürgersteig, dicht am Straßenrand ein Pfosten. Den sieht man erst, wenn der Läufer vor einem ausweicht. Ja kennen denn diese Ignoranten in der Leitung des Laufes ihre Strecke nicht? Ich habe schon Läufe erlebt, da wurden harmlose Frostaufbrüche im Fahrbahnasphalt mit greller Farbe markiert, damit kein Läufer zu Schaden kommt. Und hier haben sie es nicht mal nötig ein gefährliches Hindernis abzusichern! Unglaublich! Gottlob steht an einem der Pfosten ein älterer, besorgter Herr und warnt immer wieder mit lauter Stimme: „Vorsicht! Vorsicht! Vorsicht!“. Mein Unmut wächst.

Merke: Laufen kann Spaß machen, muss aber nicht.

Paarweise nebeneinander zu laufen ist unter diesen Bedingungen unmöglich, nicht mal hintereinander her rennend können wir Kontakt halten. Immer wieder spähe ich nach Florian, um ihn nicht aus den Augen zu verlieren. Die Zeit sollte mir in solcher Situation gleichgültig sein, ist sie aber nicht. Florian hat ein Ziel und ich wollte ihn dabei unterstützen. Umso nerviger, wenn uns eine dilettantische Strecken- und Laufplanung der mühsam aufgeholten Minuten wieder beraubt. Die Hoffnung stirbt zuletzt: Irgendwann muss es doch wieder möglich sein frei, dem eigenen Rhythmus gehorchend, zu laufen. Irgendwann, aber nicht hier: Links, rechts, rauf zur Wiwilli Brücke. Ich schmuggele mich irgendwie durch. Auf der Brücke bleibt nur der schmale, mit Eisen beplankte Rand. Gefährlich nah wischt mein linker Arm an den Stahlträgern der Brückenkonstruktion entlang. Ich beiße die Zähne zusammen. Das kenn’ ich sonst nur im Schlussteil vor Anstrengung. Freiburg lehrt mich Neues: Laufen mit Grimm im Bauch. Längst ist es mir so was von „wurscht“, dass ich an Ecken pausenlos über Bürgersteige abkürze, abkürzen muss, um überhaupt eine Chance auf normales Laufen und Durchkommen zu haben. Haufenweise menschliche Slalomstangen zwingen uns zu dauernden „Umwegen“. So können wir am Ende todsicher mehr als 42195 Meter auf unser Laufkonto buchen. Wir halten trotz allem guten Kontakt. Ausgerechnet dieser Murks von einem Marathon bildet Florians Einstand, das tut mir in der Läuferseele weh. Der Erste kommt nie wieder. Ich bin immer wieder Marathon gelaufen. Jeder war auf seine Weise einzigartig, jeder hat mich beschenkt. Aber die gewaltige Explosion von Glück und Begeisterung des Ersten wiederholte sich nicht.

Innenstadt: Das Gewürge setzt sich fort. Hier umso mehr, als nun große, stimmgewaltige Publikumsspaliere die Laufgasse einengen. Hie und da schaffen es Grüppchen Uneinsichtiger nicht einmal am Rand der Straße zu bleiben. Wenn schon keine Absperrungen den Massen wehren, wo sind dann die Streckenposten? Ein derart schlecht organisierter Lauf ist mir noch nicht unter gekommen. Wirklich unglaublich! Immer wieder kommt es auch zu „ziehharmonikaartigen“ Stockungen in der Fußgängerzone. Einmal knalle ich dabei fast in die Rückfront eines Läufers. Laut schimpfend mache ich mir Luft: „Das ist der besch… Lauf, an dem ich je teilnahm!“ Und: „Nie wieder Freiburg!“. Niemand wundern meine verbalen Ausfälle. Wer hier unterwegs ist, versteht mich. Gleich fühle ich mich ein bisschen erleichtert und in dieser Form tauche ich ein weiteres Mal in die „Schlucht“ ein. Hier ist Platz genug. Am Getränkestand schnappe ich mir einen Becher. Akkordarbeit für die vielen Helfer. Irgendwie schaffen sie es, abertausende Gefäße rechtzeitig zu füllen, damit niemand warten muss. Bezahlt werden die sicher auch nicht, stellen sich in den Dienst der Sache, in unseren Dienst. Danke!

