Einmal zusammen laufen …

Wir sind eigentlich startbereit - Ines und ich. Eine halbe Stunde dauert’s noch, und so stehen wir ein bisschen unschlüssig im Zielbereich vor der Festhalle von Kressbronn herum. Ines wird versuchen, den Halbmarathon im Wettkampftempo zu laufen - als weitere Vorbereitung auf ihren ersten Marathon im Oktober. Für mich geht es neuerlich um einen „langen Lauf“ über die Marathondistanz. Also muss sie alles geben, und ich kann in gemütlichem Tempo laufen. Bis zu dieser Minute kamen wir nicht auf die Idee, unsere Kilometerschnitte für diese Vorgaben zu vergleichen: Ich „darf“ etwa 15 bis 20 Sekunden auf den Kilometer länger brauchen als Ines. Natürlich kommt bei dieser relativ geringen Differenz sofort der Gedanke auf, einmal einen Wettkampf zusammen zu laufen. Die Möglichkeit hatten wir noch nie, und die Chance wird wohl auch so schnell nicht wiederkehren.

Gesagt getan: Zwanzig Minuten später stehen wir im letzten Drittel des dicht gedrängten Läuferfeldes und warten auf den Startschuss. Das Wetter ist unerwartet gut - zu gut! Neben einer hohen Luftfeuchtigkeit lacht auch noch die Sonne vom Himmel und beschert uns ca. 22°C. Ich habe vor, auf dem ersten Streckenabschnitt mit Ines zusammen etwas schneller als nötig zu laufen und mich dann auf dem zweiten Teil zu schonen. In Ines’ Gesicht kann ich lesen, wie sehr sie sich über die unverhoffte Möglichkeit eines gemeinsamen Lauferlebnisses freut … Ich blicke über den großen Pulk der Läufer vor uns - insgesamt stehen hier etwa tausend Läufer. Ich fürchte, wir haben uns ein wenig zu weit hinten rein gestellt. Dann fällt der Startschuss, und mit lautem Jubel machen sich die Läufer auf den Weg. Es dauert einige Zeit, bis wir in leichten Trab fallen und die Startlinie überlaufen können. Beim Trab bleibt es auch in den Straßen des Ortes. Die Enge im Läuferfeld verhindert, dass wir Tempo aufnehmen können. Nur langsam zieht sich das Feld auseinander. Es entstehen kaum Lücken, Überholen bleibt die Ausnahme. Ich versuche es immer wieder einmal. Aber dabei verliere ich Ines aus den Augen und muss warten, bis sie aufgeschlossen hat. Ein sehr mühsames Geschäft. Schon bald biegt die Läufermenge auf schmale Neben- und Radwege ab - das Feld läuft weiter dicht an dicht.

Man muss sich vorsehen, um niemanden zu treten. Gerade kämpfen sich zwei Läufer von hinten durch und quetschen sich an Ines vorbei. Der zweite ist unvorsichtig und trifft Ines am Fuß, worauf sie einen Laut des Erschreckens von sich gibt. Wenn sie jetzt ins Straucheln gekommen wäre … Die erste Kilometertafel haben wir übersehen, Kilometer 2 kommt in Sicht. Mehr als zwei Minuten hinter der Zeit! Ich meine ihr das mitteilen zu müssen, weil ich glaube, dass nur das „Überholproblem“ für unser Tempo ursächlich ist. Aber sie hat selbst eine Uhr, und so hätte ich besser den Mund gehalten. Sie fühlt sich unter Druck gesetzt und macht ihrem Unmut Luft. Jetzt müsste mir klar sein, dass es heute bei ihr nicht läuft - absolut nicht! Von Anfang an schmerzen ihre Beine und bringen einfach keine Leistung. Schon die leichten Anstiege auf den ersten zwei Kilometern hat sie heftig in den Beinen gespürt, wie sie mir später im Ziel erzählt. Vielleicht verträgt sie die Wärme nicht, vielleicht ist es etwas anderes …

