Unser Laufjahr 2016 |
Hoffen, Bangen und ErfolgeWir erhofften uns beide viel vom beginnenden Jahr, wenngleich auf unterschiedlichen Distanzen und wohl auch mit differierendem Ehrgeiz. Ines wollte den Aufwind vom Oktober 2015 nutzen, als sie ihren bisher schnellsten Marathon in vier Stunden absolvierte, um ihre Bestzeit auf der Halbmarathondistanz zu verbessern. Und ich selbst unternahm nichts weniger als den Versuch mir die Krone des Ultralaufsports aufzusetzen: Anlässlich des "Spartathlons 2016" ging es darum 246 km weit von Athen nach Sparta zu laufen! Klar formulierte Ziele, denen allerdings unklare Realisierungschancen gegenüberstanden. Würde Ines mit den härteren Anforderungen eines 1:50 h-Halbmarathontrainingsplans zurechtkommen? - Und was mich angeht: Würde ich den hoffnungsvoll begonnenen Aufbau nach schwerwiegender Verletzung wie geplant fortsetzen können? Lauferfolg = Physis + mentale Stärke + richtige Wettkampftaktik!
Wider Erwarten konnte sie an diesem nasskalten Sonntag auf eine phänomenale Tagesform bauen. Bis kurz vorm Zielbanner war Ines sicher mit kleinem Zeitpolster gut in der Zeit zu liegen. Nichtverstehen und sogar ein wenig Entsetzen standen ihr dann ins Gesicht geschrieben, als sie auf die Uhr der offiziellen Zeitmessung zulief, die bereits die 1:50h-Marke überschritten hatte! Bis heute fand sie keine Erklärung, wie das passieren konnte. Ein taktischer Fehler muss vorgelegen haben - nur welcher? Dass auf dem Darß mehr drin gewesen wäre, beweist alleine schon ihre zweite Bestzeit binnen einer Woche: Nach diesmal 1:50:50 h blieb die Uhr für Ines stehen. Taktischem Missgeschick zum Trotz wieder Grund zum Feiern! Den Rest des Laufjahres 2016 schaltete Ines dann auf reines Gesundheits- und Genusslaufen um. Keine Trainingspläne mehr, Laufen "frei Schnauze". Damit lässt sich natürlich nicht bewahren, was in Büchern als "Wettkampfform" bezeichnet wird. Ist das wichtig? - Als "Coach" antworte ich mit einem eindeutigen "nein". Entscheidend ist kontinuierlich und regelmäßig, also ohne längere Unterbrechungen, zu trainieren. Von der damit bewahrten Ausdauerbasis aus lässt sich jederzeit ein forderndes, zielgerichtetes Training starten. Alles in allem blickt Ines mit Zufriedenheit auf ihr Laufjahr zurück. Ein weiter, unfassbar harter Weg Mein Anlauf auf den "Olymp" der Ultraläufer begann im Januar mit einem Marathontrainingsplan. In den ersten Wochen des Jahres meinte ich noch "Restbeschwerden" des überwundenen Ermüdungsbruchs zu spüren, die sich erfreulicherweise jedoch bald verloren. Sehr vorsichtig ging ich beim ersten Aufbauwettkampf in Fürth (März) zu Werke, beschied mich mit einem Marathon, obwohl auch die Option 6h-Lauf im Raum stand. An den wagte ich mich erst zwei Wochen danach in Nürnberg, sammelte dabei - mit einiger Zurückhaltung - 55 km. Meine Erfolgskurve schien nur einer Orientierung zu folgen: vorwärts-aufwärts. In der Woche nach Nürnberg erlitt ich dann Einrisse an der Netzhaut des linken Auges. Das stand zwar in keinem ursächlichen Zusammenhang mit sportlicher Aktivität, bescherte mir dennoch verheerende 17 Tage Laufpause. Zeit, die hoffentlich reichen würde, um die mit Laser verschlossenen Einrisse ausheilen zu lassen ... Die von dieser Zwangspause ausgehende "Ausdauerdelle" traf mich weniger hart als die neuerliche Verunsicherung: Nun bedrohte eine weitere Körperbaustelle den Start beim "Spartathlon" Ende September. Wer die verbleibenden vier Monate Vorbereitung als beruhigendes Zeitpolster interpretiert, verkennt meine damalige Situation: Erst etwa Mitte Mai überstiegen meine Wochenumfänge erstmals die 100 km-Marke. Und Anfang September musste ich bei weit über 200 km-Wochenpensum angekommen sein, wollte ich meine Chance