Hindernismarathon

Weiter! Rein in die Kanäle aus Absperrgittern. Jetzt geht fast gar nichts mehr: Mit Nullabstand trippele ich die nächsten zwei-, dreihundert Meter. Und dann noch dieser Heini! Um einen persönlichen Fan am Straßenhand beidhändig abzuklatschen, springt er mit lautem Schrei vor mir hoch, vollführt in der Luft eine Vierteldrehung, landet, halb kann ich noch ausweichen, dann rammt er mir den Ellbogen gegen die Schulter. Immer wieder haben sich Läufer entschuldigt, wenn sie andere unabsichtlich touchierten, ich auch schon zwei-, dreimal. Hat der nicht nötig, wahrscheinlich ist ihm nicht mal klar, was er grade angestellt hat. Bloß weg hier! - Wo ist Florian? Da isser, alles klar. Weiter! Entlang der Dreisam nutzen wir meist den Gehsteig, so lange es eben geht. Kurven um Passanten, tappen auch mal über Rasenstücke, flitzen an Radfahrern vorbei, die ihren Drahtesel heute nur schieben können, rennen stellenweise zurück auf die Fahrbahn - ein einziger Hindernislauf. Florian hält sich gut. Immerhin haben wir die Dreißigkilometermarke schon hinter uns. Den Zeitbezug habe ich vollends verloren. Es bleibt einfach keine Muße, an den Kilometertafeln die vorgesehene Durchlaufzeit zu kalkulieren und auf eine Zeittabelle hab ich verzichtet. Vom Gefühl her müssten wir unseren Durchschnitt einigermaßen halten können. Dass sich angesichts ständiger Verzögerungen Florians Traum noch erfüllt, damit rechne ich allerdings nicht mehr. Das dauernde Bremsen, wieder Beschleunigen, Ausweichen und Überholen kostet ja nicht nur Zeit. Es zehrt auch an den Kraftreserven, die man normalerweise durch einen ruhigen Laufrhythmus zu schonen sucht.

Das hab ich vorausgesehen: Auf dem Fußweg entlang der Dreisam geht’s nur „im Grünen“ vorbei. Ein falscher Schritt, ein Umknicken in ungeahnter Vertiefung und ich kullerte die Uferböschung runter - Ausgang ungewiss. Konzentration, immer wieder höchste Konzentration. Weiter! Über die Brücke, zurück Richtung Stadt, jeden Fetzen Randstreifen nutzend. Wieder kommt Florians Band in Sicht. Die Freude seine Kumpane zu sehen, lässt ihn unwillkürlich schneller werden. Das merkt er sicher nicht. Ist auch egal, wir laufen auf leicht abschüssiger Straße und ein paar gewonnene Sekunden tun gut. Ich nehme das Tempo an und behalte es bei. Das heißt ich würde es gerne beibehalten. Geht aber nur auf dem engen Bürgersteig. Zwischen Autos und Mauern, ausweichenden Passanten und Zäunen mache ich die Pace. Hoffentlich geht das gut. Vorbei am SWR3-Gebäude und der Kirmesorgel. Irgendwo stand noch eine zweite. Keine Ahnung, wo das war.