Nach 2,5 km die erste Verpflegungsstation: Ich ahne eine Hitzeschlacht voraus und trinke stehend drei Becher Wasser. Ines ist weiter gelaufen ohne zu trinken - wie vorher abgesprochen. Ich hole sie nach ein paar Minuten und etlichen Überholmanövern ein. Immer wieder versucht sie das Tempo zu verschärfen und hält es doch nur ein paar Minuten durch. Ziel ist jetzt der Uferweg des naturgeschützten Flüsschens Argen. Der Weg führt zunächst etwa einen Kilometer flussaufwärts, danach 6 km am gegenüberliegenden Ufer bis zum Bodensee, dort über eine Fußgängerbrücke und wieder flussaufwärts zurück. An der Einmündung des Radweges in den Uferweg ist die nächste Verpflegungsstation aufgebaut. Hier werde ich mich von Ines nach der ersten Uferrunde trennen müssen. Sie trinkt, also bleibe ich gleichfalls auf einen Becher Wasser stehen. Weiter geht’s, und ich bin mit jedem Meter mehr überwältigt! Unter hohen Bäumen liegt die Laufstrecke im kühlen Schatten. Und das wird fast auf der kompletten Flussschleife so sein! Der Weg ist jetzt nicht mehr asphaltiert aber meist gut zu laufen. Eine wunderschöne Laufstrecke ist das! Selbst im Glutofen des vergangenen Juli müssen hier am Nachmittag noch erträgliche Temperaturen zum Joggen eingeladen haben.

Nach nur einem Kilometer steht der Wechsel der Uferseite an - eine Straßenbrücke wurde zu diesem Zweck halbseitig gesperrt. Auf der anderen Seite tauchen wir sofort wieder im schattigen Uferweg flussabwärts ab. Ines’ Gesichtsausdruck ist konstant angespannt - es geht ihr nicht sonderlich gut. Daran ändern auch die zwei Läufer im Hasenkostüm nichts, hinter denen wir eine Zeitlang herlaufen. Bei allen Zuschauern ernten sie wohlwollendes Gelächter und Beifall für ihre „Schwitzeinlage“. Ines und ich sind uns einig: Wir würden den Hitzetod sterben in dem plüschigen Pelz …

Eben, zwischen Kilometer 6 und 7, haben wir den Marathonabzweig passiert. Hier werde ich nachher auf eine 10 km Extrarunde geschickt. Es bleibt dabei, Ines kommt nicht auf Touren. Jeder ihrer Versuche schneller zu laufen verläuft nach Minuten im Sand des Uferweges … Heute habe ich den Pulsmesser angelegt. Für mich ein Novum während eines Marathonlaufes. Aber es soll ja „nur“ ein langer Trainingslauf werden, und ich wollte mit dem Pulsmesser verhindern, mich von der Tempojagd anderer anstecken zu lassen. Die augenblickliche Pace liegt knapp unterhalb der 70%-Marke meines Maximalpulses. Etwas schneller wollte ich schon laufen. Aber Ines jetzt allein zu lassen kommt auch nicht in Frage. Folglich werde ich erst nach der Trennung von Halbmarathon und Marathon das Tempo erhöhen.

Die Strecke hat auf dieser Uferseite des Flüsschens leichtes, insgesamt kaum spürbares Gefälle. „Hindernisse“ in Form dreier Brücken über das Flüsschen verlegen uns dennoch den Weg. Im „Auf und Ab“, die Fahrbahn querend, oder drunter durch, wie beispielsweise an der Eisenbahnbrücke, werden sie überwunden. Diese „Einlagen“ machen Ines zu schaffen - sehen kann ich es nicht - ich spüre es einfach.

Schon eine ganze Weile liefere ich mir ein „Duell“ mit einer „pferdeschwänzigen“ Läuferin. In meinem Bestreben, mit Ines auf gleicher Höhe zu laufen oder kurz hinter ihr, ist mir die „Blonde“ mehrmals im Weg. Aber jedes Überholmanöver meinerseits kontert sie mit einem eigenen. Und danach läuft sie mir - wieder langsamer werdend - vor den Füßen `rum. Das ist schon ein bisschen nervig.