auf ein "Spartathlon-Finish" wahren. In der Folgezeit reihte ich Wettkampf an Wettkampf, mit nur wenigen Ausnahmen an jedem Wochenende bis Ende September!! Immer weiter und länger, oft über Nacht, auf brutalen Crosstrecken ebenso, wie über endlose Straßen. Tausende Höhenmeter waren zu überwinden und stets stand die Frage im Raum, ob und wie lange mein Körper diesen Anforderungen standhalten würde. Die Trainingsläufe zwischen den Aufbauwettkämpfen bestanden nun nur noch aus Dauerläufen. Für das vor der Augenerkrankung einmal pro Woche praktizierte Tempotraining (Intervalle oder Fahrtspiel) fehlte mir schlichtweg die Kraft. Fraglos zeigte mein Formbarometer steil aufwärts. Das war vor allem daran abzulesen, dass mein Körper es trotz steter Steigerung von Wettkampfdistanz und Wochenpensum immer wieder schaffte sich zu erholen. Schließlich, nach 3.722 Trainingskilometern, davon 1.550 km in 21 Aufbauwettkämpfen, fühlte ich mich dem "Spartathlon" gewachsen. Beschwerden am rechten Großzehgrundgelenk, die sich drei Wochen vorher einstellten, konnte ich mit Kältebehandlungen niederbügeln. Allerdings verunsicherte mich dieses erste Zipperlein seit meiner Augenerkrankung derart, dass Spannung und Unruhe mit jedem Tag wuchsen und kurz vor Tag X kaum noch zu ertragen waren. Der Lohn meiner Mühen ist bekannt: In 34:47:52 h lief ich von Athen nach Sparta. Zweifellos ein grandioser Erfolg. Nur nicht mit der erhofften "Leichtfüßigkeit" errungen - auch wenn dir diese Wortwahl angesichts der gigantischen Strecke merkwürdig im Ohr klingen mag. Sie erklärt sich so: In einer läuferischen Sternstunde bewältigte ich 2014 die "100 Meilen von Berlin" in einer für mein Alter fantastischen Zeit. Diesen sensationellen, sportlich mit Abstand besten meiner Wettkämpfe empfand ich mehr als beständiges "Fliegen", ohne die übliche "Bodenhaftung" beim Laufen. Hart und auszehrend waren jene 160 Kilometer auch. Doch konnte ich dort mein forderndes Tempo über die gesamte Distanz ohne Einbruch durchziehen, absolut beschwerdefrei und ... leichtfüßig. Von einer weiteren derartigen Sternstunde werde ich künftig immer träumen, wenn ich zu meinem Saisonziel aufbreche. Wissend, dass sie sich wahrscheinlich nicht erfüllen wird; so eben auch nicht in diesem Jahr zwischen Athen und Sparta. Und doch gelang mir beim "Spartathlon Ultra Race" meine bisher gewaltigste Leistung. Nicht nur in den Augen der (Ultra-) Läuferwelt, sondern auch nach eigener Einschätzung. Seitdem bin dich damit beschäftigt zu begreifen, was ich dort in Griechenland tatsächlich zuwege brachte. Und die Verarbeitung aller Erlebnisse - davor, dabei und danach - ist noch lange nicht abgeschlossen ... Sammelleidenschaft Seit Ultraläufe zu meiner Domäne wurden, setze ich mir in jedem Jahr ein Saisonziel. 2016 war das der "Spartathlon", 2015 die "Deutsche Meisterschaft im 24 Stundenlauf", 2014 die "100 Meilen von Berlin", usw. Daneben verfolge ich Dauerziele. Eines lautet "Marathons sammeln". Marathon oder weiter und das so oft wie möglich. In diesem Jahr konnte ich meinem Konto 25 Bewerbe hinzufügen und schaue nun auf 180 mindestens marathon-lange Lauferlebnisse zurück. Unschwer zu erraten, welches Ziel - unter anderen - ich mir für das kommende Jahr setze ...
Somit entsprechen meine 4.571 Jahreskilometer ungefähr einer Laufzeit von 460 Stunden. In diesen 460 Stunden setzte ich 460 x 700 kcal = 322.000 kcal um. Teilt man diesen Wert durch 7.000 kcal, dann erhält man 46 kg Lebendgewicht. In anderen Worten: Über alle Trainings und Wettkämpfe verbrauchte ich 322.000 kcal und verlor damit fast einen Zentner Körpermasse ... Eigentlich erstaunlich wenig für einen der so viel läuft - oder?
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