Wieder Absperrgitter beidseits, wieder „zappenduster“, tippeln, zuckeln, Stockungen, bremsen, anlaufen, ausweichen … Himmelherrgottnocheinmal! Was für ein Sch…Run! Vergiss Freiburg! Die Stadt und ihre Menschen haben das nicht verdient, noch weniger die Läufermassen um mich her. Aber läuferisch werde ich für alle Zukunft einen Riesenbogen um diese Gegend machen. Als Teilnehmer großer Laufveranstaltungen muss man sich in mancherlei Hinsicht zurück nehmen. Ein individuell „optimiertes“ Lauferlebnis war, ist und wird immer Illusion bleiben. Auch auf ein „allzeit freie Fahrt“ hat man kein Recht, alle anderen wollen schließlich auch laufen. Unerträglich, da vorhersehbar und bewusst in Kauf genommen, ist jedoch dieser über 20 Kilometer vollkommen chaotische Lauf. Es gibt verantwortungsbewusste Veranstalter, die ihre und die Grenzen ihrer Strecke kennen. Man kann Teilnehmerlimits aussprechen (siehe Mainz), Läufer schubweise starten lassen, den zeitlichen Versatz von Marathon und Halbmarathon besser abstimmen. Nichts dergleichen unternahmen die Veranstalter in Freiburg! Der Marathonstart wurde um 20 Minuten verschoben, um einer Palmsonntagsprozession nicht ins Gehege zu kommen. Löblich! Aber warum hat man dann nicht auch die Halbmarathonis später auf die Strecke geschickt? Das hätte die Schwierigkeiten ein wenig gemildert.

Die Schlussphase

Die Innenstadt ist Geschichte, jetzt geht es besser, Ausweichmanöver werden seltener. Irgendwo hier empfängt Florian seine letzte Flasche. Wie jedes Mal kann er nur ein paar Schlucke verwerten und schmeißt das Ding dann an den Straßenrand. War es hier, dass ihm dieses Manöver missglückte und er einen Läufer traf? Das ist ihm sichtlich peinlich, aber so etwas passiert nun mal im Eifer des Gefechts. Weiter! „Jetzt sind es noch sieben Kilometer, das schaffst du!“ Kommentarlos und inzwischen schon ein bisschen verbissen, nimmt Florian meine Aufmunterung entgegen. Es ist jetzt schwer für ihn, er kämpft. Seine halblaute Bestätigung auf eine entsprechende Anfrage vorhin ließ es erkennen, aber auch sein von Salzkrusten gezeichnetes Gesicht spricht Bände. Sind wir langsam, sind wir schnell? Ich kalkuliere mal oberflächlich: Noch 7 km. 7 mal 5 ergibt 35 Minuten und das zur aktuellen Zeit addiert. Das sieht erstaunlich gut aus, verweist uns auf eine Zielzeit deutlich, sehr deutlich, unter 3:45h. Wenn er durchhält. Dass ich durchhalte ist mittlerweile sicher. Kraft ist da, keine Frage, auch wenn schon seit über einer Stunde alle „Knochen“ im Leib schmerzen - weit früher als sonst und auch heftiger als zuletzt auf dem Kurs des Bienwald-Marathon.

Wieder mal ein dichter belaufener Streckenabschnitt. Die Straße ist weit einsehbar, das Trottoir auf der linken Seite fast leer, also laufe ich dort. Noch sechs Kilometer. Irgendwann ringt sich Florian noch mal einen Scherz ab: „Das darf schon weh tun?“ Meine Antwort stellt ihn zufrieden und lässt eine Läuferin in unserer Nähe auflachen: „Das muss sogar weh tun!“ Er „beißt“ sich durch und langsam wird mir bewusst, was er da leistet: Sein Erster und dann so ein Tempo! Ein letztes Mal die Wendestrecke, noch gut drei Kilometer. „Das läufst du notfalls auf dem Zahnfleisch, halt durch!“ Nimmt er die musikalische Untermalung noch wahr? Kein Kommentar mehr zu der für sein Musikergehör tollen Band am Wendepunkt. Ich bin jetzt ein paar Schritte voraus, versuche ihn damit zu ziehen, er bleibt dran. Schon wieder eine Verdichtung. Ich verlasse die Fahrbahn und laufe über die Straßenbahntrasse in der Mitte der Straße. Straßenbahnen verkehren noch, das registrierte ich vorhin. Und wenn jetzt eine kommt? Muss sie halt langsamer fahren, sind ja nur hundert Meter. Zurück auf die Straße, rechts weg, noch zwei Kilometer. Ich mache Sprüche wie „Das sieht gut aus, du schaffst das!“ Oder vorhin: „Wenn es jetzt schweineweh tut, dann ist das genau richtig!“ - Ich weiß nicht, ob es ihm was bringt, aber Anfeuerung hat noch keinem Beinahe-Marathoni geschadet.