11 Kilometer sind gelaufen, der Läuferstrom biegt auf die Fußgängerbrücke über die (den?) Argen ein. Zig trappelnde Läuferfüße haben das Brücklein in heftige Vertikalschwingungen versetzt. Gerade erhasche ich noch einen Blick über die Flussmündung hinaus auf den Bodensee. Dann muss ich mich auf meine Schrittfrequenz konzentrieren und sie dem Schwingen der Brücke anpassen. Trotzdem setze ich meinen Fuß einmal just in dem Moment auf, als die Brücke nach oben schwingt und bekomme einen unangenehmen Stoß verpasst. Die davon ausgehende Welle spüre ich bis unter die „Schädeldecke“. Zum Glück dauert dieser Spuk aber nur Sekunden, dann hat uns das „Festland“ wieder.

Sie muss kämpfen und kann die schöne Landschaft nicht genießen - ausgerechnet heute, auf dieser herrlichen Naturstrecke ein Tiefpunkt! - Zum zweiten Mal muss ich ausscheren und meiner Notdurft nachgeben. Ich hatte mich verrechnet und für eine Strecke, die ständig im Schatten verläuft, zu viel getrunken. Kein Problem, die Zeit ist wirklich von drittrangiger Bedeutung, ich möchte nur deutlich unter vier Stunden im Ziel sein (ein bisschen Ehrgeiz muss dann doch sein …). Kilometer 15 vorbei, dann 16: Es kann nun nicht mehr lange dauern, bis ich mich von Ines trennen muss. Ein Grillplatz, bei diesem schönen Wetter gut besucht, lenkt die Blicke auf sich. Zwei Minuten später muss Ines nach rechts abbiegen. Ich wünsche ihr Glück und geb’ ihr einen liebevollen „Abschiedsklapps“ auf den Po. Dann ist sie weg - auf schon bekannter Route zurück nach Kressbronn.

Schlagartig ist die Laufstrecke menschenleer. Nur etwa jeder achte Teilnehmer rennt gleich mir geradeaus weiter. Die nächsten Minuten richte ich meine Aufmerksamkeit auf den Pulsmesser. Wie geplant forciere ich das Tempo und pendele den Puls bei etwa 80% maximaler Herzfrequenz ein. Es sind noch 25 km zu laufen, und ich glaube dieses Tempo ins Ziel bringen zu können, nachdem ich jetzt 17 km weit meine Kräfte geschont habe. Zugleich steht fest, dass ich mit meiner nun höheren Geschwindigkeit das Feld von hinten „aufrollen“ werde. Darauf freue ich mich, weil meine Erfahrung weiß, dass jeder überholte Läufer neue Kräfte mobilisiert. Das ist nur die Psyche, ganz klar. Aber die Widerstandskraft gegen Ermüdung ist genau dort in der „Birne“ angesiedelt.

Zum zweiten Mal überwinde ich die halbseitig gesperrte Straßenbrücke und überhole dabei zwei Läufer. Streckenposten spenden Beifall. Flussabwärts laufe ich auf den Marathonabzweig zu. Der Puls bleibt konstant, ich fühle mich gut und stark. - Ach nee! Da ist ja auch wieder die blonde, pferdeschwänzige Läuferin! Ein wenig Genugtuung kann ich nicht unterdrücken, als ich nun mit deutlich höherer Pace an ihr vorbeiziehe. Diesmal wird sie nicht kontern können, um mich anschließend zu behindern.

Schon von weitem erblicke ich den Streckenposten, der alle Marathonis auf die Extraschleife schickt. Das Flüsschen mit seinen Bäumen zu verlassen heißt in der Sonne laufen zu müssen! Zwischen Obstplantagen und über kiesig-schotterig-holprige Feldwege laufend, hoffe ich auf den Wald. Schon kommt mir der führende Marathoni entgegen, einer dieser sehnigen, dünnen, mittelgroßen Typen. In der Sonne legt der Pulsmesser ein paar Schläge zu. Soll er - ich halte mein Tempo. Mit Überholmanövern und Beobachtungen zur Apfelernte „vertreibe ich mir die Zeit“ … Kilometer 19: Zweihundert Meter Straße müssen „überlebt“ werden. Zwar stehen an Anfang und Ende Polizisten, gesperrt ist die Route aber nicht. Einen rücksichtsvoll bremsenden Autofahrer grüße ich mit deutlicher Dankesgeste beim Queren der Fahrbahn. Vor einem Gehöft fährt mir ein leichter Anstieg spürbar in die Beine. Zur Belohnung winkt jedoch dahinter der Kühlung versprechende Waldrand. Zu früh gefreut! Zwar ist es hier angenehm temperiert, dafür malträtiert grober Kies meine Fußsohlen. Ich verschwinde im Forst. Umfangen von Wohlgeruch und kühler Luft nehme ich eine leichte Steigung. „Brettl’eben“ - wie man in Bayern sagt - und schnurgeradeaus geht es auf festem, glattem Waldweg dahin. Laufen ist einfach „geil“!

