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  Das  Laufjahr  2024  

Bislang stand mein läuferischer Jahresrückblick unter der Titelzeile „Unser Laufjahr“. Nun ersetzt „da oben“ ein steriler Artikel das Pronomen: „Das Laufjahr 2024“. Die Änderung ist der Verengung des läuferischen Blickwinkels geschuldet, die ich seit Längerem, überwiegend aber im abgelaufenen Jahr, hinnehmen musste. Das „unser“ schloss meine eigentlich laufbegeisterte Frau ebenso ein, wie Roxi, die Laufpartnerin zahlreicher Jahre auf vier Pfoten. Einzeln, in wechselnden Tandems, seltener als Trio spulten wir heimatnah, zuweilen auch in Volksläufen viele Streckenkilometer ab. Bedauerlicherweise habe ich beide Mitstreiterinnen inzwischen verloren.

Gestolpert, ...

Schon im vorletzten Jahr streifte sich Ines nur noch versuchsweise Laufschuhe über, um stets nach kurzer Zeit von Schmerzen an der Fußsohle geplagt zu werden. Kein medizinischer Ansatz führte seither zur Heilung. Im gerade beendeten Jahr steht kein einziger Laufkilometer für Ines mehr zu Buche. Sie sucht ihr sportliches Heil mittlerweile im Krafttraining und in der Nutzung ihres Drahtesels, wann immer möglich. Ausgeschlossen ist ihre Rückkehr auf Laufstrecken nicht, aus heutiger Sicht aber eher als unwahrscheinlich einzustufen.

... gestürzt, ...

Meine vierbeinige Gefährtin auf fast allen Laufwegen, die stets gut gelaunte Hundedame Roxi, zog sich bereits vorletztes Jahr aufs verdiente Altenteil zurück. Und doch war Roxi immer mit von der Partie: Auf Strecken, die wir zigmal als Duo unter Füße und Pfoten nahmen, war mir oft als gewahrte ich ihren Schatten im Augenwinkel. Wo ich erstmals entlang joggte, vor allem in Wettkämpfen, taxierte ich die Route stets auch dahingehend, ob sie für Roxi geeignet gewesen wäre. Und dann, im Juli, mussten wir den guten Geist an unserer Seite, die wunderbare Roxi, im Alter von fast 17 Jahren gehen lassen … Bis zum heutigen Tag ist der Schmerz über diesen Verlust akut; und wird, wenn ich das richtig einschätze, nie zur Gänze abklingen (Siehe auch den Nachruf auf meine Laufgefährtin Roxi).

Laufjahrstatistik
Gelaufene Kilometer: 1.117
Trainingstage: 123
Krafttrainingstage: 82
Krafttrainingstage pro Woche: 1,58
Wettkämpfe: 6
- davon Marathon: 6
- davon Ultra: 0
Wettkämpfe (M/U) gesamt: 368

Wenn ich also läuferisch das abgelaufene Jahr Revue passieren lasse, dann geht es nur noch um Udos Erlebnisse und Erfahrungen. Und die waren einer weiteren - auch im wahren Sinne des Wortes: schmerzhaften - Zäsur unterworfen. Nach sechs Marathonläufen vom Dreikönigstag im Januar bis Anfang März stoppte eine Verletzung des Innenmeniskus im linken Knie abrupt alle weiteren Langstreckenträume. Am Tag nach dem vorletzten Marathon, am Neckarufer in Stuttgart, traten die Beschwerden erstmals auf. Mir bis dahin unbekannte Beschwerden, die im Laufe der Woche infolge Schonung wieder verschwanden. Einzig allerdings, um sich eine Woche später erstmals während eines Marathons unüberspürbar zu Wort zu melden.

Die Diagnose meines Sportarztes war eindeutig, der Schaden allem Anschein nach aber nicht schwerwiegend genug, um gleich das ganz große Geschütz „OP“ in Stellung zu bringen. Des Doc‘s konservativer Behandlungsansatz - zunächst: wenig laufen, Dehnübungen, Radfahren, später: Laufpause, medikamentöse Unterstützung - fruchtete jedoch nicht. Im Gegenteil: Nach Wiederaufnahme des Trainings erlebte ich eine „Schmerzexplosion“ im Knie. Nach Überweisung begutachtete einer der führenden Kniespezialisten der Republik, dem zahllose Sportprofis die Wiedererlangung ihrer Beweglichkeit verdanken, meinen Fall. Danach stand fest, dass nur ein (minimalinvasiver) Eingriff dem Malheur beikommen konnte. O-Ton Doc: Säße ich nur im Büro, könnte man das anders angehen. Um jedoch wieder längere Strecken laufen zu können, wäre ein Eingriff unumgänglich. Ende Mai wurde der Schaden operativ und mit guter Prognose behoben. Als Siebzigjähriger machte ich mir jedoch keine Illusionen darüber, dass bis zum ersten Überstreifen der Laufschuhe etliche Wochen ins Land gehen würden. Und noch weniger, was mein Marathon-Comeback angeht. Lange sah es so aus, als könnte ich mich zu Beginn des neuen Jahres wieder meiner Marathonleidenschaft hingeben. In diesem Glauben fühlte ich mich bestätigt, als mir Mitte August, also cirka drei Monate nach dem Eingriff, wieder Laufschritte erlaubt wurden und mein „repariertes“ Gelenk keinen Pieps von sich gab.