Ein letztes Mal vorbei an der gleichermaßen entfesselt wie grausam untalentiert aufspielenden 4er-Rockgruppe. „Deine Lieblingsband“ versuche ich ihn aufzumuntern. In der finalen Anstrengung hat er weder Lust noch Kraft auch nur den Kopf zu drehen. Weiter! Noch einmal leicht bergauf, der Friedhof, rechts ab. „Gleich ist es geschafft, noch ein lächerlicher Kilometer!“ Ich sehe auf die Uhr und bin wirklich überrascht: „Du wirst das unter 3:40h schaffen!“ Das hat gesessen! Er wird schneller, kaum merklich, aber doch schneller. Die Brücke zum Messegelände liegt vor uns: „Nur noch dieser leichte Anstieg. Wenn du noch irgendwo Reserven hast, lass jetzt alles raus!“ Es wirkt wieder, er hält aufwärts die Geschwindigkeit. Hier stand vorhin seine Freundin, jetzt ist sie nicht da … Er wird wissen warum. Vorwärts! Wir haben die Brücke, links rum und relativ steil runter. „Lauf Florian, wir sind gleich da!“ Er fliegt, ich fliege hinterher. Rechts ’rum auf’s Messegelände, wieder links und noch ein Haken rechts. Florian zwei Schritte vor mir. Ich sehe ein Tor, darunter eine der bekannten Zeitmessmatten, glaube mich im Ziel, stoppe Lauf und Uhr. Florians Urschrei lässt meinen Blick von der Uhr hochfliegen. Das war nicht sein Siegesschrei, er hat nur das eigentliche Ziel, fünfzig Meter weiter vorn wahrgenommen. Also laufe ich wieder an und starte noch einmal die Uhr. Endlich im Ziel. Florian hat es geschafft: 3:39:32, sein Traum hat sich erfüllt. Vier Sekunden später bleibt die Uhr für mich stehen. Wir umarmen uns. Er ist überglücklich. „Super Florian, einfach toll!“

Ines' Halbmarathon

Später schließe ich bei der Taschenaufbewahrung meine glückliche Halbmarathona in die Arme. Mit einer Zeit von 2:18:03 machte sich Ines ein genussvolles Laufgeschenk. Als bei Kilometer 15 noch keinerlei Anstrengung zu spüren war, legte sie auf ihrem Trainingslauf einen Zahn zu, erreichte jedoch vollkommen entspannt und gar nicht ausgepowert das Ziel.



 

Florians Laufbericht

Mein Bericht hätte auch gut und gerne viermal so lang werden können, so viele Gedanken schwirren mir immer noch im Kopf herum. Immer und immer wieder bin ich den Lauf in dieser Woche durchgegangen. Und es ist immer noch ein affenstarkes Gefühl!

Vorbereitung
Frei nach Herbert Steffny. Nach einem ordentlichen Winter mit 30-60 Wochenkilometern bin ich im Januar in den 10-Wochen 3:30er Plan eingestiegen. Na ja, ich habe mich grob daran orientiert. Das einzige, was davon übrig blieb, waren die Wochenkilometer und die Tempodauerläufe. An langen Läufen kamen zusammen: 2x26, 28, 2x32 - der letzte davon zwei Wochen vor dem Wettkampf mit 12,5km Endbeschleunigung.

Zielzeit
Wäre eine Geschichte für sich. Als belegbare Vorraussetzungen bringe ich eigentlich nur die 20km in 1:34:07 aus Celle mit. Macht knapp 1:40 für den HM, also 3:30 für den Marathon plus 15 Minuten Debütantenaufschlag. Ganz abgesehen davon, dass auch über 100 Höhenmeter zu bewältigen sind und wir in die Halbmarathon-Läufer hinein laufen werden.

Die letzten zwei Wochen
Bauchschmerzen, Verstopfung, Appetitlosigkeit. Ich denke sogar an Übertraining. Laufen macht jedenfalls keinen Spaß mehr. Gut, dass das am Mittwoch vor dem Marathon vorbei ist. Am Abend vor dem Start feiern wir die Hochzeit von guten Freunden. Zwar gibt es nichts Gescheites zu essen, aber ich bin gut abgelenkt und falle um kurz nach Mitternacht hundemüde ins Bett.