Kilometer 21 und ein bisschen was: Der Halbmarathon ist geschafft, die Uhr zeigt um die zwei Stunden Laufzeit. Wenn ich die Geschwindigkeit durchstehe, werde ich keine Schwierigkeiten haben, unter vier Stunden im Ziel zu sein. Ein Verpflegungsstand mitten im Wald: Für einen Becher Wasser bleibe ich einen Moment stehen. Hier geht es scharf links ab und dann längere Zeit geradeaus. Bei Kilometer 22 lese ich meine Uhr ab, um auf den nächsten tausend Metern meine Geschwindigkeit zu ermitteln … Fünf Minuten sind längst um und noch immer keine Kilometertafel in Sicht. Wurde die hier vergessen oder eingespart? Nach mehr als sechs Minuten und hinter der nächsten Rechtsbiegung kommt sie dann, die „23“! Nein, nein, Leute, wer immer die auch hier platziert hat, mit Messgeräten kann der nicht umgehen. Dafür scheint dann wieder die nächste korrekt positioniert. Bei Kilometer 24 errechne ich eine Pace von 4:40 min/km. Das ist verdammt schnell - vielleicht sollte ich ein wenig „Dampf“ rausnehmen!?

An der nächsten Kreuzung, dem äußersten Punkt der Strecke, notiert ein Posten die vorbeilaufenden Startnummern. Kurz davor erfährt mein Kräftedepot wieder einen netten Zuwachs: Zwei weitere Läufer überholt. Ich schnappe mir am bekannten Verpflegungspunkt einen weiteren Becher Wasser. Ab jetzt geht es auf bekannter Strecke zurück zum Flüsschen. In Höhe von Kilometer 25 kommt mir ein deutlich übergewichtiger und heftig kämpfender Marathoni entgegen - der letzte Läufer des Marathonfeldes. Zurück am Waldrand (Aua! Wieder über die unangenehmen Kiesel), hinaus in die Sonne, vorbei am Gehöft, leicht abwärts und auf das Straßenstück zu. Ein paar hundert Meter genießen die Füße den glatten Asphalt, dann links ab und zurück zwischen Apfelplantagen … Nach 27 Kilometern hat mich der (die?) Argen mit ihrem Uferweg wieder. Weiter vorne kommen neuerlich ein paar Läufer in Sicht, die sind jetzt natürlich „dünn gesät“. Wegen der dauernden Überholmanöver habe ich so gut wie immer ein „Zwischenziel“ vor Augen. Den überholen, dann den und schließlich den auch noch. Und schon taucht in der Ferne ein weiterer Läufer auf … Vorhin tauschten sich zwei Läufer, die ich hinter mir ließ, über meine unerwartet hohe Geschwindigkeit aus. Ich verstand nicht was der Erste sagte, dafür aber die Entgegnung des Zweiten: „Der hat sich seinen Lauf besser eingeteilt als wir.“

30 Kilometer: Ich kalkuliere meine Endzeit und komme auf ca. 3:45, wenn ich die Geschwindigkeit halte. Kann ich sie halten? Die Energie fließt stetig, ich spüre noch keine Barriere. Aber Füße und Beine schmerzen bereits mehr, als sie das zwölf Kilometer vor dem Ziel sollten. Wird schon gehen - weiter! 32 Kilometer: Ein letztes Mal über die Fußgängerbrücke zurück ans Kressbronner Ufer. Für zwei Sekunden ist mir der Blick auf den ruhig in der Nachmittagsflaute liegenden Spiegel des Bodensees vergönnt. Diesmal wippt die Brücke nur leicht, darüber zu joggen ist trotzdem nicht besonders angenehm. Mein Laufapparat sendet immer heftigere Schmerzsignale. Ok, das ist eben jetzt so. Immerhin bin ich mit 90 Trainingskilometern in dieser Woche hier angetreten und im Ziel werden es über 130 sein. Kraft ist da, also durchhalten. Es tut weh aber nicht dramatisch. So lange mir die herrliche Flusslandschaft noch gefällt, kann es nicht wirklich schlimm sein … 33, 34, 35 weiter und weiter und weiter. Läufer um Läufer lasse ich hinter mir. Einige haben sich an diesem Tag übernommen und müssen zeitweise gehen. Sicher eine deprimierende Erfahrung, die ich gottlob nie machen musste.