... wieder aufgestanden, ...

Dass ich - da schmerzfrei - von trügerischer Zuversicht getrieben die Belastung zu rasch steigerte, erwies sich als fatal. Als erfahrener Laufopa, nach langer Laufpause über keinerlei laufspezifische Robustheit mehr verfügend, die dem lädierten Knie die erforderliche Stabilität verleihen konnte, hätte ich es besser wissen und machen müssen. Nach zwei Wochen, bei fünf langsam gejoggten Kilometern angekommen, stellten sich neuerlich Schmerzen ein. Also legte ich eine weitere etwa vierwöchige Laufpause ein, gefüllt mit vermehrtem Radfahren und teils langen „Märschen“. Im Oktober der zweite Versuch: ängstlich, bedächtig und nur sehr langsam steigerte ich seither das Pensum. Zum Jahresende waren nun wieder Distanzen bis etwa 18 km schmerzfrei möglich. Auf kürzeren Trainingsläufen versuchte ich mit (vorsichtig) intervallartig gesteigerten und gehaltenen Tempi einen Teil der gleichfalls eingebüßten Ausdauer wieder aufzubauen.

Womit ich beim Ausblick aufs neue Jahr 2025 angekommen wäre. Mit einiger Sehnsucht und so konkret wie derzeit möglich formuliert: Irgendwann in diesem Jahr will ich mein Comeback auf der Marathonstrecke feiern; ohne Tempoanspruch und ohne schon jetzt auf Distanzen jenseits der Marathonstrecke zu schielen. Damit ist zugleich das einzige Laufziel im anbrechenden Jahr formuliert! Ein durchaus realistisches Vorhaben, wenn mich die gegenwärtige „Kniewahrnehmung“ beim und nach dem Training nicht irreführt. Der „instandgesetzte“ Meniskus kooperiert, von dem einen oder anderen wirklich nur kurzen, offensichtlich unbedeutenden Zwicken abgesehen. Emotional verabscheue ich natürlich jede noch so flüchtige, ungute Regung an der operierten Stelle. Rational interpretiere ich das Zwicken als Hilfestellung. Es erinnert mich Mal um Mal an die noch fragile Verfassung meines Laufapparates. Auf diese Weise werde ich daran gehindert wie früher dem Leistungsgedanken die Trainingshoheit zu überlassen. Mein Ehrgeiz lebt noch, nahm nicht im Mindesten Schaden, hielt sich nur ein paar Monate bedeckt und würde mich nur zu gerne zur nächsten Narretei verleiten.

... weiterlaufen!

Eine weitere, wunderbare Chance tat sich unvermittelt fürs neue Jahr auf. Es gibt wieder einen Hund in unserem Leben, der fix bei uns bleiben wird! „Bobi“ kam Ende November als Pflegehund aus Bosnien zu uns und sollte wie seine sechs Vorgänger in ein endgültiges Zuhause vermittelt werden. Doch schon nach wenigen Tagen war ich unrettbar in dieses herrliche Geschöpf verknallt. An Weihnachten machten wir uns „Bobi“ gegenseitig zum Geschenk! „Bobi“ trägt - unter anderen - die Gene eines Kroatischen Schäferhundes in sich, wovon sein rabenschwarzes, weiches, stellenweise krauses Fell und die kurze Rute Zeugnis ablegen. Darüber hinaus besticht unsere neue Fellnase durch Lern- und Leistungswillen. Ein Schmuser vor dem Herrn isser überdies, stets menschliche Nähe suchend, physisch stark und explosiv, ein quicklebendiges Wesen von zweieinhalb Jahren. Erste gemeinsame Joggs verliefen erfolgversprechend. Allein die noch erforderliche Leine trübt den gemeinsamen Laufspaß. Auf dieses Lenkungsinstrument werden wir verzichten, sobald Bobi sicher abrufbar ist.

Bobi zu meinen Füßen vorm genesenden Knie, Roxi auf ewig im Geiste dabei - das alte Jahr klingt vielversprechend aus, lässt mich auf etliche, wunderschöne Laufkilometer hoffen.