2 Stunden vor dem Start
Ich trete aus dem Haus und treffe sofort auf Udo und seine Frau Ines. Wir unterhalten uns nett und schlendern ein wenig über die Marathon-Messe. Draußen ist es noch ziemlich kalt, und auch drinnen zittere ich ein wenig. Oder ist das die Aufregung? Da Ines unsere Taschen abgeben wird, können wir unsere Jacken bis kurz vorm Start anbehalten. Dann folgt das eigentlich nicht mehr geplante Einlaufen, da wir noch ein paar hundert Meter Umweg zum Start zurücklegen müssen. Kaum stehen wir in der 3:45er Region fällt auch schon der Startschuss.

Km1-2
Mein offizielles Ziel von 3:45 war nur Vorwand. Ich schiele auf 3:40 und will deshalb den ersten HM mit einer 5:15 Pace beginnen. Udo braucht einen Bremsläufer und so laufen wir den ganzen Lauf gemeinsam. Auf den ersten zwei Kilometern verlieren wir sicher 50 Sekunden auf den Zielschnitt, aber lieber so als anders herum.

Km 3
Nach der anfänglichen 4-spurigen Läuferautobahn wird die Strecke schmaler, wir erreichen den tiefsten Punkt des Laufes, die Strecke steigt leicht an. Wir hängen jetzt im Gedränge des 4:00-Pace-Läufers fest, aber die Geschwindigkeit passt.

Km 4-5
Im Bereich der ersten Wasserstelle zieht Udo das Tempo etwas an, und wir gehen an der 4:00 Stunden Meute vorbei.

Km 5,5
Vor der Blauen Brücke erwartet mich meine Schwester mit meiner ersten persönlichen Trinkflasche. Erstmal nur Wasser mit etwas Salz. Ein ausgeklügeltes System von Freunden soll mich unterwegs mit genügend Zuckerwasser versorgen. Iso-Drinks vertrage ich noch nicht. Üben!

Innenstadt
Erstaunlich schnell machen wir Zeit auf den geplanten Durchschnitt gut. Die Kilometerzeiten schwanken zwischen knapp unter 5 Minuten und 5:30. Die leichten Steigungen überall machen es schwer, konstant zu laufen. Bis zum höchsten Punkt kurz vor km 12 gebe ich mir aber 1 Minute Rückstand. Das sollte dann auf dem Weg zurück zum Start locker reinzulaufen sein.

Km 11
Ich muss mal. Die eineinhalb Liter Wasser bis 2 Stunden vorm Start waren wohl doch etwas zu viel. Macht nichts, ich habe ja schließlich auch das Pinkeln geübt, zumindest jedenfalls, wie ich möglichst wenig Zeit dabei verliere.

Km 12
Die Veranstalter des Freiburg Marathon werben ja groß damit, dass ganz viele Bands am Straßenrand stehen und musizieren. Das stimmt auch, und eine der besten des Tages steht hier vor dem Gasthaus Stahl. Meine. Gerade spielen sie unsere Interpretation von "The Dock Of The Bay". Ich winke überschwenglich mit meiner Kappe um sie zu begrüßen.

Km 15
Der 3:45-Pace-Läufer ist überholt. Ich bin sehr zufrieden, dass wir uns so lange Zeit gelassen haben und nichts überstürzten. So ein Marathon ist schon lang, viel Zeit andere Leute einzuholen.

Km 16
Meine besten Freunde erwarten mich mit einer tollen Überraschung. Auf mehreren Pappkartons haben sie meinen Spitznamen FLOJO geschrieben und feuern mich an. Natürlich haben sie auch meine Flasche mit Spezialgetränk a la Herbert Steffny dabei. Wasser, Zucker, Salz, O-Saft, Maisstärke. Das hatte ich natürlich vorher getestet, dennoch kriege ich nur ein Drittel der Flasche davon runter.

Km 17
Wir kommen nach Zähringen, und Udo fragt mich wie es mir geht. Blendend! Die Atmung ist locker, die Beine tun weh wie immer. Alles im grünen Bereich.