36, 37: Da ist wieder der Grillplatz! Die aufsteigenden Rauchfahnen signalisieren mir das baldige Ende der Flussrunde. Da kommt auch schon der Verpflegungsstand. Beinahe entrüstet ruft man mir ein „Wasser, Wasser!“ hinterher, da ich die angebotenen Becher verschmähte. Aber vier Kilometer vor dem Ziel halte ich zum Trinken nicht an, für den Lauf bringt das nichts mehr. Der Schattenteil ist zu Ende. Auf den Radwegen, zwischen Obstplantagen und durch die Häuserzeilen treibt mir die höhere Lufttemperatur noch einmal heftig den Schweiß aus den Poren. Aber dafür ist der Rest des Weges asphaltiert, worüber sich meine jetzt wirklich „schreienden“ Beine freuen. Kraft fehlt nicht, aber die Koordinationsfähigkeit meiner Laufwerkzeuge ist durch Ermüdung eingeschränkt. Alle Bewegungen verlaufen „eckiger“ und ich werde langsamer. Aber das macht nichts. Es ist ein Trainingslauf und ich werde trotzdem unter 3:50 ins Ziel kommen. Wieder ein paar Läufer überholt. Vor mir rennt einer mit großer Bandage. Sein Arm ist mit einer Art Verband am Oberkörper fixiert. „Hat’s dich hingeschmissen?“ unterstelle ich mitfühlend im Vorbeilaufen. Darauf er: „Schon vor 14 Jahren!“ Ich verstehe: Also eine ziemliche Behinderung. „Toll, dass du trotzdem läufst! Mach’s gut!“ rufe ich ihm noch zu.

„Noch 3 km“ haben sie auf die kleine Tafel gedruckt. Es steht schon eine Weile fest: Mein dreizehntes Marathon-Finish ist nicht mehr aufzuhalten! - „Noch 2 km“: Ich muss „beißen“, es tut einfach weh jetzt. Ist nicht schlimm, ist ja auch gleich vorbei, zehn Minuten noch. Noch einen Läufer überholen. Der hat Begleitung durch eine Radlerin. Dann liegt da ein Fotograf auf dem Radweg und visiert mich an. Ok Udo, mach ’ne brauchbare Figur! Ich bin sicher, dass ich gelächelt habe! Nur ist davon nichts auf dem Bild zu sehen!? - „Noch 1 km“: Ich bin zurück in Kressbronn und „lerne noch ein paar neue Straßen kennen“. Rechts rum, noch mal rechts, dann wieder halblinks, über einen Platz (Boaaah, tun meine Beine jetzt weh, egal, ganz egal …). Da stehen zwei Feuerwehrleute: „Wo geht’s lang?“ „Da runter, gleich hast du’s geschafft, noch 300 Meter, Super!“. Dann sehe ich auch schon das Spalier der Zuschauer und biege unter lautem Klatschen, versorgt mit etlichen Bravos, um die letzte Ecke. Meine finalen 50, 60 Meter reichen dem Mann am Mikro um Namen und Zeit anzusagen: „Da kommt die Startnummer 1178, das ist Udo Pitsch, und die Zeit 3:47:55“.

Am Ende der Einlaufgasse erwartet mich Ines. Sie hat ihren Halbmarathon mit Anstand aber in einer für ihren Trainingsstand indiskutablen Zeit (2:06:21) zu Ende gebracht. Entsprechend enttäuscht wirkt sie. Doch kurze Zeit später zeigt ihr Stimmungsbarometer wieder steil nach oben. Laufen mit Ambition erfordert eben auch Niederlagen gegen sich selbst wegstecken zu können …