Km 18
Wieso wird es jetzt so schwer? Egal, nichts anmerken lassen.

Km 20
Ich merke, dass ich schon ganz schön was getan habe. Ich dachte immer, erst ab km 25 wird es schwerer? Egal, muss ja weiter gehen.
Kurz vor der Brücke vor Start und Ziel begrüßt mich mein Schatz mit meiner nächsten Trinkflasche. Ich drücke ihr einen Kuss auf, sage noch schnell, dass es gut läuft und schon bin ich wieder weg. Ein paar Typen hinter uns sind dann wohl gleich zu ihr hin und wollten auch ein Bussi.

Km 21
Die HM-Markierung sehe ich nicht. Gab es eine? Meine Uhr sagt mir, dass wir etwa 10-20 Sekunden langsamer als 1:50 sind. Die offizielle Zeitmessung sagt später 1:49:30. Komisch, bei km 21 war die Zeit schon durch.. Was mir später erst klar wird: Seit den frühen Kilometern des Rennens gab es kaum einen, der uns überholt hat. Auf den letzten Kilometern überhaupt keinen. Das wird sich auch bis auf eine Ausnahme nicht mehr ändern.
Jetzt beginnt die heiße Phase. Gerade als wir wieder auf die Startgerade biegen sind alle 8500 Halbmarathon-Läufer gestartet. Schon auf der Berliner Allee weichen wir auf Bordsteine aus, um unser Tempo halten zu können.

Km 22-33
Überholen, abbremsen, ausweichen, Bordsteine, Zuschauer… Diese Strecke durch die Stadt ist zu klein für uns alle. Udo und ich quälen uns durch die Massen der langsamen Läufer. Vielen tippe ich auf die Schulter und sage freundlich "Achtung" oder "Entschuldigung". Ich kehre etwas stolz den Marathonläufer heraus und bin doch erstaunt, wie freundlich alle sind. Niemand beschwert sich, wenn ich ihn oder sie aus Versehen anremple. Und das passiert oft.
Wir verlieren nicht nur Kraft, sondern auch etwas Zeit in diesem Getümmel. Ich bleibe aber ruhig, denn ich kann ja eh nichts daran ändern. Nur als es mit Gegenverkehr wieder am Schwabentor vorbeigeht in die Karthäuserstraße fühle ich mich doch veräppelt. Da läuft 20m vor mir der Zugläufer für 3:30. Der kann auch nicht schneller als wir gerade, es bleiben nicht mal Überholmöglichkeiten.

Km 30
Es geht wieder an der Dreisam längs, aber der Fußweg ist zu schmal für alle. Gut, dass ich die Strecke so gut kenne, deswegen laufe ich viel hinter den Zuschauern auf dem Bordstein. Zum ersten Mal wird mir bewusst, dass ich ganz schön kämpfen muss. Seit der halben Strecke ist es eigentlich immer schwerer geworden. Der Slalom durch die Stadt war anspruchsvoll, aber das lasse ich nicht gelten. Ich weiß, jetzt fängt der Marathon richtig an.

Km 32,5
Meine Schwester reicht mir die erste Flasche mit meinem Cola-Gemisch. Wieder bekomme ich nicht viel runter. Das Wasser an den Versorgungsständen ist viel besser. Dabei ist Cola eigentlich mein Leibgetränk. Auf vielen Radtouren daran gewöhnt, schreit mein Körper regelmäßig danach. Nur heute muss ich mich zwingen, ich weiß ich brauche den Zucker für die letzten Kilometer.

Km 33
Meine Band stimmt gerade "54-46" von Toots & The Maytals an. Haben wir nicht auch etliche eigene Lieder? Obwohl ich winke, bekommt niemand mit, dass ich schon wieder vorbeikomme, die sind alle konzentriert bei der Sache. Gut so, wir sind ja schließlich keine Spaßband.
Nach dem Versorgungstand bringe ich meinen Lieblingsspruch des Tages zum letzten Mal an den Mann. Vor mir fällt ein HM-Läufer zum Trinken in den Gehschritt, so dass ich ihm ausweichen muss. "Laufen heißt der Sport!" rufe ich ihm zu. Das gute daran: Ich bin überhaupt nicht aus der Puste, die Fettverbrennung läuft noch nicht auf vollen Touren. Gut so!

Km 35
Seit etlichen Kilometern weiß ich nicht mehr, wie wir in der Zeit liegen. Gefühlsmäßig hatten wir am Wendepunkt vor km 33 mindestens eine Minute Rückstand. Und jetzt wird es erst richtig schwer. Ich laufe am Anschlag und bin mir sicher, weiter Zeit zu verlieren. Schon stelle ich mir eine lockere 3:42 im Ziel vor. Gar nicht schlecht, ich wäre hochzufrieden damit.

Km 37
Meine Freunde reichen mir meine letzte Trinkflasche, viel Beachtung schenke ich ihnen nicht.

Km 38
Es macht schon lange keinen Spaß mehr. Es ist anstrengend und sinnlos. Dann der Spruch der Sprüche von Udo: "Wenn es jetzt schweineweh tut, dann ist es genau richtig!" Wieso motiviert mich das? Weil es allen anderen, die was erreichen wollen, auch so geht. Udo kennt es, mein Vater kennt es von seinen Marathons, und in vier Wochen wird es meinem Kumpel Sören in Hamburg genauso gehen.

Km 39
Wieso spielt die Big-Band von vorhin nicht mehr?

Km 40
Stand das Schild vorher nicht viel weiter vorne? Und wieso ist diese Steinwurfdistanz bis zum Ziel noch 2km lang? Ich kenne die Gegend doch. Und wieso werden die ganzen Halbmarathon-Läufer so langsam? Die sind ja gerade mal warmgelaufen. Irgendwas in mir will aufhören. Ich beschließe weiterzulaufen, bis ich einen Grund gefunden habe endlich stehen zu bleiben. Ich höre in meinen Körper und suche angestrengt nach irgendwas. Schmerzen? Keine. Atmung? Schwerer, aber nicht am Limit. Dann also weiter!

Km 41
Wir biegen in die Kaiserstuhlstraße ein, die das nahe Ziel ankündigt. War die Straße schon immer so lang? Die HM-Läufer sind immer noch so lahm.

Km 41,?
Kurz vor der letzten Brücke. Meine Freundin sehe ich nur im Augenwinkel. Ich laufe, weil ich laufen muss. Udo schafft es doch, mich nochmal zu motivieren: "Wenn du jetzt noch was hast, dann lass es raus!" - und ich lasse es raus. Oben auf der Brücke beschleunige ich, ich gebe alles, weil noch was da ist. Jetzt geht es leicht abwärts. Ich stürme an den anderen Läufern vorbei. Noch einmal links, rechts im Zielkanal. Dann erblicke ich das Ziel und ich fühle, wie das Adrenalin in meine Adern strömt! Schlussspurt nach 42km, welch geiles Gefühl. Die Brutto-Zeit springt gerade auf 3:40 Stunden. Noch vor dem Zieleinlauf strecke ich meine Faust in die Höhe und schreie meine Freude heraus.

Ziel
Mit geballter Siegerfaust muss ich mehrmals laut schreien. Ein super Rennen, absolut am Limit, ein Traum! Gleichzeitig muss ich aufpassen, dass ich mich weiter bewege. Mein Kreislauf steht am Abgrund. Jetzt stehen bleiben und ich kippe um. Freudestrahlend umarme ich Udo und danke ihm für den tollen Lauf. Langsam gehen wir durch den Zielbereich. Die Apfelschorle bekomme ich nur schlückchenweise hinunter, Riegel überhaupt nicht, und das leckere Gebäck nur in kleinen Brocken. Wieso gibt's hier kein Bier?

Danach
Das Bier gibt es eine Stunde später. Ich liege geduscht bei meiner Freundin vor dem Fernseher und habe sogar schon ein ganzes Brötchen verdrückt. Ich bin überglücklich und klammere mich die ganze Zeit an meine Finisher-Medaille. Das war ein ganz großer Tag in meinem Leben!